Storchenkamera

Storchentagebuch 2002
...was bisher geschah

Teil 17

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1. Okt. 02

Hugo 2 bleibt verschwunden! Auch heute Nachmittag findet sich von unserem neuen Sorgenkind keine Spur. An keiner Stelle kann ich irgend etwas entdecken. Auf dem Erdhügel, den er sich am 29. September zur Übernachtung auserwählt hatte, zeugen zahlreiche Kotspritzer von einem mehrstündigen Aufenthalt. Seitdem er sich auf diese Erdaufschüttung zur Nachtruhe begeben hatte, konnte ich Hugo 2 nicht mehr auffinden. Wurde er in dieser Nacht das Opfer eines Räubers? Zur Autobahn, die weniger als 10 Meter von dieser Stelle entfernt verläuft, grenzt ein Maschendrahtzaun das Gebiet ab. Ein Räuber kann Hugo deshalb kaum in diese Richtung verschleppt haben. Keine Hinweise deuten auf einen Kampf hin, der sicher zum Verlust einiger Federn geführt hätte. Solche „Rückstände“ befinden sich ebenfalls nicht im Umkreis um Hugos letzte Schlafstätte. Ist Hugo möglicherweise gestohlen worden? Vielleicht hat ein „Interessent“ ähnliche Beobachtungen wie ich angestellt oder im Tagebuch von den Ereignissen der letzten Wochen erfahren. Sollte er die Situation ausgenutzt haben, Hugo gefangen und seinem Privatzoo oder einer ähnlichen Einrichtung einverleibt haben? Hat ihn ein streunender Hund gegriffen und das Herrchen dann aus Angst vor einer möglichen Konsequenz Hugo 2 still und leise beseitigt? Eines kann ich allerdings ausschließen Hugo hat das Gebiet auf keinen Fall auf eigenen Schwingen verlassen!

Während ich Hugo 2 suchte, schritt Hugo 1 ohne Begleitung nördlich der Kläranlage durch eine frisch gemähte Wiese. Es war um 14 Uhr.

Kaum ist Hugo 2 verschwunden, hat Hugo 1 sein Aktionsgebiet verlagert. Waren beide in den vergangenen zwei Wochen stets westlich der Wörnitz anzutreffen, so bekommt man unseren Einzelgänger jetzt bevorzugt östlich des Flusses zu Gesicht. Auch der abendliche Besuch gegen 18:30 Uhr in Mosbach zeigt jenes Bild. Hugo 1 hält sich um diese Zeit im Gebiet zwischen dem Ort Mosbach und der Kläranlage auf. Übernachtet wird erneut auf Haus Nummer 87. Mit jedem Tag, den Hugo 2 länger verschollen bleibt, schwindet die Hoffnung, ihn je wieder zu sehen. Er bleibt nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt. Ich ging auch eine ganze Strecke den Verlauf der Wörnitz ab, um abzuklären, ob Hugo 2 in den Fluss  gestürzt und ertrunken ist. Aber auch diese Nachsuche brachte keinen Erfolg. Nun kann man nur noch auf ein Wunder hoffen, das wenigstens die Ursache des Verschwindens klären hilft.  


Beide Hugos in der letzten Wochen noch glücklich
vereint vor den Toren der Spielbank.
„Sollen wir reingehen? Hast du Kohle dabei?“

 
Hugo 2 hat sich ein Herz gefasst und strebt auf den Eingang der Spielbank zu.

 
„Wir sollten vorher noch zu McDonalds gehen,
da ist zumindest das Essen billiger als in der Spielbank“

 
 „Auf der nahen Autobahn kommen wir schneller voran!
Nehmen wir die nächste Ausfahrt Feuchtwangen-West“


„Alle unsere Vorhaben sind wieder einmal gescheitert!
Also bleiben wir auf unserem Acker!
(Hugo 1 steht links, Hugo 2 dann eben rechts) 

Wer Connys Fernsehtipp im Gästebuch nicht mitbekommen hat kann nachlesen auf der Internetseite der WDR-Sendung Quarks und Co mit Ranga Yogeshwar zum Thema "Das Geheimnis der Zugvögel".


 

2. Okt. 02

Die schlechte Nachricht gleich vorwegAuch heute konnte ich Hugo 2 nicht finden. Trotz zweier ausgedehnter Suchaktionen blieb der Unglückliche verschwunden. Die Hoffnung, dass Hugo 2 noch lebt, ist auf ein Minimum gesunken. Eher neige ich dazu anzunehmen, dass Hugo 2 tot oder lebendig aus dem Gebiet Mosbach entfernt oder dort verscharrt oder untergepflügt wurde. Wer dafür verantwortlich sein könnte oder warum dies geschah, muss zunächst offen bleiben. Die gute Nachricht sei aber auch nicht verschwiegen. Für Hugo 1 hat sich der nun schon über fünfwöchige Einsatz gelohnt. Er hat sich zu einem wieder ganz normalen Storch entwickelt, der sich von anderen seiner Zunft nur dadurch unterscheidet, dass er den Abflug noch nicht angetreten hat. Er konnte von mir gegen 13 Uhr zunächst erneut zwischen Mosbach und der Kläranlage beobachtet werden. Beim obligatorischen Abendbesuch traf ich ihn auf der anderen Seite der Wörnitz in einem Acker bei der Spielbank an, den er sonst stets mit seinem Freund Hugo 2 besucht hatte. Doch auch dieses Mal zog er allein seine Kreise. Wenn Hugo 2 noch im Gebiet zu sehen wäre, hätte sich Hugo 1 bombensicher diesem angeschlossen. Daraus wird ebenso deutlich, dass Hugo 2 auch für Hugo 1 nicht mehr „ansprechbar“ ist, er also keine Kontaktaufnahme mehr zulässt. Bei meinem Auftauchen kurz vor Einbruch der Nacht flog Hugo 1 schon bei Annäherung aus großer Entfernung ab und steuerte geradewegs auf das Mosbacher Neubaugebiet zu. Mit seiner Landung auf Haus Nummer 87 endete für ihn ein weiterer, sonniger und warmer Tag an seinem Geburtsort. Seien Sie wegen der düsteren Prognosen nicht allzu traurig. Ich sehe es aber im Zuge einer umfassenden und ehrlichen Berichterstattung  als meine Pflicht an, auch solche Ereignisse nicht unter den Teppich zu kehren oder schön zu reden. Freuen wir uns dafür gemeinsam über weitere Sichtungen und Erlebnisse mit Hugo 1.

3. Okt. 02

WICHTIGE EILMELDUNG! HUGO 2 LEBT! ER KONNTE GERETTET WERDEN UND BEFINDET SICH SEIT HEUTE ABEND WIEDER IN DER PFLEGESTATION IN ANSBACH!

