Storchenkamera
Storchentagebuch 2002
...was bisher geschah
Teil 9
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4. Mai 02
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Nutzen wir die Gelegenheit, so
lange noch Zeit dafür ist!
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Dauerregen und gerade einmal 10°
Lufttemperatur: So gestalten sich die reinen Wetterdaten für
den heutigen ersten Samstag im Wonnemonat Mai. Da möchte man
keinen Hund vor die Tür jagen! Auffällig häufig vollführten
heute wieder die Münsterdohlen Besuche am
Storchennest. Und wie zu besten Zeiten konnte einmal
gleichzeitig ein ganzes Dohlenquartett bei der Plünderung
ertappt werden. |
Doch es ereignete sich auch in Storchendingen Erfreuliches. Nach einem
Tag ohne Storch konnte heute wieder ein Paar für kurze Zeit
gesichtet und in wunderschönen Schnappschüssen von Helmut
Wilfling dokumentiert werden. Es war genau um 15:37 Uhr, als die
beiden Störche kurz nacheinander im Nest landeten und ihre
Besitzansprüche durch lautes Klappern verdeutlichten.
Die Parallelität der Ereignisse zum 2. Mai (siehe Tagebucheintrag)
lässt mich vermuten, dass es sich bei den heutigen Besuchern um das gleiche
Paar wie am vergangenen Donnerstag gehandelt haben könnte.
Dieser Eindruck verstärkt sich noch dadurch, dass ein Partner des
Paares – wie am 2. Mai – einen Ring links über den Zehen trug,
der von Art und Aussehen dem Vergleichsstorch gleich kommt.

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Der Ringträger war in beiden Fällen der männliche Partner und das dazu
gehörende Weibchen war jeweils unberingt. Nachdem der
beringte Storch schon nach wenigen Minuten das Weite suchte,
flog sein Partner erst nach etwa 20 Minuten um 15:58 Uhr ab. |
Na, immerhin! Hat doch heute Nacht wieder einer
unserer gefiederten Freunde im Nest übernachtet. Ich kam
erst gegen 22:10 Uhr an meinen PC und sah bei noch eingeschalteter
Stadtbeleuchtung eindeutige Bewegungen und zwei Beine vor der hellen
Silhouette der dem Nest gegenüber liegenden Paulskirche. Es wird
doch nicht etwa doch...? Aber nicht schon wieder falsche Hoffnungen
wecken!.
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5. Mai 02
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Unser Übernachtungsgast
konnte bei einsetzender Morgendämmerung von der treuen
Website-Seherin Nancy aus Philadelphia um 5:55 Uhr noch im Nest
gesichtet werden. Irgendwann danach muss er abgeflogen sein, denn
als Ihr Tagebuchschreiber gegen 7:30 Uhr seinen Sonntagmorgen
begann, war das Nest leer, jedoch deuteten einige strahlend weiße Kotspritzer
auf die Anwesenheit von Meister Adebar hin. Da nicht nur Störche,
sondern auch Storchenexperten einer Morgentoilette bedürfen, blieb
mein Platz am Schreibtisch für einige Minuten verwaist. Groß war
die Freude, als beim nächsten Blick wieder ein leibhaftiger Storch
vor mir stand (man wird ja schon bescheiden!). Gegen 7:44 Uhr war er
gelandet. Dass er dabei auf einem Bein stand, ist nun
wirklich nicht besonders schlimm und gibt zu keinerlei Sorge
Anlass. Beim mehrmaligen Kratzen am Kopf konnte einwandfrei
sichergestellt werden, dass Adebar über zwei rote Beine verfügte
und das Verstecken dieses besagten Beines auch nicht im bewussten
Verbergen eines dort angebrachten Ringes einer Vogelwarte begründet
war. Der Besucher zeigte sich nämlich gänzlich ohne derartige
Erkennungszeichen und dürfte mit dem gestrigen Partner des
Ringstorches identisch sein.

Da hab ich doch was gehört? Läuten schon die Glocken?
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Da nutze ich die Zeit, mich noch etwas zurecht zu machen!
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Ungewöhnlich lange (für
unsere Verhältnisse) hielt sich der Sonntagsstorch im Nest auf, ehe
er kurz vor 9:00 Uhr zum Gottesdienstbesuch abflog. Vom Turm
des nahen katholischen Münsters sowie von dem der evangelischen
Paulskirche riefen in diesem Augenblick die Glocken die Gläubigen
zum Gottesdienst und es ist nicht bekannt, in welche Richtung
Meister Adebar sich wandte. Welche Gründe schließlich den Anlass
gaben, so lange dem Nest fern zu bleiben, entzieht sich meiner
Kenntnis. Auf jeden Fall stellte sich gegen 13:30 Uhr der nächste
Interessent ein. Obwohl ich zu dieser Zeit in Mosbach weilte
(Bericht siehe unten), konnte ich bei meiner Rückkehr an einer
neuen beschissenen (verzeihen Sie in diesem Fall meine Fäkalsprache,
sie ist aus literarischen Gründen in diesem Falle nicht zu umgehen)
Stelle, dass diese nur von einem weiteren Kurzbesucher stammen
konnte. Der Gästebucheintrag von Sandra bestätigte dann auch
schnell meine Einschätzung. Was will uns unser Freund sagen? Will
er damit seine Meinung über den Zustand des Nestes ausdrücken? Um
diesem Missstand zu begegnen, gäbe es meiner Meinung nach genug
andere Möglichkeiten, z.B. kräftig bauen. So geht es mit uns aber
nicht! Mit etwas mehr Nestpräsenz und weniger Schweinereien kämen
wir uns schon wesentlich näher.

