Storchenkamera

Storchentagebuch 2002
...was bisher geschah

Teil 16

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30. Aug. 02

 

Nach gemeinsamer Nacht warten Resi und Rudi heute morgen, bis sich der dichte Nebel etwas zu lichten beginnt. 

Resi, mir fehlt im Augenblick der richtige Durchblick!

Lange nicht mehr konnten wir diese mystische Stimmung so eindrucksvoll erleben. Bei diesen Bildern bin ich besonders verliebt in unsere Webcam, die in dieser Beziehung so und so zu den schönsten in der immer größer werdenden Familie ähnlicher Webcams gerechnet werden muss.

Nach wie vor erleben wir unser Paar und wie es aussieht, kann es noch ein Weilchen so weiter gehen. Resi und Rudi müssen auch nicht gemeinsam verschwinden, sondern es wäre sogar normaler, wenn beide mit einigen Tagen Abstand aus dem schönen Dinkelsbühl abreisten. Für Spannung ist also gesorgt. Wann bleibt Resis oder/und Rudis Platz am Abend leer? Um 7:45 Uhr sieht man beide im Nebel auftauchen. Einer hat im Nest Platz gefunden, der Partner steht auf dem Dachfirst. 


Wenn es besser wird mit dem Nebel, starten wir aber!

Nach einer halben Stunde rücken beide im Nest zusammen, ehe Resi sich fürs Erste verabschiedet. Rudi hält eine weitere Stunde die Stellung und fliegt danach seiner Resi nach. Zu meiner Freude entdecke ich die beiden entgegen ihrer Gewohnheit zur frühen Nachmittagsstunde in ihrer „Wohnung“.

Zum Nachmittagskaffee ein Besuch im Nest!

Selbst als ich gegen 15 Uhr die Beobachtung abbrechen muss, verharren sie immer noch in ihrer Luxuswohnung. In der Nacht bei meinem letzten Blick ins Nest sehe ich zu meiner Freude zwei schwarze Körper mit zwei ebensolchen Beinen.


Scherenschnitte

Nun noch kurz zu Hugo aus MosbachUm 9:30 Uhr mache ich ihn erneut an seinem Stammplatz auf einem Acker in der Nähe der Spielbank aus. Ich erteile ihm eine Flugstunde, zu der er wieder ein Stückchen früher startet als beim letzten Mal. Das bedeutetHugo verliert mehr und mehr sein „Gefangenschaftssyndrom“ und verhält sich schon eher wie ein „richtiger“ Storch. Aber es bleibt dennoch festzuhalten, dass seine Gefangenschaft Spuren hinterlassen hat, die ihn eben selbst für seine Familie nicht so recht akzeptabel machen. Er wird nicht angegiftet oder verfolgt, aber ein richtiges Miteinander kommt auch nicht auf. Erst am morgigen Tag werde ich weiter auf Hugos Spuren wandeln können.

31. Aug. 02

Gefahr in Hugos Aufenthaltsgebiet. Eine ganze Armada geländegängiger Fahrzeuge, sog. Offroader, ist vorgefahren. Obwohl weit und breit für solche Fahrzeuge keinerlei Notwendigkeit besteht, denn selbst der kleinste Flurbereinigungsweg ist geteert und alle nicht geteerten Weg sind sogar mit einem tiefer gelegten Opel  Manta befahrbar, parkten diese Fahrzeuge auf dem Weg zwischen Mosbach und Reichenbach. Sie karrten einige verwegene Herren in Outdoor-Kleidung heran, Jägermeistern nicht ganz unähnlich und jeder dieser Herren führte einen Jagdhund bzw. etwas, was einmal ein solcher werden soll, an der Leine oder auch nicht. Während mein Flugschüler nicht sichtbar war, durchkämmte die offensichtliche Jagdhundeschulungsgruppe das Gelände. Dabei war nicht immer klar zu unterscheiden, wer der zu schulende Teil eigentlich sein sollte. Manch beleibtem Zeitgenossen, lief der Schweiß in Strömen herab, während dem hoffnungsvollen Hundenachwuchs wenigstens nur die Zunge heraushing. Hinter einem großen Maisfeld wurde ich schließlich doch noch fündig. Hier fühlte sich Hugo vor der Hundemeute ziemlich sicher und er tat das, was er tun musste. Er pflegte sich und durchschnäbelte seine Federn. Als die Gruppe mit den Hunden nach einer Weile immer näher kam, brachte ich Hugo doch zum Auffliegen. Ich musste nur andeutungsweise in seine Richtung laufen und schon war er in der Luft. Großartig, welche Fortschritte er in den wenigen Tagen geleistet hatte. Er kreiste jetzt sogar ein Weilchen über mir, hatte mehr als 20 Meter Höhe gewonnen und segelte anschließend im Gleitflug etwa einen Kilometer zurück in Richtung Mosbach. Am südlichen Ortsende entdeckte ich Hugos vierköpfige Familie. Ein Bauer presste dort mit einer famosen Maschine Gras zu mannshohen Ballen, die wie überdimensionale Spielzeugkugeln aus einer „Heckklappe“ kullerten. Erst im letzten Moment wichen die Störchen vor Traktor und Monstermaschine (Deutz-Fahr MP 130 Master Press). Die Ausbeute an Nahrung fiel allerdings dabei eher bescheiden aus, offensichtlich zeigten sich die Adebare nur technikinteressiert.

Ein kurzer Stop führte mich noch ins dem Storchennest benachbarte Haus. Frau Kern hatte beim Schneiden ihrer Hecke vor dem Anwesen die Überreste des Mitte Juni im Nest gestorbenen 4. Mosbacher Jungen entdeckt. Da ich auch dieses Junge im Alter von vier Wochen beringt hatte, wollte sie mir den Ring mit der Nummer DER A1933 heute aushändigen. Dabei erzählte sie, dass sie schon seit Tagen etwas am Nestrand hängen sah, sie sich aber keinen Reim darauf machen konnte. Diese Ungewissheit war mit dem Fund in der Hecke nun beendet. Seit dem Ausfliegen herrschte am Nest reger Flugverkehr. Dabei wurden Teile des Nistmaterials im Randbereich des Nestes losgetreten und im Laufe der Wochen der schon überbaute Kadaver des Jungen wieder freigelegt. Auch Gletscher geben im Laufe der Zeit ihre Opfer wieder preis. Während der Unterhaltung unter der Haustür rauschte es plötzlich über unseren Köpfen und die beiden Altstörche landeten im Nest. Ein aufgeregtes und heftiges Klappern schloss sich an. Als es gleich darauf erneut rauschte und weitere vier Störche über dem Nest erschienen, war mir der Grund der Aufregung klar. Nur zwei gehörten noch zur eigentlichen Nestbesatzung, wie die schwarzen Kunststoffringe auswiesen. Nach einigen vergeblichen Anläufen durften die beiden Jungen mit ins Nest und in die Verteidigung mit eingreifen. Bei den beiden Fremden handelte es sich um unberingte Altstörche, die nach einigen Platzrunden auf dem Dach des wuchtigen Mosbacher Kirchturms landeten und damit aus der Schusslinie waren. Die Phase der größten Aggressionen war vorüber. Eine Ahnung ließ mir bei der ganzen Aktion keine Ruhe. Waren die beiden Fremden nicht Resi und Rudi, die auf ihrem Morgenausflug einmal kurz in Mosbach vorbeigeschaut hatten? Ich halte dies für gut möglich.

Von all der Aufregung hatte Hugo nichts mitbekommen. Er stand immer noch im gleichen Acker wie vor einer halben Stunde. Doch die Hundemeute hatte einen Stellungswechsel vollzogen und bewegte sich wieder langsam auf Hugo zu. Ich sah meinen Schützling in Gefahr und brauchte dieses Mal nur die Andeutung einer Annäherung zu machen und schon wechselte er das Terrain und flog an den Ausgangspunkt seiner heutigen Expedition zurück.

 
Die rot schraffierte Fläche zeigt Hugos Aktionsgebiet. Die größte Kantenlänge im Norden beträgt 1800 Meter, die größte Nord-Süd-Ausdehnung etwa 1500 Meter. Die Spielbank finden Sie im Bereich der AS 111 Feuchtwangen als schwarz karierte Fläche.

Auch am frühen Nachmittag war Hugo seinem Lieblingsplatz treu. Ich begnügte mich mit einem kurzen Blick durchs Fernglas und sah, dass er nach wie vor mit der Nahrungsbeschaffung keine Probleme hatte. Auf eine weitere Flugstunde verzichtete ich bewusst. Seine beiden Geschwister, die heute gegen 11 Uhr noch in die Nestverteidigung mit einbezogen waren, gingen mir allerdings ab. Hugos Eltern standen allein im Nest, von den Jungen keine Spur. Bisher waren sie stets in Gesellschaft ihrer Eltern. Sollten sie das prächtige Wetter heute zur Abreise genutzt haben? Ich glaube es fast. Um 19:30 Uhr finde ich Hugo erneut in seinem Lieblingsacker und es passiert abermals etwas Neues. Ich befand mich etwa 500 Meter von Hugo entfernt, also weit außerhalb jeglicher Fluchtdistanz aller Störche, da breitete er von selbst die Schwingen aus, schwang sich in die Luft, erreichte nie gekannte Höhen, drehte einige Runden und landete unweit der Abflugstelle wieder in einer Ackerfläche. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es sich um Hugo handelte, hätte es jeder andere Storch auch sein können. Unser ehemaliger Bruchpilot entwickelt sich immer mehr zu einem „richtigen“ Storch. Ein höchst erfreuliches Ergebnis. Bei der Heimfahrt zeigte es sich, dass ich mit meiner Vermutung vom Nachmittag wohl richtig lag. Die „Alten“ standen zur Übernachtung im Nest, von den Jungen keine Spur mehr. Waren sie vielleicht mit den beiden Fremden mitgeflogen? Hatten die Besucher einen Abholdienst organisiert und die Jungen zur Abreise veranlasst? Auf jeden Fall sind sie heute am Abend nicht mehr am Übernachtungsplatz erschienen.

Am Morgen zeigte das Bild der Kamera aus dem Dinkelsbühler Storchennest ein Standbild von kurz vor 6 Uhr. Bei fast noch völliger Dunkelheit leuchteten zwei weiße Blitze durch die Nacht. Resi und Rudi bereiteten sich auf ihr erstes Frühstück vor. Als die Bilder kurz nach 9 Uhr wieder laufen lernten, war das Nest leer. Um 12:39 Uhr fand sich ein einzelner Storch  – ich rechne, es handelte sich um Rudi – ein und er blieb über mehrere Stunden allein und auch zu seinem abendlichen Einflug gegen 19 Uhr fand er lange keinen Mitschläfer. 

Komisch! Ob Resi mich schon verlassen hat?

Rudi allein zu Haus!

Während ich diese Zeilen schrieb und mit einem Auge immer die Bilder der Webcam betrachtete, kam Resi um 20:26 doch noch angeschwebt. Es heißt weiter Warten und Hoffen, dass Resi und Rudi noch nicht abreisen.


Da bin ich Rudi! Ich lass dich nicht allein!

1. Sep. 02

Der meteorologische Herbstbeginn hat sich auch mit dem entsprechenden Wetter in Dinkelsbühl eingestellt. Regen in der Nacht, tief hängende Wolken sowie eine Abkühlung auf herbstliche 17 Grad lassen wenig Reiselust unter den Störchen erwarten. Zum Glück blieb die Region von Unwettern verschont, so dass Resi und Rudi wenigstens von dieser Seite kein Ungemach befürchten mussten. Am Vormittag sichtete ich um 10:45 Uhr den ersten Adebar - nach meiner Einschätzung handelte es sich abermals um Rudi.


Reichlich ungemütlich heute!

Da legst di niedä!

So ohne Vergleich mit dem Partner ist es wirklich rein spekulativ und nur vom Gefühl bestimmt, wer von beiden nun tatsächlich als Solist im Nest agiert. Am sichersten erscheint mir, die Schnabelproportion aus verschiedenen Perspektiven zu beobachten und danach seine Entscheidung zu treffen. Wenn ich allerdings einmal "schief" liege, dürfen Sie mir nicht böse sein. Besagter Rudi erhielt um 11:30 Uhr Gesellschaft durch Resi und wenn heute nicht der 1. September wäre, könnte man glauben, das Paar stehe kurz vor der Eiablage. 


Gut Resi, dass wir noch nicht
abgeflogen sind!

Ich möchte mich auch
hinlegen, Rudi!

