Lebensraum Unterstützt durch Für viele Beobachter unserer Webcam war es ein trauriger Moment, als das Nesthäkchen am 21. Juni (siehe unter Storchentagebuch 3.Teil) einfach von einem Elternteil aus dem Nest geworfen wurde. Man hatte die Situation doch schon frühzeitig erkannt und eigentlich täglich mit dem Ableben gerechnet.
Mit Sicherheit alles Fragen, die man sich stellen kann und die auf verschiedene Art und Weise beantwortet werden können. Eine Sichtweise der Dinge soll in den folgenden Bemerkungen dargestellt und erläutert werden. Dabei wird versucht, die Situation im Lebensraum der Dinkelsbühler Störche zu beleuchten und wenn möglich eine Verbesserung oder zumindest eine Bewahrung der bestehenden Gegebenheiten anzustreben. Bayerns Naturschutzverbände (neben dem Bund Naturschutz
vor allem auch der Landesbund für Vogelschutz) haben sich schon früh auf ihre Fahnen geheftet, den
Biotopschutz über den Individualschutz zu stellen, d.h. nicht das einzelne Individuum unter allen Umständen zu retten, sondern statt dessen Kraft und Mittel dafür einzusetzen, den
Lebensraum einer Art zu erhalten und zu optimieren.
Wichtige Nahrungsbiotope der Weißstörche Grünland (Nutzwiesen), vorzugsweise feuchtes Grünland, Abzugs- bzw. Entwässerungsgräben (bes. bei flachufriger Böschungsausbildung), Weiher, vor allem die Ufer- und Flachwasserzonen, Fischweiher, Nassstellen (Flutmulden und staunasse Zonen, fast ausschließlich in Tallagen), Altwässer, Tümpel und sonstige Kleingewässer (Sand- und Kiesgruppen etc.) Die Bäche und Flüsse der Talaue (in unserem Fall vor allem die Wörnitz) werden von den Störchen unmittelbar kaum genutzt. Ackerstandorte spielen als Nahrungsbiotope eine sehr untergeordnete Rolle und werden meist nur kurze Zeit während der Feldarbeiten im Frühjahr und Spätsommer/Herbst aufgesucht. Nach der vorherrschenden Biotopausstattung lassen sich zwei Gruppen bzw. Anpassungstypen von Störchen unterscheiden: Wiesenstörche Horstpaare ohne oder weitgehend ohne nutzbare Kleingewässer in ihrem Aktionsbereich. Das dominierende Nahrungsbiotop sind großflächige Wiesen, meist mit feuchten Senken, Flutmulden und Abzugsgräben. Weiherstörche Der Lebensraum dieser Störche ist von zahlreichen Teichketten bzw. großflächigen Weihergebieten geprägt, wobei ausgedehnte Wiesenflächen sehr selten sind, fehlen oder weit ab vom Horst liegen. Nun lassen sich die wenigsten Storchenpaare dem einen oder anderen Typus in Reinform zuordnen. Die Biotopstruktur und die Zuordnung wird in den meisten Fällen eine gute Mischung aus dem breiten Angebot sein. Als dominierend an allen Standorten erweist sich der Grünlandanteil, der eine lückige Bodendeckung aufweist, während Bereiche mit hohem Grasbestand und dichtem Wuchs nur sehr eingeschränkt nutzbar sind. Hier ist die Bodenfauna wegen der erschwerten Sichtbedingungen nicht leicht erreichbar und die Fortbewegung für die Störche erheblich behindert (man denke nur an schnelle Verfolgungsjagden bei der Erbeutung von Mäusen). Für das Dinkelsbühler Storchenpaar ist die Zuordnung zum einen oder anderen "Storchentyp" ebenfalls schwer möglich, auch hier macht es die gesunde Mischung. Sind es zu Beginn der Brutzeit bzw. während der Brutzeit vorwiegend die Wiesenbereiche der Wörnitz, die häufig zur Nahrungssuche angeflogen werden, ändert sich das Verhalten total, sobald nach dem Schlüpfen der Jungen der Nahrungsbedarf erheblich ansteigt. Dann sucht man die Altstörche meist vergeblich in der Flussaue. Sie fliegen dann die etwa 300 mehr oder weniger großen Weiher und Teiche der Umgebung an, um dort Nahrung aufzunehmen. A) Die Bedeutung der horstnahen Wiesen: Sie