Beschiss...Lage mit Dohlen.
Der kleine, weiße Fleck neben dem gelben Plastikteil stammt vom
Mittagsbesuch,
der große Rest entstand während der Nacht...
Erwarten wir gespannt die
Abenddämmerung und hoffen wir gemeinsam auf einen neuerlichen Übernachtungsgast.
Viel Spaß!
Erinnern Sie sich noch an den
15./16. März. Damals gab es freudige Nachrichten, denn unser Frühheimkehrer
hatte eine Partnerin gefunden und alles schien auf eine baldige Brut
hinzudeuten. Doch wir hatten die Rechnung ohne die Storchendame
gemacht. Sie entführte in zweiter Instanz das Dinkelsbühler
Männchen zu ihrem Stammnest nach Mosbach bei Feuchtwangen
(siehe Tagebucheinträge vom 15./16. März). Am 1. Mai schließlich
(damals erwartete ich den Schlupf des 1. Kükens) entdeckte ich noch
kein Lebenszeichen im Nest. Doch heute reckten bereits 3 Junge
ihre Hälse hoch, als Papa Storch am Nest erschien, die Storchenmama
sich erhob und unverzüglich ihrerseits zur Nahrungssuche abflog.
Was sich dann ereignete, kann selbst von ungeübten Beobachtern auch
aus einem ungünstigen Blickwinkel zum Nest beobachtet und richtig
eingeschätzt werden. Sind keine Jungen geschlüpft, würde sich der
ablösende Storch nach einigen stochernden Schnabelbewegungen
behutsam im Nest niederlassen. In unserem Fall – es sind Junge
geschlüpft – dauert es meist nicht lange, bis Futter ausgewürgt
wird. Der Kopf ist tief gesenkt und nach wenigen Augenblicken setzen
pumpende und wellenartige Bewegungen ein und das Nahrungsgut plumpst
in das Innere des Nestes. Anschließend richtet sich der fütternde
Altvogel auf und wiederholt gegebenenfalls das Ganze noch ein oder
mehrere Male. Der beste Beweis für das Vorhandensein von Jungen ist
die nach einigen Minuten einsetzende Wiederaufnahme des von den
Jungen nicht gefressenen Futters. Dazu senkt der Altvogel seinen
Schnabel ins Nest, nimmt beispielsweise einen nicht verzehrten
Regenwurm wieder auf und schleudert diesen mit einer ruckartigen
Bewegung des Kopfes in den Rachen. Da dies nach einer Fütterung –
je nachdem wie viel übrig geblieben ist - in schneller Folge
wiederholt wird, ist der Nachweis für junges Leben damit erbracht,
auch wenn man keinen Einblick ins Nest nehmen kann.
Nachtrag zum
5.5.
Unser heutiger Storch scheint
sich nun doch zu einer Art Dauerbrenner zu entwickeln. Er
erschien gegen 19:00 Uhr an seinem „Abendeinstand“ und blieb. Er
verbringt also die zweite Nacht im Nest. Ein weiterer Rekord
seit Mitte März, als das Paar aus Dinkelsbühl verschwand.
Die leidige Diskussion um
den Zustand des Nestes mag einfach nicht verstummen. In den
vergangenen 10 Wochen konnten wir alle Zustandsformen eines
Storchennestes bestaunen. Das perfekte Nest, das sich dem Beobachter
von Mitte Februar bis Mitte April bot (siehe die entsprechenden
Tagebucheinträge), veranlasste ein Paar sogar zum Verlassen
von Nest und möglichem Brutort wie alle späteren Besucher auch von
einem – nach menschlichen Maßstäben – unordentlichen oder
unvollständigen Nest mehr oder weniger nicht angezogen wurden.
Immerhin verbringt der heutige Gast schon den zweiten Tag und die
zweite Nacht in Dinkelsbühl, obwohl das Nest nicht den
Vorstellungen aller Seher entspricht. Dies schaffte in den letzten
fast acht Wochen kein anderer Besucher, obwohl damals das Nest
durchaus höheren Ansprüchen genügte. Vielleicht liegt es nun doch
nicht allein an der Ausstattung eines Nestes, ob dieses besetzt wird
oder nicht. Ich kenne sehr viele Storchenbehausungen, die jedes Jahr
in einen Top-Zustand gebracht werden und jedes Mal interessiert sich
kein „Schwein“ darum. Wenn es so einfach wäre, genügte es ja,
auf jedes zweite Haus eine Ideal-Storchenburg mit integriertem
Internetanschluss und eingebauter Superkamera zu bauen und man
könnte die Storchenpopulationen ins Unermessliche steigern. Nun
entscheiden Gott sei Dank die Störche doch noch selbst darüber, wo
sie brüten wollen oder nicht. Vielleicht liegen die Gründe ganz wo
anders. Probieren wir es einmal mit dem Lebensraum.
Das Einfachste wäre sowieso,
die Störche in Gehegen zu halten, sie am Wegfliegen zu hindern und
rund um die Uhr zu füttern. Kaum ein Vogel ist so leicht zu
züchten, zu füttern und zu manipulieren wie unser Storch. Wer
diesen Storch bevorzugt, muss einen Weg bestreiten, der zu einer „Verhausschweinung“
einer Tierart führt. Dies garantiert guten Bruterfolg, einen engen
Kontakt von Groß und Klein mit unserem Freund, jedoch bringt es uns
in Sachen Naturschutz und Lebensraumsicherung keinen
Schritt weiter. Im Gegenteil! Durch solche Maßnahmen wird der
Naturschutzgedanke unterlaufen und zu einer reinen Tierschutzaktion
degradiert. Dann lieber ein beschissenes Nest und keine Störche als
Augenwischerei unter dem Mäntelchen einer heilen Welt. Wollen Sie
diese Welt erleben, gehen Sie in den Zoo oder staunen Sie über mehr
oder weniger abartige Einrichtungen, in denen Tiere unter dem
Vorwand des Artenschutzes zum Affen gemacht oder in peinlicher Weise
zur Vermarktung freigegeben werden.
Wenn Sie sich aber in der Lage
sehen, den Storch als Indikator für einen noch relativ intakten
Lebensraum zu betrachten, dann sind Sie bei uns an der richtigen
Adresse. Wir werden unsere Intensionen zu gegebener Zeit weiter
verdeutlichen. Die ersten Maßnahmen sind bereits auf den Weg
gebracht.
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6. Mai 02
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Mit dem
heutigen Tag sind wir erstmals seit dem 16. März in der
glücklichen Lage, nicht mehr jede einzelne Sichtung eines Storchs
im Nest gesondert bewerten und dokumentieren
zu müssen. Der oder die Storch/Störchin gehört nun eindeutig
zum Inventar des Nestes und wird wohl bis auf weiteres auch
darin übernachten. Außerdem kann man – mit etwas Glück – fast
zu allen Tages- und Nachtzeiten mit der Präsenz eines Adebars im
Nest rechnen. Auf jeden Fall ist unserem Storch der Zustand des
Nestes ziemlich egal. Und wenn er (noch) keine Bauabsichten
hegt, dann liegt es einzig am Storch und seiner noch fehlenden
Brutbereitschaft und Brutabsicht. So wie sich die Situation
jetzt darstellt, würde sich unser Freund bzw. unsere Freundin auch
in einem Musternest nicht anders verhalten. Dies würde sich
möglicherweise mit dem Erscheinen eines Partners schnell ändern.
Also bewahren wir Ruhe und freuen uns riesig, wenn uns das Glück
noch ein wenig hold ist. Heute gegen 14:00 Uhr beschäftigte sich
der noch Einzelgänger intensiv mit dem Unterbau des Nestes, er
inspizierte die Seitenwände, stocherte mal hier, mal dort und stand
für viele Minuten auf dem rechts vom Kern des Nestes befindlichen
schmalen Brett.

So schlecht scheint die Bausubstanz doch nicht zu sein! |
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Die schmale Stange ist ja super bequem. Da werde ich öfters
ruhen! |