Wunder gibt es immer wieder! So könnte man den heutigen Tag überschreiben. Dass es gleichzeitig auch der Nationalfeiertag der Deutschen war, gibt unserer kleinen Tiergeschichte noch ein pikante Note. Dort eine Wiedervereinigung mit immensen politischen Folgen, hier eine schlichtere, für beide Hugos aber auch bedeutungsvolle. Lassen Sie mich die Geschehnisse in chronologischer Reihenfolge Revue passieren. Es begann am Morgen gegen 10 Uhr. Mit einem letzten kleinen Hoffnungsfunken in mir suchte ich erneut das Gebiet zwischen Mosbach und der Spielbank nach Spuren von Hugo 2 ab. Mein besonderes Augenmerk galt dabei dem Verlauf der Wörnitz in diesem Gebiet. Auch wenn durch den teilweise starken Bewuchs beider Ufer mit mannshohem Schilf und einigen Weiden nicht immer eine freie Sicht auf die Wasserfläche möglich war, konnte ich zum wiederholten Male keinen Hugo entdecken. Während meiner Suche hielt sich Hugo 1 unweit des Flusses auf Ackerflächen Richtung Spielbank auf. Der Nachmittag war geprägt von einigen nicht- störchischen Verpflichtungen, jedoch waren diese so geplant, dass ein weiterer Besuch in Mosbach bis 18:30 Uhr möglich war. Doch meist kommt es anders als man denkt. Ein Anruf bei mir zu Hause veränderte kurz vor 18 Uhr alle Planungen. Meine Tochter Felicitas leitete den Anrufer an mich weiter und sprach von einer Frau Lehmann aus Mosbach, die irgend etwas von einem Storch berichten wollte. Nun kannte ich die Anruferin als die Person, auf deren Haus Nummer 87 Hugo 1 seit vielen Tagen ein gerne gesehener Übernachtungsgast ist. Mein erster Gedanke ging deshalb in diese Richtung. Würde etwas mit Hugo 1 passiert sein? Nicht auszudenken, wenn kurz hintereinander beiden etwas zugestoßen sein könnte. Doch als ich den Hörer in die Hand nahm und mit Frau Lehmann sprechen konnte, wendete sich das Blatt schlagartig„Wir haben Hugo aus der Wörnitz gefischt!“ Ich hatte ihr neulich die Geschichte der Mosbacher Störche erzählt und sie fragte mich damals, ob der Storch auch einen Namen hätte. So war sie über dieses Detail bestens informiert. Hierbei konnte es sich nur um den seit drei Tagen vermissten Hugo 2 handeln, denn sein Namensvetter überfliegt diesen Fluss seit geraumer Zeit mühelos. Mich interessierte nur noch einsLebt er noch? Als Frau Lehmann diese Frage mit „Ja“ beantwortete, fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen. Wie viele Sorgen hatte ich mir gemacht? Sämtliche in Frage kommenden Todesarten, die ich mir in meiner Verzweiflung ausgemalt hatte und die so viel Schrecken unter meiner Leserschaft verursacht hatten, sind nun „ad absurdum“ geführt. Gott sei Dank! So muss ich meine in diesem Fall doch negative Einschätzung vieler Zeitgenossen revidieren und eine neue Einschätzung der Lage vornehmen. Vom Unterpflügen, vom Stehlen Hugos, vom Vegetieren in einem dunklen Verschlag eines Privatzoos dürfen wir uns wieder verabschieden und uns zugegeben realeren Sichtweisen zuwenden. Aber Hoffnungslosigkeit, Frust und Verzweiflung lässt einen schon einmal über das Ziel hinausschießen. Auch der Fall, der nun Realität geworden war, spielte in meinen Überlegungen eine gewisse Rolle, doch erwartete ich dabei keine so überraschende Wendung. Zu sehen war Hugo 2 im Gelände wirklich nicht mehr. Wenn er unter Geländeniveau existieren sollte, dann konnte es nur im Flusslauf der Wörnitz sein und den hatte ich doch mehrmals abgegangen. Nun stellte es sich aber heraus, dass ich offenbar nicht genau genug nachgesehen hatte. Das trifft mich natürlich schon etwas. Hätte man Hugo 2 dann doch etwas früher entdecken sollen? In der Rekonstruktion der Ereignisse muss sich das Ganze etwa so abgespielt haben. Beide Hugos hatten sich am Abend des 29. September voneinander verabschiedet. Hugo 1 bezog Quartier im Neubaugebiet, Hugo 2 erkletterte einen Erdhaufen und übernachtete erstmals nicht ebenerdig, sondern in zwei Meter Höhe, ein Fortschritt, der zu dieser Zeit Mut machte. Im Verlauf des Vormittags des 30. September muss es dann zu den dramatischen Ereignissen gekommen sein. Während Hugo 1 bei der Nahrungssuche die Wörnitz überflog, um dort in einem frisch gemähten Wiesengrundstück nach Nahrung zu suchen, folgte ihm Hugo 2 wie in den vergangenen Tagen schon dicht bei Fuß. Als er seinen Freund durch den Flusslauf getrennt sah, versuchte er die Wörnitz zu überqueren. Er stieg an einer Stelle hinein, fand aber am anderen Ufer keinen Ausstieg mehr. Da unser Badegast die Querung des Flusses zu Beginn seines Mosbachaufenthaltes bereits einmal erfolgreich vollzogen hatte, rechnete ich eigentlich im zur Diskussion stehenden Falle ebenfalls damit, dass Hugo 2 in seinem verbesserten Allgemeinzustand bei einer erneuten „Flussberührung“ ohne Schwierigkeiten dem Wasser entsteigen könne. Wie sich jetzt herausstellte, war dies allerdings eine Fehleinschätzung. Hugo 2 war im Wasser gefangen! Denkbar wäre es, dass durch die Trockenperiode der vergangenen 8 Tage der Wasserspiegel der Wörnitz merklich gesunken war und damit die Ufer für Adebar zu hoch und zu steil aufragten. Auch der Biber hatte in den letzten Tagen seine Bautätigkeit erhöht und die Wörnitz in Höhe der Kläranlage Mosbach nahezu vollständig aufgestaut, so dass nur noch wenig Wasser durch den Damm flussabwärts fließen konnte und der Wasserstand weiter nachgab.. Da die Flügel Hugos, bei den Versuchen aus dem Wasser zu kommen, wenig Unterstützung liefern konnten, ergab sich Hugo 2 wohl in sein Schicksal und wurde zu einem regelrechten „Kneippianer“. Er lief mit Sicherheit in den ersten Stunden und Tagen seines Sturzes in die Wörnitz viele Meter im Wasser auf und ab. Kam jemand vorbei, z. B. der Tagebuchschreiber, war er durch die dabei erzeugten Geräusche schon vorgewarnt und konnte bis zum Erscheinen des „Feindes“ in sichere Deckung laufen oder sich eng an das Ufer drücken. Da Ihr Storchenexperte als Nichtschwimmer ziemlich wasserscheu ist, unternahm er auch keine Bootsfahrt auf seinem Heimatflüsschen und ein Durchschwimmen oder Durchwaten verbot sich aus dem gleichen Grunde. Und schließlich hatte ich Hugo 2 nach drei Tagen am allerwenigsten noch in der Wörnitz auf der Rechnung. Soweit die Rekonstruktion der Geschehnisse, bis zum heutigen Anruf durch Frau Lehmann. Selten hatte ich schneller mein Abendbrot verschlungen und stand abmarschbereit. Meine beiden Buben wollten sich die neuerliche Storchengeschichte ebenso wenig entgehen lassen und schlossen sich mir an. In Mosbach erfuhr ich dann Einzelheiten der Bergung Hugos. Herr Weinberger aus der kleinen Wörnitzgemeinde ging am Nachmittag zwischen seinem flussnahen Anwesen und der Kläranlage an der Wörnitz entlang, um nach Fischen zu sehen, die er als passionierter Angler zu beobachten gewohnt war. Als er die halbe Strecke zurückgelegt hatte, sah er urplötzlich einen Schatten vorbeihuschen, der an der Uferböschung Deckung suchte. Ein Fisch konnte es unmöglich gewesen sein, doch was wollte ein Storch dort? Gelegentlich fischen Störche auch in Flüssen, bei Annäherung eines Menschen pflegen sie jedoch davon zu fliegen. Das tat zur Überraschung von Herrn Weinberger dieser Storch nicht. Da er wusste, dass bei Lehmanns seit vielen Wochen ein Storch übernachtet und er den Übernachtungsgast für identisch mit dem Storch im Wasser ansah, lief Herr Weinberger die 300 Meter von der Fundstelle bis zum Hause der Lehmanns. Für ihn war eine Bergung allein und mit seiner momentanen Ausrüstung nicht möglich. Frau Lehmann überlegte nicht lange, zog in Ermangelung von Gummistiefeln ihre Reitstiefel an und machte sich zusammen mit ihrem Ehemann auf die Spuren Hugos. Ohne lange zu zögern, ließ sich Frau Lehmann in den an dieser Stelle nur etwa 20 Zentimeter tiefen Fluss gleiten. Es gelang ihr auch ziemlich schnell, Hugo zu greifen, doch von ihrer „tiefen Position“ aus war es ihr nicht möglich, Hugo 2 ihrem Mann oder einem anderen Helfer zu reichen. So warf sie Hugo kurzerhand ans rettende Ufer. Doch hier begann der Gerettete seine Vorteile voll auszuspielen. Obwohl dieser in den etwa 72 Stunden seiner Gefangenschaft wenig gefressen hatte, begann sich Hugo seinen Rettern durch Flucht zu entziehen. Wie ich es bei meinen Flugstunden mit ihm zuletzt auch erlebt hatte, war es einer Einzelperson nicht mehr möglich, mit Hugo 2 Schritt zu halten. Er rannte und sprang munter davon. Erst als eine dreiköpfige Fangmannschaft zur Stelle war und diese Hugo einkesselte und in die Umzäunung einer Anpflanzung trieb, konnte man seiner habhaft werden. Hugo befand sich wieder in Sicherheit und in Gewahrsam. Im Garten von Familie Lehmann fand Hugo 2 sogleich in einer Voliere Unterschlupf. Dort beruhigte er sich, wurde liebevoll mit Futter (Regenwürmer und eine Maus) versorgt und fand eine große Zahl von Bewunderern. In der Zwischenzeit hatte Ihr Tagebuchschreiber Kontakt mit der Auffang- und Pflegestation für verletzte Vögel in Ansbach aufgenommen und das neuerliche Erscheinen Hugos angekündigt. 