Bitte sehr! Wenn ich etwas rutsche, haben wir beide Platz

Nach langer Zweisamkeit flog Resi wieder von dannen und Rudi stand eine Weile wie ein begossener Pudel herum. Danach besann er sich eines Besseren und schleppte zwischendurch erneut Nistmaterial herbei. Dann hängte sich Helmuts Computer wieder einmal auf und wir sahen nur ein Standbild des vereinsamten Ehemannes von 15:50 Uhr. Da ich natürlich mit eigenen Augen erleben wollte, ob unser Paar auch heute im Nest nächtigt, machte ich noch einen abendlichen Abstecher ins benachbarte Dinkelsbühl. Hurra! Sie waren da! Um 20:06 Uhr traf ich Resi und Rudi nebeneinander stehend im Nest an. Einer weiteren Nacht und weiteren Sichtungen der beiden steht nun - so hoffe ich - nichts mehr im Wege. Helmut muss nur seinen müden Computer wieder einmal hochfahren. Mal sehen, wann er sein Modegeschäft morgen betritt. Ich hoffe doch, dass er dies etwas früher als gewohnt tun wird.

Noch ein kurzer Abstecher zu Hugo nach MosbachEntweder konnte er nicht oder er wollte nicht? Sein Aktionsradius bei vier Besuchen vor Ort beschränkte sich nur auf wenige Hundert Meter. Er startete jedes Mal, ohne dass ich ihn aufjagen musste. Seine Flüge waren aber nur extrem kurz und führten beim zweiten Versuch wieder an den Ausgangspunkt zurück. Die Nacht verbringt Hugo erneut im Lichtschein der Spielbank, seine Eltern thronen hoch im Nest auf der ehemaligen Molkerei. Seine Geschwister sind definitiv am gestrigen Tag abgereist.

2. Sep. 02

Der gestrige Ausfall der Übertragung wurde am Vormittag behoben und man sieht nach Stunden der Entbehrung als erstes gleich ein Nest mit Inhalt. Resi – oder doch Rudi? – liegt um 9:11 Uhr noch oder schon wieder im Nest und zupft trotz Liegeposition fleißig Zweige zurecht. 

Gibt nicht mehr viel zu tun. Da kann ich es mir doch so richtig gemütlich machen!

Um 9:46 Uhr erscheint Rudi für eine einzige Minute am Nest, beide scheinen etwas zu besprechen und unmittelbar darauf fliegt er auch schon wieder ab. Seine Gemahlin fliegt kurz darauf hinterher. Ab die Post! Und das Warten auf die abendliche Rückkehr beginnt ein weiteres Mal.

Es hat sich gelohnt! Resi und Rudi sind wieder zur Übernachtung ins Nest gekommen. Vor einem Jahr war es auch der 2. September, der die letzte Übernachtung des damaligen Paares brachte. Aber für neue Rekorde sind wir immer offen. 


Weiter so

Bei Hugo in Mosbach tat sich gar Aufregendes. Ich verließ ihn gestern bei Dunkelheit im Dunstkreis der Spielbank und wurde dort heute Vormittag auch schnell fündig. Er hatte sich rund 500 Meter nach Süden bewegt und schien bereits auf mich zu warten. Da ein befahrbarer Weg an ihm vorbeiführte, konnte ich im Auto sitzen bleiben und in seine Nähe fahren. Doch kaum hatte er meinen fahrbaren Untersatz wahrgenommen, erhob er sich in die Luft und entfernte sich aus der für ihn gefährlichen Distanz. Der Landung im Acker folgte eine weitere Annäherung meinerseits, diesmal zu Fuß, jedoch mit der gleichen Reaktion Hugos. Der Weg führte ihn einfach zurück an den Ausgangspunkt unserer Übungsstunde. Wer veräppelt hier wen?, dachte ich mir und bestieg leicht angesäuert mein Auto. Einen knappen Kilometer entfernt traf ich Hugos Eltern. An der Wörnitzbrücke am Ortsende von Mosbach in Richtung Kühnhardt waren beide in einer frisch gemähten Wiese auf Insektenjagd. Warum war Hugo nicht bereit, die kurze Strecke zu seinen Eltern zu segeln? Rein flugtechnisch hielt ich ihn dazu in der Lage. Oder warum gingen die „Alten“ nicht auf Hugo zu? Storch müsste man sein, aber vielleicht bekäme man auf diese Fragen dann dennoch keine Antwort. Um 15:15 Uhr begab ich mich erneut auf die Suche nach Hugo. Zwischen Reichenbach und Mosbach wurde ich zu meiner Verwunderung nicht fündig. Hier war Hugo in der gesamten Woche seines Aufenthaltes anzutreffen. Routinemäßig wechselte ich in die Talaue südlich von Mosbach. Auf einigen Wiesenparzellen wurde gemäht und das Mähgut auf Ladewagen abtransportiert. Und dort fand ich nicht nur Hugo mit seinen Eltern, sondern auch die beiden Nestgeschwister waren nach 48 Stunden Abstinenz „nach Hause“ zurückgekehrt. Diese waren am 31. Aug. „definitiv“ abgereist, aber nun waren sie definitiv wieder da. Eine Ablesung der Ringe A1931 und A1932 ließ keinen Zweifel zu, ebenso die Nummer A1930 auf Hugos Ring. Man lernt nie aus, wenn man sich mit Störchen beschäftigt. Es gibt nichts, was es nicht gibt. So in diesem Fall. Die beiden Jungen waren abgereist und kehrten nach zwei Tagen zurück. Wo waren sie? Was brachte sie wieder zurück an ihren Geburtsort? Auch Hugo zeigte sich durch die Rückkehr seiner Geschwister wie aufgedreht. Er hatte gut zwei Kilometer seit meiner letzten Sichtung am Vormittag zurückgelegt. Er stand nicht mehr teilnahmslos in einem Acker und wartete, bis ich ihm eine Flugstunde erteilte. Nein, er lief unentwegt durch das gemähte Gras, die Wege der anderen Störche kreuzten sich immer wieder mit dem Weg Hugos und alle Beteiligten bildeten eine regelrechte Einheit. Von Andersartigkeit eines Mitgliedes der Familie war in diesen Augenblicken nichts zu sehen. Hugo entdeckte immer wieder kleinere Beutetiere, die er erfolgreich erjagte und fraß. In dieser Situation verließ ich die Idylle, um erst am Abend gegen 19 Uhr zurückzukehren. Nördlich der Wörnitzbrücke von Mosbach entdeckte ich die beiden Mosbacher Altstörche mit ihren zwei Jungen. Hugo gehörte nicht dazu. Er hatte sich noch weiter nach Süden abgesetzt als auf unten stehender Karte verzeichnet. Nun galt es, wieder Flugunterricht zu nehmen. Was folgte, gehört in die Kategorie „Meisterklasse“. Er setzte über einen Kilometer nach Norden zurück und schien bei seiner Landung nördlich der Straße Mosbach – Kühnhardt sogar noch Reserven zu besitzen. Er landete dicht bei seiner Familie. Ich gab ihm noch eine weitere Lektion und was ich gehofft hatte, trat ein. Wie von Geisterhand zielte sein Flug in die Wiese, in der die Familie seit längerer Zeit auf Mäusejagd war. Anfangs hielt sich Hugo noch ein wenig abseits, doch mit welchem Tempo er die Fläche durchschritt, war schon sehr beachtlich. In etwa 5 Minuten verschwanden drei ausgewachsene Feldmäuse in seinem Magen und das eine oder andere kleinere Beutetier ebenso. Als ein Landwirt mit Traktor und Ladewagen erschien, um das Gras abzufahren, verstand es Hugo geschickt, im letzten Moment zur Seite zu laufen. Nach 20 Minuten hatte die Familie ihren Aktivitätsgipfel überschritten und das Storchenmännchen flog bereits ins Nest. Der Rest blieb noch in der Wiese. Dabei beobachtete ich zwei Mal, wie das Weibchen Hugo zu attackieren versuchte, als er ihr ganz nahe kam. Bei seinen Geschwistern konnte ich diese Reaktion nicht beobachten. Welche Bedeutung diese Aggression gegen ihr eigenes Kind zu bedeuten hatte, kann ich mir nicht erklären. Es spricht jedoch einiges dafür, dass sich Hugo für einen Storch nicht ganz so bewegt, wie es von einem solchen eben erwartet wird. Gegen 20:10 Uhr flogen alle bis auf Hugo zur Übernachtung ins Nest. Dieser blieb in der Wiese zurück und wird eine weitere Nacht ebenerdig verbringen. Hoffentlich bleibt ihm dabei auch weiterhin das Glück treu und er wird nicht doch noch das Opfer eines Räubers.


Der rote Punkt markiert die Stelle,
an der Hugo und seine Familie heute das erste Mal zusammentrafen.

3. Sep. 02

Nachdem sich im Dinkelsbühler Nest seit meinem Erwachen gegen 9 Uhr nichts getan hat, worüber sich zu berichten lohnt, werde ich mein Augenmerk verstärkt auf die Mosbacher Störche richten. Nach dem morgendlichen Abflug von Resi und Rudi konnte ich sie bis zum Augenblick (17:45 Uhr) kein einziges Mal am Nest beobachten. Doch übernachtet wird wieder und damit ein – soweit bekannt – neuer Rekord aufgestellt (seit „Einführung“ der Webcam). Als ich aus Mosbach zurückkehre (es ist 20:40 Uhr), finde ich Resi und Rudi erneut im Nest vor. Einer liegt und einer steht!

Anders in MosbachWer süchtig nach „Storch“ ist, kann dort seiner Sucht freien Lauf lassen und fünf „auf einen Streich“ genießen. Heute am Vormittag um 9:30 Uhr ergab sich folgendes Bild. Die beiden Eltern standen im Nest. In Sichtweite schritten unweit der Wörnitzbrücke drei Junge (also einschließlich Hugo) in der gleichen Wiese wie am Vortag umher. Hugo wird also immer mehr Teil der Familie und wenn alles gut geht, wird er den Absprung heuer schon noch irgendwie schaffen. Nach etwa 20 Minuten verließen beide Eltern ihren luftigen Ausguck im Nest. Mama Storch segelte auf die Wiese zu ihrem Nachwuchs, während Papa Storch es vorzog, 500 Meter weiter nach Süden zu fliegen und die nächste Zeit dort ungestört zu verbringen. Rund sieben Stunden später ergab sich fast die identische Situation. Diesmal waren gleich von Anfang an alle fünf Mosbacher in der Wiese vom Vormittag auf der Jagd. Hugo wechselte einmal ganz an den Rand der Wiese, die dort an einen Fahrweg grenzt. Als ich langsam mit dem Auto heran fuhr, flog er auf und landete im Nachbargründstück. Dort lief ich ihm ein Stück nach, er flog erneut auf und segelte zurück zur Familie. Es klappt doch! Mal sehen, was der Abend noch bringen wird. Um 19:30 Uhr finde ich die Gesamtfamilie rund 500 Meter südlich in einer großen Wiesenfläche, deren Kurzhaarschnitt die zahlreich vorkommenden Mäuse leicht erjagen lässt. Auch Hugo beteiligt sich mühelos am Geschehen. Er war den ganzen Tag im Familienverband und musste kein einziges Mal abseits stehen. Als die Dämmerung schon weit fortgeschritten war, lief ich der Familie ein Stückchen entgegen und alle flogen gemeinsam auf. Vier landeten eine Minute später im Nest, Hugo sonderte sich nach dem Auffliegen sofort ab, hielt nicht Kurs auf das Nest, sondern landete in der Wiese, an der er auch den Vormittag und den Nachmittag verbracht hatte. Dort wird er auch die Nacht verbringen.

4. Sep. 02

Ein herrlicher Tag geht zu Ende. Er brachte in Dinkelsbühl Temperaturen von über 20 Grad und einen kräftigen Wind, also beste Flugvoraussetzungen. Seit dem Start meines Computers am Morgen und der Einwahl ins Internet konnte ich nie einen Besucher im Nest entdecken. Zugegeben, ich saß nicht die ganze Zeit vor dem Bildschirm. Dennoch glaube ich, dass auch bei einer Dauerbeobachtung kein Storch am Nest zu sehen gewesen wäre. Als ich auch heute wieder spät aus Mosbach zurückkomme – mein täglicher Stundenplan sieht diesen Abstecher seit 10 Tagen so vor – entdeckte ich einen Gast im Storchennest. Da dieser Zustand auch um 21:30 Uhr unverändert anhielt, steht festResi oder Rudi verbringt die Nacht heute erstmals an anderer Stelle. Ob er oder sie schon abgereist ist, müssen die Beobachtungen der nächsten Tage erbringen. Nach den Vorgängen um die Jungen in Mosbach (die waren weg und kamen nach zwei Tagen wieder) bin ich mit vorschnellen Prognosen etwas vorsichtiger. Der beiliegende Schnappschuss belegt auf alle Fälle das Vorhandensein eines Storchs.


So wie es aussieht, hat man mich alleine gelassen!

