Storchenkamera
Storchentagebuch 2002
...was bisher geschah
Teil 11
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1. Jun. 02
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Vor meiner morgendlichen
Abfahrt nach Leipzig konnte ich noch einen Blick auf unser Nest
werfen, das nach drei Tagen Bauarbeiten schon einen überaus
ansehnlichen Eindruck hinterlässt und – und hier wiederhole
ich mich gerne – beweist, dass Störche doch tatsächlich in der
Lage sind, ein Nest selber zu bauen - ganz gleich, welchen Eindruck
ein solches auf menschliche Gefühle und Erwartungen hinterlässt.
(Ihr wisst schon, wen oder was ich damit meine. Ein bisschen
Schadenfreude darf in diesem Punkte vielleicht sein.)

Los, zeig dem
Storchenexperten,
was du kannst! |

Neue olympische
Disziplin:
Synchron-Bauen |

Es wächst
und
wächst... |
Der einzige Storch, der mir während
der Fahrt begegnete, überflog kurz vor Erreichen der A6 Richtung Nürnberg
mit Nistmaterial im Schnabel die Autobahn, um bei seiner Partnerin
im Nest auf der Werbeanlage der dortigen Shell-Tankstelle zu landen.
Obwohl im weiteren Stadtgebiet von Leipzig einige
Storchenpaare brüten (ein Jungstorch des Jahres 1993 aus dem
Leipziger Ortsteil Schkeuditz hat das Nest in Wilburgstetten bei
Dinkelsbühl besetzt wie ich bereits meldete und fotografisch
dokumentierte), sah ich sonst keinen Storch. Das lag aber eindeutig
an der andersartigen Zielstellung der Reise, die da hieß: Leben und
Werk Johann Sebastian Bachs (im Schnelldurchgang)
Im Gästebuch wird häufig die Synchronität
der Bewegungen angesprochen. Da haben alle Schreiber sehr
genau beobachtet. Diese Gleichzeitigkeit verschiedener
Handlungsabläufe dient
der Harmonisierung des Paares und steuert Vorgänge, die dem
Paarzusammenhalt dienen. Je besser dieses „Aufeinander-Eingehen“
funktioniert desto größer sind die Aussichten auf eine
erfolgreiche Brut. Auch den zahlreichen Paarungen gehen solche
parallele Verhaltensweisen voraus.
Am Abend, im letzten Licht der romantischen Stadtbeleuchtung Dinkelsbühls,
um kurz nach 22:00 Uhr steht ein Storch (das Männchen) im Nest,
während Resi ein wenig abseits auf dem Dachfirst nächtigt. Das
heißt aber nicht, dass dieser Zustand die ganze Nacht anhalten
musste. Vögel schlafen nicht viele Stunden am Stück, sondern kurze,
intensive Schlafphasen werden immer unterbrochen von längeren
Wachzeiten. Man sieht also auch nachts Begattungen,
Gefiederpflege, Umherlaufen im Nest, Koten über den Nestrand und
Bewegungen, die auch während des Tages ablaufen. So ist in unserem
Falle nicht auszuschließen, dass Resi später im Nest anwesend war.

Resi,
kannst gleich rüber kommen!
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2. Jun. 02
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Der Tag des großen Bauens!!!
Waren wir bisher schon vom Nestzuwachs begeistert, so müssen wir
jetzt sprachlos anerkennen, dass vor allem Rudi heute zu einer
Superform aufgelaufen ist und der gemeinsame Einbau von
verschiedenstem Nistmaterial ein für eine Brut geeignetes Nest hat
entstehen lassen. Zahllose Flüge, die nur gelegentlich vom Weibchen
begleitet waren und das gemeinsame Einbauen ließen wahrlich alle
Kritiker verstummen.

Zustand des Nestes um 11:47 Uhr.
Nach drei Stunden genehmigten
sich unsere über beide Ohren Verliebten eine Ruhepause im Nest.
Hierbei entstand der zweite Schnappschuss des heutigen Tages.

Glaubst du, Resi, wir bringen noch
eine Brut zu Stande?
Am Abend schließlich stand das
Paar einträchtig nebeneinander im Nest und dachte über den
abgelaufenen Tag und über die nahe Zukunft nach.
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3. Jun. 02
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Der Endspurt in Sachen
Nestbau ist heute eingeläutet worden. Was Rudi anschleppt und
zusammen mit Resi verbaut, ist aller Ehren wert. Seit den frühen
Morgenstunden – nach wie vor die beliebteste Bauzeit – herrscht
wieder reger Flugverkehr über dem Storchennest auf dem
Altrathausdach. Die Begrünung des Nestinneren nimmt Züge
an, die schon an die Ausprägung einer Nestmulde erinnern. Fehlt nur
noch, dass Resi mit der Eiablage beginnt. So ganz ausschließen kann
man bei unseren Störchen nichts mehr. In der in diesen Tagen
erschienenen „Vogelwelt von Brandenburg und Berlin“ las ich
unter Weißstorch im Kapitel Brutbiologie „.Der Legebeginn
fällt.....frühestens Ende März und spätestens Anfang Juni.“
Sollte dies ein versteckter Hinweis sein, dass es entgegen meiner
bisherigen Erfahrung mit Legebeginnen (mein spätester war der 20.
Mai) doch gelegentlich noch spätere gibt? Die nächsten Tage werden
uns Gewissheit verschaffen.
Im herrlichen Morgenlicht
beobachtete ich kurz vor dem Verlassen des Hauses unsere beiden
Medienstars bei der Arbeit. Es machte Freude, mit welchem Elan hier
vorgegangen wurde. Morgenstunde hat laut einem alten Sinnspruch eben
Gold im Munde. Hier möchte ich in Abwandlung des Sprichworts für
unser Paar aus dem Gold „Zweige“ machen, aus dem Munde halt „Schnäbel“.
Was bleibt? „Morgenstund hat Zweig im Schnabel.“

Bereit für den Endspurt! |

Siamesiche Zwillinge... |

Schau Rudi, wie gelenkig ich noch bin! |

Platz da, ich komme |
Dass das Paar so gut
harmonisiert, beweisen nach wie vor die zahlreichen Kopulationen,
die biologisch dann erklärbar sind, wenn Resi bereit für die
Eiproduktion ist.