Hier hatte Hugo 2 nach seinem ersten Unfall schon die Tage vom 13. bis 16.9. zugebracht. Der Rest ist schnell erzählt. Der sichtlich und fühlbar abgemagerte Hugo 2 wurde, nachdem einige Fotos geschossen waren, wieder in einen original englischen Postsack verstaut und von mir und meinen Kindern nach Ansbach gefahren. Dort fand er gegen 19 Uhr einen trockenen Platz in einer geräumigen Voliere. Eine erneute tierärztliche Untersuchung soll dann über das weitere Schicksal Klarheit bringen.

Während Hugo 2 einen aufregenden Tag glücklich überstanden hatte, schwebte Hugo 1 gegen 19 Uhr auf dem Dach von Haus Nummer 87 ein, ohne zu wissen, dass kurz vorher sein Freund Hugo 2 von diesem Grundstück Richtung Ansbach abgereist war. Werden sich die beiden je wieder sehen. Ganz unmöglich ist diese Aussicht nicht.

Die Karte soll die Stationen unserer beiden Hugos in den letzten Wochen etwas verdeutlichen. Die rot schraffierte Fläche an der Autobahnausfahrt zeigt die Spielbank Feuchtwangen. Grün schraffiert ist das Aktionsgebiet der beiden Hugos. Der kleine rote Punkt dicht an der Autobahn bezeichnet den letzten Übernachtungsplatz von Hugo2, der dunkelblaue die Fundstelle Hugos in der Wörnitz. Lila sind die Übernachtungsplätze von Hugo 1 im Neubaugebiet von Mosbach.

4. Okt. 02

Nach den Turbulenzen des gestrigen Tages ließ ich es heute etwas ruhiger angehen. Hugo 2 war gerettet und um Hugo 1 muss man sich im Augenblick keine Sorgen machen. Die lieben Rückmeldungen im Gästebuch machen wieder einmal deutlich, wie intensiv meine Leserschaft mit den Geschehnissen mitgeht. Ich will natürlich nicht verschweigen, dass auch ich in den Tagen des Verschwindens von Hugo 2 leicht angeschlagen war, musste ich mir ja selbst Vorwürfe machen, Hugo 2 durch sein Aussetzen in Mosbach in diese Situation hinein manövriert zu haben. Wie schon beschrieben werden in nächster Zeit weitere Fotos folgen. Da mir eine Digitalkamera (noch) fehlt, muss ich warten, bis der Film voll geknipst und entwickelt ist. Also haben Sie noch etwas Geduld, die fotografische Aufarbeitung des Themas folgt mit einer zeitlichen Verzögerung. Die Wogen haben sich also geglättet und es hat sich herausgestellt, dass die Menschen doch nicht ganz so naturfeindlich zu sein scheinen wie befürchtet. Die Mosbacher jedenfalls haben richtig gehandelt und brauchen sich nichts vorwerfen zu lassen.

Hugo 1 konnte von mir am  frühen Nachmittag erneut im Gebiet zwischen Mosbach und der Spielbank gesichtet werden (grün schraffierte Fläche in der Karte vom 3. Okt.). Auf welchem Haus im Mosbacher Neubauviertel Hugo 1 heute übernachtet hat, konnte ich am Abend nicht ermitteln. Der späte Besuch fiel nicht zuletzt wegen ausgiebiger Arbeiten am Tagebuch und anderer Verpflichtungen ins Wasser. Zum Trost füge ich zwei Bilder von Hugo 1 bei. Sie zeigen ihn beim Übernachten in der letzten Abendsonne am 28. September, als er kurzzeitig ein neues Schlafdomizil gefunden hatte.

5. Okt. 02

Vorliegendes Tagebuch ist vom Grundgedanken her eines ist, das über das Dinkelsbühler Storchennest berichten soll. Nun herrscht seit einigen Wochen bereits Ruhe am dortigen Nest und so geschah es, dass Ihr Tagebuchschreiber ein wenig über den Tellerrand blickte und sein Augenmerk dorthin richtete, wo sich noch Storchenleben regte. Dass sich diese Regungen ausgerechnet im benachbarten Mosbach abspielten und noch abspielen, gehört zu den Besonderheiten der diesjährigen Storchensaison. Die wechselseitige Entführungsgeschichte des Dinkelsbühler Storchenmanns und der Mosbacher Storchenfrau vom 15./16.3 dieses Jahres sind Ihnen vielleicht noch bekannt und lohnen es, noch einmal nachgelesen zu werden. Damit die Zeit bis zum Frühjahr für uns alle nicht gar zu lange dauert, werde ich Sie auf diesen Seiten auch dann weiter über Interessantes zum Thema „Storch“ informieren, wenn es über unsere Hugos nichts mehr zu berichten gibt. Apropos Hugos! Hugo 2 verhält sich in seiner neuen Wahlheimat Ansbach genau so wie er es bei seinem ersten Kurzaufenthalt in der Pflegestation gehalten hatte. Es dauerte und dauert auch jetzt einige Tage, bis er bereit ist, wieder selbständig zu fressen. Im Augenblick muss er zu seinem Glück ein bisschen gezwungen werden. Das geschieht natürlich mit Vorsicht und ohne den Essensverweigerer zu quälen, Aber es ist für das Pflegepersonal, d.h. für die Familie Braun, mit mehr Mühe und Arbeit verbunden. Zu allem Unglück brach sich Herr Braun (das ist der, der Hugo 2 nach Mosbach gebracht und mit mir zusammen in die vorübergehende Freiheit entlassen hatte) einen Knöchel, so dass die Pflege unseres Hugo 2 in den nächsten Wochen mehr seiner Frau anheim fällt. Die Hauptnahrung Hugos in Gefangenschaft besteht zum großen Teil aus Eintagsküken. Dieses Futters kann und soll sich Freund Hugo 1 in Freiheit jedoch nicht bedienen. Er findet im Augenblick genug Futter und auch wenn es kälter wird und er immer noch in Mosbach ausharrt, brauchen wir uns um ihn keine Sorgen zu machen. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Überwinterern – allein in Bayern dürften es um die 20 Störche sein – die einen ähnlichen Lebensweg wie Hugo hinter sich haben. Es besteht jedoch noch die Möglichkeit, dass sich Hugo 1 eines Tages noch verabschiedet. Ein Zug nach Afrika ist dann aber eher unwahrscheinlich. Es wäre durchaus denkbar, dass er sich dann im weiteren Umkreis anderen Überwinterern anschließt oder Kontakt aufnimmt mit Gehegestörchen in Baden-Württemberg, im Elsass oder der Schweiz. Hugo 1 zu füttern, so lange noch kein Handlungsbedarf besteht, lehne ich komplett ab. Selbst bei kritischer Wetterlage (hohe Schneedecke bei arktischen Temperaturen) muss behutsam vorgegangen werden und eher ein Abwandern Hugos in westlichere Regionen versucht werden. Verhungern lassen wir Hugo allerdings nicht, nur wäre ein Füttern wirklich die allerletzte Maßnahme, die ergriffen werden würde. Zum Glück ist all dies momentan pure Theorie und noch in weiter Ferne. Hoffen wir bis dahin, dass Hugo 1 sich doch noch besinnt, ein „richtiger“ Storch zu bleiben oder ein solcher zu werden. Im Verlauf des heutigen Nachmittags schritt er auf jeden Fall wieder fleißig zwischen Mosbach und der Spielbank, um die durch den Regen zahlreich vorhandenen Regenwürmer zu genießen.