Anders in Mosbach! Die gesamte Familie verbrachte einen weiteren Tag in dem Dorf am Oberlauf der Wörnitz. Auch heute suchte ich die fünfköpfige Storchenschar drei Mal auf und fand sie immer im Bereich um die Wörnitzbrücke. Hugo konnte jedes Mal im Kreise seiner Lieben angetroffen werden, Angriffe seitens seiner Mutter blieben gänzlich aus, auch wenn er sich sehr nahe an ihr vorbei bewegte. Die abgeräumten Wiesen bieten immer noch hervorragende Sicht auf alles, was sich auf ihnen bewegt. Keine unvorsichtige Maus bleibt unentdeckt und dieses Angebot machten sich alle Störche zu Nutze. Vielleicht haben die Langbeine erkannt, dass eine so vorzügliche, leicht nutzbare Nahrungsquelle so lange wie möglich beackert werden muss. Bei zwei von mir initiierten Flugübungen beließ es Hugo bei kurzen Flügen an die jeweils andere Seite der Wiese. Mehr war angesichts der Situation auch gar nicht nötig. Seine Restfamilie unternahm überhaupt keine Flüge, sondern legte die gesamte Strecke zu Fuß zurück. Als ich Hugo und seine Freunde um 20:20 Uhr verließ, bewegten sich alle immer noch auf „ihrer“ Wiese. Der Anflug zum Nest dürfte sich jedoch genauso wie gestern abgespielt haben. Eltern + 2 Junge übernachten dort, Hugo bleibt auf der Wiese und schläft teils stehend, teils liegend.  (Hätte beinahe vergessen zu erwähnen, dass Hugo am Nachmittag über eine halbe Stunde lang im Gras lag. Hat nichts Schlimmes zu bedeuten, habe diese auch bei ganz normalen Störchen schon öfters beobachtet.)

5. Sep. 02

Ein schöner Spätsommertag mit Rudi?/Resi? Breits um 7:50 Uhr gelingt mir der erste Schnappschuss von  Rudi.


Rudi hält die Stellung

(Natty sei bitte nicht böse, wenn ich Deine Resi Rudi nenne!) Sie sehen schon, wie schwer es selbst für mich ist, eindeutige Beweise für die Identität zu finden. Nach ausgiebigem Bildvergleich neige ich aber mehr zu Rudi und belasse es damit für die weiteren Ausführungen dabei. Glück gehabt!, denke ich mir. Denn Rudi verabschiedet sich drei Minuten nach meiner ersten Sichtung bereits wieder. Anschließend proben einige Dohlen bereits den neuen Aufstand im Nest, haben aber (noch) kein Bedürfnis, schon jetzt Nistmaterial zu stehlen.


Dohlenaufstand

Im Frühjahr dürfte ja noch genug vorhanden sein, krächzt die Anführerin und fliegt mit ihrem Gefolge zum Münsterdach zurück. Etwas überraschend nach den Erfahrungen der letzten Tage kehrt Rudi kurz nach Mittag zum Nest zurück und legt für alle Storchenfans eine Sonderschicht ein.

Wie lange können wir diesen Anblick noch erleben?

Als Krönung folgt der Gang auf den Dachfirst, von wo aus kurz nach 13 Uhr der Abflug ins Nahrungsgebiet folgt.

Ab auf den Dachfirst Aus der Distanz betrachtet

Wie wird sich der abendliche Einflug gestalten? Erscheint Rudi mit Partnerin, alleine oder überhaupt nicht mehr? Um 19:05 Uhr macht es plopp und Rudi steht im Nest, bereit zur Übernachtung.

Er ist wieder da! Rudi in voller Größe und Schönheit

So bleibt es dann bis die Dunkelheit nur noch einen schemenhaften Abriss unseres Übernachtungsgastes wiedergibt.


Ein Genuss!

Die Mosbacher Familie bleibt und bleibt und ......... Am Vormittag treffe ich alle fünf Störche erneut auf ihrer Lieblingswiese südlich der Wörnitzbrücke in Richtung Tribur. Hugo ist ohne Fernglas und Fernrohr (Ringnummer!!) nicht mehr von seinen Geschwistern zu unterscheiden. Er bewegt sich ohne eine Spur von „Abneigung“ zu erfahren. Ich verlasse meine Freunde nach rund 30 Minuten, ohne sie in irgendeiner Weise gestört zu haben. Am Nachmittag halten sich alle nördlich der Wörnitzbrücke in Richtung Reichenbach auf. Wieder die gleiche SituationHugo mitten unter dem Volk. Der abendliche Gang erbringt ein Thema mit Variationen. Alle sind nun wieder etwas weiter nach Norden zwischen die Kläranlage und Reichenbach gerückt. Um 20:05 Uhr fliegen vier Störche zum Nest, Hugo bleibt abermals zurück. Ich gebe ihm noch zwei Kurzlektionen in Sachen „Flug“. Beide führen nur über sehr kurze Distanzen, ehe ich Hugo im letzten Abendlicht bei der Kläranlage zurück lasse. Der elfte Tag in Hugos zweitem Leben ist gut zu ende gegangen. 

6. Sep. 02

Ein weiterer Tag im Leben „unseres“ Rudi nimmt seinen Lauf. Sehe ihn nach durchschlafener Nacht erst gegen 7:30 Uhr im Nest stehen. 


Ich nehme noch Wetten entgegen!
Wie lange bleibe ich noch?

Um 8:50 Uhr wechselt Rudi – wie in den letzten Tagen schon regelmäßig – auf den Dachfirst des alten Rathauses, um in dieser Position eine weitere Stunde zuzubringen. Mit seinem Abflug kurz vor 10 Uhr läutet er die nächste mit Spannung erwartete Runde einKommt er heute Abend oder kommt er nicht? Das Wetter bietet für die Abreise alles, was sich Störche nur wünschen können. Thermik ohne Ende, wolkenloser Himmel und eine leichte Brise aus Nordwest. Das Warten konnte beginnen. Um 20:30 Uhr steht festHelga aus dem Gästebuch hatte (leider) nicht recht. Rudi hat die Gunst der Stunde genutzt und ist bereits heute am 6. September aus Dinkelsbühl abgezogen. Sein Abflug vom Dachfirst des alten Rathauses um 9:51 Uhr dürfte gleichzeitig auch der Start für seine weite (?) Reise gewesen sein. Jetzt bin ich doch ein wenig traurig nach fast siebenmonatiger Berichtszeit. Ich werde mich während der nächsten Tage noch ausführlicher dazu äußern. Schalten Sie noch nicht ab, sondern bleiben Sie „auf Sendung“, denn das Tagebuch wird – wenn auch nicht so regelmäßig wie bisher – weiter geführt werden.

 

Komme heute gegen 7 Uhr das erste Mal durch Mosbach. Über dem Wörnitztal liegen noch dicke Nebelschwaden, während sich darüber bereits die Sonne durch den Nebel Bahn bricht. Eine eigenartige Stimmung, die man hier erleben kann. Während das Storchennest – es ist zu dieser Stunde bereits verlassen – aus dem Nebel ragt, fällt es mir besonders schwer, vom Boden bis in etwa 3 Meter Höhe überhaupt etwas zu sehen. Hugos gestriger Übernachtungsplatz liegt in der dichtesten Nebelsuppe, so dass ich darauf verzichte, ihn versehentlich aufzuschrecken. Die Eltern Hugos samt seiner Geschwister tauchen am südlichen Ortsrand von Mosbach plötzlich aus der Nebelsuppe auf. Sie gehen auf der Wiese der Nahrungssuche nach, auf der ich sie schon am 31. August beobachten konnte.

Um 9:30 Uhr war die „Viererbande“ (ohne Hugo) auf die Lieblingswiese südlich der Wörnitzbrücke Mosbach gewechselt. Dort erging man sich im Gefolge von acht Graureihern auf der Mäusejagd. Hugo fand ich unweit der Stelle, an der ich ihn am Abend vorher zurückgelassen hatte. Ich versuchte, ihn zu seiner Familie zurückzutreiben. Zwei Anläufe waren dazu nötig und schon hatte er die rund ein Kilometer lange Flugstrecke bewältigt. Wie von selbst mischte er sich unter seine Artgenossen und fühlte sich sichtlich wohl. Weitere Lektionen hatte er darauf nicht mehr nötig.

Sie sehen, wie sehr mich diese Storchenfamilie in Atem hält. Gut, dass noch Ferien sind und ich keinen Urlaub geplant habe. So verbringe ich den Rest meiner freien Tage eben auf diese Art und Weise. Ein Abenteuerurlaub fernab jeglicher Zivilisation könnte nicht spannender und aufregender sein. Um 14:15 Uhr fahre ich erneut nach Mosbach. Gut, dass alle Einwohner mich schon lange kennen, sonst würde sich der eine oder andere so seine Gedanken machen. Ich suchte meine Störche zunächst an den bekannten Stellen, konnte aber nirgends eine diesbezügliche Entdeckung machen. Dies änderte sich, als ich kaum 100 Meter Luftlinie vom Nestgebäude entfernt, also praktisch am Ortrand, eine Gruppe von Störchen erblickte. Einmal schnell durchgezählt, noch einmal gezählt, kein Zweifel! Ich kam auf insgesamt sechs Störche. Da zwei plus drei nach Adam Riese aber erst fünf ergeben, musste sich unter die Mosbacher Störche ein „schwarzes Schaf“ gemischt haben. In Windeseile kletterte ich vom Fahrersitz auf die hintere Sitzreihe meiner Großraumlimousine, öffnete möglichst geräuschlos die Schiebetür, stellte ebenso leise mein Stativ mit dem Fernrohr auf und musterte die um ein Mitglied vergrößerte Storchenschar. Ich sah die beiden Mosbacher Alten, die drei Mosbacher Jungen (einschließlich Hugo) mit ihren ELSA-Ringen und einen vierten Jungstorch mit einem großen Alu-Ring über dem Intertarsalgelenk. Das war der Neue! Solche Ringe werden von französischen Beringungszentralen ausgegeben. Obwohl er immer wieder bis auf 20 Meter an meinen Beobachtungsstand heranlief, dauerte es eine Stunde, bis ich den Ring abgelesen hatte. Die Zahlen und die Inschriften glänzten so stark in der Sonne und zeichneten sich so schwach, weil noch nicht verdreckt, ab, dass ich ganz schön ins Schwitzen kam. Am Ende stand die Nummer sowie als Beringungszentrale  C R B P O Paris fest. Der in diesem Jahr geborene Storch wurde wahrscheinlich im Elsass beringt. Was ihn allerdings etwa 250 Kilometer nach Osten hat fliegen lassen, bleibt sein Geheimnis. Aber Sie wissen ja bereitsBei Störchen gibt es nichts, was es nicht gibt. In diese Kategorie gehört auch vorliegender Fall. Vielleicht hat er ähnlich seinen Mosbacher Artgenossen für ein oder zwei Tage einen Ausflug gemacht, der ihn wieder zurück nach Frankreich führen wird. Vielleicht fliegt er aber auch auf der Ostroute ins Winterquartier so wie es Oststörche gibt, die nach Spanien abziehen. Keine Regel ohne Ausnahme gilt eben auch in der Storchenforschung. Deshalb wird es auch nie langweilig. Ich bin selber gespannt, was mich heute Abend noch erwartet. Um 19:50 erreichte ich den Ort des Geschehens, doch bevor ich Position bezog, waren bereits Störche im Anflug auf das Nest. Als erstes landeten die beiden Altstörche, ihnen folgten in kurzem Abstand Hugos Geschwister, doch dann näherten sich zielgerichtet zwei weitere Störche dem Nest. Beide hatten über Nesthöhe erreicht, wurden aber von der Stammbesatzung im Nest mit heftigem Flügelpumpen und Klappern zum Abdrehen veranlasst. Die beiden Nummer 5 und 6 konnten nur Hugo und der Franzose von heute Nachmittag sein. Während Nummer 5 schnell nach Norden abdrehte und über den Häusern Mosbachs verschwand, landete Nummer 6 nach einigen weiteren Runden auf dem Dachfirst des Nestgebäudes etwa 5 Meter vom Nest entfernt. Dieser Storch war der französische Ringstorch, dessen Ablesung in dieser Position noch einmal  - diesmal in wenigen Sekunden – gelang und somit erneut 100%ig bestätigt werden konnte. Keine Überraschung war in diesem Zusammenhang, dass Nummer 5 – Hugo also – keine Anstalten machte, auf einem Gebäude zu landen. Diese Verhaltenseigenschaft ist ihm in Gefangenschaft offensichtlich verloren gegangen. Nach kurzem Suchen entdeckte ich Hugo vor der Ortschaft in einer Wiese bei der Kläranlage. Dort wird er ein weiteres Mal übernachten.