Resi, ich gebe
mein Bestes! |

Schnell noch einmal
zum Nistmaterial Holen! |
Erlauben Sie mir einen kleinen Exkurs
nach Mosbach. An diesem Ort ereignete sich heute eine
denkwürdige Handlung. Nach 15 Jahren wurden erstmals wieder in Bayern junge
Störche beringt. Dass es ausgerechnet die vier Jungstörche
unseres Ex-Dinkelsbühler Paares waren, gibt dem Ganzen noch eine
pikante Note. Nachdem die Vogelwarte mich vor einigen Wochen fragte,
ob ich bereit sei an einem deutsch – polnischen
Forschungsprojekt mitzuarbeiten, überlegte ich nicht lange
und sagte zu. Dabei sollen an ausgewählten Vogelarten – auch am
Weißstorch – genaue Untersuchungen durchgeführt werden, die
Auskunft über die Reproduktionsrate der verschiedenen Arten sowie
Hinweise auf den Gesundheitszustand der Jungvögel geben. In diesem
Anlaufjahr werden beispielsweise junge Störche beringt, gewogen und
ihr Alter genau bestimmt. Vergleiche mit anderen Gebieten in
Deutschland und in Polen sollen dann zeigen, in welchen
Lebensräumen junge Störche am „fittesten“ sind, d.h. wo sie in
einem bestimmten Alter am schwersten sind. Die vier Jungen von heute
im Alter von 27 bis 33 Tagen wogen bei der Beringung : 1790 Gramm,
2325 g, 2470 g und 2535 g.
Das Programm wird in den nächsten
Jahren weiter verfeinert und ausgeweitet. Ihr Tagebuchschreiber wird
also auch in dieser Hinsicht wieder aktiv und wird deshalb in den nächsten
Wochen viele Kilometer in Franken zurücklegen, um die weit
verstreut liegenden Nester zu besuchen und dort seinen Auftrag
durchzuführen. Sollten Resi und Rudi ebenfalls noch Nachwuchs
erwarten, kämen ihre Jungen auch noch in die Hände Ihres Experten.
Mal sehen. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Wörnitz hinunter.
Eine kleine Bildfolge wird in einigen Tagen an dieser Stelle noch
eingefügt.
Dass das abendliche Warten
auf Rudi und Resi zu einer Geduldsprobe werden kann,
beweist der heutige Tag erneut. Es wurde 22:02 Uhr bis beide ins
Nest einschwebten. Obwohl ich mir ganz sicher war, dass Rudi und
Resi noch kommen, ist das Warten doch zermürbend, wenn man an die
vielen vergeblichen Anläufe dieser Art in den vergangenen Monaten
denkt.
Noch ein letztes Bonmot: In den späten Nachmittagsstunden konnten wir
den 150.000. Besucher unsere Website begrüßen. Vielen
Dank für Ihre Treue und für noch viele erlebnisreiche Tage mit
unserem Traumpaar.
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04. Jun. 02
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Wohl dem, der in den Morgen-
und Vormittagsstunden Zugang zu einem Internetanschluss besitzt.
In dieser Zeit sind unsere Dauergäste am aktivsten und so
gut wie durchgehend am Nest anzutreffen.
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Los!
Wir starten zum Endspurt |
In den Nachmittagstunden
und vor allem in der Zeit von etwa 18 Uhr bis zum Einschweben zur
Übernachtung
muss man schon Glück haben, um einen der Adebare zu beobachten.
Mit der Brut oder Eiablage wurde – und das ist
keine Überraschung – noch nicht begonnen. Wir sollten eine solche
Sensation auch gar nicht erwarten. Umso schöner wäre es dann
natürlich, wenn es doch noch klappen könnte. Erkennbar wäre ein
Brutbeginn, wenn immer einer der beiden Störche am Nest verbleibt
und sich dabei auch im Nest niederlässt, um die Eier zu wärmen.
Dies tut aber keiner der beiden bisher. Ich konnte nur wenige Male
ein Liegen im Nest beobachten und dies wäre natürlich eine
wesentliche Voraussetzung.
Der Tag verlief jetzt schon
bald routinemäßig: Kräftiges Bauen bis in die späten
Vormittagsstunden und dazwischen immer wieder – insgesamt aber
seltener – Begattungen und Abflüge zur Nahrungssuche.

Wartet der schwarze Geselle schon wieder
auf eine Gelegenheit zum Diebstahl?
Zwischen 14 Uhr und 14:30 Uhr
herrschte ziemliche Unruhe im Nest. Rudi und Resi äugten in
dieser Zeit unentwegt mit seitlich gelegtem Kopf nach oben und
streuten manche energische Klapperstrophe ein, ein untrügliches
Zeichen, dass irgend etwas über ihnen kreiste.

Resi, dem Fremden haben wir es aber
gegeben
Mit großer Sicherheit handelte
es sich dabei wieder um mindestes einen Fremdstorch.
Anschließend flog das Paar auch gemeinsam ab, um lange
auszubleiben. Anschließend kam es gegen 18 Uhr noch einmal ein
kurzes Intermezzo unseres Paares, ehe mit dem Abflug von Resi um
18:35 Uhr das Warten auf den abendlichen Einflug wieder begann.
Dieses Mal wurde unsere Geduld nicht ganz so lange auf die Folter
gespannt wie am gestrigen Tag. Gegen 21:15 Uhr konnten wir Resi und
Rudi im Hotel „Zum Storchennest“ wieder begrüßen.

Übernachtungspaar
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5. Jun. 02
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Der Tag des ersten „großen
Liegens“! Ich habe kürzlich erwähnt, dass Resi und Rudi
bisher nur ganz seltene Liegeproben im Nest gezeigt haben. Beim
Zustand des Nestes bei der Ankunft der beiden auch kein Wunder. Der
Durchmesser war zu klein und diese Tatsache schloss ein Sich-Legen
schon fast aus. Mit zunehmendem Nestbau verbesserte sich dieser
Missstand und nach Fertigstellung der Behausung – viel mehr kommt
nicht mehr dazu, gebaut wird aber auch während der Brut und
Jungenaufzucht - erfolgten heute den ganzen Tag über auch längere
Liegephasen beider Störche. Das Männchen beteiligte sich ebenso
daran wie Resi.