Alle mal herhören! Da wohne jetzt ich! |

Haut ab! Das ist mein Nest!
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Um 15:02 Uhr eröffnete unser Hausherr eine
unruhige Phase im Nest mit einer intensiven Klapperstrophe
verbunden mit dem typischen Drohverhalten der Störche:
Aufrichten der Schwanzfedern, Abspreizen der Flügel, pumpende
Bewegungen mit den Trägflächen, Senken des Kopfes und ein
scharfes, härter klingendes Klappern als bei der Begrüßungszeremonie.
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Mit Sicherheit sah der Dinkelsbühler
Storch zu dieser Zeit einen oder mehrere Fremdstörche in
seinem Gesichtsfeld. Diese Behauptung gewinnt auch noch dadurch an
Gewicht, dass er oder sie innerhalb von 8 Minuten vier Mal das Nest
verließ, dabei zur Unterstreichung seiner Besitzansprüche einige
Runden im näheren Horstumfeld drehte und anschließend sofort
wieder landete, um sein Drohprogramm abermals ablaufen zu lassen.
Erst um 15:10 Uhr flog er dann endgültig ab, um für eine längere
Zeit dem Nest fern zu bleiben.
Just im gleichen Augenblick
erreichte mich ein Anruf aus Mosbach (Sie wissen schon! Dort
brütet das Ex-Dinkelsbühler Paar) . Ein besorgter Einwohner
meldete einen schweren Angriff auf das dortige Storchennest
und ich wurde über Handy Zeuge der Geschehnisse. Während des
Telefonierens gab mir der Anrainer wie ein Reporter eine genaue
Schilderung der Abläufe. Immer wieder versuchte der im Nest
hudernde Storch die Angriffe abzuwehren, um sich schließlich mit
weit gespreizten Beinen schützend über die wenige Tage alten
Jungen zu stellen. Als nach einigen Minuten der Partner am Nest
eintraf, wendete sich das Blatt und der Angreifer musste abziehen.
Eine sofortige Nachkontrolle ergab folgendes Bild: Der Fremdstorch
hatte glücklicherweise keinen Schaden angerichtet. Die drei bisher
geschlüpften Jungen waren unverletzt. Ebenso wurde ein noch nicht
ausgebrütetes Ei bei den Kampfhandlungen nicht aus dem Nest
befördert. Das Rückengefieder des Männchens war mit Blut
besudelt, an beiden Beinen waren in Höhe des Intertarsalgelenkes
mehrere kreisrunde „Einstichlöcher“ zu erkennen, die der
Angreifer dem tapferen Verteidiger beigebracht hatte. Aus diesen
tropfte noch ein wenig Blut. Mit hängenden Flügeln und sicher
einer gehörigen Portion an Prellungen, machte der Kämpfer einen
ziemlich erschöpften Eindruck Seine dreijährige Partnerin widmetet
sich jedoch schon wieder liebevoll dem Nachwuchs und gab ihm durch
Bedecken mit ihrem Körper die nötige Wärme. Nur alle Paar Minuten
erhob sie sich für kurze Zeit, um wieder eine neue Liegeposition
einzunehmen Noch einmal Schwein gehabt!
Vor solchen Attacken, bei denen
es um Leib und Leben des Nachwuchses geht, sind wir in Dinkelsbühl
– in diesem besagten Fall zum Glück – im Augenblick noch weit
entfernt. Unser Dauergast schickt sich ein weiteres Mal an, die
Nacht im Nest zu verbringen und er wird sicher so verfahren. Im
Augenblick – es ist genau 19:48 Uhr – steht er bereits wieder
eine knappe Stunde in seinem „Hotel Storchennest“ und genießt
die ersten Sonnenstrahlen seit vielen verregneten Tagen. Wird
vielleicht die angesagte Wärme neue Nestbesucher heranspülen und
doch noch ein Wunder geschehen lassen? Bleiben Sie auf alle Fälle
am Ball! Die Spannung steigt!
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7. Mai 02
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Wow! Sage noch einmal einer, unser Nest sei
uninteressant oder gänzlich unbeliebt. Im Grunde sprechen ja die
bisherigen über 20 Gäste eine andere Sprache und die
heutigen Ereignisse stellen selbst Vetschauer Verhältnisse in den
Schatten. Nicht nur ein Fremdstorch zeigte um die
Mittagszeit Interesse am hiesigen Nest, sondern nach
Augenzeugenberichten sogar 4
Exemplare (mit unserem Dauergast!) der heiß ersehnten Vögel.
Leider fehlen mir noch Schnappschüsse, die zumindest einige Details
des Kampfes illustrieren und verdeutlichen können, z.B. kurzzeitige
Nestpräsenz eines der Angreifer, Blick auf mögliche Ringe usw. Im
Augenblick – es ist 14:00 Uhr - stellt sich die Situation so dar,
dass unser Einzelstorch – und damit meine ich den, der uns die
letzten Tage so viel Freude gemacht hat – momentan die Oberhand
behalten und sich gegen die Angreifer durchgesetzt hat. Einige
Schnappschüsse, die wieder einmal aus dem Hause Wilfling stammen
und die mir im Augenblick allein zugänglich sind, geben zu Hoffnung
Anlass. Man sieht die Situation kurz vor Mittag
Unser Storch steht im Nest, ein zweiter wird während dessen
in nur vier Metern Abstand auf dem Dachfirst des alten Rathauses
geduldet. Als der Neststorch klappert, erwidert der Fremde die
Klapperstrophe und wird nicht aus der Nähe des Nestes verjagt.
Kurze Zeit später verlässt der Dinkelsbühler seine „Burg“,
der Storch auf dem Dachfirst bleibt. Vielleicht bahnt sich ja
zwischen diesen beiden noch eine baldige Liaison an. Die nächsten
Tage müssen eine Entscheidung bringen, wollen wir noch Nachwuchs
erleben. Bleiben Sie jetzt dran am Storch und machen Sie viele
Schnappschüsse, die Sie mir gerne
zusenden dürfen. Ich werde sicher einige für das Tagebuch
verwenden.
Nach Sichtung weiterer Schnappschüsse
ergibt sich mittlerweile ein etwas klareres Bild von den heutigen
Vorgängen am Nest. Bereits um 11:18 Uhr stand ein rechts über den
Zehen beringter Storch im Nest, vom Dinkelsbühler Hausstorch keine
Spur. Dann die oben schon beschriebene Zuspitzung um die
Mittagszeit. Um 11:52 Uhr konnte bereits ein Storch auf dem
Dachfirst (der besagte Ringstorch) auf Bild gebannt werden, während
der „Unsrige“ das Nest besetzt hielt. Für 11:56 Uhr existiert
der einzige Schnappschuss, auf dem der Ringstorch und der „Unsrige“
gemeinsam im Nest stehen und klappern.

Wäre toll, wenn Du bei mir
bliebest!
Danach wechselt der Beringte
abermals auf den First, der Dinkelsbühler verlässt das Nest, der
Ringstorch bleibt auf dem First zurück.

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Die weiteren Nestbeobachtungen während des
Nachmittages beziehen sich dann wieder ausnahmslos auf unseren
mittlerweile „Viertagesgast“.Mehrere Male konnte dieser
dabei beim Liegen im Nest ertappt werden. |
So
viel Platz benötige ich gar nicht zum Liegen! |
Ein Bonmot am Ende des Tages:
Um 19:58 Uhr stand Meister Adebar mit einem Schnabel voll frisch
gemähten Grases im Nest. Er verteilte es gleichmäßig am
Vorderrand seiner Behausung und markierte einen wunderschönen
Farbtupfer, der das Grau der Paulskirche, das dunkle Rot der
romantischen Dachsilhouette, das frische Grün sowie das Schwarz,
Weiß, Rot des Storches zu einem beinahe impressionistisch
angehauchten Gemälde verschmelzen ließ. Ich will nicht sonderlich
angeben, aber diese Farbkomposition und diese besinnliche Ruhe
ausstrahlende Geschlossenheit des Raumes kann keine Storchencam auf
der Welt derzeit vorweisen.
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Maler
Storch setzt den lang ersehnten Farbtupfer! |
Fehlt nur noch die Krönung! Ein
Paar muss her! Und ich glaube nach dem heutigen weiteren
Fortschritt, dass wir es noch schaffen. Verdient haben es alle, die
so treu die storchenlose Zeit mit uns durchgehalten haben und auch
dann, wenn nichts oder nicht viel zu sehen war, an uns und unserer
Haltung zu Nest und Dohlenklau gestanden haben. Dafür sei allen
herzlich gedankt. Hinterlassen Sie bitte vor allem in den nächsten
Tagen Ihre Spuren im Gästebuch!
Es ist für Ihren Tagebuchschreiber ein wichtiges Indiz über
Geschehensabläufe, die er nicht mit bekommt. Weiter so!
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8. Mai 02
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Nach den aufregenden und schon
beinahe dramatischen Ereignissen des gestrigen Tages, neigt sich ein „stinknormaler“
Tag dem Ende entgegen, der nicht ganz das gebracht hat, was ich
mir in meinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Aber immerhin.
Unser Storch ist noch da. Während des Tages hielt er sich mit
weniger Beständigkeit im Nest auf als gestern. Das heißt, die
Absenzzeiten gestalteten sich deutlich länger. Der Grund für
dieses Verhalten liegt auch klar auf der Hand: Keine Fremden am
Nest, keine Verteidigungsaufgaben, mehr Muße, die nähere und
weitere Umgebung nach Nahrungsquellen und nach einem
vermeintlichen Partner abzusuchen. Auch unterblieb der
Eintrag und Einbau von weiterem Nistmaterial, so dass wir mit einer
„Fuhre“ Gras bisher zufrieden sein müssen. Vielleicht bringt ja
der morgige Feiertag, gemeinhin auch unter der Bezeichnung „Vatertag“
bekannt, einen leibhaftigen Storchenvater zu uns. Auch wenn ich mich
ein weiteres Mal wiederhole: Bleiben Sie dran! Lassen Sie sich von
einem Storch vor prächtiger Kulisse gefangen nehmen und träumen
Sie von besseren Zeiten. Wer ein wenig in die Vergangenheit
blicken will, dem sei das unter dem Link „Storchentagebuch“ das Storchentagebuch
2001 empfohlen. Blättern Sie einfach ein wenig darin und
genießen Sie so lange die Bilder aus dem vergangenen Jahr!