6. Okt. 02

Ein erster Gang am heutigen Tag nach Mosbach gegen 13:30 Uhr bescherte einen nassen Hugo in einem Acker zwischen dem Ort und der Spielbank. Dass  diese Lokalitäten so oft genannt werden, verdeutlicht ihre Bedeutung. Bis zum Abend hatte sich das Wetter so  sehr verschlechtert, dass während der vergangenen 24 Stunden mehr als 30 Liter Regen auf den Quadratmeter fielen. Das Flussbett der Wörnitz ist bis zum Abend randvoll gefüllt und an einigen Stellen bereits übergelaufen. Nicht auszudenken, wenn Hugo 2 nicht rechtzeitig gefunden worden wäre! Er wäre wahrscheinlich doch noch ertrunken. Heute Abend mache ich eine weitere verblüffende Beobachtung. Um 18:30 Uhr begebe ich mich ein weiteres Mal auf die Suche nach Hugo 1. Die Dächer im Neubaugebiet sind überraschend noch verwaist, kein Storch in Sicht. In Anbetracht der katastrophalen Wetterbedingungen ist es um diese Zeit schon fast stockdunkel und Hugo sollte seinen Platz schon bezogen haben. Also geht die Suche draußen weiter. Doch auch sie bringt zunächst keinen Erfolg. Als ich mich ein weiteres Male dem Neubaugebiet nähere, überfliegt mich Hugo und steuert auf besagte Siedlung zu. Mit einem Auge glaube ich im Schnabel Hugos Nistmaterial entdeckt zu haben. Doch eine Landung auf Haus Nummer 87 scheitert aus unbekannten Gründen. Hugo dreht ab – vielleicht macht der heftige Wind ein zielgenaues Manövrieren unmöglich – und verschwindet wieder niedrig in Richtung Wörnitz. Ich fahre ein Stück zurück und finde ihn tatsächlich am Fluss stehen. Dies wäre noch keine besondere Erwähnung wert, doch genau an der Stelle, an der Hugo nervös und unruhig entlang läuft, wurde Hugo 2 vor drei Tagen aus der Wörnitz gefischt. Hugo 1 ist drauf und dran, seinen Freund zu suchen! Anders ist die Verhaltensweise nicht zu erklären. Nur noch mit Mühe kann ich Hugo im Fernglas erkennen und sehe, wie er einer ganz bestimmten Stelle seine volle Aufmerksamkeit schenkt und dort für lange Zeit stehen bleibt. Es ist der Ort, an dem Frau Lehmann am Donnerstag zur Rettung von Hugo 2 in die Wörnitz stieg. Genau an der Stelle hat sie den Bewuchs entfernt, um einen freien Zugang zu bekommen. Im Umkreis von einigen Hundert Metern ist keine derartige Stelle vorhanden. Hugo muss den Platz also genau kennen, an dem sich Hugo 2 während seiner unfreiwilligen Gefangenschaft in einer derart prekären Lage befand. Frau Lehmann hat mich von zu Hause aus beobachtet und kommt zu mir ans Auto. Gemeinsam beobachten wir Hugos Verhalten und kommen zu dem Schluss, dass Hugo ganz eindeutig etwas zu suchen scheint. Sie bestätigt auch, dass sie genau an besagter Stelle ins Wasser stieg, an der Hugo nun so lange stehen bleibt. Der Wind, die hereinbrechende Nacht sowie der Regen erlauben es Hugo 1 heute nicht mehr, irgendein Hausdach anzufliegen. Er zieht es deshalb vor, seit vielen Tagen wieder einmal die Nacht auf freiem Felde zu verbringen. Aber nicht an einer beliebigen Stelle – die Auswahl wäre im Gebiet riesig – sondern ganz genau an dem Punkt, an dem Hugo 2 drei Tage lang einen Ausweg aus seiner misslichen Lage gesucht hat. Ich überlasse es dem geneigten Leser, sich darüber seine eigenen Gedanken zu machen. Vermenschlichende Vergleiche sollten bei Betrachtungen und Geschehnissen in der Natur nicht angestellt werden. In diesem Fall muss ich aber, entgegen meiner bisherigen Überzeugung, eine kleine Ausnahme machen. Hugo 1 war über das Schicksal von Hugo 2 jederzeit im Bilde. Er hat genau gewusst, wo er steckte. Nun schien er ihn heute – vielleicht nicht zum ersten Mal – regelrecht zu suchen und Kontakt mit ihm aufnehmen zu wollen.

7. Okt. 02

Der kleine Fotobericht soll Ihnen noch einmal den Aufenthaltsraum von Hugo 1 und 2 verdeutlichen. Dieses Gebiet besteht aus einer Mischung von Acker- und Wiesenflächen. Während der Wochen im September gewannen dabei die Äcker immer mehr an Bedeutung, da auf  ihnen ständig Arbeiten durchgeführt wurden und somit auch Nahrungstiere leichter zu erbeuten waren. Sehr häufig fiel in den vergangenen Wochen der Name der Feuchtwanger Spielbank. Direkt an der Autobahn gelegen und in engem Kontakt mit weiteren infrastrukturellen Einrichtungen (Hotel, Schnellimbisse, Tankstellen, Rastanlage) bildet sie einen architektonisch eigenwillige Komponente.


Beliebtes Nahrungsgebiet der beiden Hugos. Entlang des linken Bildrandes und der dort bestehenden Bepflanzung verläuft die Autobahn A7. Vor dem Komplex der Spielbank in der Bildmitte ein gerne von den Störchen aufgesuchter Acker

 
Die Weitwinkelaufnahme zeigt den Ackerstreifen aus einer anderen Position. Jenseits der Autobahn sind die Einrichtungen für den Bedarf der Verkehrteilnehmer erkennbar. Ebenso hat sich ein kleines Industriegebiet gebildet. In der Bildmitte an der Übergangslinie von Acker zur Wiese sind (vielleicht) beide Hugos zu erkennen.

 
Blick über die Wörnitz nach Osten. Wenn sich der Fotograf nach Westen wendet, sieht er die Landschaft so wie auf dem ersten Bild. Beide Hugos sind auch auf dieser Aufnahme vertreten. Sie stehen rechts vom rechtesten Baum im Bildmittelgrund.


Blick auf das Neubaugebiet von Mosbach. Hier befindet sich das „Übernachtungsgebiet“ von Hugo 1. Die drei Neubauten in der Bildmitte waren bisher seine Übernachtungsplätze. Der Neubau in der Mitte mit weit herunter gezogenem Dach ist das Haus Nummer 87 von Familie Lehmann, der absolute Favorit unter Hugos Schlafplätzen.

Als ich heute gegen 13:30 Uhr gleich nach der Schule eine Stippvisite in Mosbach einlege, finde ich Hugo 1 immer noch an der gleichen Stelle stehen wie am Abend und in der Nacht vorher. Er scheint nach wie vor nach seinem Weggefährten zu suchen und irgendwie um ihn zu trauern (nun verwende ich schon wieder vermenschlichende Vergleiche!). Die Wörnitz ist seit der Nacht (der Regen hat gänzlich aufgehört und die Sonne kommt immer mehr durch) nur noch unwesentlich gestiegen. Um mich von Hugos Flugfähigkeit zu überzeugen, nähere ich mich ihm etwas, er fliegt auf und landet nach kurzem Flug in einem Acker unweit der Kläranlage. Dort lasse ich ihn zurück in der sicheren Erkenntnis, dass er das Fliegen nicht verlernt hat.

Kurz vor 19 Uhr kontrolliere ich ein letztes Mal in Mosbach. Das Wetter hat sich super beruhigt. Zur Stunde ist es wolkenlos, die Sonne ist untergegangen und die Dämmerung zieht schnell über das Land. Das Thermometer zeigt 7 Grad, die Nacht verspricht Kälte um die Null Grad. Hugo 1 ficht dies alles nicht an, hat er doch die für die Aufrechterhaltung seiner Körpertemperatur erforderlichen Brennstoffe auch heute sammeln können. Anders als in der vergangenen Nacht verbringt er diese – wie von ihm gewohnt und erwartet – bei Lehmanns auf Haus Nummer 87.

8. Okt. 02

Folgen wir in weiteren Bildern (sie merken schon, mein letzter Film ist entwickelt und wird nun mit den Ergebnissen in Auszügen hier veröffentlicht) den Spuren des unglücklichen Hugo 2.

Am 27. September konnte ich ihn zusammen mit Hugo 1 nach  längerem Suchen in oben zu sehender Materialentnahmestelle finden. Er schien dort auch auf der kleinen Strohinsel zu übernachten. Zum Zeitpunkt des Aufenthaltes enthielt dieser Platz deutlich mehr Wasser, so dass nur noch die kleine Insel herausragte. Das erste Foto verdeutlicht die Lage des Platzes im Bezug zur Spielbank (hinten) und zur Autobahn (Gebüsch links).