Noch schnell etwas gerichtet |

Resi wird staunen, dass es mir schon passt |

Schau Resi, unser Nest passt! |
Ich möchte diese ersten
längeren Liegeübungen als Test der Störche für die Bruttauglichkeit
der zukünftigen Storchenbehausung ansehen. Da am Brutgeschäft das
Männchen ebenso beteiligt ist wie das Weibchen, muss Rudi
natürlich in gleicher Weise daran teilnehmen. Mit der Eiablage
haben solche Tests nur indirekt zu tun, auch Paare, die nicht
brüten und keine Eier im Nest haben, liegen während ihrer
Anwesenheit häufig und gerne im Inneren des Nestes. Unsere zwei
lassen ihre angeborenen Verhaltensmuster jedoch in einer Perfektion
ablaufen, die immer noch
an einen extrem späten Brutbeginn glauben lässt. Erst wenn
immer einer der beiden Alten am Nest verweilt, dieses nie mehr
verlassen wird und wenn ein kontinuierliches Liegen (Brüten)
einsetzt, hat die Brut begonnen. Da Eier in einer kleinen gedrehten
Mulde liegen, wird es schwer sein, diese sofort zu erkennen. Der
Abstand, in dem die Webcam Bilder sendet (10 sec), ist auch so
groß, dass man beim Eierwenden nur mit Glück diese sehen wird (ich
gerate schon wieder ins Schwärmen – dabei sind wir ja noch gar
nicht so weit). Beginnt in allernächster Zeit die Eiablage noch,
dann wird es bis zu einem möglichen Ausfliegen der Jungen schon
sehr spät. Gute
drei Monate werden vergehen, bis es so weit ist. Jedoch üben
Junge einen so mächtigen Schlüsselreiz auf ihre Eltern aus, dass
dieser Fütterungstrieb alle anderen Triebe zunächst in den
Hintergrund drängt, also ein Verlassen des Nestes durch die Eltern
vor dem Ausfliegen der Jungen nicht in Frage kommt.
Der morgendliche Blick ins Nest
gegen 6:40 Uhr zeigte, dass Rudi und Resi im Augenblick aushäusig
waren. Doch schnell änderte sich das Bild und bewies die immer noch
herrschende Bauwut der beiden. Denn zuerst erschien der Mann
mit einem großen Ast im Schnabel. Nach dessen Einbau testete Rudi
die Tauglichkeit des Nestes und blieb eine ganze Weile liegen,
selbst als Resi auftauchte änderte sich an dieser Tatsache nichts.
Dieses Bild änderte sich den ganzen Tag über nicht. Die
Liegephasen fanden über den Tag verteilt immer regelmäßiger und länger
statt, dazwischen gab es weitere Kopulationen.

Platz! Ich bringe Nachschub, Resi! |

Wer Eier legen will, muss auch etwas
dafür tun! |

Ich kann es auch alleine, Rudi! |
Alles paletti! Als eine Gewitterfront
am späten Nachmittag Dinkelsbühl erreichte und Blitz und Donner
über unser Nest hereinbrachen, verbrachten Rudi und Resi außerhalb
des Nestes. Aber irgendwann kurz vor 20:40 Uhr – es war bereits so
dunkel wie sonst um 22:00 Uhr und der Regen prasselte immer noch -
standen die beiden Nestbesitzer zur Übernachtung bereits im
Nest.

Donnerwetter! Die zwei begossenen „Pudel“
Ihrem Tagebuchschreiber war es
heute – dies sei am Rande vermerkt – erneut vergönnt, Junge
Störche in Trommetsheim, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen,
zu beringen. Die drei überlebenden Jungstörche des dortigen
Paares waren mit 5 bis 6 Pfund Gewicht und gut fünf Wochen Alter
schon recht groß.
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6. Jun. 02
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„Ei oder nicht Ei, das ist hier die Frage.“

Ei oder nicht Ei? Herr Wilfling sagt:
Eine Feder! |

Freudensprung von Resi wegen
des vermeintlichen Eies! |
Wenn es nicht schon Juni wäre sondern April, wäre
alles so einfach. Das Paar begänne in den nächsten Tagen mit der
Eiablage und wäre drei Monate später mit der Aufzucht des
Nachwuchses fertig. Aber wir haben heute den 6. Juni. Vor einigen
Wochen hätte ich jeden für verrückt erklärt, der um diese Zeit
noch mit einer Eiablage gerechnet hätte und nun gehöre ich selbst
zur Gruppe derer, die
solches nicht ganz für ausgeschlossen halten. Es läuft bei unserem
Paar einfach alles so perfekt, dass man leicht wieder übermütig
werden kann. Verdient hätten wir es aber allemal bei dieser Geduld
und Ausdauer, die jeder so an den Tag gelegt hatte. Auf jeden Fall
bleibt uns den Sommer über ein verliebtes Paar erhalten, das auch
ohne Brut noch manche Überraschung für uns bereit hält.
Der Tag begann wie er beginnen musste -
mit Nestbau – und er endete mit der bewegenden Frage um die
mögliche Existenz eines Eies. Es fiel mir in der Nachbetrachtung der heutigen
Geschehnisse auf, dass das Paar seine Anwesenheitsdauer gewaltig
steigern konnte. War die Anwesenheit eines Partners über längere
Zeit bisher die große Ausnahme, kam es nun öfters vor, dass Rudi
oder Resi auch eine halbe Stunde und länger allein auf die
Rückkehr des Partners warteten. Dieses Warten geschah in schöner
Regelmäßigkeit auch im Liegen, wobei Rudi in dieser Fähigkeit die
„Nase“ vorn hatte.

So könnte es bleiben! |

Rudi in Liegestellung! |
Und länger als eine Stunde blieb unser Nest heute
am Stück niemals leer. Es kann so weiter gehen. Neben dem Bauen am
Nest, dem Liegen, der
Gefiederpflege sowie der Nahrungssuche gab es natürlich noch etwas:
Liebe!

Warten
auf das erste Ei!
Bei zwei Fahrten nach Dinkelsbühl kurz nach 17 Uhr
sowie gegen 18:45 Uhr konnte ich in einer frisch gemähten, vom
gestrigen Regen leicht überschwemmten Wiese nur 2 Kilometer
nördlich des Nestes einen Fremdstorch ohne Ring bei der
Nahrungssuche beobachten (zur gleichen Zeit stand „Unsere“ im
Nest). Vereinzelte Klapperstrophen von Resi und Rudi (auch gegen
19:20 Uhr) könnten mit diesem Besucher in Zusammenhang
stehen.