7. Sep. 02

Wie schön, dass sich Experten irren. In unserem Fall bedeutet es, weiter Störche am Nest erleben zu können. Das war in Vetschau in diesem Jahr nicht anders. Da tauchte nach dem Abzug der Störche auch noch ein paar Mal ein Storch auf, dessen Identität im Dunkeln blieb. So wird es uns mit unserer Resi oder unserem Rudi auch ergehen. Möglicherweise hat einer der beiden die Nacht doch in Dinkelsbühl verbracht, vielleicht auf dem Kamin, neben dem sich die Kamera befindet und damit für die Internetgemeinde nicht sichtbar. Es lohnt sich also, für alle Dinkelsbühler nach Einbruch der Nacht auch an diese Möglichkeit der Übernachtung zu denken. Warum erzähle ich das alles so ausführlich? Peter gelang um 9:15  Uhr ein Schnappschuss eines Storches im Nest, der Resi, Rudi oder einen anderen Storch zeigt.


Denkste! Von wegen Abreise!

Helmut Wilfling – von seinem Geschäft besteht direkter Blickkontakt zum alten Rathaus – sah um 9:28 Uhr einen Storch auf dem Kamin des Rathauses direkt neben der Kamera. Und damit noch nicht genug! Von 12:23 Uhr bis 12:26 Uhr konnte ich Rudi – ich bleibe bei der von mir gewählten Identifizierung, die aber auch falsch sein kann – erneut im Nest beobachten.

Noch bin ich hier der Herr!

Bei seiner Landung führte er sich im Nest ziemlich auf. Mit Sicherheit kreiste in diesem Augenblick ein weiterer Storch (oder auch weitere Störche) über Dinkelsbühl. Von wegen Ende der Beobachtungen! Es geht munter weiter und warum sollte nicht heute Abend ein Übernachtungsgast im Nest sein. Bleiben Sie aufmerksam! Es bleibt in der Tat spannend!

Die Situation in Mosbach hat sich nicht verändert. Sechs Störche hielten um 11 Uhr Siesta in einer Wiese zwischen der Kläranlage von Mosbach und Reichenbach. Bemerkenswert, dass Hugo tagsüber immer bei seiner Familie bleibt und voll Anschluss gefunden hat. Auch der französische Jungstorch ist im Familienverband anerkannt.

Gegen 16 Uhr suche ich in Mosbach und Umgebung nach der Storchenfamilie. Als erstes entdecke ich Hugo in unmittelbarer Nähe der Wörnitzbrücke. Er ist allein und weit und breit kein anderer Storch. Ich nähere mich ihm und lange bevor ich ihn erreiche, fliegt er auf und landet für mich nicht sichtbar auf der anderen Seite der Straße, die über besagte Brücke führt. Als keine zwei Minuten später Reiter auftauchen, wechselt Hugo, der sich durch diese riesigen Tiere bedroht fühlt, wieder auf meine Seite. Nun fahre ich noch ein Stück Richtung Reichenbach und stoße auf einen erwachsenen Storch ohne Ring, mit Sicherheit das Mosbacher Männchen. Ein weitere Nachsuche bis nach Tribur im Süden brachte keine weiteren Störche zum Vorschein. Dies muss noch nichts besagen, lässt aber doch die Möglichkeit offen, dass das Weibchen mit den Jungen heute um die Mittagszeit abgezogen ist. Auch in Mosbach beginnt die Spannung zu steigen und jeder neue Tag ist für Überraschungen gut. Wegen einer Einladung kommt Ihr Berichterstatter heute nicht mehr dazu, nach Mosbach zu reisen. Die Frage nach dem Verbleib eines Teils der Familie muss offen bleiben.

Von 12:26 Uhr ab blieb das Dinkelsbühler Nest heute ohne weitere Storchensichtung. Auch als sich die Nacht über die Stadt senkt, ist von Resi oder Rudi nichts mehr zu sehen. Es scheint also doch mit Riesenschritten dem Saisonende entgegen zu gehen.

8. Sep. 02

Am Sonntagmorgen zeigt sich das gleiche Bild. Eine wunderschöne Sonne scheint auf ein verlassenes Nest. Leider verabschiedet sich die Kamera um 9:34 Uhr, so dass auf diesem Wege (Helmuts Geschäft ist ja geschlossen!) keine neuen Erkenntnisse über den Verbleib unserer Störche mehr zu erwarten sind. Ich werde Sie aber auf alle Fälle über die Situation bei Einbruch der Nacht auf dem Laufenden halten und auch alle Kamine im Umkreis des Nestes mustern.

Eine kleine Chance auf weitere Nestbesuche besteht allerdings noch und dazu begleiten Sie mich bitte nach Mosbach. Dort ließ ich gestern am Spätnachmittag Hugo und seinen Vater zurück. Gerade komme ich von einem Besuch in Mosbach zurück und machte folgende Beobachtungen. Hugo stand unmittelbar nördlich der Wörnitzbrücke, der Storchenmann und zugleich Hugos Vater 200 Meter westlich in einer Wiese. Ich ließ Hugo zwei kleine Flüge vollführen, die ihn zum Abschluss direkt neben seinem Vater zum Stehen brachten. Meine Einschätzung von gestern hat sich zumindest vorläufig (man muss ja vorsichtig sein!) bestätigtDas Weibchen und die verbliebenen Jungen haben gestern Mosbach verlassen. Es kann gut sein, dass sie in dem Augenblick Dinkelsbühl überflogen, als Rudi das letzte Mal im Nest gesichtet wurde und dabei alle Abwehr- und Drohgebärden zeigte, die man sich denken kann. Es war genau um 12:23 Uhr. Ebenso vorstellbar wäre es, dass sich Rudi der vierköpfigen Schar angeschlossen hat und um 12:26 Uhr den Mosbacher Störchen gefolgt ist. Bleiben also noch zwei Störche, denen ich mich im Augenblick widmen kann. Das Männchen, das mit Hugo noch die Stellung hält, war ja in der Zeit vom 15. Februar bis 16. März im Dinkelsbühler Nest. Der frühe Ankunftstermin lässt vermuten, dass der Storchenmann den Winter nicht sehr weit entfernt verbracht hat. Sein langes Ausharren jetzt bestärkt mich in dieser Haltung.  Vielleicht hat er ja auch in Mitteleuropa überwintert. Ebenso vorstellbar wäre es, wenn er sich in nächster Zeit an seinen Aufenthaltsort vom Spätwinter erinnert und nach Dinkelsbühl übersiedelt. Dann ginge es an unserem Nest sogar noch ein Weilchen mit „Storch“ weiter. Es darf also nach wie vor gehofft werden. Schalten Sie immer wieder ein und Sie brauchen es nicht zu bereuen!

Das Dinkelsbühler Nest blieb den Rest des Tages leer. Die „Ersatzkamera“ lieferte   - da sich der Storchencam-Rechner mal wieder verabschiedet hatte - stündlich einen Blick zum Nest. In dieser Zeit und vor allem nach Einbruch der Dunkelheit gab es keine Sichtung von Rudi, Resi & Co. Die versprochene Fahrt nach Einbruch der Dunkelheit nach Dinkelsbühl zur Musterung umliegender Kamine (dort könnte es rein theoretische auch einen Rudi geben!) musste aus terminlichen Gründen leider ausfallen. Ich darf Sie deshalb auf den morgigen Tag vertrösten.

 

In Mosbach gibt es dagegen wieder Neuigkeiten. Um 16 Uhr mache ich mich in den Wörnitzwiesen um die kleine Ortschaft erneut auf die Suche. In der Nähe der Kläranlage (zwischen dem Ort Mosbach und Reichenbach gelegen) stoße ich zuerst auf das unberingte Männchen des Brutpaares und schließlich finde ich auch Hugo unmittelbar an der Wörnitzbrücke in Mosbach. Ansonsten sind keine weiteren Störche mehr im Gebiet. Der letzte Besuch erfolgt kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Bei meinem Erscheinen in Mosbach hat das Männchen bereits seinen Übernachtungsplatz im Nest eingenommen. Doch Hugo konnte ich zu dieser späten Stunde erstmals seit seiner Rückkehr nach Mosbach nirgends entdecken. Ich fuhr, so lange es die Lichtverhältnisse irgendwie zuließen, kreuz und quer zwischen Reichenbach und Tribur hin und her, doch vergeblich. Nach menschlichem Ermessen konnte er dort auch kaum unentdeckt geblieben sein. Zwischen 16:30 Uhr  und 19:30 Uhr  musste Hugo also aus seinem bisherigen Aktionsgebiet geflogen sein. Wie weit? In welche Richtung? Ihn jetzt noch einmal finden, dürfte enorm schwierig werden. Aber nehmen wir einfach als optimistisch eingestellte Zeitgenossen die für Hugo beste Lösungsvariante. Er hat sich ganz einfach auch auf die Abreise gemacht. Da er beringt ist und sein Ring sehr gut lesbar ist, besteht die große Hoffnung, dass über sein weiteres Schicksal etwas zu erfahren ist. Sollte er irgendwo tot liegen und er oder seine Überreste einst gefunden werden, wird der Ring ihn als Hugo identifizieren.

9. Sep. 02

Helmut hat am Vormittag den Übertragungscomputer wieder hoch gefahren, so dass die Internetgemeinde einen ungetrübten 20-Sekunden-Bildertakt erleben kann. Mal sehen, wer den nächsten Schnappschuss eines Nestbesuchers tätigen kann? Es bleibt nach wie vor spannend. Von Abschalten kann noch keine Rede sein.

In Mosbach entdecke ich gegen 11 Uhr schnell und ohne langes Suchen den Storchenmann. Er hatte sich im Bereich der Kläranlage zur Siesta niedergelassen und zeigte nur wenig Aktivität. Hugo blieb auch bei diesem Besuch verschwunden. Obwohl ich das Suchgebiet bis Kühnhardt und Seiderzell ausdehnte, fand ich keine Spur unseres Hugo. 

Die Sache mit Hugo ließ mich den ganzen Nachmittag nicht los. Ich beschloss, bei meinem nächsten Besuch, das Suchgebiet noch etwas weiter auszudehnen. Sie werden verstehen, dass meine Bindung zu Hugo besonders eng und innig ist, war er doch der erste Jungstorch, den ich nach 15 Jahren Pause im Auftrag der Vogelwarte Radolfzell beringen durfte. Und ausgerechnet diese „Premiere“ hält mich nun schon seit Wochen auf Trab. Seit seiner Rückführung nach Mosbach am 26. August habe ich bereits 45 Mal nach ihm gesucht, ihm mehr als 100 „Flugstunden“ gegeben und bei meinen 45 Fahrten allein nach Mosbach und Umgebung geschätzte 700 Kilometer zurückgelegt.

Um 16:30 suchte ich zunächst an allen bekannten Stellen nach Hugo und seinem Vater. Letzterer lief mir in der Nähe der Kläranlage fast ins Auto. Ohne große Fluchtdistanz zog er unmittelbar am Straßenrand seine Kreise, d.h. er schritt gemächlich auf und ab, immer auf der Suche nach Beute. Von Hugo fand sich keine Spur. Ich fuhr nun weiter nach Norden, musterte die Gegend zwischen Unterampfrach, Haundorf und Hilpertsweiler, um enttäuscht den Rückweg anzutreten. Ich konnte es nicht lassen, ein weiteres Mal durch Mosbach zu kutschieren. Hugos Vater stand immer noch an der gleichen Stelle wie vor einer halben Stunde. Mit dem Fernglas musterte ich zur Beruhigung ein weiteres Mal den Wiesengrund vor Mosbach und siehe da. Hugo!!! An der Stelle, an der ich ihn gestern zum letzten Mal gesehen hatte und an der ich seitdem schon mehrere Male entlang gefahren war, stand er so, als ob nichts gewesen wäre. Wo war er? Hatte er sich bei meinem Erscheinen jedes Mal geduckt? Egal! Die Freude war groß und ich nutzte die Gelegenheit für einige Fluglektionen. Die erste fiel sehr kurz aus, aber die zweite! Ein aufziehendes Gewitter mit starkem Wind ließ Hugo in ungeahnte Höhen aufsteigen. Er flog wie berauscht. Drehte eine Runde nach der anderen, flog ein Stück nach Tribur, ein Stück nach Reichenbach und wieder zurück nach Mosbach. Nach etwa drei Minuten landete er auf einer Wiese direkt hinter dem Nestgebäude.

Aller guten Dinge waren bisher drei. Also stand noch der abendliche Besuch bei Hugo bevor. Die Rundreise begann am Nest. Papa Storch hatte kurz vor 20 Uhr darin bereits Stellung bezogen. Der schwierigere Punkt stand allerdings noch bevorDie Suche nach Hugo. Als ich ihn wieder nicht im Wiesengelände zwischen Reichenbach und Tribur finden konnte, suchte ich intensiv die Gebäude von Mosbach ab. Und hier wurde ich endlich fündig. Hugo hatte sich einen Übernachtungsplatz fernab von Acker oder Wiese gesucht und gefunden. Er stand auf dem Dachfirst eines schmucken Einfamilienhauses mit Terrasse und Doppelgarage im Neubaugebiet von Mosbach. Erstmals hatte er sich dieses Verhaltens bedient und damit einen weiteren großen Schritt in seiner Storch-Werdung erzielt. Der heutige Superflug am Nachmittag war eine gelungene Vorübung für die abendliche Punktlandung auf dem schmalen Dachfirst. Wird er in den nächsten Tagen auch noch den Flug ins Nest versuchen? Wie lange wird der Vater die Stellung halten? Wartet er sogar auf seinen Nachwuchs, bis dieser zum Abflug bereit ist? Viele Fragen, die in den nächsten Tagen vielleicht einer Klärung näher gebracht werden können.