Landung nach der ersten
morgendlichen Nahrungsaufnahme |

Das Nest sollte ich
bald richten! |

Liegepause |

Letzter Anflug am Abend! |
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9. Mai 02
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Begeisterung in der frühen
Morgenstunde! Das Nest war kaum wieder zu erkennen. Es zeigte sich
abermals reichlich begrünt. Unser Dauergast musste dafür einige Flüge
zur nächsten Mähwiese unternommen haben, denn ab 9:10 Uhr verabschiedete
er sich bereits aus Dinkelsbühl und ward bis 17:00 Uhr nicht
mehr gesichtet.
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Fleißig,
fleißig, aber sehr vergänglich! |
So zwischen 7:30 Uhr und 8:30
Uhr musste er wohl einem Anfall von Bauwut erlegen sein.
Leider widmete er sich ausschließlich einem wenig dauerhaften
Material. Denn mit jeder Minuten, die das Gras schutzlos der Sonne
ausgeliefert war, schmolz es dahin wie Schnee. So darf man diesmal
die Dohlen nicht verantwortlich machen, auch wenn sie zur fraglichen
Zeit wieder am Nest gesichtet worden waren. Der warme Wind
und die Sonne konnten diesmal als Nestplünderer ermittelt werden.
Erst mit dem Eintrag von holzigem Nistmaterial wird sich der Zustand
des Nestes in positiver Weise verändern. Das lange Fernbleiben,
die gute Thermik – was bedeutet dies? Entfernt sich unser
Storch am Vatertag so weit, dass er heute nicht mehr zurückkehrt?
Trifft er bei seinem lange andauernden Erkundungsflug auf einen
Partner? Geleitet er diesen zu uns? Oder geleitet ein anderer ihn an
einen neuen Platz? Die nächsten Stunden werden uns die Antwort
bringen.
Heute gegen 13:00 Uhr wurde ich
durch einen Anruf aus Unterampfrach während des
Mittagessens gestört. Dort seien zwei Störche aufgetaucht.
Einer sitze auf einem Strommasten, der andere auf einer Scheune. Der
fragliche Ort befindet sich 15 Kilometer nordwestlich von Dinkelsbühl
und nur 5 Kilometer von Mosbach entfernt an einem kleinen Nebenfluss
der Wörnitz. Beim Eintreffen vor Ort stellte sich die Situation so
wie beschrieben dar. Einer der Störche stand auf einem Holzmast der
innerörtlichen 360-Volt-Leitungstrasse, also keine Gefahr für
Meister Adebar. Der zweite residierte immer noch auf einer
benachbarten Scheune. Der Maststorch attackierte nach wenigen
Minuten den zweiten, beide drehten schließlich einige Runden,
landeten dazwischen auf anderen Gebäuden im Ort und schraubten sich
bald darauf am Südhang der Frankenhöhe unweit des Autobahnkreuzes
Feuchtwangen/Crailsheim bei bester Thermik in die Höhe. Mein erster
Gedanke: Rein theoretisch könnte es sich bei einem der beiden –
sie waren unberingt – um unseren Dinkelsbühler handeln,
der bei seinem Ausflug in diese Gegend geflogen war, um einen
Partner in sein Nest zu lotsen. Gedankenspinnerei?
Ich verband den ungewollten
Ausflug zum Schluss noch mit einem Abstecher nach Mosbach.
Aus diesem Ort kann ich wieder nur das Beste vermelden. Heute lagen 5
putzmuntere Storchenküken im Nest. Das fünfte Küken dürfte
erst in der Nacht bzw. am heutigen Vormittag geschlüpft sein, denn
eine leere Eischalenhälfte lag noch im Nest und war noch nicht
gefressen, überbaut oder aus dem Nest befördert worden.
Nachtrag:
Manchmal helfen auch Zufälle, um Geheimnisse einer
Klärung näher zu bringen. Heute Mittag wähnte ich den
„Unsrigen“ schon im Gebiet um Unterampfrach auf der Suche nach
einem/r Gefährt/en/in. Doch ein erneuter Anruf brachte eine nicht
ganz unerwartete Wendung. Ich berichtete in einem früheren
Tagebucheintrag von einem neuen Nest, das ihr Experte in Sachen
Storch am 5. April für den Kirchturm in Wilburgstetten
(8 Kilometer südöstlich von Dinkelsbühl, siehe Karte)
baute. Eine Woche später wurde es dann auf dem Turm installiert, während
die Bauarbeiten unvermindert fortgesetzt wurden. Nach einer weiteren
Woche erfolgten bereits die ersten Kurzbesuche von Störchen und
seit dem 25. April hielt ein Einzelstorch das Nest besetzt. In den
letzten Tagen schloss sich diesem Storch ein weiterer in lockerer
Verbindung an. Er tauchte auf, saß auf dem Baugerüst neben dem
Nest, durfte das Nest aber nie betreten. Schon damals vermutete ich
in dem Gast in Wilburgstetten den Dinkelsbühler Storch und
heute – so glaube ich wenigstens – erhielt ich durch besagten
Anruf sowie durch das Fernbleiben unseres Storches vom frühen
Vormittag bis nach Einbruch der Nacht die Bestätigung. Pfarrer
Sing, der „Hausherr“ der Kirche in Wilburgstetten, berichtete
von einer Beobachtung am frühen Nachmittag, dass der Einzelstorch
in Wilburgstetten einen Partner gefunden habe und bereits vier
Kopulationen stattgefunden hätten. Die Beweiskette schließt sich. Unser
Storch ist abgewandert ins benachbarte Wilburgstetten. Das
Fernbleiben des Unsrigen in der anbrechenden Nacht und die
gleichzeitige Paarfindung in der Nachbarschaft lässt eigentlich
keine Zweifel an dieser Deutung aufkommen. Ein weiterer Hoffnungsträger
ist damit nach fünf Übernachtungen und etwas Bautätigkeit
abgewandert und hat Dinkelbühl wegen eines Liebhabers an anderem
Ort verlassen.
Nun stehen wir wieder einmal – aber wir sind es ja
schon gewohnt – mit leeren Händen da und das Warten –
und hierin sind wir ja Meister – beginnt aufs Neue.
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10. Mai 02
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Kein Tag ohne Storch, aber...! Nach
dem Ausbleiben unseres Storches in der vergangenen Nacht stand kurz
vor Mittag erneut ein Vertreter dieser Spezies für beinahe zwei
Stunden im Nest. An Hand bestimmter Indizien vermute ich im heutigen
Gast unseren mehrtägigen Besucher. Es ist durchaus denkbar, dass er
bei einem Ausflug aus dem benachbarten Wilburgstetten noch einmal
einen Kontrollgang in sein früheres Nest unternommen hatte. Auch
der Zwei-Stunden-Besucher besaß – genauso wie sein Vorgänger –
im Bereich des Intertarsalgelenkes (dieses sieht so aus wie das
Knie, ist es aber nicht!) eine ins Hellbraune gehende Verfärbung. Achten
Sie bei den Schnappschüssen des Storches einmal auf dieses
Kennzeichen.
Als der Besuch um 13:45 Uhr seine Schwingen
ausbreitete und vom Nest abflog, konnte noch niemand ahnen, dass es
in der Folgezeit wieder gänzlich still um das Nest werden und auch
die erhoffte abendliche Rückkehr ausbleiben würde.
So verstrich am heutigen Tag auch die letzte Möglichkeit, in diesem Jahr
noch mit Nachwuchs rechnen zu dürfen
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11. Mai 02
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Doch eigentlich positiv, mit
welcher Anteilnahme und wie kontrovers die heutigen Gästebuchschreiber
zur augenblicklichen Situation um das Nest Stellung beziehen. Nur in
der Diskussion lassen sich unterschiedliche Standpunkte und
Storchen-Philosophien anschaulich machen und es bleibt jedem
selbst überlassen, welcher Glaubensrichtung er eher zugeneigt ist
und welcher weniger. Eines sollte man bei aller Polemik nicht
vergessen: Sich vorher ein umfassendes Bild der Ereignisse speziell
um das Dinkelsbühler Nest verschaffen und erst danach losschießen.
Natürlich gab das Nest zu
Beginn des diesjährigen Storchenjahres – und es begann an unserem
Nest so früh wie nie am 15. Februar – einen vorzüglichen
Eindruck ab, der selbst dem größten Nestfetischisten zur Ehre
gereicht hätte (bitte im 1. Teil sowie in den folgenden Teilen des
Tagebuches blättern!). Trotzdem verabschiedete sich unser erstes
Paar – leider wiederhole ich mich schon zum x-ten Male – wenig
später. Auch die nächsten 10 bis 15 Kurzbesuche fanden in einem
immer noch ansehnlichen Nest statt, aber kein Adebar blieb. Erst
seit vielleicht 3 Wochen sehen Kritiker den Zustand des Nestes verstärkt
unter menschlichen Gesichtspunkten. Es muss halt alles nach
menschlichen Kriterien ordentlich sein! Ich erlebe alljährlich
Aktionen, bei denen völlig unmotiviert und entgegen bestehender
Rechtsprechung an Nestern von Störchen herumgefummelt wird. Überstehendes
Astmaterial wird entfernt, damit dem menschlichen Betrachter nichts
unangenehm aufstößt, Storchenbehausungen werden ständig