 

Das zweite Bild ist in Blickrichtung Mosbach, das 1 Kilometer entfernt hinter den Büschen liegt, aufgenommen. Neben Restpfützen erkennt man die schon angesprochene „Strohinsel, die quasi Nest fungierte.

100 Meter entfernt stoßen wir auf den am 29. September im Tagebuch erwähnten Erdhaufen, den Hugo 2 am Tag vor seinem vorübergehenden Verschwinden als Übernachtungsplatz ausgesucht hatte. Er erkletterte diesen von der Seite, auf der mein Sohn Tobias steht. Genau in der Mitte blieb Hugo 2 stehen und träumte von seinen bisherigen Erlebnissen. Die Anpflanzung im Hintergrund begrenzt die Autobahn, links ragt noch ein Hinweisschild auf, das die Ausfahrt Feuchtwangen-West in 1000 Meter Entfernung ankündigt. In der gleichen Distanz befindet sich die Spielbank.

In der Nähe dieser Flussbiegung der Wörnitz wurde Hugo 2 am 3. Oktober aus seiner misslichen Lage befreit. Im Hintergrund erkennt man den wuchtigen Kirchturm von Mosbach und rechts davon (vielleicht), alle anderen Gebäude überragend, das Storchennest.

Es gab heute auch noch Hugo live. Nur einmal und zwar am Abend fuhr Ihr Berichterstatter an den Ort des Geschehens. Um 18:30 Uhr stand Hugo 1 bereits brav und sittsam auf dem Dachfirst des Hauses Nummer 87, kurz „bei Lehmanns“. Durch die häufigen Übernachtungen haben sich auf Dach und Terrassenüberdachung zahlreiche Gewölle und Überreste derselben angesammelt. Auf seinem erhöhten Aussichtspunkt würgt Hugo ein- bis zweimal täglich alle unverdaulichen Nahrungsbestandteile als etwa 5-8 cm lange graue Wurst wieder aus. Diese „Würste“ kullern entweder gleich Richtung Dachrinne oder Vordach oder bleiben, da anfangs noch etwas feucht, auf den Dachziegeln unter Hugos Standplatz kleben.

9. Okt. 02

Ein schneller Gruß über das Tagebuch an alle Freunde und erwartungsfrohen Leser. Hugo 1 schläft in der vor uns liegenden Nacht abermals auf dem Dach von Familie Lehmann. Um 20 Uhr hebt er sich schemenhaft gegen einen noch in Spuren hell schimmernden Horizont ab, während im Westen die schmale Sichel des Mondes sich auf den Untergang vorbereitet. Morgen erscheinen auf dieser Seite weitere Fotos mit dem aus der Wörnitz gefischten Hugo 2. Auch über den Gesundheitszustand des Wieder-Patienten wird es ein ärztliches Bulletin geben.

10. Okt. 02

Eine undichte Stelle – es war wohl Thomas Joas – hat dazu geführt, dass mein Geburtstag „öffentlich“ wurde. Als ich am 9.10. 1949  in Feuchtwangen das Licht der Welt erblickte, ahnte noch niemand etwas von der späteren „Storchenverbundenheit“ des neuen Erdenbürgers. In meiner Heimatstadt hatten vier Jahre vorher in die Stadt einrückende amerikanische Soldaten nach Beendigung des Krieges das Storchenpaar vom Dach des „Hotel Greifen“ geschossen. Die Täter wurden damals von ihren Vorgesetzten hart bestraft (ich weiß jedoch nicht in welcher Weise). Durch diese „Tat“ (ähnliche Vorfälle sind mir auch aus anderen Orten zu Ohren gekommen) erlosch in den folgenden Jahren die Jahrzehnte andauernde Tradition eines brütenden Storchenpaares in Feuchtwangen. Erst im Jahre 1968 – aus dem kleiner Thomas war ein angehender Abiturient geworden – siedelte sich wieder ein Storchenpaar in meiner Heimatstadt an und brachte ein Jahr später 2 Junge zum Ausfliegen. In fünf weiteren Jahren blieben Bruterfolge aus, nach 1974 kam es nur noch zu vereinzelten Besuchen, zu einer dauerhaften Ansiedlung kam es bis heute nicht mehr. Signalwirkung hatte rückblickend das Storchenpaar des Jahres 1968. Es brachte mich einmal zum Studium der Biologie (das ich aber später doch nicht abschloss) und vor allem endgültig dauerhaft zum großen Storchenfreund. In den Jahren 1968 und 1969 verbrachte ich dabei ungezählte Stunden auf dem Turm der Stiftskirche, von wo man einen prächtigen Blick in das Storchennest auf dem „Gasthaus zum Löwen“ genießen konnte. Vieles ist seitdem passiert, aber in keinem späteren Jahr hat mich die enge Verbundenheit zu meinem Lieblingsvogel gelockert. Im GegenteilMit zunehmendem Alter ist auch in dieser Beziehung eine Steigerung unverkennbar.

Allen Gratulanten, die mir im Gästebuch gratulierten sei von dieser Stelle ebenso gedankt wie denen, die dies still oder auf anderem Wege getan haben. So glaube ich, Verständnis bei Ihnen gefunden zu haben, wenn die Berichterstattung aus den genannten Gründen zu Hugo 1 und 2 etwas sparsamer ausfällt als gewohnt. Dennoch mochte ich ein Versprechen von gestern einlösen und einige Fotos beifügen, die unmittelbar nach der Rettung von Hugo 2 aus der Wörnitz am 3. Oktober entstanden. Von Hugo 1 gibt es folgendes zu berichtenIch sah ihn bei der Fahrt durch Mosbach um 20:30 Uhr erneut auf seinem „Lieblingsdach“ bei Lehmanns stehen. Dort verbringt er auch die kommende Nacht. 


Hugo 2 steht für den Abtransport nach Ansbach bereit. Der Hausherr Horst Lehmann (Mitte) hält Hugo 2 in die Kamera, Elke Lehmann (rechts) rettete den Unglücksraben vor dem Ertrinken, Albert Rühl (links) brachte Hugo 1 nach seinem Absturz vom Nest in Sicherheit und informierte als erster Ihren Berichterstatter


Hugo 2 mit Horst Lehmann
und Albert Rühl (links)


Stolz und Zufriedenheit leuchten aus den Augen von Horst Lehmann

11. Okt. 02

Hugo 2 ist tot!!! Diese traurige Nachricht muss Ihnen Ihr Berichterstatter leider heute übermitteln. Er starb (Hugo!) gestern Abend unter noch nicht gänzlich geklärten Umständen in der Pflegestation in Ansbach. Nach seiner Errettung aus der Wörnitz am 3. Oktober verweigerte er zunächst das Futter, eine Verhaltensweise, an der an sich nichts Besonderes ist. Als er ab dem 8. Oktober selbständig Futter aufnahm, schien dieses Problem überwunden und auch an den Folgetagen ließ Hugos Allgemeinzustand keine Auffälligkeiten erkennen. Bei einer abendlichen Kontrolle gestern fand Herr Braun, der Betreuer der Pflegestation, Hugo leblos in seinem Gehege vor. Sein Körper war total verkrampft, aus Nase und Schnabel flossen Blut. Hugos Kadaver wurde eingefroren, um vielleicht später noch durch eine Obduktion klären zu können, welche Todesursache maßgeblich verantwortlich für das Ableben sein konnte. Ob es immer noch Nachwirkungen des Stromschlages waren oder das dreitägige Bad in der Wörnitz oder eine Kombination davon oder etwas gänzlich anderes, bleibt den Verantwortlichen vorerst noch verborgen. So wurden die gestern im Tagebuch veröffentlichten Fotos der wundersamen Errettung Hugos im Nachhinein letzte Belege eines Storchenschicksals, das in ähnlicher Form alljährlich Tausende von Störchen trifft. Nun war unsere Beziehung zu Hugo 2 besonders intensiv, so dass das Abschiednehmen eine andere Qualität erreiht hatte als bei einem „Unbekannten“.