In Dinkelsbühl gehen derweil die Lichter aus und von einem Nestbesucher war auch am heutigen Tag nichts zu sehen. Die Saison geht zu Ende.

10. Sep. 02

Auch am heutigen Tag kam es zu keiner Storchensichtung. Im Umkreis des Nestes und damit für die Kamera nicht einsehbar machte sich Adebar ebenfalls rar. So steht ziemlich sicher fest (ausschließen darf man eine andere Möglichkeit jedoch auch nicht), dass Resi und Rudi abgezogen sind. Wohin? Darüber lässt sich natürlich nur spekulieren. Von den West- oder Oststörchen haben Sie sicher schon eine Menge erfahren. Ein prozentual höherer Anteil unserer westmittelfränkischen Störche befliegt (und das haben die Ringfunde gezeigt) die Westroute, also Richtung Spanien und gegebenenfalls weiter bis in die westafrikanischen Savannengebiete.

In Mosbach halten nach wie vor zwei Störche die Stellung! Ich traf am Vormittag Hugo und seinen Vater vereint auf einer frisch gepflügten Ackerfläche in Richtung Spielbank an. Sie standen zusammen und fraßen gemeinsam! Ein Mut machendes Bild, zumal Hugos letzte Übernachtung auf dem Dachfirst von Haus Nr. 87 in Mosbach ein voller Erfolg war. Vier Stunden später war der Storchenmann einem Traktor auf einen in der Nähe liegenden Acker gefolgt und profitierte von den durch die Bodenbearbeitung frei gelegten Beutetieren. Hugo stand nach wie vor auf dem Acker vom Vormittag und ärgerte sich über das Wetter. Die warmen Tage mit Temperaturen über 25 Grad sind endgültig vorbei. Heute hat es auf 16 Grad abgekühlt, es regnet immer wieder und ein kräftiger Wind bläst. Kurz vor 20 Uhr führt mich mein Weg zum letzten Mal für heute nach Mosbach. Hugos Vater steht nach wie vor zur Übernachtung im Nest, Hugo – und das ist die beste Nachricht – hat abermals auf einem Dachfirst im „Neubauviertel von Mosbach Quartier bezogen. Diesmal hat er das Nachbardach für seine Belange ausgesucht und nächtigt auf Haus Nr. 89.

11. Sep. 02

Das Gedenken an den 11. September 2001 hat auch unsere Webcam erfasst. Ich denke, dass Sie mit dieser von K & K Computersysteme initiierten Idee einverstanden waren und die Form akzeptieren konnten. Vom Geschehen um das Nest haben Sie dennoch nichts verpasst. Das Nest blieb auch am heutigen vierten Tag in Folge ohne Besucher.

Dagegen kann ich aus Mosbach weiter mit Störchen aufwarten. Am Vormittag traf ich Hugo zusammen mit seinem Vater auf einem frisch gepflügten Feld an. Als ich mich beiden mit dem Auto zu sehr näherte, flog zuerst Hugos Vater einige Hundert Meter weiter. Unmittelbar nach dessen Aufflug folgte Hugo in die gleiche Richtung und beide landeten nur wenige Meter von einander getrennt. Der zweite Besuch des heutigen Tages gegen 14 Uhr erbrachte eine nahezu identische Situation. Beide standen im gleichen Acker, beide flogen kurz nacheinander auf und beide landeten in unmittelbarer Nachbarschaft in einer Wiese zwischen Mosbach und Reichenbach.

Zum Schluss folgte noch die inzwischen schon obligatorische Abendfahrt zu Hugo. Papa hatte es sich im Nest bequem gemacht, Hugo ruhte mit angezogenem linken Bein auf dem Dachfirst von Haus Nr. 89 (dem selben wie gestern).

12. Sep. 02

Auf dem Weg zur Autobahn A6 Richtung Paris sehe ich am Vormittag gegen 10 Uhr in Mosbach noch einmal nach Hugo und seinem Vater. Wie nicht anders erwartet finde ich beide in einer frisch gepflügten Ackerfläche nebeneinander bei der Nahrungssuche. In den nächsten beiden Tagen vertreten mich bei den Kontrollen meine beiden Kinder Felicitas und Lucas, während die Eltern einen Kurzurlaub im Saarland verbringen. Felicitas und Bruder Lucas sichten am Abend Hugo auf dem Giebel des Wohnhauses Nr. 89 und Hugos Vater im Nest.

Die Dinkelsbühler Fangemeinde blickt derweil auf ein weiterhin leeres Nest und es besteht nun nur noch eine sehr begrenzte Hoffnung auf einen weiteren Kurzbesucher.

13. Sep. 02

Kontrolle in Mosbach Um 19 Uhr 45 hat der Storchenmann Position im Nest bezogen, Hugo nächtigt auf dem Dachfirst des Wohnhauses Nr. 89 im Mosbacher Neubaugebiet.

14. Sep. 02

Um 17 Uhr bin ich zurück aus Völklingen und wende meine Schritte sogleich in Richtung Mosbach. Hugo stolziert in Begleitung seines Vaters an einer Grenzfläche Wiese/Acker zwischen Mosbach und Reichenbach entlang. Beide haben es noch nicht eilig und harren nach wie vor an ihrem Brut- bzw. Geburtsort aus. Um 19:45 steht Papa Storch erneut im Nest, Hugo hat einen kleinen Ortswechsel vollzogen und schläft in dieser Nacht zur Abwechslung wieder einmal auf Dachfirst von Haus Nr. 87.

15. Sep. 02

Wenn es schon aus Dinkelsbühl keine weiteren Nachrichten über Störche zu vermelden gibt, werde ich weiterhin an dieser Stelle von den Ereignissen an anderen Orten berichten und Mosbach ist nun einmal das Highlight in Sachen Störche. Gestern wurde in die Auffang- und Pflegestation für verletzte Vögel in Ansbach (hier verbrachte unser Hugo fünf Wochen) ein weiterer Jungstorch ohne Ring eingeliefert. Er war in der Nähe von Streudorf am Altmühlsee unter Beobachtung mehrerer Augenzeugen gegen eine Stromleitung geflogen und abgestürzt. Ohne sichtbare Verletzungen, jedoch mit einem schweren Schock wurde er nach Ansbach gebracht. Zusammen mit Herrn Armin Braun – er betreut in Ansbach den Vogel – kamen beschloss ich, den inzwischen unauffälligen Pflegling (er verhält sich wieder völlig normal) morgen im Gebiet um Mosbach zu beringen und anschließend bei Hugo und dessen Vater frei zu lassen.

Es lohnt sich also weiter, im Tagebuch auch in den nächsten Tagen fleißig zu blättern. Natürlich auch, weil demnächst die Bildergalerie des Monats September zu bewundern sein wird.

Aus Mosbach grüßen weiter Hugo und Vater! Ich war bei Einbruch der Dunkelheit zu einer weiteren Stippvisite im kleinen Ort an der Wörnitz und fand folgende Schlafposition vorHugo stand zur Abwechslung mal wieder auf  Dachfirst von Haus Nummer 89, sein Vater hatte Stellung im Nest bezogen.

Die Kameraübertragung vom Storchennest war – was überhaupt keinen Beinbruch bedeutete – während der vergangenen Abendstunden ausgefallen und blieb dies auch für den gesamten Sonntag. Ich denke, ohne es beweisen zu können, dass auch dieser Tag keine Storchensichtung gebracht hat.

16. Sep. 02

Die Bilder unserer Storchenkamera sind seit heute ersetzt durch solche vom Altrathausplatz. Ich denke, es ist ein akzeptables Angebot, das einen Zwischenzustand darstellt. Die Alternative wäre –  ähnlich wie im vergangenen Jahr - ein Standbild vom Storchennest (kommt sicher auch bald!) zu übertragen, das Resi zusammen mit Rudi im Nest zeigt. So wird zumindest vorübergehend für manchen unter Ihnen doch ein kleiner Anreiz geschaffen, einen Ausschnitt aus dem vielfältigen Angebot historischer Blicke zu genießen, wie ihn in ähnlicher Form Rudi und Resi vor Augen hatten, wenn sie ihre Blicke vom Nest in östliche Richtung und nach unten wendeten.

In Mosbach fand ich gegen 11 Uhr Hugo zusammen mit seinem Vater einträchtig bei der Kläranlage stehen.

Um 17 Uhr finde ich Hugo zusammen mit seinem Vater wieder an der Kläranlage stehen. Ich erwarte zu dieser Stunde Armin Braun von der Auffang- und Pflegestation für verletzte Vögel des Landesbundes für Vogelschutz aus Ansbach mit einem weiteren auszuwildernden diesjährigen Storch. Pünktlich erscheint er zusammen mit seiner lieben Frau. Schnell ist der Jungstorch, über dessen Geburtsort nichts bekannt ist, mit einem Ring der Vogelwarte Radolfzell markiert. Dieser Storch hatte am vergangenen Freitag, dem 13. September, am Altmühlsee Kontakt mit den Leiterseilen einer 20 KV-Stromtrasse. Anschließend ging er geschockt zu Boden, wurde geborgen und in die besagte Pflegeanstalt gebracht. Da eine weiter gehende Verletzung nicht diagnostiziert werden konnte, unternahmen wir nun heute diesen Wieder-Eingliederungs-Versuch. Alles lief ganz ähnlich wie bei Hugo ab. Während des Freilassens waren Hugo und sein Vater ganz in der Nähe und beäugten den Neuen. Dieser machte keine Anstalten aufzufliegen. Nach den Erfahrungen mit seinem Vorgänger beließ ich es bei einer vorsichtigen Begleitung in Richtung seiner Artgenossen. Nach etwa fünf Minuten kam Hugo eine kurze Strecke in Richtung des Neuen geflogen und begleitete ihn von da an ununterbrochen zu Fuß. Der Altstorch hielt sich zum Schluss nur wenige Meter von den beiden Jungen entfernt auf.

Um 19:40 Uhr komme ich noch einmal nach Mosbach. Hugo steht auf dem Dachfirst von haus Nummer 89, der Altstorch im Nest. Vom Neuen finde ich weder auf einem Dach noch in der Wiese zwischen Reichenbach und Mosbach eine Spur.

So müssen wir uns eben bis Morgen gedulden.

17. Sep. 02

Aus Dinkelsbühl gibt es keine Neuigkeiten zu vermelden. Wir sehen statt des Nestes einen Blick auf den Altrathausplatz mit dem Wörnitztor als einer der Eingangs- bzw. Ausgangspforten der Altstadt.

Im benachbarten Mosbach besuche ich vor dem Beginn des ersten Schultages – Schüler und Lehrer dürfen in Bayern heute wieder ran – gegen 8 Uhr noch einmal Hugo und seinen Vater. Ersterer steht in unmittelbarer Nähe der Wörnitzbrücke, letzterer geht in Höhe von Tribur der Mäusejagd nach. Vom „Neuen“ weit und breit keine Spur. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass der zweite Pflegling bereits am gestrigen Spätnachmittag Mosbach verlassen und einen anderen Ort zum Übernachten aufgesucht hat. Hoffen wir gemeinsam, dass dies tatsächlich so eingetreten ist. Um 14 Uhr gehe ich den Flusslauf von der Freilassungsstelle bei der Kläranlage bis zur Wörnitzbrücke zu Fuß ab, da es ja theoretisch möglich sein könnte, dass unsere Neuer in den Fluss gestürzt ist. Aber auch diese Suche blieb zum Glück erfolglos. Hugo hielt immer noch die Stellung in der Nähe der Brücke, Hugos Vater dagegen konnte von mir nirgends mehr gefunden werden. Auf den abendlichen Kontrollgang durfte man allerdings gespannt sein. Meine Vermutung bestätigte sich dann gegen 19 Uhr 30 Uhr. Hugo stand erneut auf dem Dachfirst von Haus Nr. 87, doch das Nest blieb am heutigen Abend erstmals seit Monaten verwaist. Der „Alte“ musste sich also im Laufe des Vormittages auf die Reise gemacht haben. Das Wetter war zu diesem Zwecke auch bestens geeignet.