stellen nach der Ankunft des ersten Altstorchs im zeitigen Frühjahr die bedeutendsten Nahrungsgebiete dar. Sie sind schnell erreichbar, bieten im März/April mit dem Vorkommen von Regenwürmern (Frühjahrhochwässer/hoher Grundwasserstand) die leichtest erreichbare Nahrung. Außerdem bieten die horstnahen Wiesen die Gewähr, das Nest im Falle des Eintreffens eines Konkurrenten, immer im Auge zu behalten und schnell zurück zu sein. Oft kann eine kleine Verspätung in diesem Falle schon bedeuten, sich gegen den "Neuen" nicht mehr durchsetzen zu können. Für unser Storchenpaar sind solche Wiesen momentan nördlich der Stadt an der Wörnitz bis zur Froschmühle, südlich des Stadtgebietes bis nach Knittelsbach zu finden. Fast jede Beobachtung in den genannten ersten Tagen nach der Ankunft stammen aus diesem Gebiet. Auch die Stadt Dinkelsbühl wuchs in den letzten Jahrzehnten. Eine rege Bautätigkeit erfasste alle Bereich im Umgriff des alten Stadtkerns. Eine Vielzahl von Wiesenflächen ging in dieser Zeit durch Bebauung, Industrieansiedlungen und Straßen- und Wegebau für immer verloren. So blieb lediglich der reine Überschwemmungsbereich der Wörnitz von gravierenden Veränderungen verschont. Wenn wasserwirtschaftliche Eingriffe dazukommen und für einen schnelleren Abfluss des Wassers aus dem Überflutungsbereich sorgen, wird in regenarmen Perioden der horstnahe Wiesenbereich schneller austrocknen und die Regenwurmdichte unter das erträgliche Maß sinken lassen. Ein Schutz der Wörnitzaue mit Biotop verbessernden Maßnahmen kann dieser Gefahr vorbeugen und wäre ein erster kleiner Meilenstein für ein Weiterbestehen des Storchenstandortes Dinkelsbühl. Horstnahe Wiesen - besonders solche, die auch durch Wege gut erschlossen sind - unterliegen einem gewaltigen Freizeitdruck. Spaziergänger mit und ohne Hunde, Radfahrer und andere Verkehrsteilnehmer verursachen, ob gewollt oder ungewollt, häufig Störungen in horstnahen Nahrungsgebieten. Da für das Dinkelsbühler Storchenpaar diese Gefahren nicht gegeben sind, besteht hier eine große Chance für alle Verantwortlichen, die Flussaue in diesem Bereich zu optimieren, ohne dadurch das Freizeitbedürfnis der Dinkelsbühler und ihrer Gäste in irgendeiner Weise einzuschränken. Eine gute Möglichkeit bietet dafür der Bereich zwischen dem Wörnitzstrandbad und der Nordumgehung bei der Unsinnigen Mühle. Ein weiterer Wiesenabschnitt liegt in Höhe der Kläranlage. Beide Gebiete werden von keinen Fahrwegen durchschnitten und garantieren Futter suchenden Störchen ruhige Phasen, in denen sie nicht ständig aufgeschreckt, zum Abflug gezwungen und damit vertrieben werden. Jede derartige Störung bedeutet einen unnötigen Energieverlust, der in schwierigen Futterzeiten schmerzlich sein kann. Der Wiesenaspekt im zeitigen Frühjahr nach der Ankunft unserer Störche zeigt bei noch geringem Wachstum eine nur wenige Zentimeter hohe Grasnarbe. Dies gewährt den Störchen eine gute und freie Sicht auf Bodenlebewesen und garantiert einen hohen Jagderfolg. Bis Anfang Mai kurz vor Beginn der ersten Mahd (Silieren) verschlechtert sich die Situation für unsere Störche in den Wiesengebieten. Bei hohem Grasbestand und dichtem Wuchs werden die Wiesen nur mehr bedingt nutzbar. Anders steht die Lage in extensiv genutzten Wiesenabschnitten, da hier durch eingeschränkte Düngung die Halmdichte niedriger liegt und damit die Sichtbarkeit auf Bodenorganismen für die Störche auch bei größerer Halmhöhe bestehen bleibt. Mit Einsetzen des ersten Grasschnittes verbessert sich die Situation für die Störche schlagartig (freie Sicht auf Beutetiere). Zudem werden bei den Mäharbeiten viele Bodentiere