Verteidigung
ist die erste Storchenpflicht!
Die Übernachtungsgäste stellten sich am Abend
deutlich vor 21 Uhr ein und man kann ahnen, was in dieser Nacht
geschehen könnte. Wie hieß es doch eingangs? Ei oder nicht Ei,
das ist hier die Frage?
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7. Jun. 02
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Unser Paar brütet nach
wie vor (noch?) nicht. Damit ist die „Ei-Frage“, die
gestern durch den Raum geisterte, mit einem klaren „Nein“
beantwortet und Herrn Wilflings Feststellung bestätigt worden. Auch
heute tauchte besagte Feder immer wieder für alle sichtbar
in oder in der Nähe der Nestmulde auf. Auch Plastikteile flatterten
immer wieder im starken Wind, der durch die engen Gassen
Dinkelsbühl fegte und erst recht Rudi und Resi auf dem Rathausdach
zu schaffen machte. Während ich diese Zeilen schreibe (es ist genau
20 Uhr), blitzt das „Corpus delicti“ (Feder oder/und
Plastikteil) schon wieder etwas vorwitzig aus dem begrünten
Nestteil hervor. Jeder Tag, an dem das Nest nicht kontinuierlich von
mindestens einem Storch besetzt wird , verringert die Chance, dass
es doch noch zur erhofften Eiablage kommt. Rudi ist auch nach wie
vor der viel Aktivere, wenn es darum geht, Liegeproben im
Nest zu tätigen. Warum Resi da so wenig beteiligt ist, könnte
natürlich daran liegen, dass sie mit Eiern doch nicht so viel am
Hut hat oder eben halt hormonell zu solchen Taten nicht mehr bereit
oder fähig ist. Ein weiterer reichlich verregneter Tag brachte
trotzdem eine Reihe eindrucksvoller Beobachtungen und wieder schöne
Bilder in Form beigefügter Schnappschüsse.
Bei dem großen Leid, das die Unwetter
der vergangenen Nacht in der Gegend um Augsburg sowie in den
Landkreisen Günzburg und Unterallgäu verursacht haben, ist es
schon ein bisschen pervers, an die dort brütenden Storchenpaare zu
denken. Ohne bereits darüber Genaueres zu wissen (ist auch im
Vergleich zum sonstigen Geschehen reichlich unwichtig!), sind bei
diesen Regenmenge Verluste unter den Jungen nicht zu vermeiden. Vor
derlei Gefahren müssen sich unsere Nestbauer nicht hüten. Ein großer
Vorteil, wenn man so spät einen Brutversuch startet oder ganz auf
das Brüten verzichtet.
Der Tag begann für Ihren
Chronisten um 6:50 Uhr mit einem Nistmaterial einbauenden
Paar. Als Rudi kurz darauf abflog, legte sich Resi ins Nest. Keine
fünf Minuten später flog Rudi mit einer „Fuhre“ Gras im
Schnabel heran und baute dieses gekonnt ein.

Der Regen erfordert eine Extra-Portion
saugfähiges Material!
Danach ging Rudi in die
Liegestellung und Resi ließ ihren Gatten allein.

Resi, ich übernehme! Kümmere du dich auch einmal um
Nistmaterial! |

Endlich mal
allein! |
Am Vormittag setzte dann der
große Regen ein, der wahrlich keine Liebesgefühle aufkommen ließ
und auch sonst wenig stimulierend wirkte.

Da stehen zwei im Regen! |
In dieser Weise verbrachte
unser Paar die langen Stunden des Tages. Häufig sah man, wenn sich
beide im Nest befanden, einen in der Liegeposition. Als ein
vermeintlicher Feind über dem Nest auftauchte vollführten
beide eine eindrucksvolle Klappereinlage, der sich eine ausgiebige,
synchrone Gefiederpflege anschloss.

Schon wieder dieser Störenfried!
Dem zeigen wir es! |

Wir sind doch
die Schönsten! |
Vor Einbruch der Dämmerung
hatten schließlich beide eine längere Fresspause verdient. Deshalb
dauerte die Nestvakanz 90
Minuten, bis Resi und Rudi um 21:00 Uhr ihren Übernachtungsplatz
wieder ansteuerten.

Wenigstens die Nacht bleibt trocken,
Resi!
Noch ein
kleiner Hinweis zum Gästebuch: Die verfügbaren Smilies
sind in Gästebucheintrag 981 zusammengestellt.
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8. Jun. 02
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Die Tage verlaufen bereits nach
einem eindeutig festgelegten Stundenplan. Bis um die
Mittagszeit herrscht reges Treiben am Nest, danach wird es ruhiger
und erst wieder zum Übernachten stellt sich das Paar in seiner „Wohnung“
ein. An einen Brutbeginn ist unter diesen Umständen
nun nicht mehr zu denken, so dass wir uns von dieser winzig
kleinen Hoffnung endgültig zu verabschieden haben. Dafür hat uns
das Paar aber an einem gelungenen Nestbau teilhaben lassen,
der in dieser Form noch nie „fotografisch“ belegt wurde und
Skeptiker und Zweifler wohl für alle Zeiten das „Bauvermögen“
unserer Störche vor Augen geführt hat. Dass das Paar in Dittenheim
(davon war schon früher die Rede) ein komplettes Nest ohne
menschliche Hilfe errichtet hat und das ebenfalls schon erwähnte
Paar in Unterampfrach ein solches auf einem
Niedrigspannungsmast baut, beweist doch eindrucksvoll, dass man frei
lebenden Tieren auch manches zutrauen darf und der Ruf nach dem „Eingreifen“
die latent noch vorhandene Jäger-Mentalität des Menschen
durchschlagen lässt.
Unser Mosbacher
Storchenpaar – dieser kurze Abstecher sei auch noch erlaubt –
versorgt seine vier Jungen nach wie vor bravourös, so dass keines
der mehr als halbwüchsigen Jungen im Augenblick gefährdet scheint.
Ein Großteil der Storchenpaare im westlichen Mittelfranken hat im
Augenblick noch kleine und kleinste Junge zu versorgen, so dass hier
die Gefahr für Leib und Leben noch nicht ganz gewichen ist.
Rudi und Resi – und nun komme ich wieder zu unseren Hauptakteuren –
nutzten die frühen Morgenstunden, um sich und das Nest zu
pflegen.

Ein angenehmes
Gefühl, Rudi! |

Hoppla, halt den Zweig
mit fest |

Jeden Tag kommt
dieser blöde Fremde! |
Nachdem der Rohbau der Storchenbehausung seit einigen Tagen
steht, geht es jetzt nur noch um die Feinarbeit. Es werden
weiterhin große und kleine Zweige eingetragen, jedoch widmet sich
Rudi bevorzugt der Ausgestaltung der Nestmulde, wobei er den Mund
(nein – den Schnabel!) sehr voll zu nehmen pflegt.