18. Sep. 02

Heute gibt es von keiner Webcam mehr ein Bild. Über die Hintergründe ist mir nichts bekannt. So mussten Sie sich eben mit einem „leeren“ Bildfenster begnügen. Wenn unser Webmaster Zeit hat, wird wieder wie in der letzten storchenlosen Zeit ein Standbild zum Erkunden unserer Seiten einladen. Nutzen Sie schon jetzt die Gelegenheit, sich über die anderen Aktivitäten des BN Ansbach zu informieren! 

Hugo übernachtet auch in dieser Nacht auf dem Dachfirst von Haus Nr. 87 in Mosbach. Er ist damit das letzte Mitglied der Storchenfamilie, auf dessen Abreise wir noch warten müssen.

19. Sep. 02

Er ist wieder da! Schon verrückt, für welche Überraschungen unsere Störche heuer gut sind. Der Pflegling, den ich am 16. Sept. beringte und bei Hugo und dessen Vater in der Nähe von Mosbach frei ließ, ist heute überraschend aus der Versenkung aufgetaucht! Bei meinem ersten Besuch am späten Nachmittag entdeckte ich doch tatsächlich zwei Störche auf einem frisch gepflügten Acker zwischen Mosbach und der Spielbank. Mit Hugo hatte ich ja gerechnet, aber wer konnte der zweite Storch sein? Ein Blick durch mein Spektiv brachte schnell Klarheit! Einer der beiden war Hugo. Auch der zweite trug einen Ring von der gleichen Machart wie bei unserem Dauergast. Die Ablesung des Ringes gelang mühelos und bestätigteEs handelte sich um Pflegling Nr. 2! Eine kurze Flugstunde durch ihren Tagebuchschreiber bestätigte allerdings die Fluguntauglichkeit des zweiten Storchs. In diesem Zustand konnte er allerdings nicht weggeflogen sein, wie kürzlich im Überschwang der Hoffnungen berichtet. Eines machte mich dennoch stutzigEr hatte inzwischen die an dieser Stelle etwa fünf Meter breite Wörnitz überquert. Wenn er sie nicht überflogen hat, ist er mit großer Wahrscheinlichkeit hindurchgewatet. Hat sich also der Schlingel in den letzten Tagen geschickt meiner Beobachtung entzogen. Mein Besuch bestätigte allerdings auch, dass er zu Fuß Nahrung erbeuten kann und wenigstens nicht Hunger leiden muss. Bessert sich sein Zustand in den nächsten Tagen nicht deutlich, werde ich ihn wohl oder übel wieder in Gewahrsam nehmen müssen. Nach Einbruch der Dunkelheit kam ich erst um 20:30 Uhr wieder nach Mosbach. Den wie Phönix aus der Asche entstiegenen Pflegling Nr. 2 konnte ich wegen der besagten Lichtverhältnisse im Acker nicht entdecken, deshalb versuchte ich es auch nicht lange. Dafür präsentierte sich Hugo erneut an seinem favorisierten Übernachtungsplatz in voller Größe. Seine Postanschrift lautete abermalsMosbach Nr. 87!

20. Sep. 02

Gestern notierte ich, dass Pflegling Nr. 2 in Mosbach eventuell wieder eingefangen und in Gewahrsam genommen werden müsste. Ein solches „Wieder-Einfangen“ wäre bei unserem Patienten kein Problem. Bei einer Körpergröße von etwa 80 Zentimetern und einer Schrittlänge von unter 50 Zentimetern wäre Hugo 2 Ihrem Tagebuchschreiber bei knapp 2 Metern Körpergröße und einer Schrittlänge von deutlich mehr als einem Meter hoffnungslos unterlegen. Man bräuchte sich Hugo 2 nur vorsichtig nähern – das gelingt locker bis auf 20 Meter – und dann in einem kurzen Sprint die noch fehlende Distanz weiter verkürzen. Die Aussichtslosigkeit seiner Lage erkennend ginge Hugo 2 dann zu einem Drohverhalten über (Flügelpumpen, Fauchen, Klappern), das letztlich in einem freiwilligen Niederlegen oder in einem Ergreifen mit der Hand enden würde. So gestalteten sich bisher alle meine erfolgreichen Fangversuche. Voraussetzung ist allerdings eine Flugunfähigkeit des Vogels. Sobald er nur ein wenig flugfähig ist, würde sich die Dauer des Fanges wesentlich verlängern und die Kondition des Fängers wäre stärker gefordert. Dann entscheidet über den Erfolg letztlich die Ausdauer der beiden „Kontrahenten“. Fangversuche mit einem Betäubungsgewehr wurden meines Wissens bei Vögeln noch nicht vorgenommen (wäre auch wenig sinnvoll). Effizienter und weniger gefahrvoll für den Probanden sind mit Betäubungsmitteln präparierte Beutetiere (z.B. Mäuse). Schwierig ist es da aber, die richtige Dosierung zu finden. Nach Aufnahme des Köders gilt es, den Vogel nicht aus dem Auge zu verlieren und ihm immer auf der Spur zu bleiben. Am besten jedoch wäre der Fang in einer Reuse. An einem beliebten Aufenthaltsort des Storches wäre eine solche Falle zu platzieren, der Vogel mit Nahrung anzulocken, in die Falle zu geleiten und schnapp!

In Mosbach traf ich heute gegen 14 Uhr sowie um 18 Uhr beide Hugos gemeinsam immer auf der selben Ackerfläche zwischen Mosbach und der Spielbank an. Vor alle Hugo 2 scheint die günstigen Nahrungssituation erkannt zu haben und sich dort recht sicher zu fühlen.

21. Sep. 02

Hugo 1 und Hugo 2 sind unser neues Traumpaar. Obwohl 10 Kilometer von Dinkelsbühl entfernt, liegen sie vielen von Ihnen mittlerweile genauso am Herzen wie das Traumpaar Resi und Rudi. Jeden Morgen nimmt Hugo 1 Kontakt zu Hugo 2 auf und von diesem Moment an sind sie unzertrennlich. Da Hugo 2 nicht im Ort selbst schläft, sondern draußen „in der freien Natur“ wirkt es bei mir wie ein morgendliches Suchen von Hugo 1 nach Hugo 2. Ich treffe deshalb auch beide gemeinsam am frühen Nachmittag auf einer gepflügten und frisch geeggten Ackerfläche bei der erfolgreichen Nahrungssuche an. Ich beobachte beide Störche einige Minuten und lasse sie dann wieder in Mosbach zurück. Gegen 19:30 Uhr statte ich beiden den obligatorischen Abendbesuch ab. Hugo 1 steht auf einem Dachfirst – diesmal ist es zur Abwechslung wieder einmal Haus Nummer 89 – und Hugo 2 finde ich in Wurfweite zur Feuchtwanger Spielbank, fast genau an der Stelle, an der Hugo 1 einige Nächte zugebracht hat. Die Autobahn rauscht, so dass kein anderes Geräusch daneben hörbar ist und die Lichter der Spielbank strahlen fast bis in den Aufenthaltsbereich von Hugo 2. Was mag er an diesem Platz wohl Schönes finden?

22. Sep. 02

Wahltag in Deutschland! Meine Wahl ist schon längst auf beide Hugos gefallen. Am Vormittag finde ich sie recht nahe bei Mosbach. Hugo 2 hat von seinem Schlafplatz etwa einen Kilometer zu Fuß zurückgelegt, Hugo 1 musste lediglich 500 Meter fliegen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Sie sind auf Tuchfühlung zusammen. Hugo 1 erbeutete in meinem Beisein einige Mäuse, Hugo zwei sammelte kleinere Beutetiere von den Grashalmen ab. Eine an Hugo 2 erbrachte Flugstunde zeigte immer noch dessen fehlendes Flugvermögen. Einen kleinen Lichtblick konnte man dabei jedoch schon erkennen; Hugo 2 hob bei seinem Fluchtversuch vor seinem Fluglehrer einige Male für Sekundenbruchteile wenige Zentimeter vom Boden ab. Bessert sich sein Zustand weiter mit ähnlicher Geschwindigkeit, könnten die vorhandenen Koordinationsprobleme und Lähmungen in zwei bis drei Wochen behoben sein.

23. Sep. 02

Heute füge ich erstmals einen kleinen Fotoreport über die erste Woche Hugos in seiner neu gewonnenen Freiheit an. Da ich meine Fotos immer noch auf die herkömmliche Weise mit Kleinbild-Negativfilm „schieße“, dauert es bei mir eine ganze Weile, bis 36 Aufnahmen getätigt sind, der Film entwickelt und schließlich für Sie im Tagebuch gezeigt werden kann. In der Hochzeit des Storchenlebens während der Sommermonate wurde ein solcher Film natürlich schneller gefüllt als in der storchenärmeren Zeit, die wir jetzt vor uns haben. Also gedulden Sie sich einfach, es werden weitere Fotos zu sehen sein, leider mit einer gewissen Verspätung.


Die ersten Schritte in der neu gewonnenen Freiheit


Nichts wie weg! Ich probiere es am besten zu Fuß!


Hugo inmitten seiner Familie und das wenige Stunden nach der Freilassung!


Gleich naht eine weitere Flugstunde für Hugo!


Die drei Mosbacher Geschwister einträchtig beieinander!
Im Hintergrund die
Böschung der Autobahn A7 mit Lastwagen!


Ein selbstbewusster Hugo ohne Angst vor Papa Storch im Hintergrund


Wenn sie mich schon nicht ins Nest lassen, ruhe ich mich
wenigstens auf der Wiese etwas aus!

Blicken wir auch heute wieder nach Mosbach! Gegen 12 Uhr mittags treffe ich Hugo 1 und 2 erneut gemeinsam auf einer frisch bearbeiteten Ackerfläche zwischen Mosbach und der Spielbank an. Dort erfreuen sich beide an reichlich vorhandenen Nahrungstieren. Zum ersten Mal seit vielen Tagen muss die Wetterlage als bescheiden bezeichnet werden. Es hat merklich abgekühlt (nur noch 10 Grad am frühen Nachmittag!), der Dauerregen des Morgens hat sich in einzelne kräftige Regengüsse gewandelt und der Wind bläst mit Macht aus nördlicher Richtung. Unser Zweiergespann muss das Wetter nehmen wie es kommt, es ist für solche Fälle auch besser ausgerüstet als Ihr Tagebuchschreiber ohne Regenschirm!

Bei Regen und einsetzender Dunkelheit erreichte ich am Abend gegen 18:50 Uhr das meinem Heimatorte benachbarte Mosbach (5 Kilometer Luftlinie). Hugo 1 hatte bereits auf dem Dachfirst von Haus Nummer 89 Platz bezogen (varietas delectat!). Hugo 2 zu finden, bereitet inzwischen keinerlei Probleme mehr. Man braucht nur den zuletzt ausgemachten Beobachtungsort anzusteuern und dann mit dem Fernglas einen Rundum - Schwenk auszuführen. Zack! Da ist er schon! Etwa 500 Meter entfernt Richtung Spielbank und ganz nahe an der Autobahn machte sich Hugo 2 in einer Wiese breit. Eine weitere Flugstunde stand auf dem Veranstaltungsprogramm. Was mein kleiner Freund seit gestern an Fortschritten gewonnen hatte, verblüffte mich und brachte mich ziemlich außer Atem. Trotz eines eingelegten Turbos meinerseits konnte ich meinen Rückstand auf Hugo immer nur unwesentlich verringern. Dies gelang ihm trotz seiner fehlenden Flugfähigkeit auf Grund einer von kurzen, fast schwirrenden Flügelschlägen begleiteten hohen Flügelschlagfrequenz. Als Hugo 2 schließlich in einen frisch umgepflügten Acker wechselte, wollte ich ihm wegen der schlechten Bodenverhältnisse nicht mehr folgen. Ich hatte reichlich Angst um mein frisch geputztes Schuhwerk und zog mich deshalb freudig erregt zurück. Hugo 2 blieb eine weitere Nacht draußen auf freiem Feld.

24. Sep. 02

Die kalte Luft hat sich heute vollends durchgesetzt. Bei einem böigen Wind aus Nord bis Nordost erreicht die Tageshöchsttemperatur im Gebiet um Mosbach knappe 9 Grad. Bei 450 Meter über dem Meeresspiegel sicher für die Jahreszeit wenig angemessen. Dafür blieb der Dauerregen aus und wurde von einzelnen kurzen Regenschauern abgelöst.