abgetragen und das Innere „ausgeputzt“. „Wenn ich Storch wäre..“
, so beginnen die meisten mahnenden Beiträge meist, „würde ich
mich in so ein Nest nicht setzen“ oder bei einer Regenperiode mit
kleinen Jungen wird die Situation in folgender Weise interpretiert:
„Würden Sie ihre Kinder bei so einem Wetter im Nest liegen
lassen?“
Meine Bitte: Lösen Sie sich
bei kritischer Naturbetrachtung von vermenschlichenden Ansätzen. In
der Evolution gab und gibt es Weiterentwicklungen. Bewährtes und
Erfolgreiches wird länger überleben als das, was sich nicht als
geeignet erweisen sollte. So bauen und bauten Vögel und damit auch
Störche ihre Nester schon
immer selbst und – glauben Sie mir – sie können es auf alle Fälle
besser als alle echten oder selbst ernannten Storchenexperten. Und
wenn einer kein Nest baut, dann will er vielleicht nicht, auch wenn
einige es absolut von ihm verlangen. Es gäbe keine spontane
Neuansiedlung und Tausende von Nestern in Spanien, Polen oder im
Baltikum würden nicht existieren, wenn Adebar nicht in der Lage wäre,
sein Nest selbst zu bauen. Ihr Tagebuchschreiber hat nie behauptet,
dass das Nest im Leben eines Storches keine Rolle spiele. Nur in
unserem speziellen Fall Dinkelsbühl liegt es – meiner Meinung
nach – nicht am Nest, wenn bisher noch kein Storchenpaar
erschienen ist. Die Beweise liefern die bisherigen neun Teile des
Tagebuches. Auch ich habe in den letzten Jahrzehnten häufig Nester
gebaut, Nisthilfen angebracht und bestehende Nester saniert. Doch
alle Arbeiten erfolgten stets außerhalb der Brutzeit im Herbst oder
im zeitigen Frühjahr. Sobald das Nest von Störchen besiedelt war
(ob einzelne Besuche oder ein Paar mit oder ohne Brut), unterblieben
aus Gründen geltenden Rechtes alle Eingriffe am Nest und ich denke,
bei fast täglichen Storchenbesuchen kann man nicht von einem
unbesetzten Nest sprechen.
Damit erübrigen sich alle Initiativen dieser Art, auch wenn sie
sicher gut gemeint sind.
Aber bitte nicht vergessen:
Nicht über das Ziel hinausschießen und den „Obermacker Mensch“
allzu sehr raushängen lassen. Etwa nach dem Motto: „Wenn der
Storch nicht tut, was von ihm verlangt wird, werde ich mal
eingreifen. Werden es zu viele Störche, werde ich mal ein wenig
regulieren. Werden die Jungen bei Regen nass, kommen sie eben zu mir
ins Badezimmer und werden gefönt. Bekommen sie zu wenig Futter,
werden wir mal für gute Kost sorgen.
Deshalb immer schön auf dem
Boden bleiben und auch mal mit dem zufrieden sein, was die Natur
ohne Eingriffe fertig bringt und da ist das Rufen nach Aktionen
wenig hilfreich, sondern eher hinderlich. Vielleicht ist unser
Storch durch die vielen vorzüglichen Nisthilfen, die ihm ein treu
sorgender Gästebuchschreiber gebaut hat, gar nicht mehr in der
Lage, selbständig zu handeln geschweige denn ein eigenes Nest zu
bauen. Es melden sich immer mehr Verhaltenskrüppel, die dem
Menschen alles andere als dankbar sein werden.
Zum Glück gab es aber heute
auch noch „Storch pur“ bei uns. Die täglichen Besuche
reißen also nicht ganz ab und wieder war unser Dauergast daran
beteiligt, auch wenn er die beiden letzten
Tage nicht mehr bei uns übernachtet. Er hinterließ einige weiße
Kleckse im Nest, aber auch unter der Storchenbehausung zeigt das
Dach vermehrt weiße Kalkspuren. Kurz nach Mittag reichte es einmal
für einen gut 90-minütigen Aufenthalt und auch am Spätnachmittag
brachte sich unser Pensionsgast für etwa 20 Minuten in Erinnerung.
Doch gar nicht so schlecht,
dieser Samstag!
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Wenn
der wüsste, wie viele Menschen sich um das Nest sorgen
machen! |
Besonders wegen der Tagesaktualität von dieser Stelle ein besonderer
Dank an alle fleißigen Gästebuchschreiber. Erlahmen Sie bitte
nicht, sich weiter positiv wie negativ zu äußern. Natürlich macht
die unterstützende Kritik mehr Mut als eine destruktive, doch
versuche ich beide in den Dienst der Storchenarbeit zu stellen.
Ihrem Tagebuchschreiber war es vor Beginn seiner Mitarbeit bei
diesem Projekt klar, dass man sich dadurch in gewisser Weise
prostituiert und Dinge vertreten muss, die nicht jedem passen. Ich
werde meine Linie, die ich in einem Jahr der Mitarbeit eingeschlagen
habe, auch weiter beibehalten. Und ich tue das in der festen Überzeugung,
den Störchen dadurch nicht zu schaden. Auch wenn unser Nest
vielleicht den Störchen nicht gefällt, so schadet es bestimmt auch
keinen. Und in zwei Fällen trug unser Nest doch schon dazu bei,
dass in benachbarten Orten sich ein Paar bildete und im Falle von
Mosbach 5 Junge geschlüpft sind und im Falle von Wilburgstetten die
Brut am Anfang steht. Dass mancher traurig ist, heuer auf die
ganz spektakulären Bilder aus Dinkelsbühl mit 5 Jungen im Nest
verzichten zu müssen, schmerzt mich persönlich vielleicht am
meisten. Da ich im Hoffnung Machen inzwischen eine gewisse
Meisterschaft erreicht habe, verspreche ich – auch ohne Brut –
Sie weiter auf dem Laufenden zu halten und mit Ihnen noch viele
Kurz- oder Lang-Besucher am Nest begrüßen zu dürfen.
Noch
eine kurze Anmerkung zu den beanstandeten (lästigen) Werbeseiten
beim Gästebuch:
Das Gästebuch in dieser Form ist werbefinanziert und daher
kostenlos. Wenn wir einen Sponsor für die Kosten eines Gästebuchs
bei unserem Anbieter finden, werden wir dieses gerne ohne
Werbeeinblendung präsentieren. Versuchsweise könnten wir auch eine
Werbebanner direkt in die Seite einblenden und dafür auf die
Fenster verzichten. Was ist Ihre Meinung?
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12. Mai 02
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Was soll man dazu sagen? Da
findet eine rege Diskussion im Gästebuch statt und als ob
dem Server dabei die Sicherungen durchgebrannt wären (hat der überhaupt
welche?), verweigert er bei www.1-2-3-gaestebuch.de den
gesamten heutigen Tag jegliche Mitarbeit. Es soll niemand glauben,
dies sei auf unsere Veranlassung geschehen, um damit eine Zensur
einzuführen. Es lief einfach auf diesem Gebiet lange Zeit nichts.
Vielleicht stieß ihm auch die Kritik von gestern sauer auf, als eine Änderung der lästigen
Werbeeinblendungen gefordert wurde...
Immer wieder versuchte ich,
den gesamten Tag über Nachrichten aus unserer Sehergemeinde
abzurufen, jedoch bis jetzt vergeblich. Hoffentlich ändert sich
dieser traurige Zustand so bald wie möglich. Deshalb muss ich für
den Muttertag alleine auf meine eigenen Beobachtungen bauen und
glaube dennoch, ein umfassendes Bild liefern zu können. Sie haben
es sicherlich alle bemerkt: Der Tag war geprägt von starken Regengüssen,
die bis in den Spätnachmittag hinein anhielten. Dabei fielen locker
20 bis 30 Millimeter Regen auf den Quadratmeter. Wahrlich kein
Wetter, einen Gast im Nest zu erhoffen oder gar zu erwarten. Und
dennoch, das Unerwartete stellte sich noch ein. So bleibt es bei
unserem momentanen Wahlspruch: “Kein Tag ohne Storch!“.
Genau um 20:17 Uhr – ich begann gerade die Vorbereitungen für
meinen heutigen Tagebucheintrag – blitzte ein schwarz-weißes
Leuchtfeuer im Nest auf und er/sie hielt Einzug. Sofort erkannte ich
unseren „Alten“ wieder (hellbraune Verfärbung im Bereich des
Intertarsalgelenks) und fast ebenso charakteristisch: Kaum gelandet,
zog er sofort sein linkes Bein wieder an und schnell erinnerte ich
mich an frühere Gästebucheintragungen, bei denen angesichts
unseres Freundes sogar vom „Einbeinigen“ gesprochen
wurde. Die Ausdauer, mit der unser „Alter“ diese Eigenart präsentiert
und dazu immer das linke Bein anzieht, kann schon beinahe
bombensicher als Bestimmungskriterium herangezogen werden. Eine neue
Übernachtung unseres „Dauerbrenners“ steht bevor und abermals
hoffen wir gemeinsam, es möge sich weiter etwas entwickeln, das in
Richtung „Paar am Nest“ tendiert. Aber auch so genieße ich die
verbleibenden Minuten im Abendlicht und anschließend den schwarzen
Umriss vor der beleuchteten Silhouette der gegenüber liegenden
Paulskirche. Gegen diese Komposition – man möge mir verzeihen –
kommt selbst die Webcam in Vetschau nicht an.