Ganz
schön sperrig, das Ding!
Auch das Probeliegen im Nest wurde von beiden Partner ausgiebig
praktiziert. Man kam dabei erneut zu dem Ergebnis: Sitzt, passt und
hat wenig Luft! Nach Morgentoilette, Liegepausen und Nestbau
unterbrach man die einzelnen Aktionen mit Feindabwehr und
Drohverhalten. Dass die körperliche Liebe nicht zu kurz kommen
darf, versteht sich dabei von selbst und nach diesem Prinzip
handelten Resi und Rudi auch konsequent.

Probieren
wir es eben weiter!
Wer sein Nest jedoch verlässt, muss gerade in Dinkelsbühl in hohem
Maße
Nestdiebstähle durch das muntere Dohlenvolk mit
einkalkulieren. Nun herrscht bei „Dohlens“ im Augenblick
Jungenbetreuung vor, doch die eine oder andere Münsterdohle
inspizierte heute schon mal die mögliche Nistmaterialquelle für
das kommende Jahr.

Ertappt!
Auf Diebestour?
Der Nachmittag am Nest verlief eher langweilig und ohne besondere
Vorkommnisse, also auch ohne Storch. Erst um 21:31 Uhr
landeten Resi und Rudi wohlbehalten in ihrer selbst gebauten
Pension. Zum ersten Mal ließ sich anschließend einer der beiden
Altrathausbewohner im Nest nieder und beide begannen in dieser
Position die neue Nacht.

Einschweben zur Übernachtung |

Die neue Schlafstellung |
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09. Jun. 02
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Auch am 13. Tag ihrer
Anwesenheit am Nest haben Resi und Rudi in ihrer Aktivität kein
bisschen nachgelassen. Alles läuft wie am Schnürchen und seit
dem frühen Morgen spulen beide Altrathausstörche ihr Programm ab.
Dazu gehören neben dem Nestbau,
der speziell der Nestauskleidung dient und manch Kurioses
beinhaltet, auch wieder Begattungen, Probeliegen und Gefiederpflege.

Resi macht sich gut im frisch
gemachten Bett |

Rudi probierts einmal bei
liegender Partnerin |
Was heute so herrlich weiß
leuchtet, könnte in der Tat das Einstecktuch des Bürgermeisters
sein, ein Ei jedenfalls ist es nicht.

Resi umgeben von „Müll“ |

Das wird doch kein Ufo sein? |
Doch Spaß beiseite: Unsere
Verliebten schleppten heute Vormittag neue Papier- und Plastikfetzen
herbei, die uns wohl für einen Augenblick den Beginn der Eiablage
suggerieren sollten. Zwischen 9 Uhr und 10 Uhr brachte es Rudi auf
die Rekord-Liegezeit von genau einer Stunde. Auch das Dohlengeschwader
signalisierte durch einige Kurzbesuche seine potentielle
Diebstahlbereitschaft.

Schade, dass mein Nest schon fertig ist!
Da bekommt man direkt wieder Lust!
Doch was so schön begonnen
hatte, endete am Abend mit einer sehr traurigen Feststellung.
Die letzte Sichtung der beiden Nestbesitzer erfolgte bereits um 12
Uhr mittags: Danach blieb es auffällig ruhig und der
hereinbrechende Abend machte dann das schier Unglaubliche zur
bitteren Wahrheit. Resi und Rudi erschienen nicht mehr zum Übernachten.
Als kurz vor 22:30 Uhr die reduzierte Beleuchtung die letzten
Umrisse verschwinden ließ, stand fest: Resi und Rudi übernachten
an einem anderen Ort. Sollte den beiden gar etwas zugestoßen sein?
Ein Unfall an einem Mast der Stromversorgung? Dass jedoch beide
gleichzeitig auf diese Weise sterben sollten, halte ich für
gänzlich ausgeschlossen. Dann wäre wenigstens einer erschienen.
Wurden sie vielleicht gar von einem Jäger...? Alles dies geht mir
jetzt durch den Kopf. Doch das nahe Liegendste könnte ja auch
eingetreten sein. Resi und Rudi haben – zumindest vorübergehend
– das Weite
gesucht. Aber weshalb dann der große Aufwand mit dem Errichten
eines neuen Nestes, wenn man dieses nach kurzer Zeit wieder
verlässt? Heute herrschte ideales Flugwetter. Warme
Temperaturen, ein kräftiger Wind... Sollten die beiden einfach zu
weit abgekommen sein und dann am Abend den weiteren Rückweg nicht
mehr geschafft und sich einfach verschätzt haben? Ich weiß mir
keinen anderen Rat? Ob ich allerdings eine neue Wartezeit noch
einmal verkrafte, steht für mich noch nicht sicher fest. So schlafe
ich etwas besorgt und erwarte den neuen Tag mit leichtem
Herzklopfen.
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10. Jun. 02
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Der erste Blick am Morgen zum Storchennest
offenbarte neben einem leeren Nest außerdem starken, fast
wolkenbruchartigen Regen. Wie sollen da Resi und Rudi überhaupt
wieder zum Nest kommen. An Fliegen ist da überhaupt nicht zu
denken. Doch kurz nach Mittag füllte sich das Gästebuch
schlagartig mit der Eilmeldung: Resi und Rudi wieder heimgekehrt.
So als ob überhaupt nichts geschehen wäre, schlichen sich beide
nach einer Abwesenheitsdauer von genau 24 Stunden wieder heim
ins Nest. Keine Erklärung über ihren Verbleib, keine
Entschuldigung! So standen und lagen beide dafür über viele
Stunden im Nest und entschädigten für einen Tag ohne sie.

Reumütige Rückkehr der Ausreißer! |

Im Doppelbett |
Und der Einbruch der Nacht brachte gegen 21 Uhr wieder
ein volles Nest. Na also! Es geht doch! Die gesamte Fangemeinde
so an der Nase herum zu führen, ist schon ein starkes Stück! Aber
wir verzeihen den beiden selbstverständlich ihren kleinen „Ausrutscher“,
durften wir doch schon viele schöne Stunden mit den immer noch
Verliebten verbringen.

So wollen wir euch am Abend
sehen!
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11. Jun. 02
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Mit Störchen ist es doch viel
schöner! Unsere Ausreißer von gestern haben mir versprochen,
solche Eskapaden in absehbarer Zeit zu unterlassen. Wäre ja noch
besser, das so toll gebaute Nest gleich wieder anderen zu überlassen!
Deshalb taten sie auch gleich das, was von ihnen zurzeit erwartet
wird: Bauen, Liegen, Kopulieren, sich Pflegen.