Trotz des nun überhaupt nicht einladenden Wetters gingen beide Hugos unbeirrt gemeinsam der Nahrungssuche – ihrer Hauptbeschäftigung – nach. Ich fand beide in engem Kontakt zueinander auf einer Wiesenfläche zwischen Mosbach und der Spielbank. Nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der ich Tags zuvor Hugo 2 in die Nacht entlassen hatte. Gegen 14 Uhr ging ich erneut auf Hugo 2 zu, um ihn zu Reaktionen zu veranlassen. Schon aus größerer Distanz als je zuvor begann er seinen „Schwirrflug“ anzusetzen, der wieder begleitet wurde von einer sehr schnellen Schrittfolge. Das Abheben vom Boden gelang immer noch nicht, die Umstände geben jedoch zu der Hoffnung Anlass, dass dies sich demnächst ereignen wird. Kaum hatte sich Hugo 2 in Marsch gesetzt, flog Hugo 1 herbei, landete neben seinem Freund und schien diesen regelrecht zu begleiten. Das gleiche Schauspiel wiederholte ich noch einige Male, immer mit demselben Ergebnis. Eine mühelose Annäherung bis auf Reichweite zu Hugo 2 gelang mir auch jetzt nicht mehr. Schließlich flüchtete das Paar in ein abgeerntetes Maisfeld, worauf ich die „Verfolgung“ abbrach. Sofort beruhigten sich Hugo 1 und Hugo 2 wieder und schritten gemächlich „Hand in Hand“ weiter.

Der Abend setzte sich mit starkem Wind, starkem Regen und nur mehr 6 Grad fort. Hugo verbringt die Nacht abermals auf dem Dachfirst von Haus Nummer 89 in Mosbach. Heftigste Windböen drohten ihn bei meiner Anwesenheit vom Dach zu blasen, er hielt, wie nicht anders zu erwarten jedoch stets Stand. Hugo 2 hatte seinen letzten Aufenthaltsort in der Zwischenzeit um einige Hundert Meter gewechselt. Er suchte offensichtlich Schutz an einer Gebüschreihe in unmittelbarer Nähe der Autobahnunterführung zwischen Mosbach und Seiderzell. Man hatte den Eindruck, als wollte sich Hugo 2 dort Deckung vor Wind und Wetter verschaffen. Einige Male verschwand er sogar für einige Zeit, indem er ein Stück die Böschung hinunter lief und dadurch Windschutz genoss. Als ich ohne Motor und ohne eingeschaltete Scheinwerfer in etwa 5 Meter Entfernung mehrmals an ihm vorbeirollte (die Autobahn über ihm tobte mit Macht!), sicherte er, machte einen langen Hals, erklomm die Straßenböschung und lief auf einen angrenzenden Acker. Eine Minute später hatte er jedoch schon wieder die vorher beschriebene Stellung unterhalb der Böschungskante bezogen. Ein wirklich eigenartiges Schauspiel, das ich in dieser Form bei einem Storch auch noch nicht beobachten konnte.

25. Sep. 02

Danke für die lieben und anerkennenden Beiträge im Gästebuch. Das gibt mir weiterhin den nötigen „Biss“, an Hugo & Co dranzubleiben, auch wenn Schule und andere Verpflichtungen manchmal kaum noch einen Spielraum lassen. Seit fast fünf Wochen besuche ich nun bis auf ganz wenige Ausnahmen die beiden Hugos täglich zwei- oder dreimal und wie es aussieht, darf ich dies wohl noch einige Zeit so tun. Dauerte früher die Storchensaison normalerweise von Anfang April bis Ende August, währt sie heuer schon von Mitte Februar an und der Oktober ist nicht mehr fern. Heute hatte ich mir vorgenommen, fotografisch einiges nachzuholen. Ein Bild von Hugo 1 und Hugo 2 mit der Spielbank im Hintergrund sollte nach meinen  Vorstellungen schon dabei herauskommen. Das Licht war um die Mittagszeit wenig einladend. Kaum sechs Grad zeigte das Thermometer, immer wieder ein leichter Sprühregen und das alles bei einem strammen Wind. Hugo 1 und 2 standen fast wie bestellt auf der gleichen Ackerfläche wie am Vortag. Doch vom Fahrweg aus gab es keine Möglichkeit, die beiden zusammen mit der Spielbank auf ein Foto zu bannen. Also war erneut ein Fußmarsch angesagt und diesmal quer über den gepflügten Acker. Meine Schuhe glichen nach jedem Schritt immer mehr Schneeschuhen von Bewohnern arktischer Gegenden. Der Einsatz dürfte sich aber gelohnt haben. Am Schluss – beide Hugos hatten den Acker verlassen – hatte ich einige Aufnahmen im Kasten, die das geplante Motiv beinhalten könnten. Als Hugo 1 wegen meiner Hartnäckigkeit einmal eine weite Runde über mich drehte und auch Hugo 2 zu seinem Schnelllauf startete, fanden beide trotzdem kurze Zeit später wieder zusammen. Hugo 1 landete nach dem Ausflug sofort wieder bei Hugo 2, so als ob beide bereits aufeinander angewiesen wären. Am Abend klarte der Himmel für kurze Zeit etwas auf, so dass bei meiner Visite in Mosbach gegen 18:55 Uhr Hugo 1 noch nicht auf seinem Übernachtungsplatz stand. Schon von Ferne sah ich beide wieder auf „ihrem“ Acker stehen. Mit dem Auto und zu Fuß „kämpfte“ ich mich erneut in die Nähe unserer Freunde. Hugo 1 sah die Zeit gekommen, seinen Übernachtungsplatz anzufliegen. Er hob ab bei meinem Erscheinen etwas unfreiwillig ab und strebte die 1,5 Kilometer in Richtung Mosbach davon. Er landete diesmal wieder einmal auf Haus Nummer 87. Und noch eine Neuerung hatte er sich für den heutigen Tag ausgedacht. Statt auf der Westseite des Giebels fand er sich diesmal auf der Ostseite ein. Vor dem Abflug versuchte ich noch weitere Fotos der beiden zu machen, doch leider ging selbst bei geöffneter Blende nur mehr eine Verschlusszeit von einer Zehntelsekunde. Ich habe es trotzdem probiert und werde die Ergebnisse auf alle Fälle demnächst im Tagebuch präsentieren. Hugo 2 wollte zwar mit seinem Aufpasser mitfliegen, doch es gelang noch nicht. So verzog er sich auf den Acker und ließ die Dunkelheit über sich hereinbrechen.    

26. Sep. 02

Heute ist es genau einen Monat her, seit Hugo 1 in die Freiheit entlassen wurde. Die Ereignisse der vergangenen 31 Tage füllen mittlerweile ein kleines Buch und brachten zahlreiche überraschende Beobachtungen. Ich kenne kein ähnliches Beispiel, bei dem es gelang, einen ehemaligen „Pflegling“ über einen solch langen Zeitraum zu verfolgen und die dabei gemachten Entdeckungen aufzuschreiben.

Gegen 14 Uhr bewegte ich mich auch heute wieder auf Hugos Spuren. Das Wetter kann kaum schlechter werden. Der Regen machte den ganzen Tag über kaum eine Pause, nur etwas wärmer ist es geworden und das Thermometer zeigte über 10 Grad an. Beide Hugos hielten sich zur fraglichen Zeit auf einer Ackerfläche unweit der Stelle des Vortages auf. Beide marschierten erneut im Gleichschritt und ließen sich keinen Augenblick aus dem Auge. In Anbetracht der Wetterlage verzichtete ich auf eine weitere Flugstunde und zog zufrieden ab. Wegen eines Termins kam ich am Abend erst um 20:30 Uhr nach Mosbach zurück. Nach Hugo 2 zu suchen verbot sich von selbst. Die Nacht erlaubte außerhalb der von Straßenlampen und dem Flutlicht der trainierenden Fußballer des SV Mosbach erleuchteten Ortschaft keine Blicke auf einen irgendwo auf dem Felde übernachtenden Storch. Im Neubaugebiet suchte ich aber heute erstmals vergeblich nach Hugo 1. Seine traditionellen Übernachtungsplätze auf den Häusern Nummer 87 und 89 fand ich verwaist vor und auf den umliegenden Dächern war unser Freund ebenfalls nicht auszumachen. Auch ein Blick zum Nest und auf die Gebäude im alten Ortsbereich der kleinen Wörnitzgemeinde erbrachte keine Sichtung. Nun besteht jedoch durchaus die Möglichkeit, dass ich Hugo an anderer Stelle übersehen haben könnte. Dass Hugo heute ebenfalls außerhalb des Ortes übernachtet, halte ich eher für unwahrscheinlich. Und dass er abgezogen  ist, kann ich bei der momentanen Wetterlage überhaupt nicht glauben. So muss ich Sie leider auf morgen vertrösten und hoffen, eine weitere Spur von Hugo 1 und – was ich leichter für möglich halte – von Hugo 2 zu finden. So bleibt unser Tagebuch weiter spannend und unsere Hugos liefern nach wie vor immer neue Highlights und überraschende Wendungen.  

27. Sep. 02

Wo ist Hugo 1? Diese Frage beschäftigte uns gestern nach Einbruch der Dunkelheit. Als ich heute bei strömendem Regen gegen 14 Uhr Mosbach erreiche, hatte ich ein leicht mulmiges Gefühl. Ich suchte an den mir bestens bekannten Stellen und konnte weder Hugo 1 noch Hugo 2 ausmachen. Erst als ich eine kleine Anhöhe hinauffuhr, um einen letzten Rundblick zu erhalten, sah ich zwei weiße Punkte aufleuchtenUnsere Hugos! Sie standen – von keiner Straße oder Fahrweg sichtbar – in einer von Hecken umgebenen Materialentnahmestelle direkt an der Autobahnböschung zwischen Mosbach und der Spielbank Feuchtwangen. An dieser Stelle hatte sich ein kleiner See gebildet, der die Störche offenbar angelockt hatte. Da ich herausgefunden hatte, was ich wissen wollte, trat ich zufrieden die Heimreise an. Hugo 1 war also wieder da, doch wo hatte er die vergangene Nacht verbracht? Dieser noch ungeklärten Frage ging ich am Abend ab 18:30 Uhr nach. Zu dieser Zeit befanden sich beide Freunde abermals in engem Kontakt unweit der Stelle des frühen Nachmittags. Ich näherte mich den beiden und konnte erstmals erleben, dass Hugo 2 dabei kurz vom Boden abhob und eine kleine Strecke flog, auch wenn dieser Begriff etwas hoch gegriffen schien. Hugo 1 zögerte noch etwas länger mit dem Abflug, verabschiedete sich aber dann doch in Richtung Mosbach. Ich verfolgte ihn mit dem Fernglas. Er kreiste einige Male über dem Neubaugebiet, drehte dann aber überraschend ab und landete statt auf einem Hausdach in einem benachbarten Acker. Während ich Hugo 1 verfolgte, war Hugo 2 zu Fuß in die geschützt liegende Materialentnahmestelle gewandert und hatte sich dort auf einer kleinen Insel schon für die Nacht eingerichtet. Hugo 1 schien unterdessen höchst beunruhigt. Er lief ununterbrochen mit langem Hals und ständig um sich blickend umher. Immer noch blieb ich an Hugo 1 dran, um ja nichts zu versäumen. Er flog noch dreimal vom Acker auf, drehte immer neue Runden über dem Neubaugebiet, kehrte aber stets zu seinem Ausgangspunkt zurück. Ich konnte mir den Vorgang kaum erklären. Warum scheute sich Hugo 1 plötzlich, auf einem seiner traditionellen Übernachtungsplätzen zu landen? War er am Vortag vielleicht mit Gewalt von dort vertrieben worden? Hatte sich Hugo 1 bei einem der Hausbesitzer unbeliebt gemacht und hatte dieser ihm durch laute Geräusche oder gar durch Wurfgeschosse einen Schock versetzt? Ich kann mir Hugos Verhalten nur so erklären! Kurz nach 19:30 Uhr, quasi im letzten Licht, startete Hugo erneut, zog niedrig über die Dächer des Neubaugebietes und entschwand hinter einer Kuppe in Richtung Osten, in Richtung des Sportplatzes von Mosbach. Dort brannte auch heute wieder die Beleuchtung der Flutlichtanlage, so dass die Sicht im Umkreis der Sportanlage noch besser war. Ich suchte alle Hausdächer ab, doch Hugo blieb verschwunden. Hatte er einen Baum als Übernachtungsplatz ausgewählt? Ich musste Hugo finden! Am Ortsende von Mosbach grenzt in östlicher Richtung ein größerer Heckenkomplex mit einer Streuobstfläche an. Dort leuchtete ein weißer Punkt auf. Hugo war zwischen den Obstbäumen zu erkennen und es bestand kein Zweifel, dass er dort die Nacht verbringen würde. Immer noch schien er höchst beunruhigt, sein Kopf fuhr unablässig hin und her, er schien sich einfach nicht wohl zu fühlen. Um Hugo durch mein Auftauchen nicht noch mehr zu beunruhigen und auch um ein unnötiges Auffliegen bei Dunkelheit zu vermeiden, ließ ich Hugo 1 an seinem Landeplatz zurück. Nun bleibt mir die schwierige Aufgabe, die Hintergründe des merkwürdigen Verhaltens zu klären. Werde ich die Mauer des Schweigens durchbrechen können?