Hugo1 übernachtete auch heute wieder bei Lehmanns auf dem Dach. Um sein weiteres Schicksal muss man sich – und hier wiederhole ich mich gerne – noch keine Sorgen machen. Nicht die Kälte ist das Überlebensproblem, sondern die Erreichbarkeit von ausreichender Nahrung. Diese liefert den Brennstoff für den Körper und hält die Körperfunktionen aufrecht. Ein Storch, der ausreichend Nahrung findet oder zur Verfügung hat, kann auch nicht erfrieren. Sollten einmal Schnee und Eis eine Nahrungsaufnahme nicht mehr ermöglichen, steht Hugo das Aufsuchen klimatisch günstigerer Gebiete immer noch offen, im Notfall könnte er auch über die kritische Zeit gefüttert werden. Hoffen wir aber, dass es gar nicht so weit kommen muss.

12. Okt. 02

Hugos plötzlicher Tod überschattet natürlich alle weiteren Beobachtungen und lähmt mich im Augenblick ebenfalls etwas. Dabei gibt es über Hugo1 nur das Beste zu berichten. Er macht nach wie vor die Gegend zwischen Mosbach und der Spielbank unsicher und erfreut sich darüber hinaus bester Gesundheit. Heute Nachmittag begegnete er mir erneut in der Nähe der Spielbank. Bei meinem Auftauchen sicherte er kurz und ging dann seelenruhig auf Regenwurmjagd. Die Nacht verbrachte er wie gewohnt bei Lehmanns auf dem Dachfirst.

Ein Anruf, der mich kürzlich erreichte, hatte eine weitere Storchensichtung zum Inhalt. Ein  Storch hält sich nicht weit von Mosbach im Gebiet um Rothenburg auf (etwas 25 Kilometer entfernt). An zwei Tagen Mitte der Woche wurde er an verschiedenen Orten gesichtet. Neben diesen beiden Exemplaren gibt es weitere, seit langem bekannte Überwinterer im Großraum Nürnberg-Erlangen (Frauenaurach, Röttenbach, Dannberg, Oberhöchstädt). Vielleicht gelingt es unserem Hugo – wenn es nötig wird – mit diesen Kontakt aufzunehmen und somit auch über eine kritische Wetterphase zu kommen.

13. Okt. 02

Ich muss noch einmal auf die vielen Glückwünsche zu meinem Geburtstag in der vergangenen Woche zurückkommen. Es tut mir gut, von lieben Menschen in dieser Weise bedacht zu werden. Es stellte sich bei einigen die Frage, was man dem fleißigen Berichterstatter denn schenken könne. Mit dieser Frage werde ich jedes Jahr auch im engsten Familienkreis bedrängtMeine Antwort lautet dann immerNichts! Ich habe alles und brauche nichts. Ornithologische Literatur, z. B. zum Storch, besitze ich in reichem Maße und kaufe solche Sachen lieber selbst. Aber eine Idee auf Ihr Ansinnen hin, habe ich doch und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich damit auch beschenken könnten. Werben Sie in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis für unsere Website zum Storchennest Dinkelsbühl. Vielleicht gibt es da und dort einige, die diese reichhaltige Informationsquelle noch nicht kennen. Mit dieser „Werbemaßnahme“ würden Sie auch mir persönlich ein schönes Geburtstagsgeschenk bereiten.

Hugo 1 – und das ist bereits alles, was ich heute über ihn berichten kann – übernachtet erneut bei Lehmanns auf dem Dach.

14. Okt. 02

Auch heute gab es nur einen kurzen Besuch bei Hugo. Gegen 18:45 Uhr erreichte ich seinen Schlafplatz, Hugo war aber noch nicht „zu Hause“. Ich fuhr eine Such -Runde über Reichenbach, die Spielbank und wieder zurück nach Mosbach. Die etwa 10-minütige Fahrt reichte aus, um bei deren Abschluss Hugos Platz erneut besetzt vorzufinden. In der kurzen Zeit hatte Hugo seinen Schlafplatz bei Lehmanns also wiederum eingenommen und sich für eine weitere Nacht eingerichtet.

Von meinen in dieser Saison in Franken beringten 35 Störchen gibt es mittlerweile auch bereits die ersten traurigen Nachrichten. Ein Jungstorch aus Altenmuhr an der Altmühl wurde am 8.8. unweit seines Nestes tot als Stromopfer gefunden. Ein Jungstorch aus Wittelshofen an der Wörnitz (etwa 12 Kilometer von Dinkelsbühl entfernt) starb auf die gleiche Weise kurz nach dem Abzug Richtung Osten in Niederbayern. Über das Schicksal des von mir beringten Hugo 2 wissen Sie ja schon genauestens Bescheid. Er starb nach einem Anflug gegen eine Stromleitung möglicherweise an den Spätfolgen einer inneren Verletzung in der Pflegestation in Ansbach. Und der ebenfalls beringte Hugo 1 begleitet uns seit vielen Wochen und wird uns wohl noch weiter begleiten. Sie sehen, dass die schlechten Nachrichten während der Zugzeit unserer Störche nicht abreißen und zu ganz normalen Begleitumständen gehören. Das heißt natürlich nicht, dass gerade an einer Minimierung der Stromopfer weiter gearbeitet werden muss. Sollte die flächendeckende Absicherung weiter Bereiche des Stromnetzes in Europa in „historischer Zeit einmal gelingen, wäre die Hauptverlustursache unter den Störchen und weiterer Großvögel für alle Zeiten aus der Welt geschafft.

15. Okt. 02

Heute vor genau acht Monaten wurde das Tagebuch 2002 neu aufgeblättert. Seitdem wurde es ununterbrochen fortgeführt und nur an wenigen Tagen unterblieb eine aktuelle Berichterstattung. Ehrenamtlich und vor allem freiwillig erarbeitete Ihr Berichterstatter zahllose Beiträge und konnte – so weiß ich aus vielen Rückmeldungen im Gästebuch – dabei ungezählte Leserinnen und Leser für unsere Sache begeistern und gewinnen. Das soll auch so bleiben, auch wenn vielleicht nach einem möglichen Abzug Hugos aus Mosbach keine regelmäßigen Aktualisierungen mehr erfolgen müssen.

Aber im Augenblick ist daran noch überhaupt nicht zu denken, denn Hugo hält sich auch heute immer noch im Bereich um Mosbach auf und er übernachtet ein weiteres Mal auf dem Dach bei Lehmanns.

16. Okt. 02

Hugo bleibt sich und seiner Heimat nach wie vor verbunden. Er hält sich weiter in einem eng begrenzten Gebiet zwischen Reichenbach, Spielbank Feuchtwangen, Autobahn A7 und Mosbach auf. Er hat seit dem 26. August – soweit bekannt – keine weiteren Flüge außerhalb der beschrieben Zone unternommen. Er übernachtet auch in der kommenden Nacht bei Lehmanns auf dem Dach.

17. Okt. 02

Die Situation ist unverändert. Hugos Platz auf dem Dach ist auch heute Nacht wieder besetzt.

18. Okt. 02

Sage noch einmal einer, es sei inzwischen langweilig um Hugo 1 geworden. (Hat ja noch gar keiner behauptet!) Mein abendlicher Abstecher führt mich wie üblich kurz nach 18:30 Uhr zu Hugo. Trotz nur mehr bescheidener Lichtverhältnisse hat sich unser Freund noch nicht auf seinem Übernachtungsplatz eingefunden. Eine kurze Nachsuche bringt jedoch schon bald Erfolg. Hugo steht noch draußen auf einem Acker zwischen der Kläranlage und der Spielbank. Ich beobachte ihn eine ganze Weile vom Auto aus und warte auf seinen Abflug. Nach etwa fünf Minuten ist es so weit und Hugo 1 begibt sich auf den etwa einen Kilometer langen Flug. Zunächst hält er auch geradewegs auf das Neubaugebiet zu – hier befindet sich sein Schlafplatz – dreht aber kurz vor Erreichen des Ortes nach Westen ab. Dieses Verhalten ist allerdings nicht verwunderlich, lieben es doch alle großen Vögel – Flugzeugen gleich – gegen den Wind einen Landeplatz anzusteuern. Also behalte ich weiter das Dach der Lehmanns im Auge, doch es passiert nichts. Hugo müsste längst gelandet sein! Wo ist er abgeblieben? Mittlerweile haben sich die Lichtverhältnisse weiter verschlechtert und es bleibt nur noch wenig Zeit, nach Hugo zu suchen. Ich drehe einige Runden durch den Ort, suche alle Dächer und erhöhten Punkte ab, doch ich finde keine Spur. Hugo ist wie vom Erdboden verschwunden. Ich ärgere mich jetzt sogar, ihn nicht länger mit dem Fernglas verfolgt und somit seinen Landeplatz verpasst zu haben. Ich tendiere dazu, dass Hugo mal wieder einen Platz auf dem Boden in einem Acker oder einer Wiese angesteuert hat. Aber warum dies? Diese Frage wird in nächster Zeit zu klären sein.