Das sollten wir öfters probieren! |

War ich das mit dem Müll? |
Da darf man dann schon einmal
das Feld für einige Stunden räumen und das Kommando anderen überlassen.
So gestatteten Resi und Rudi während ihrer längeren Abwesenheit
vom Nest einer ganzen Armada von Dohlen, sich an ihrer Stelle häuslich
niederzulassen. Echte Absichten eines Nistmaterialraubes zeigte
dabei keiner der Besucher.

Hilfe! Die Dohlen kommen!
Gegen 21 Uhr erfolgte der
erwartete Einflug zur heutigen Übernachtung. Es kann so
weitergehen, dann überstehen wir auch die jungenlose Zeit bis zum
Abflug in den Süden.

Gute Nacht!
Heute beschäftigten unsere
Sehergemeinde vor allem die tragischen Geschehnisse an einem
Storchennest in der Baumkolonie von Marchegg in Niederösterreich.
Eine Webcam überträgt von dort seit Beginn der Brutzeit Bilder.
Aus fünf Eiern schlüpften
Junge, von denen zuletzt noch vier am Leben waren. Offensichtlich
gestalteten sich auch die Witterungsverhältnisse der letzten Tage
nicht gerade ideal, so dass heute nur mehr ein Junges am Leben ist
und die drei Geschwister neben ihm tot im Nest liegen. Zugegeben
sind dies keine schönen Bilder, die da vor laufender Kamera zu
betrachten sind.
Nur muss sich jeder, der eine
derartige Seite anklickt, klar sein, dass bei solchen Einblicken in
ein Storchennest Szenen dieser Art eher die Regel als die Ausnahme
sind. Bei den rund 15 Storchennestern, die momentan über eine
Webcam beobachtet werden können, ereigneten sich heuer schon die
verschiedensten Katastrophen und Sie können sich ausrechnen,
welches Leid sich in den verbleibenden 180.000 Nestern weltweit
abspielt, ohne dass jemand davon Notiz nimmt. Ich meine, jeder darf
seine Gefühle und seine Meinung äußern, sich jedoch sollte sich
jeder auch stets bewusst sein, dass derartige Verluste in der Überlebensstrategie
des Weißstorches durchaus einkalkuliert sind. Wenn ein Vogel
wie unser Kamerastar im Durchschnitt fast fünf Eier pro Gelege
zeitigt und dabei eine Lebenserwartung von über 20 Jahren besitzt,
sind immense Verluste rein rechnerisch zu erwarten. Vogelarten mit
einer ähnlichen Lebenserwartung zeitigen in der Regel viel kleinere
Gelege oder brüten sogar nur alle zwei bis drei Jahre einmal. Bei
diesen wirken sich Verluste – wenn sie einmal eintreten – viel
katastrophaler aus. Ich denke hier vor allem an die großen Adler,
bei denen ein, höchstens zwei Junge pro Brut das Maximum
darstellen. Albatrosse legen ein Ei und das nur alle paar Jahre.
Pinguine verfahren ähnlich. Die Mauersegler – ebenfalls mit einer
Lebenserwartung von über 20 Jahren – geben sich lediglich mit
zwei Eiern zufrieden. Wer eine lange Lebenserwartung hat und ein
relativ großes Gelege zeitigt, kann mit deutlichen Jungenverlusten
immer noch ganz gut überleben. Diese banale Feststellung soll allen
Traurigen ihre Trauer besser ertragen helfen. Die Leute vom WWF in
Österreich sind deshalb noch keine böse Menschen, wenn sie im
Angesicht des Überlebenskampfes eines Storchenjungen nicht
eingreifen. Aus Tierschutzaspekten wäre ein solches Handeln sicher
notwendig, doch hier die richtige Strategie zu finden, ist eine
Gratwanderung, an der es immer wieder zu Kollisionen zwischen Tier-
und Naturschutz kommt.
Wer legt fest, wann, wie und wo
etwas getan wird? Ein Junges bleibt beispielsweise in der
Entwicklung deutlich zurück. An welchem Lebenstag wird
eingegriffen? Soll das Junge aus dem Nest? Wohin? Wie lange? Es ist
kalt. Es regnet. Sollen alle Junge bei Temperaturen unter 10 Grad
aus dem Nest? Müssen sie bei Regenmengen über 20 Liter pro
Quadratmeter in Sicherheit gebracht werden? Sollten generell alle
Junge in jedem Falle nach dem Schlüpfen entnommen werden und in
einem Gehege gehalten werden? Sollte man ein Dach aus Plexiglas über
das Nest bauen (schon wegen der Webcam, sonst sieht man ja nichts
mehr!!??) oder wäre das mit der eingebauten Heizung nicht doch der
bessere Vorschlag, aber dann bitte Fußbodenheizung. Sollte man die
Störche nicht von Anfang an in Volieren einsperren, um so jederzeit
ohne Schwierigkeiten eingreifen zu können? Sie sehen, wie irrsinnig
die Geschichte werden könnte und zum Teil auch schon geworden ist,
wenn man einige Gedanken weiter denkt und einige Fragen anschneidet,
die sich bei jedem Eingriff stellen.
Deshalb haben sich die
Verantwortlichen in Österreich so entschieden und die in Vetschau
werden nicht anders handeln, auch wenn das kleinste Küken sterben
sollte oder sich noch andere schlimme Vorfälle ereignen. Auch die
Dinkelsbühler Verantwortlichen würden – vor eine Entscheidung
gestellt – sich sicher nicht anders entschließen. Die einzig
Konsequenz wäre dann, im nächsten Jahr auf eine Übertragung in
der gewohnten Form zu verzichten. Es hieße dann lapidar: Aus
technischen Gründen sehen wir uns leider gezwungen, die
Übertragung einzustellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halte ich es
für mutig und richtig, die Bilder laufen zu lassen und die
Realität ungeschminkt zu zeigen. Wer sich und seinen Kindern dies
ersparen will, kann darauf verzichten und sollte trotzdem Fragenden
die Vorgänge erläutern und Verständnis wecken für biologische
Vorgänge, die nicht immer nur negativ betrachtet werden müssen.
Der Zustand des Nestes in Marchegg ist mit Sicherheit nicht für die
Verluste verantwortlich.
Auch in Isny ist die
Unterlage, auf der das Nest liegt, in keiner Weise Ursache für das
Sterben. Alle Storchennester sind doch keine versiegelten Gebilde,
die sich mit Wasser voll saugen oder sogar die Kälte der
Betonplatte auf die Jungen im Nest übertragen. Wenn ich einen
10-Liter-Eimer mit Wasser ins Nest kippe, ist für einen Augenblick
eine Pfütze im Nest. Aber schon nach wenigen Sekunden beginnt das
Wasser sich zu verteilen, durch alle Ritzen zu fließen und seitlich
abzulaufen. Plastikteile im Nest sind sicher eine unangenehme
Beigabe, doch wie groß müsste ein solches Teil sein, das den
Abfluss von Regenwasser komplett blockiert oder entscheidend
behindert? Müssten die Störche es außerdem nicht wie eine
Tischdecke schön ausbreiten? Starker Regen führt schlicht und
einfach bei längerer Dauer zu einer Unterkühlung der Jungen, da
die Wärmeverluste durch die fehlende Zufuhr an geeignetem Futter
nicht mehr ausgeglichen werden können. Störche fliegen bei
mehrtägigem Regen nicht weit vom Nest weg. Ist der Futterbedarf bei
relativ großen Jungen sehr groß, geeignetes Futter jedoch nicht in
Nestnähe erreichbar, verhungern Junge so paradox dies auch
erscheinen mag. Häufig werden mit dem Futter auch Parasiten
eingeschleppt (Endoparasiten). Man fand im Darm toter Jungstörche
große Mengen eines Saugwurmes, der die Nahrungsaufnahme
entscheidend behinderte. Trematoden verursachten schwere
Entzündungen der Darmschleimhaut. Diese Parasiten entwickeln sich
über Schnecken und Frösche, beides potentielle Nahrungstiere
unserer Störche. Bei starkem Parasitenbefall – wie vielleicht
jetzt in Marchegg – treten dann Verluste unter den Jungen
reihenweise auf. Der Riemenwurm
- ein Bandwurm – der durch parasitierte Fische in den
Storchenkörper gelangt oder ein Luftröhrenwurm führen ebenso
nicht selten zu großen Ausfällen unter den Jungstörchen.
Also: Cool bleiben und alle
Gefahren, denen junge Störche ausgesetzt sind, im Auge behalten!
Oder wollen Sie einen täglichen Arzneimitteleinsatz zur Bekämpfung
eventuell vorhandener Verwurmungen? Ich glaube, was auf diesem
Gebiet mit unseren Haustieren passiert, sollte uns eine Lehre sein.
Derartige Auswüchse bei einem möglichen Haustier „Weißstorch“
sind nicht in unserem Sinne. Allerdings müssen wir als Konsequenz
dann schlimme Bilder hinnehmen und ertragen.
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12. Jun. 02
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Unser Traumpaar erfreute uns heute durch eine lange
Anwesenheitsdauer. Erst am späten Nachmittag kam es zu einer längeren
Nestabstinenz. Zum Frühstück gab es Paar im Nest.