Hurra! Der Einbeinige ist wieder da! |

Gute Nacht, Einbeiniger! |
PS! War um 19:00 Uhr noch schnell in Mosbach (hier sorgte das
Ex-Dinkelsbühler-Paar bereits für Nachwuchs), um mich nach den
heftigen Regenfällen über den Zustand der Jungen zu informieren.
Und ich traute meinen Augen nicht: Seit meinem letzten Besuch am
9.Mai (damals lagen 5 Junge in der Nestmulde) musste gestern ein
weiteres Junges geschlüpft sein, denn ich entdeckte heute
sensationelle 6 Storchenküken im Nest!!! Da bleibt es
spannend, wie viele die nächsten Tage überleben. Schon jetzt haben
sich zwei Dreiergrüppchen herauskristallisiert. Das eine Grüppchen
zeigt sich deutlich weiter entwickelt als die kleine Rasselbande und
bei der Fütterung, die ich beobachten konnte, gingen einige Junge
leer aus. Das lag aber nicht an der ausgewürgten Futtermenge, denn
das Weibchen verschlang nach wenigen Augenblicken des Wartens den
großen Rest wieder selber. Also herrschte kein besonderer Appetit
unter den Jungen. Und beim Abstieg vom Turm nach knapp einer halben
Stunde kam schon die nächste Futterration: Papa Storch landete im
Nest, während die Partnerin sofort ihrerseits auf Nahrungssuche
ging. Also hier funktioniert alles und das Paar ist bestens
aufeinander abgestimmt. Die Beobachtung von sechs Jungen in einem
Storchennest bedeutet für mich erst die zweite Feststellung dieser
Art in meinem Leben. Sie ist in unseren Breiten noch nicht häufig
nachgewiesen, auch wenn es sicher regelmäßiger passiert. Aber die
schlechten Beobachtungsmöglichkeiten an den meisten
Storchennestern, erlauben ein Zählen des Nachwuchses erst, wenn man
die Jungen auch von unten über den Nestrand lugen sieht. Und in
diesem Alter sind halt schon in vielen Fällen Junge gestorben und können
dann nicht mehr in die Zählungen eingehen. Das Ausfliegen von
sechs Jungen aus einem deutschen Storchennest gehört allerdings
zu den ganz großen ornithologischen Raritäten und ist erst einige
Male überhaupt nachgewiesen worden.
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13. Mai 02
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Traumhafte Bilder im Morgengrauen: Unser
Übernachtungsgast hebt sich schemenhaft aus der Nebelsuppe in
Dinkelsbühl ab. Da muss man als Betrachter einfach verliebt sein in
das Nest.
Natty
und Burkhard
konnten die ersten Schnappschüsse schießen und auf ihrer
jeweiligen Homepage stehen diese - wie auch viele andere - zur
Betrachtung frei. Vielen Dank den beiden für Ihre tatkräftige
Unterstützung. Zwei der Bilder stammen von Gurdrun Joop, Wolfgang
Horlacher.
Erst als sich der Nebel lichtete und die Sonne
durchbrach – in Dinkelsbühl geschah dies etwa um 8:00 Uhr – verließ
Adebar das Nest und brachte es damit einschließlich der Übernachtungszeit
auf eine Rekordanwesenheit von fast 12 Stunden. Doch danach kehrte
wieder eine trügerische Ruhe ein, die heute nur noch für wenige
Minuten von unserem Freund kurz nach 13:00 Uhr
unterbrochen wurde. Zwei Schnappschüsse belegen diesen
weiteren Kurzbesuch unseres Dauergastes.

Im Imponieren bin ich
schon mal ganz gut! |

Ganz schön verdreckt! Das Weiß
an meiner Brust ist raus! |
Das war es für den Rest des Tages und auch zur
Übernachtung stellte sich kein neuer Storch ein. Da
werde einer aus dem Verhalten unseres „Einbeinigen“ schlau. Mal
legt er eine ganze Übernachtungsserie hin, dann bleibt er zwei Tage
aus, dann findet er sich für eine weitere Nacht ein und kehrt in
der folgenden Nacht seinem Nest schon wieder den Rücken. Bei einem
derartigen Verhalten ist die Unregelmäßigkeit die Regel und
Vorhersagen sind überhaupt nicht möglich. Bleibt letztlich die
Spannung erhalten, wie es in den nächsten Tagen weiter geht.
Bleiben Sie uns weiterhin gewogen und halten Sie uns die Treue, sie
werden durch neue Tagebucheinträge und neue Storchenbeobachtungen
belohnt.
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14. Mai 02
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Kennt ihr mich? Ich ziehe
bevorzugt mein linkes Bein an und habe im Bereich des
Intertarsalgelenkes eine helle Verfärbung!
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Auch heute bleiben wir unserem Motto treu:
„Kein Tag ohne Storch!“ Nur musste man diesmal bis etwa
15:30 Uhr warten, um Meister Adebar begrüßen zu dürfen. Dafür
stand er dann bis sage und schreibe 18:07 Uhr ununterbrochen
im Nest, um schließlich mit unbekanntem Ziel abzufliegen. Ob
er wohl am Abend wieder aufkreuzt? Ob er irgendwann doch noch
einen Partner findet?
Das Wetter zeigt sich – und dies gilt für
die gesamte Woche – von seiner besten Seite. Das verspricht
gute Thermik, kurz gutes Flugwetter...., na Sie wissen schon! |
Die erste meiner gestellten
Fragen konnte heute wieder mit „Ja“ beantwortet werden. Unser
Schatz erschien vor 21:00 Uhr wie erwünscht zum Übernachten und
bringt somit einen weiteren erfolgreichen Tag für unsere
Sehergemeinde zum Abschluss.
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15. Mai 02
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Das gestrige Betthupferl
unseres Pensionsgastes habe ich im Tagebucheintrag unterschlagen:
Eine Portion frisch gemähten Grases! Wenn das so weiter
geht, wird unser Dauergast noch ein Grüner! Auch dem schwarzen und
roten Lager kann er einige Sympathien abgewinnen und selbst ein
winziges gelbes Farbtupferl in Gestalt eines Plastikrestes im Nest
lugt schon seit Wochen etwas verschämt hervor. Somit hätten wir
fast das gesamte politische Spektrum auf einem Bild vereint.

Wilburgstetten: Neues Paar auf dem
Kirchturm
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Es gibt Neues über unseren Dauergast: In Wilburgstetten
– seinem offensichtlichen Kurzquartier – hat sich ein
neuer Storch eingestellt. Dieser trägt einen Ring und
konnte sich gegen den Dinkelsbühler offensichtlich ohne Kampf
auf „die schnelle Tour“ durchsetzen. So lässt sich auch
die wieder längere Präsenz an unserem Nest erklären. Damit
konnte der „Unsrige“ an seinem Ausweichquartier keinen
Gefallen finden und wich an seinen Ausgangspunkt zurück,
während auf dem Kirchturmnest ein Partnerwechsel
stattgefunden hat. Für uns nicht schlecht! |
Konnten ihn doch die Frühaufsteher
unter uns in seinem begrünten Nest bereits im Morgengrauen begrüßen.
Später sah ihn Ihr Tagebuchschreiber an seinem Arbeitsplatz in der
Schule gegen 9:35 Uhr und auch über mehr als zwei Stunden in der
Zeit von 14:30 Uhr bis zu seinem Abflug um 16:57 Uhr hielt sich
Adebar in seinem kleinen Gärtchen auf.