19. Okt. 02

Nach einer Übernachtung an unbekanntem Ort finde ich Hugo in den Vormittagsstunden in seinem üblichen Aktionsgebiet zwischen der Kläranlage und Reichenbach und er verhält sich mir gegenüber so, als ob nichts geschehen wäre. Bei genauerem Hinsehen kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass über Hugos Schnabel ein gewisses Grinsen läuft. Na, Storchenexperte! Wo war ich wohl? Mal sehen, ob du es heraus findest? In der Gewissheit, dass Hugo noch am Ort des Geschehens weilt, komme ich erst kurz vor 19 Uhr erneut nach Mosbach. Was ich schon befürchtete, war auch am heutigen Abend Wirklichkeit. Hugo schläft abermals nicht bei Lehmanns auf dem Dach! Obwohl eine Nachsuche wenig Erfolg verspricht – der fast volle Mond steht niedrig über dem Wörnitztal – versuche ich mein Bestes und grase alle in Frage kommenden Örtlichkeiten nach Hugo ab. Vergeblich! Hugo bleibt eine weitere Nacht verschwunden. 

20. Okt. 02

Hugo wird das Rätsel um seine beiden letzten Übernachtungen nun doch dereinst mit ins Storchengrab nehmen. Ohne ihm auf die Schliche gekommen zu sein, traf ich ihn am Abend als Übernachtungsgast erneut bei Familie Lehmann. Offensichtlich wollte er Ihrem Berichterstatter keine weitere Chance geben, das Geheimnis zu lüften. Ob Hugo fremd ging? Der von Mosbach aus gesehen „näheste“ Überwinterer hält sich momentan in Leutershausen an der Altmühl auf. Ich traf diesen heute südlich des Altmühlortes. Er trägt einen französischen Ring, ist 18 Jahre alt und eine Sie. Hugo hat sich bis jetzt auf keinen Fall bis dorthin begeben. Außerdem scheint er nicht auf alte Omas zu stehen und „französisch“ ist auch nicht sein Ding. Also scheidet diese pikante Variante schon einmal aus den Überlegungen aus. Die nahe Spielbank käme da schon eher in Frage (wegen der geringen Entfernung!). Hugos Erscheinen würde bei den Spielern jedoch solches Aufsehen erregen, dass die Geschäftsleitung ausdrücklich den Saaldienst angewiesen hat, beim Auftauchen eines Storchs, diesen sofort vor die Tür zu setzen. Da brat mir doch einer einen solchen! Und außerdem wäre es für Ihren Tagebuchschreiber im Augenblick ebenfalls kaum möglich, in die Räumlichkeiten der Spielbank zu gelangen. Dies scheitert an den dort herrschenden Kleidervorschriften. Also bleibe auch ich außen vor und treibe mich mit Hugo auf verschlammten Äckern oder durchfeuchteten Wiesen herum.

Die vergangene Nacht war in hiesiger Gegend die kälteste dieses Herbstes. Auf den vom Regen der letzten Tage überschwemmten Wörnitzwiesen hatte sich teilweise über Nacht eine dünne Eisdecke gebildet. Das Thermometer zeigte in zwei Metern Höhe eine Temperatur von –2 Grad, am Boden noch einige Grade tiefer. Hatte sich Hugo gar in einer Art Vorahnung wegen der zu erwartenden Kälte an einen wärmenden Ort begeben? Nun, ich erzählte ja schon einige Male, dass es nicht die Kälte ist, die Hugo einmal Probleme bereiten könnte, sondern ausschließlich die Erreichbarkeit ausreichender Nahrung. Und an der mangelt es ihm immer noch nicht. Ich traf unseren Dauergast bereits am Vormittag – er war also vom unbekannten Übernachtungsplatz wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt – in Begleitung einiger Graureiher zwischen der Kläranlage und Mosbach in einer Überschwemmungsfläche. Dort erbeutete er zusammen mit seinen Nahrungskonkurrenten Fische aller Größenklassen. Einer der Reiher hatte einen nach Ablaufen des Hochwasser zurück gebliebenen Weißfisch in der Mangel, der Schnabellänge aufwies und dem Fresser beträchtliche Schwierigkeiten bereitete. Während meiner Anwesenheit gelang es dem Reiher nicht, den immer noch zappelnden Fisch zu verschlingen. Vielleicht überlebte der Unglückliche das Abenteuer gefressen zu werden mit einigen Blessuren. Hugo sah dem Treiben erstaunt zu, begnügte er sich doch mit dem Fang kleinerer Exemplare und zahlloser Regenwürmer.

21. Okt. 02

„Öfter mal was Neues!“, schien sich Hugo gedacht zu haben und beließ es in der vergangenen Nacht bei seinem gewohnten Schlafplatz bei Lehmanns. Als ich den Schlingel am Nachmittag besuche, vertreibt er sich die Zeit in Gesellschaft dreier Graureiher in einer überschwemmten Wiese nahe bei Reichenbach. Es scheint die gleiche Gruppe wie am Vortag zu sein. Die abendliche Kontrolle gegen 19 Uhr bringt allerdings eine weitere Überraschung. Hugo ist nicht auf das Dach zurück gekehrt, sondern hält nach wie vor die Stellung bei Reichenbach und wie es aussieht, wird er sich heute auch nicht mehr von dort weg bewegen. Der Vollmond taucht die Landschaft in ein warmes Licht, nur Hugos weiße Federpartien in Fernbindung mit einem lichtstarken Fernglas setzen dazu einen harten Gegensatz. Dies ist in meinem Fall jedoch ein Vorteil, besteht so doch die Möglichkeit, Hugo immer noch leicht zu erkennen. Da ich unbedingt wissen möchte, ob Hugo die Nacht auf der überschwemmten Wiese verbringt, starte ich um 21:15 Uhr einen weiteren Besuch in Mosbach und Umgebung. Auf das Dach ist er immer noch  nicht zurück gekehrt und wird dies auch nicht mehr tun. Er steht heute lieber vereint mit einigen Graureihern draußen – einen Kilometer von der Ortschaft entfernt – und verbringt die Nacht auf dem Boden der Tatsachen.