aufgeschreckt, Mäuse und deren Nester ausgemäht, viele Bodenorganismen durch die Bearbeitung für den Storch leicht erbeutbar. Da die Mahd in den Flussauen oft innerhalb weniger Tage gänzlich abgeschlossen werden kann, also die guten Verhältnisse nur kurze Zeit bestehen und eigentlich für den Storch dann auf einer viel zu großen Fläche gleichzeitig stattfinden, sind die paradiesischen Zustände auch schnell wieder vorbei und es dauert lange, bis sich die Bodenorganismen von diesem für sie brutalen Eingriff erholt haben. Die Eier vieler Insekten oder deren Larven werden häufig durch die Mahd gänzlich vernichtet, so dass es vielen Insektenarten in einer intensiv genutzten Wiese gar nicht mehr gelingt, sich zu einem erwachsenen Tier zu entwickeln. Sucht man Störche während der Mahd im Nahrungsgebiet, braucht man eigentlich nur nach einem Traktor mit Kreiselmäher Ausschau zu halten und wird dann schnell fündig. Bis auf kürzeste Entfernung nähern sich Storch und Traktor bei den Arbeiten, wobei der Storch derjenige ist, der schnell gelernt hat, vom Menschen in dieser Weise zu profitieren. Man glaubt bei den Beobachtungen am Storchennest oft zu erkennen, dass Störche den Bauern auf ihren Traktoren mit den Augen folgen und kaum fallen die ersten Grashalme ist "Meister Adebar" zur Stelle und sammelt nur noch auf, was ihm vor den Schnabel geschleudert wird. Wünschenswert wäre es, wenn einzelne Wiesenbereiche - und hier müsste mit dem Besitzer eine Vereinbarung getroffen werden, die auch einen finanziellen Ausgleich schafft - nicht großflächig abgemäht werden, sondern wenn Streifen stehen bleiben, in die sich einmal Tiere flüchten können und die zur Mahd dann eben einige Tage später dran sind. Eine solche Staffelung brächte die Gewähr, dass für das Storchenpaar über einen längeren Zeitraum immer wieder gemähte Flächen zur Verfügung stehen. So wird aus einer Parzelle von 1 ha mit einem Umfang von 400 m (400 Meter "Rand") durch einfachste Mittel ein Vielfaches an "Rand". Dieser Randeffekt (edge effect) - Störche patrouillieren gerne an solchen Rändern entlang - erhöht dann schnell das Jagdgebiet des Storches, obwohl sich an der Gesamtfläche selbst nichts verändert hat. Die bayernweit geförderten und bezuschussten Flächen, auf denen vor dem 1.7. überhaupt nicht gemäht werden darf (Wiesenbrüterprogramm, Landschaftspflegeverband), bringen dem Storch selbst andererseits nicht sehr viel (aber natürlich vielen anderen seltenen Wiesenbrütern und können deshalb nur gelobt werden). Solche Flächen verfügen zwar über eine beeindruckende Artenvielfalt, jedoch lässt die Individuendichte zu wünschen übrig. Häufig ist in solchen "einschürigen" Wiesen die oberflächennahe Grasschicht verfilzt, behindert die Sicht und erschwert die Fortbewegung. Zusammenfassung: B) Weiher/Fischteiche sowie Intensiv-Fischzuchtteiche
Diese Nahrungsbiotope spielen für die Dinkelsbühler Störche eine wesentliche Rolle. Gerade in Zeiten, in denen die Wiesen weniger ergiebige Nahrungsquellen darstellen, bilden Weiher und Teiche ein Alternativangebot. Im 5-Kilometer-Umkeis um das Nest sind - ohne eine ganz verlässliche Zahl nennen zu können - mindestens 300 Weiher und Teiche zu finden.
Ihre Größe schwankt dabei von knapp 20 Hektar (Walk- und Gaisweiher
am südlichen Stadtrand) bis wenige Hundert Quadratmeter.
In Notzeiten - vorausgesetzt für die Störche werden solche Teiche "bereitgehalten" - kann durch ein mit dem Pächter oder Besitzer dieser Wasserflächen abgestimmtes Programm und durch bewussten Besatz mit Beifischen ein Überangebot an Nahrung bereitgestellt werden, das von Störchen schnell entdeckt und genutzt wird.