Heute schon mal frisch grün tapeziert |

Erst mal die Federn sortieren |
Das Nest blieb nämlich den
ganzen Tag über grün, also brachte der Neststorch nach jedem
Ausflug auch wieder Grünzeug mit nach Hause. Diese Beobachtung
bedeutet abermals einen kleinen Schritt nach vorn, denn bisher
geschah dies – wenn überhaupt – nur einmal am Tag.
Aus Mosbach gibt es
ebenfalls Neuigkeiten, über die Sie aber bitte nicht traurig sein dürfen.
Die unglaubliche Zahl von 6 geschlüpften Jungen im dortigen
Storchennest hat sich seit gestern auf immer noch hervorragende fünf
reduziert. Das sechste Küken konnte nirgends mehr ausgemacht
werden, es hat also gerade mal einen Tag gelebt. Einem weiteren
Jungen gebe ich ebenfalls nur noch geringe Überlebenschancen, so
dass – wenn das eintritt, was ich erwarte – allenfalls vier
Junge die nächsten Tage überstehen. Im langjährigen Durchschnitt
aller „meiner“ Storchenpaare komme ich dagegen lediglich auf
eine Zahl von knapp 2 ausfliegenden Jungen pro Paar.
Aus einem anderen Storchenort
im Landkreis Ansbach erreichte mich gestern ein besorgter Anruf
durch die Stadtverwaltung. In Herrieden
– dort befindet sich das Storchennest malerisch auf einem Turm der
ehemaligen Stadtbefestigung – brütet unmittelbar an der Altmühl
gelegen ein Storchenpaar.
Dies wäre an sich noch nichts Schlimmes. Doch einer der Störche
scheint im wahrsten Sinne des Wortes durchgeknallt zu sein.
Am Stadtrand, dort wo die fetten Altmühlwiesen direkt an die
Bebauungsgrenze stoßen und wo auch der Reitverein sein Domizil
unterhält, treibt ein Storch des Brutpaares seit geraumer Zeit sein
Unwesen. Er landet auf den Terrassen der dort stehenden Einfamilienhäuser
oder auf Autodächern (nur bei frisch gewaschenen) und attackiert
mit Vehemenz sein an den jeweiligen Orten in Fensterscheiben oder
poliertem Lack erscheinendes Spiegelbild. Da dieser vermeintliche
Feind jedoch einfach nicht weichen will, gingen schon diverse
Scheiben zu Bruch und mancher Autolack glänzte durch kleine Dellen.
Auch auf dem Gelände des Reitvereins lässt Adebar Hitchcocks „Vögel“
auferstehen. Sehr zutraulich spaziert er zwischen den Reitern umher,
bedroht kleine Kinder, die jedoch schnell in den Armen Ihrer Eltern
Schutz finden. Wie ein Blick auf
die beiden Ringe des Übeltäters zeigte, hielt sich der
Unhold bereits im letzten Sommer (das Nest war ähnlich dem Dinkelsbühler
heuer nur hin und wieder von Störchen beflogen) einige Wochen im
Altmühlstädtchen auf. Die Beringung gab und gibt bis heute jedoch
Rätsel auf. Keine Vogelwarte hat den Ring verausgabt und kein
Privatzoo oder ähnliche Einrichtung konnte bisher als
„Besitzer“ des Storches identifiziert werden. Eines steht aber
sicher fest. Der „Durchgeknallte“ wuchs sicher in menschlicher
Obhut auf, seine Zutraulichkeit ist nur dadurch erklärbar. Ein Fall
von Tollwut – und dies befürchtete die Anruferin der Stadt
in ihrer ersten Besorgnis um die Kinder – konnte ausgeschlossen
werden, da diese Krankheit nicht auf Vögel übertragbar ist.
Am Nachmittag nahm der
Tagebuchschreiber an einem Pressegespräch auf Einladung unseres
Sponsors N-ERGIE teil (siehe
Stromtod). Vor örtlichen und überregionalen
Pressevertretern, vor lokalen Radio- und Fernsehstationen stellte
der Vogelschutz-Beauftragte des Konzerns, Ernst Silberhorn, das Konzept
zur Absicherung gefährlicher Strommasten und die ersten
durchgeführten Maßnahmen des
seit Jahresende laufenden, mit 5.000.000.- € ausgestatteten
Programms dar. Die Vertreter des Landesbundes für Vogelschutz –
darunter auch Ihr Storchenexperte – nahmen die Ausführungen
Silberhorns mit Freude entgegen und gaben ihrer Hoffnung Ausdruck,
dass das Pilotprojekt auch auf andere Energieversorger durchschlage
und somit Modellcharakter für Bayern und darüber hinaus annehme.

Von links nach rechts: Thomas Ziegler,
Storchenexperte, Ernst Silberhorn,
Vogelschutzbeauftragter der N-ERGIE, Günter Möbus, Vorsitzender der Kreisgruppe
Ansbach im Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. und Alf Pille, Projektleiter
Weißstorch beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.
PS! Morgen ist ein besonderer Tag. Bereitet sich „Rotfuß“,
der „Einbeinige“, der „Unsrige“, der Dauergast, Adebar oder
einfach unser Storch auf seine Art und Weise auf diesen Tag vor? Das
Ausschmücken des Nestes ist für den 1.Geburtstag unserer
Webcam-Übertragung aus dem Storchennest sicher eine gelungene
Überraschung. Das zweite Schmankerl wäre die Feststellung, dass
heute der 125.000. Besucher auf unserer Website erschienen
ist. Damit konnten wir in diesem Jahr (die Übertragung eines
Live-Bildes startete am 4.März) schon stolze 75.000 Zugriffe
vermelden. Bei 73 Sendetagen ergibt dies eine durchschnittliche
Zugriffszahl von knapp über 1000 pro Tag. Nicht schlecht, Herr
Specht! Und wenn uns unser Dauergast bald noch einen Partner präsentiert,
– möglicherweise zum 1. Geburtstagsfest – wird sich der tolle
Zuspruch sicher noch weiter steigern lassen.
Plop! Da ist er/sie wieder! Pünktlich –
diesmal um genau 20:56 Uhr – begibt sich Meister Adebar in seine
Pension „Zum grünen Tale“ und verbringt einen weitere Nacht,
beobachtet und freudig begrüßt von vielen Fans. Nicht vergessen!
Morgen ist Geburtstag!

Hab ich mir den grünen Teppich
selbst ausgerollt?
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16. Mai 02
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„Storchenfan-Herz“ was
willst du mehr? Wie bestellt bahnt sich zum ersten Geburtstag
unserer Webcam-Übertragung doch tatsächlich Entscheidendes um
das Nest an. Noch im gestrigen Tagebucheintrag äußerte ich die
von blindem Optimismus geprägte Feststellung, ob nicht unser
Dauergast gerade zum Geburtstag einen Partner präsentieren solle
oder könne. Und er tut uns zumindest im Augenblick den Gefallen und
wird hoffentlich nicht den Kürzeren ziehen. Doch lassen Sie mich
die Ereignisse der Reihe nach schildern.
Die Adebarin – nun steht es
fest, dass es sich bei unserem Dauergast um eine Storchendame
gehandelt hat – der letzten Tage schlummerte in den neuen Tag
hinein und verließ wie immer gegen 6:00 Uhr ihre mittlerweile lieb
gewonnene Behausung auf dem Dach des alten Rathauses zu Dinkelsbühl.
Um 9:30 Uhr beobachtete ich sie
wieder über den PC an meiner Schule. Sie lag einmal im Nest und
bewies damit, dass dieses immer noch nicht zu kurz geraten ist und für
weniger anspruchsvolle Besucher noch attraktiv genug ist.
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Nach dem Mittagessen erwartete ich abermals
baldigen Storchenbesuch und ich sollte für mein Warten bald
belohnt werden. Genau um 13:34 Uhr stand unsere Störchin
wieder einmal im Nest und sogleich fiel mir auf, dass ihr
Blick ständig nach oben gerichtet war und sie sich sichtlich unruhig
verhielt. |
Achtung!
Gleich tut sich was! |
Ab und zu ließ sie eine Klapperstrophe
folgen und machte mit den Flügeln pumpende Bewegungen. Da gerät
die Interpretation sehr einfach und klar. Es mussten sich im
Blickfeld der Störchin ein oder mehrere andere Störche aufhalten.
Fünf Minuten später erhielt ich die nachträgliche Bestätigung. Seit
neun Tagen stand wieder ein Paar im Nest.
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Ist doch keine schlechte Geburtstagsüberraschung! |
Der neue – ein unberingter,
sehr großer Storch mit einem deutlich kräftigeren und längeren
Schnabel als unser Dauergast – hatte im Nest Fuß gefasst. Für
ein paar Minuten hielt die Bindung, doch dann hatte der Neue die
alte Dame abgedrängt, so dass diese ihrerseits auf dem Dachfirst
des Rathausdaches Platz nehmen musste.