Zum
Verlieben!
Gegen 7:15 Uhr verabschiedeten sich Resi und Rudi zu
ihrer Morgenmahlzeit in die Nähe der Ellwanger Kreuzung.
Dort wurden sie von unserem Webmaster auf dem Weg zur Schule
ertappt. Dieser Platz an einer viel befahrenen Umgehungsstraße von
Dinkelsbühl scheint sich zu einem beleibten Nahrungsplatz unserer
beiden zu entwickeln. Kurz nach 8:00 Uhr standen Resi und Rudi
(letzterer brachte reichlich Nistmaterial mit) wieder vereint im
Nest.

Resi,
du kannst mir beim Bauen helfen!
Bis 11:00 Uhr verbrachte Resi, meist liegend, in
ihrer Behausung, während Rudi bereits um 9 Uhr zum Streunen abflog.
Beide kehrten gemeinsam nach zwei Stunden zurück und legten
abermals eine über dreistündige Dauerbesetzung des Nestes hin.
Dass sich beide im Liegen gegenseitig kraulten, spricht für die große
Harmonie der Partner untereinander.

Resi
krault Rudi!
Warum Resi in dieser Zeit einmal einen Freudensprung
hinlegte, kann nicht an einer nun nicht mehr zu erwartenden Eiablage
gelegen haben. Offensichtlich hatte sie nur kurz das Gleichgewicht
verloren und im Straucheln dann eben einmal kurz vom Nestboden
abgehoben.

Was
gibt es denn zu feiern, Resi?
Der abendliche Einflug geschah im Rahmen der Möglichkeiten
spät, aber nicht zu spät gegen 21:45 Uhr.

Klappt
doch!
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13. Jun. 02
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Morgens und am Vormittag war
wieder „buntes Programm“ angesagt mit den bereits
mehrmals erwähnten Programmpunkten. Am Nest wird weiter
gearbeitet. Hier laufen Verhaltensmuster ab, die über die
gesamte Brutzeit beibehalten werden. Auch Paare mit Nachwuchs bauen
die gesamte Brutzeit über am Nest. Während Hormone ab
einem gewissen Zeitpunkt die Eiablage verhindern (ist ja
auch biologisch sinnvoll), können Paare auch noch spät im Jahr mit
einem Nestneubau beginnen. In dieser Weise agierte unser Paar,
obwohl bei Baubeginn schon keine reellen Chancen mehr bestanden,
eine erfolgreiche Brut noch durchzuziehen. Trotzdem handelten die
Tiere nicht „unvernünftig“, steht ihnen doch im nächsten Jahr
eine fertige Behausung zur Verfügung und der Brutbeginn kann dann
zügiger eingeleitet werden (vorausgesetzt die Dohlen untergraben
nicht diese Absicht wieder auf ihre Art und Weise).
Technische Pannen
unterbrachen im Lauf des Tages immer wieder eine kontinuierliche
Übertragung der Livebilder, so dass über Stunden die Bilder nicht
aktualisiert wurden. Auf alle Fälle kam unser Paar – als die
Bilder wieder Laufen lernten – kurz nach 22:00 Uhr zur
Übernachtung.