Ähnlich liegen die Verhältnisse in den Teichanlagen im Südosten der Stadt. Dort um Neustädtlein, Tiefweg, Knittelsbach und Brennhof müsste es ebenfalls möglich sein, durch Ankauf oder Pacht Teiche zu gewinnen, die für die Störche entsprechend genutzt werden könnten. Ein weiter lohnendes Gebiet wären die Weiher um Segringen. Speziell der Weiher an der Reichertsmühle wird auch heute schon immer wieder zur Nahrungssuche genutzt, da sein defekter Mönch einen ständig wechselnden Wasserstand verursacht. Wer sich bei all den möglichen Projekten auch finanziell engagieren will, findet unter "Helft den Störchen" die nötigen Einzelheiten und kann sich mit einer Spende speziell für diesen Zweck einsetzen.
Zusammenfassung: Für Störche am besten nutzbar sind Teiche mit flach auslaufenden, nicht allseitig von Schilf umschlossenen Ufern. Genutzt werden dort dann aber nur die Randzonen, in denen der Wasserstand weniger als einen halben Meter beträgt. Störche machen sich nur ungern das Gefieder nass, das heißt sie gehen nur so weit ins Wasser hinein, bis der Bauch das Wasser berührt. In den meisten Fällen macht Adebar jedoch schon früher wieder kehrt. Als geeignet erweisen sich auch künstlich geschaffenen Teiche, so lange sie nicht gänzlich mit Wasser gefüllt sind. Hier wäre ein Management wünschenswert, das einige Teiche aus der Nutzung herausnimmt - selbstverständlich gegen volle Entschädigung der Eigner - und diese Gewässer dann "storchengerecht" aufbereitet. C) Gräben aller Art - kleine Bachläufe
Gräben sowie kleine Bäche durchziehen in vielfältiger Weise den Nahrungsraum der Dinkelsbühler Störche. Dabei handelt es sich meist um kleine und kleinste Zuflüsse der Wörnitz, die auf ihrem Weg dorthin häufig noch aufgestaut werden und somit zur Wasserversorgung zahlreicher Kleingewässer dienen (Weiher, kleine Teiche).
Leider erleiden derartige Zuflüsse - so auch im Horstumfeld unseres Storchenpaares - eine ständige Verschlechterung ihrer potentiellen Möglichkeiten als Nahrungshabitat.
Um nun die Wörnitzaue für unsere Störche weiter zu optimieren und langfristig eine Verbesserung der Nahrungssituation herbeizuführen, müssten folgende Forderungen für eine Grabenoptimierung erfüllt werden. Hierbei bieten sich als vordringliche Maßnahmen wieder solche im näheren Horstumfeld an, weil diese Gebiete von einem Storchenpaar mit dem geringsten Energieaufwand angeflogen werden können. Deshalb drängen sich hier abermals vor allem die Bereiche zwischen der Frosch- und der Pulvermühle, aber auch die Grabenverläufe flussabwärts bei der Lohmühle, um Knittelsbach und bis Dieterstetten auf.
Renaturierungen von Gräben und kleinen Bachläufen stellen Projekte dar, die einen erhöhten Aufwand für Planung, Projektierung und Durchführung erfordern. Außerdem bin ich mir bewusst, dass man bei derartigen Verbesserungsvorschlägen allzu leicht in Interessenskonflikte mit Landwirten, der Wasserwirtschaft, Fischereiausübenden, Angelvereinen und anderen Gruppierungen gerät. Wie in vielen anderen Lebenslagen muss auch hier versucht werden, Kompromisse anzustreben und einen Konfrontationskurs zu vermeiden. Eine gute Ausstattung mit finanziellen Mitteln lässt bei Verhandlungen jedoch leichter Überzeugungsarbeit leisten. Sind Maßnahmen vorgesehen und kann die Zahlung von Ausgleichsgeldern für möglicherweise entstehende Nutzungsverluste geleistet werden, ist die Durchführung leichter möglich. Deshalb möchte ich es hier nicht versäumen, an unser Spendenkonto zu erinnern, dessen Gelder die genannten Pläne erst umsetzbar machen. Wird fortgesetzt! |