Werden diese Blicke nicht mehr möglich sein?
Hugo 1 auf seinem beliebten Übernachtungsplatz in Mosbach
Hausnummer 89 vor einigen Tagen


Hugo 1 auf dem Dach von Haus Nr. 87
in der vergangenen Woche

28. Sep. 02

Auch heute veröffentliche ich weiteres Fotomaterial, das die Erlebnisse mit unseren Hugos in den letzten Wochen anschaulicher machen soll. Alle bisher erschienenen Bilddokumente zeigen Hugo 1, der seit dem 26. August unser ständiger Begleiter ist. Nun sehen Sie erstmals auch Hugo 2, der am 16. September zu Hugo 1 gebracht wurde und sich seitdem mit ihm zusammen vor Ort aufhält.


Armin Braun von der Auffang- und Pflegestation für Vögel des Landesbundes
für Vogelschutz bringt Hugo 2 nach Mosbach.
Das Bild zeigt den ehrenamtlichen Pfleger kurz vor
der Freilassung von Hugo 2 am 16. September.


Hugo 2 flieht zu Fuß.
Er ist nach einer Berührung mit einer 20 KV-Leitungstrasse nicht flugfähig.
Er findet schnell Anschluss an Hugo 1 und dessen Vater,
der zu diesem Zeitpunkt noch in Mosbach ausharrte. 


Trotz einiger technischer Unzulänglichkeiten verdeutlich das Bild
die Präferenz von Hugo 1 und Hugo 2 zur Spielbank Feuchtwangen
direkt an der Autobahnausfahrt Feuchtwangen West der A7.
Auf dem gepflügten Acker im Mittelgrund sind beide Hugos zu erkennen.
Genau in der Bildmitte befindet sich das große beleuchtete Fenster
 hinter dem sich die Räumlichkeiten des großen Spiels befinden,
z.B. die Roulettetische usw. 


Während Hugo 1 zur Übernachtung nach Mosbach geflogen ist,
wartet Hugo 2 (auf dem Foto im Acker erkennbar) vor der Spielbank
auf den Einbruch der Nacht. Ob er sich wohl am Glücksspiel beteiligen
möchte oder nur ein wenig durch das große Fenster spitzen möchte?

Um 13 Uhr hält ihr Tagebuchschreiben Einzug in Mosbach. Von beiden gibt es am heutigen Tag nur Gutes zu berichten. Hugo 1 hat die Nacht schadlos überstanden, obwohl er sie abermals  auf freiem Felde zubringen musste. Ich finde ihn jedenfalls zusammen mit seinem Kumpan Hugo 2 auf einem Acker zwischen Mosbach und der Spielbank. Angesichts der sich deutlich verbesserten  Wetterbedingungen (Sonnenschein und 12 Grad!) steht erneut eine kleine Flugstunde an. Bei meiner Annäherung fliegt Hugo 1 sofort ab und landet etwa einen Kilometer entfernt nahe an der Ortsgrenze von Mosbach. Hugo 2 hebt erneut – diesmal länger als je zuvor – vom Boden ab und legt mit hängenden, über den Boden streifenden Beinen einige Meter zurück. Diesen Vorgang wiederholt er einige Male hintereinander, so dass er sich bald wieder aus meiner Reichweite stehlen kann. Schnell schaue ich noch einmal bei Hugo 1 vorbei, der sich in einer gemähten Wiese auf Mäusejagd begeben hat.

Meine Ermittlungen bezüglich des Fernbleibens Hugos von den Dachfirsten zweier Häuser in Mosbach scheinen erfolgreich verlaufen zu sein. Ich erhielt heute Nachmittag einen Anruf einer Bewohnerin eines dieser Häuser. (Sie war offensichtlich durch meine Recherchen unruhig geworden!) Ich wurde gefragt, ob der Kot des Storchs den Dachziegeln Schaden zufüge. Außerdem kam im Gespräch zum Vorschein, dass Hugo 1 den Balkon verschmutze. Dieser sei mit Natur belassenem Holz versehen, in das der scharfe Kot eindringen und das Holz schädigen könne. Auch sei bereits die Hauswand vom einen oder anderen Kotstrahl getroffen. Wie lange wohl der Storch noch bleibe, wurde ich noch gefragt und ob er gar überwintern würde? Auf beide Fragen konnte ich keine klare Antwort geben, sie bestätigten mir aber, dass die Hausbesitzer im Falle Hugos zur Selbsthilfe gegriffen hatten, um so einer weiteren „Schädigung“ ihres Anwesens vorzubeugen. Nicht auszudenken, in welchen Schweinestall Hugo den Neubau verwandeln könne, wenn er auch den gesamten Winter auf dem Hausdach zubringen würde. Also wurde mit einem Stock vom Balkon aus nachgeholfen und Hugo, der nun gar nichts dafür konnte, vom Dach gestoßen. Nachdem dies in kurzen Abständen mehrmals wiederholt war, verzog sich Hugo wieder auf das freie Feld und hatte die beiden vergangenen Tage seine Ruhe vor diesen Personen. Mancher von uns würde sich sicher freuen, wenn ein leibhaftiger Storch sein Haus versch... würde, im Falle von Hugo sieht dies aber leider anders aus. Sehr überrascht war ich von dieser Entwicklung nicht, ist sie doch in auf Sauberkeit und Ordnung ausgerichteten Gesellschaftskreisen weit verbreitet. So wie die Vorgärten und Eigenheime aussehen, spiegeln sie das Bewusstsein ihrer Bewohner wenigstens in dieser Beziehung wieder. Für Natur in ihrer ursprünglichen Form und Ausrichtung bleibt dabei nur wenig Raum. Und wehe ein ungebetener Gast (hier war es Hugo) dringt in diese sterile Atmosphäre ein!

Gespannt wartete ich deshalb auf die abendliche Entwicklung im Mosbacher Neubauviertel. Bei etwa 200 Einwohnern in Gesamt-Mosbach besteht diese Siedlung aus gerade mal 10 Häusern. Also noch genug Ausweichquartiere für Hugo! Um 18:35 Uhr durchfahre ich die einzige Straße des Viertels und stoße gleich auf Hugo. Er hat sich heute klug entschieden und ein neues Haus als Übernachtungsplatz gewählt. Es grenzt unmittelbar an Haus Nummer 87 und ist nun das dritte in der Reihe der „Schlafhäuser“. Und Hugo hat sich bei seiner neuen Wahl klug entschieden. Der unter seinem Standplatz errichtete rustikale Balkon ist zum Glück etwas unter das Dach zurückversetzt, so dass ein Kotstrahl nach meinen Berechnungen den Balkon nicht treffen wird. Bleiben eben nur die Dachziegel übrig, die hoffentlich keine dauerhaften Schäden davontragen werden. Wenigstens hat Hugo wieder störchische Züge angenommen und nach zweitägiger Abstinenz wieder einen erhöhten Übernachtungsplatz aufgesucht. Bleibt zu hoffen, dass er hier noch länger geduldet wird. Ich werde aus den Erfahrungen lernen und sogleich persönlichen Kontakt mit den Hausbesitzern aufnehmen, um ähnliche Vorfälle wie die geschilderten für die Zukunft auszuschließen.

Hugo 2 verbringt eine weitere Nacht in Sichtweite von Hugo 1 zwischen Mosbach und der Spielbank. Eine noch schnell erteilte Flugstunde erbrachte keine neuen Erkenntnisse. Ein leichtes Abheben war auch diesmal zu erkennen, ein Einfangen ohne Mithilfe weiterer Personen ist nicht mehr möglich. Eigentlich ein gutes Zeichen!

29. Sep. 02

Ein herrlicher Herbsttag, der nach kalter Nacht wieder erfreuliche Temperaturen von 15 Grad im Schatten bringt, steht uns heute bevor. Hugo 1 hat die Nacht auf seinem neuen Schlafplatz gut überstanden. Wie an den frischen Spuren auf dem Dach eines Hauses im Neubaugebiet von Mosbach ersichtlich ist, funktioniert die Verdauung prächtig. Gegen 13 Uhr sehe ich ihn zusammen mit Freund Hugo 2 auf einem Acker zwischen Mosbach und der Spielbank. Das Futterangebot der letzten Tage war so reichhaltig, dass sich beide eine ausgiebige Gefiederpflege leisten können. Um 18:30 – diese Uhrzeit ist zu einem festen Bestandteil meines Stundenplanes geworden – begebe ich mich erneut auf die Suche nach unseren beiden Hugos. Da beide ein eng begrenztes Aktionsgebiet bevorzugen, ist es (fast) immer leicht, ihnen auf die Spur zu kommen. So finde ich sie auf einem Acker zwischen Mosbach und der Spielbank im Gleichschritt auf Nahrungssuche. Ohne einzugreifen – ich bewege mich in einem Abstand von etwa 300 Metern zu unseren beiden Tagebuchstars – fliegt Hugo 1 gegen 18:50 Uhr auf und strebt zielgerichtet auf das Neubaugebiet von Mosbach zu. Als er es nach rund zwei Minuten Flugzeit erreicht, setzt er diesmal wieder auf dem Dachfirst von Hausnummer 87 zur Landung an. Ein wenig schuldbewusst rückt Hugo 1 anschließend einige Meter auf dem First zur Mitte, um ja nicht auf Balkonen, Terrassen, Loggien und ähnlichen „Schmuckstücken“ seine Spuren zu hinterlassen. Hugo 1 scheint in dieser Beziehung lernfähig geworden zu sein und sich mit seinen Mitbewohnern arrangiert zu haben. Das Haus, von dem er vor zwei Tagen so schmählich vertrieben wurde, hat er jedoch seit diesen Ereignissen stets gemieden. Während Hugo 1 für diese Nacht in Sicherheit ist, verfolge ich unterdessen Hugo 2, der zu Fuß einige hundert Meter zurückgelegt hat und sich nun ganz nahe an der Autobahnböschung bewegt. Das Ohren betäubende Rauschen scheint unserem Nichtflieger überhaupt nichts auszumachen. Was sucht er nur hier an dieser gänzlich unfreundlichen Stelle? (War das nicht Frans auf der Autobahn... Hugo 2 winkt mit seinem Flügel...) Kaum zu glauben , was sich in diesem Augenblick ereignet. Hugo 2 erklettert einen etwa zwei Meter hohen, trapezförmigen Erdhaufen, läuft auf dessen Oberkante noch einige Male hin und her, bleibt schließlich an dessen höchster Stelle stehen, treibt Gefiederpflege, zieht ein Bein an und richtet sich für die Nacht. Hugo 2 hat ebenfalls seit heute einen Übernachtungsplatz gefunden, der nicht mehr ebenerdig angelegt ist. Ein weiterer erfreulicher Fortschritt in der Entwicklung von Hugo 2! Nebenbei sein noch bemerkt, dass beide Hugos sich von ihrem jeweiligen Schlafplatz aus sehen können. Die Luftlinie zwischen beiden Punkten beträgt dabei 1100 Meter.

30. Sep. 02

Nach einigen Gesprächen in Mosbach wurde Hugo 1 heute ein weiteres Bleiberecht zugesagt. Mögliche Schädigungen an der Haussubstanz, die durch den Kot des „Hausstorches“ verursacht werden, werden demnach hingenommen. Also es geht doch! Ich  komme heute erst gegen 17:30 Uhr erstmals in den Storchenort. Ich finde Hugo 1 unweit des Ortsrandes an der Straße nach Reichenbach in einer Wiese stehen. Von Hugo 2 keine Spur! Erstmals seit vielen Tagen ist sein ständiger Begleiter nicht in seiner Nähe. Auf fast jedem Acker wird intensiv gearbeitet, dazu verbreiten mehrere Spaziergänger mit nicht angeleinten Hunden einige Unruhe. Ich suche mindestens eine halbe Stunde beinahe jeden Quadratmeter nach Hugo 2 ab, meine Suche bleibt aber erfolglos. Um ihm vielleicht doch noch auf die Spur zu kommen, nähere ich mich Hugo 1 und bringe ihn schnell zum Auffliegen. Statt aber zu seinem Freund zu fliegen (dies hatte ich gehofft!), landet Hugo 1 auf dem Dachfirst von Haus Nummer 87. Schnell hat er es sich dort gemütlich gemacht, er rutscht einige Meter in Richtung Dachmittag, zieht ein Bein an und richtet sich früher als gewohnt zur Nachtruhe. Auch um 19:30 Uhr ergibt sich die gleiche Situation. Ich bin erneut vor Ort, Hugo 1 steht nach wie vor – und wird dies auch bis zum Tagesanbruch so halten -  auf dem Dach und Hugo 2 bleibt verschwunden. Eine weitere Nachsuche zwischen Spielbank und Mosbach bringt auch jetzt Hugo 2 nicht zum Vorschein. Was ist passiert? Ist überhaupt etwas geschehen? Wird er morgen erneut sichtbar? Fragen über Fragen, denen ich morgen nachgehen werde.

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