Rudi ruht und Resi steht
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14. Jun. 02
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Die Technik macht immer
mehr Schwierigkeiten. Auch heute ging über Stunden nichts
und zum ersten Mal überhaupt konnte man am Abend keinen Blick auf
mögliche Übernachtungsgäste werfen. Auch die meiste Zeit des
Nachmittags wurden Bilder nicht mehr aktualisiert. Ich hoffe, dass
unsere Sehergemeinde mit diesen Unzulänglichkeiten leben kann und
bitte um ihr Verständnis. Da Wohnung und Geschäft des Herrn
Wilfling nicht identisch sind und nur er Zugang zu den Computern
besitzt, ist unser System sehr anfällig, fällt Herr Wilfling
einmal aus, befindet sich außer Landes oder ist mit auftretenden
Schwierigkeiten überfordert. Andreas Kamm von K & K Computer
Systeme – über seine Firma laufen sämtliche Verbindungen und er
finanziert auch die Betriebskosten der Webcam – kann hier aber
ebenso wenig eingreifen, wenn er nicht an die Computer im
Wilflingschen Modehaus kommt. Also Geduld, es wird schon wieder
besser werden!
Trotzdem gab es zeitweise
Storch am Nest. Am Morgen das obligatorische Paar mit Nestbau und
wechselseitigem Liegen, mittags ein ähnliches Bild und am frühen
Nachmittag noch einmal ein Besucher bis kurz vor 14:30 Uhr. Dann war
es vorbei mit des Sehers Herrlichkeit.
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15. Jun. 02
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Die Bilder laufen wieder! Dies ist eine Nachricht wert. Zu oft gab
es zuletzt Probleme. An der Kamera selbst liegt es nicht, die läuft
seit ihrer Installation ohne eine Panne. Aber die Wege von der
Kamera bis zu Ihnen an Ihren PC sind halt nicht immer so einfach zu
bewältigen und selbst die Profitruppe in Vetschau hat gelegentlich
mit Übertragungsschwierigkeiten zu kämpfen. Über Stunden zeigen
sich heute Resi und Rudi in trauter Zweisamkeit im Nest und als sie
sich am frühen Abend wieder einfinden, ist die Hoffnung groß, dass
es bei einer störungsfreien Übertragung bleibt, denn Herr Wilfling
weilt übers Wochenende nicht in Dinkelsbühl. Er hat mit einer „Ersatzkamera“
vorgesorgt. Doch um 19:33 Uhr ist alles vorbei. Die Bilder werden
nicht mehr aktualisiert, die „Ersatzlösung“ entpuppt sich als
Wunschtraum und so wird es bis Montag bleiben. Ein Trauerspiel! Aber
wenigstens zeigt unser Standbild ein Storchenpaar. So lässt sich
die Durststrecke ein wenig leichter überstehen.
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16. Jun. 02
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Nachdem seit gestern Abend die Kamerabilder
nur mehr ein Standbild liefern, ist es still um unser Nest
geworden. Da das Paar um 19:33 Uhr noch im Nest stand, ist es
sicher, dass Resi und Rudi anschließend – auch wenn sie noch
einmal zur Futtersuche gestartet sind – in ihrer Behausung
übernachtet haben. Ansonsten gibt es lediglich eine Begegnung
unseres Paares vor Ort durch Ihren Tagebuchschreiber.
Als die Entzugserscheinungen Ihres Chronisten
für ihn nicht mehr tragbar waren, begab er sich bei Einbruch der
Dämmerung flugs an den Ort der nun verborgenen Geschehnisse und sah
gegen 21:50 Uhr folgendes. Vom Rothenburger Tor, einem der vier
Dinkelsbühler Stadttore, hat man einen guten Gesamtblick auf das
Münster Sankt Georg sowie auf das
Nestgebäude. Die Helligkeit war noch ausreichend, um mit
unbewaffnetem Auge Resi und Rudi im Nest stehen bzw. liegen zu
sehen. An der Adler-Apotheke machte ich noch einmal kurz Halt und
warf dabei einen Blick auf die laufende Übertragung der Live-Bilder
über ein dort aufgestelltes Fernsehgerät (diese Übertragung
funktioniert übrigens immer, wenn das Fernsehgerät eingeschaltet
ist!). Die dort zu sehenden Bilder entsprechen den Bildern, die Sie
auch im Internet verfolgen können, falls wie heute die Technik
nicht einen dicken Strich durch die Rechnung macht (allerdings als
richtige Video-Live-Übertragung). Es war Rudi, der sich auf die
faule Haut gelegt hatte und dabei von seiner Partnerin zärtlich am
Hinterkopf gekrault wurde. Meine „Entzugserscheinungen“
bezüglich Resi und Rudi waren damit beseitigt, aber was macht die
Sehergemeinde unserer Webcam? Sie muss sich mindestens noch bis
morgen gedulden. Also Kopf hoch und durch! Dann gibt es sicher
wieder „bewegte Störche“.
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Ganz sicher werden Sie sich für den Fotoreport
über die Mosbacher Störche interessieren.
Ein
weiterer Ersatz für zeitweiligen Ausfall der Übertragung ist vielleicht der zweite
Teil der nun aktualisierten Bildergalerie Mai 02. Das neue
Design ist technisch bedingt. Durch die noch kleineren
Vorschaubilder verkürzen sich die Ladezeiten erheblich.
Der Storch24-Chat
erfreut sich in den letzten Tagen immer größerer Beliebtheit! Nach der
Meinungsäußerung einiger Benutzer kommen wir zu folgender Empfehlung,
die auf der Eingangsseite des Chats auch nochmal aufgelistet ist:
-
Kernzeit: Täglich von 21 bis
22 Uhr
-
Frühere Alternative: Täglich
von 19 bis 20 Uhr
-
Grundsätzlich kann man
natürlich immer versuchen, ob man andere Storchenfreunde im
Chat trifft.
Wenn Sie zunächst alleine
im Chat sind, haben Sie bitte etwas Geduld. Einer ist immer der Erste!
Es ist sinnvoll, Eintrittmeldung und Audiomeldung in den Optionen zu
aktivieren. Vor den ersten Chatversuchen empfehlen wir, die Hilfeseite
anzusehen.
Hier noch ein kleiner Tipp:
Nach der Zeitschrift "GEO" widmet nun auch "Spektrum der
Wissenschaft" in der Juniausgabe sein Titelthema dem Vogelzug. Der
Artikel "Prinzesschens Reisen nach Afrika" von Peter
Berthold und Ulrich Querner (Vogelwarte Radolfzell) befasst sich mit der Verfolgung
des Vogelzugs per Satelliten. Auf der Homepage
von Spektrum finden Sie eine Leseprobe
und eine Linkliste
zu diesem Artikel.
Thomas
Ziegler
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