Ich bin hier der
Herr des Hauses! |

Und bist du nicht willig,
so brauch ich Gewalt! |
Und dann ging es beinahe im
Minutentakt hin und her. Abflug, Landung, Klappern, Imponieren!
Alles, was so zum Repertoire bei der Balz gehört. Um 13:53
Uhr fand das Paar noch einmal kurz zusammen, bis dann das neue Männchen
stets die Oberhand behielt und den starken Macker raushängen ließ.

Na es geht doch
Also keine Liebe auf den
ersten Blick. Doch das gehört bei der Paarbildung zu den regelmäßigen
Vorspielen. Man ziert sich gerne ein Weilchen, man neckt und bekämpft
sich sogar ein wenig zum Schein und plötzlich duldet man den
Partner auch in seiner unmittelbarsten Nähe. Bis 14:34 Uhr flog das
neue Männchen noch mehrere Male vom Nest und der Grund dürfte in
allen Fällen das alte Weibchen gewesen sein, das über der Stadt
kreiste und das er für kurze Zeit durch den Luftraum über Dinkelsbühl
begleitete. Ins Nest ließ er sie aber nicht mehr.

Wie gefällst du mir! Mehr geht aber
nicht!
Für die nächste halbe Stunde
wurde ich telefonisch in einen Nachbarort gerufen. Seit
gestern Abend hatten mich unabhängig voneinander sechs Anrufe
erreicht, die alle einen Storch beschrieben, der sich sonderbar
verhielte und scheinbar verletzt sei. Solche Anrufe kennt man
meist schon und in der Regel steckt nichts dahinter. Aber wer weiß
das schon im Voraus? Also widmete ich mich der beschriebenen Stelle
und fand dort tatsächlich einen Storch mitten in einer abgemähten
Wiese. Er saß auf dem Boden, stand bei meiner Annäherung
vorsichtig auf und flog schließlich etwa 100 Meter weiter, um
wieder zu landen. Bei meiner zweiten Annäherung flog er erneut ab,
kreiste immer höher und konnte damit als geheilt entlassen
werden.
Zu Hause angekommen, widmete
ich mich sofort den Vorgängen im Dinkelsbühler Nest. Um
15:00 Uhr landete das Männchen erneut für kurze Zeit in seiner
neuen Behausung, um erst gegen 15:42 Uhr mit dem weiblichen
Dauergast zurückzukehren. Dieser wurde jedoch vom Nest gewiesen und
nahm deshalb für einige Minuten auf dem Dachfirst zwischen der
Kameraposition und dem Nest Platz. Einige Schnappschüsse zeigen den
Kopf des weiblichen Storches am Unterrand des Bildes.

Wo hat sich die Dame
des Hauses versteckt?
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Da muss ich doch
alle Register ziehen!)
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Danach blieb die Dame des
Hauses (unser Dauergast) für Stunden aus. Man sah wieder nur
das Männchen (deutlich größer, verließ mit dem Kopf des öfteren
den oberen Bildrand, deutlich längerer und kräftigerer Schnabel
etc.) das Nest anfliegen und wieder verlassen. Dazwischen blieb es
immer mal für wenige Minuten bis maximal eine halbe Stunde aus. Um
19:06 Uhr verließ es erneut die neue Umgebung, doch als um 19:27
Uhr abermals ein Storch auftauchte war es das schon einige Stunden
überfällige Weibchen (deutlich kleiner, Schnabel schwächer und kürzer,
weniger intensiv rot gefärbt, deutliche Verfärbung im Bereich des
Intertarsalgelenkes).

Keiner zu Hause!
Da kann ich mal nach dem rechten sehen!
Um 20:23 Uhr erschien das Männchen
und es herrschte für acht lange Minuten Zweisamkeit im Nest.

Wollen wir es doch zusammen probieren?
Danach begann das Wechselspiel
von Neuem. Beide flogen ab, das Männchen kehrte zurück und drehte
dazwischen kurze Runden um das Nest.

Jetzt hätte mich der
Storchenexperte beinahe nicht mehr gekriegt!
Als um 21:00 Uhr das Paar noch
einmal zusammen fand, hoffte ich schon auf ein glückliches Ende
dieses Geburtstagsfestes.

Abermals ein Paar!
Doch ich wurde abermals arg enttäuscht.
Um 21:04 Uhr verdünnisierte sich unser Dauergast in Gestalt des
Storchenweibchens, um 21:08 Uhr folgte das Männchen mit unbekanntem
Ziel. Beide bleiben also in der Nacht ihrem Domizil fern. Weit können
sie in der beginnenden Dunkelheit nicht mehr geflogen sein. Ihr Übernachtungsplatz
liegt sicher im Umkreis von wenigen Kilometern um das Dinkelsbühler
Nest. So bleibt uns nur die Hoffnung, dass beide morgen erneut
auftauchen und endlich Nägel mit Köpfen machen.
...
Während ich die letzten Zeilen
beendete und traurig ans Übersenden des Textes und der Bilder an
unseren Webmaster ging, regte sich etwas auf dem Monitor meines PC.
Es landete doch tatsächlich um Punkt 22:02 noch ein Übernachtungsgast.
Fast unglaublich, aber wahr!

So nimmt der tag noch ein glückliches
Ende!
Ob es das Männchen oder das
alte Weibchen war, konnte angesichts der Lichtverhältnisse nicht
mehr ermittelt werden. Dies ist aber völlig egal. In der nächsten
Zeit meldet sich Ihr Tagebuchschreiber über das Gästebuch. Also
fleißig darin blättern, bis die unser Webmaster die Seiten
aktualisieren kann.
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Nun noch eine
"gute" Nachricht für alle Storchenfreunde: In den nächsten zwei
Wochen werden Sie viel Zeit haben, in alten Tagebucharchiven,
alten Bildarchiven, historischen
Anmerkungen, Informationen zum
Lebensraum der Dinkelsbühler Störche, Informationen zum Schutz
der Störche zu stöbern, oder auch im Chat
oder unserem Gästebuch zu
kommunizieren. Oder schauen Sie doch auch mal auf das weitere Angebot auf
der Homepage des BN-Ansbach.
Unser Webmaster muss nach einem anstrengenden Storchenfrühjahr ausspannen
und kann die Tagebücher in dieser Zeit nicht aktualisieren.
Wichtige
Informationen zum Storchenleben in und um Dinkelsbühl werden vom Storchenexperten
im Gästebuch
veröffentlicht. Aktuelle Bilder sind sicher auch auf den
Storchenfan-Seiten von Natty
und Burkhard
zu bewundern. Auch Helmut
Wilfling bietet mit der zweiten Cam aus der
Fußgängerperspektive und einigen tollen Schnappschüssen eine
interessante Ergänzung zu unseren Storchenseiten.
Nach einem aktuellen Update (15. Mai) finden Sie
nun schon 200 Bilder vom Mai 2002 in unserer
Galerie! Sie werden staunen über so viel Storch in einem
eigentlich unbesetzten Nest. Und das erst in der ersten Hälfte
des Monats!
Thomas
Ziegler
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