22. Okt. 02 Hugo hält weiter die Stellung! Wegen anderer Verpflichtungen kann ich unseren Hauptdarsteller heute nur kurz unter die Lupe nehmen. Gegen 18 Uhr befindet er sich erneut in einer Überschwemmungsfläche zwischen der Kläranlage und Reichenbach. Seine ausschließliche Beute besteht aus Regenwürmern.
23. Okt. 02 Wann wird es endlich wieder trocken? Hugo macht einiges mit. Das Wetter hat aber auch seine guten Seiten. So steht ihm nach wie vor ein reiches Nahrungsangebot zur Verfügung, das in erster Linie aus Regenwürmern und mit einigem Abstand aus Fischen besteht, die in den Flutmulden nach Rückgang der Überschwemmungen zurückgeblieben sind. Hugo übernachtet auch heute zur „Abwechslung“ wieder bei Lehmanns.
24. Okt. 02 Ihr Tagebuchschreiber tritt im Augenblick etwas kürzer, d.h. seine Besuche in Mosbach wurden vorübergehend von drei auf einen einzigen reduziert. Das ist nicht weiter schlimm, weiß ich doch Hugo unter den Mosbachern in guten Händen. Lediglich am Abend statte ich unserem Ex-Pflegling einen Anstandsbesuch ab. Dieser Besuch geschah heute schon etwas früher als normal, so dass Hugo seinen Platz auf dem Dach noch nicht bezogen hatte. Zwischen der Kläranlage und der kleinen Ortschaft Reichenbach tummelte er sich in und an einer mit Wasser gefüllten Flutmulde und schien einen glücklichen Eindruck zu machen.
25. Okt. 02 19 Uhr: Hugo steht auf dem Anwesen Lehmann und wird dort auch eine weitere Nacht zubringen.
26. Okt. 02 Ein schwerer Sturm fegt in der Nacht und in den frühen Morgenstunden über das Frankenland sowie über weite Teile der Restrepublik. Die Windgeräusche und eine sich ankündigende Magen- und Darminfektion lassen Ihren Tagebuchschreiber kein Auge zumachen. Dieser fällt deshalb heute total aus und verbringt diesen Tag und die anschließende Nacht freiwillig im Bett!!
27. Okt. 02 Wiederauferstehung eines Gepeinigten! Noch etwas wackelig, aber wild entschlossen begibt sich Ihr Berichterstatter erneut auf Erkundung. Ein schwerer Orkan ist für den heutigen Abend angekündigt! Vor Einsetzen der ersten Böen stehe ich gegen 13:30 Uhr am Ort des Geschehens und entdecke Hugo, der sich scheinbar bereits der drohenden Gefahr bewusst ist und am Rande eines die Wörnitz begleitenden Schilfstreifens Deckung zu suchen scheint. Obwohl ich nicht aus dem Auto aussteige, fliegt Hugo auf , dreht eine kleine Runde und landet etwas weiter Richtung Mosbach am Rande einer überschwemmten Weise. Gegen 18 Uhr – ich beachte die Warnungen der Wetterdienste und begebe mich nicht außer Haus - erreicht der Orkan seinen Höhepunkt, der eine ganze Weile anhält und erst in den Abendstunden an Intensität verliert. Insgesamt kam Hugos Lebensraum eher glimpflich davon. Nur einige wenige Bäume verloren über Nacht ihre Bodenhaftung oder wenigstens einige Äste. Von Lehmanns konnte ich erfahren, dass ihr ständiger Hausgast dem Orkan auf freiem Felde die Stirn bot. Jedenfalls erschien er heute Abend nicht auf dem Dach. Ich fürchte auch, dass er dem Winddruck nicht hätte standhalten können und er so und so auf den Boden geblasen worden wäre. Somit hat Hugo sicher eine gute Wahl getroffen, bestand für ihn ja draußen auch die Möglichkeit, sich während des Sturmes niederzulegen.
28. Okt. 02 Um 16:30 Uhr sehe ich Hugo zum ersten Mal nach überstandenem Orkan. Er steht rund 200 Meter von seinem Schlafplatz auf dem Hause Lehmann entfernt in einem frisch gepflügten Acker. Äußerlich hat er die stürmische Nacht und den immer noch windigen Tag gut überstanden. Er ruht auf einem Bein, ordnet sein Gefieder und freut sich sichtlich über die letzten Sonnenstrahlen. Es ist erneut kalt geworden und für die kommende Nacht wird Bodenfrost gemeldet. Ich besuche noch kurz die Gastgeber von Hugo in Gestalt von Herrn Lehmann. Von ihm erfahre ich, dass Hugo heute schon den ganzen Tag auf dem Acker erfolgreich nach Regenwürmern sucht. Er (Herr Lehmann) freut sich nach wie vor über seinen Hausgast und nimmt Verschmutzungen seines Daches klaglos hin. Ganz im Gegensatz zu seinem Nachbarn, der Hugo kürzlich nach einer Stippvisite erneut mit Gewalt vom Dach vertrieb. Herr Lehmann steuerte noch einige weitere interessante Beobachtungen zu Hugos Verhalten bei. Als er vor einigen Tagen einen großen weißen Sonnenschirm zum Trocknen im Garten aufspannte und der Wind den Stoff geräuschvoll durchblies, flog Hugo vom Dach und erschien bis zum Einbruch der Nacht nicht wieder. Am nächsten Tag, der Schirm war inzwischen trocken stellte sich Hugo wie gewohnt ein. Ein ähnlicher Fall spielte sich so ab: Als Herr Lehmann – Hugo stand bereits auf dem Dach – Erde aus dem Gewächshaus mit einer blauen Plastikfolie abdeckte und diese im Wind ebenfalls etwas knatterte, entfernte sich Hugo von seinem Schlafplatz. Daraus folgt, dass alles, was  Hugo nicht gefällt oder neu ist, mit Flucht beantwortet wird. Während ich so mit Herrn Lehmann plaudere, rauscht es plötzlich über unseren Köpfen und Hugo schwebt zur Übernachtung auf dem  Dach ein. Nach dem Ende der Sommerzeit in der vergangenen Nacht erscheint nun auch Hugo eine Stunde früher als sonst. Es ist genau 17 Uhr. Für ihn ändert sich damit allerdings nichts. Seine Uhr ist die sich im Jahresverlauf ändernde Tageslänge und der jeweils damit in Verbindung stehende Eintritt der Dämmerung. So weiß Hugo auch ohne Besitz einer Uhr, wann für ihn die Stunde schlägt.
29. Okt. 02 Ruhe nach dem Sturm! Es gibt wieder ein paar sonnige Momente. Der Orkan vom Sonntag hat frischere Luft mitgebracht und den Regen fürs Erste nach Osten verdrängt. So erreichen die Temperaturen zwar keine 10 Grad, doch die Sonne entschädigt zumindest stellenweise für die trüben Tage der letzten Zeit. Da mir heute erst nach Einbruch der Dunkelheit ein fahrbarer Untersatz zur Verfügung steht, habe ich erst um 18:30 Uhr ein weiteres Stelldichein mit Hugo. Er steht – wie nicht anders zu Erwarten – zur Übernachtung auf dem Hause Lehmann. 
30. Okt. 02 Hugo und die Graureiher! In Ermangelung eines Artgenossen sucht Hugo ständig Kontakt zu diesen Vertretern aus der großen Reiherfamilie. Obwohl nicht näher mit diesen verwandt pflegen beide einen sehr innigen Kontakt. Fliegen die Reiher auf –sie haben eine wesentlich größere Fluchtdistanz als Hugo – fliegt meist auch Hugo mit. Er dreht dann eine kleine Runde und landet erneut mit und bei seinen neuen Freunden. So geschah es auch am heutigen Nachmittag in der Nähe von Reichenbach. Am Abend komme ich selbst nicht mehr nach Mosbach, erfahre aber, dass er bei Lehmanns auf dem Hausdach übernachtet.
31. Okt. 02 Heute endet der goldene Monat Oktober, der allerdings in diesem Jahr wenig Glanz brachte und eher wie ein vorgezogener November ablief. Dennoch zeigt Hugo gute Kondition. Er bewältigte jede Wetterkapriole und verschmerzte darüber hinaus den Verlust seines Gefährten Hugo 2. Ich finde Hugo auch heute erneut zwischen der Mosbacher Kläranlage und der Ortschaft Reichenbach. Noch immer halten sich einige Überschwemmungsflächen im weiten Wörnitztal und Hugo liebt es, an den Rändern der Miniseen entlang zu laufen oder diese mutig zu durchqueren, wobei er gelegentlich „kniehoch“ im Wasser steht. In seiner Nachbarschaft halten sich auch heute wieder fünf Graureiher auf.
01. Nov. 02 Ein Tag wie er nicht besser zum Feiertag „Allerheiligen“ passen könnte. Es wird heute fast gar nicht hell. Tief hängende Wolken, aus denen gelegentlich Sprühregen fällt, lassen eine echte Friedhofsstimmung aufkommen. Hugo spaziert in Höhe der Mosbacher Kläranlage in Gesellschaft dreier Graureiher (das hatten wir doch schon!). Als mein Auto stoppt, fliegt die ganze Gruppe sofort auf. Hugo dreht ein große Runde (lange habe ich ihn nicht mehr so ausdauernd fliegen sehen) und landet unmittelbar am südöstlichen Ortsrand von Reichenbach in einem Acker. Nach 30 Minuten hat er seinen Posten noch nicht verlassen, die Rückfahrt nach Feuchtwangen findet trotzdem statt. 
02. Nov. 03

Ein weiterer regenreicher und trüber Tag halt seinen Einzug. Die Hochwasserlage hat sich weiter verschärft und im Laufe des Nachmittags zu einer großflächigen Überflutung des Talgrundes der Wörnitz geführt. Um die Mittagszeit traf ich Hugo einsam und von seinen Freunden, den Graureihern, vorübergehend verlassen in einer Wiese unweit der Kläranlage an. Bei meinem Erscheinen machte er aus großer Entfernung einen langen Hals, legte sämtliche Federn seines Gefieders eng an und schien sich schon für den Abflug fertig zu machen. Ich fuhr deshalb ohne weitere Kontrolle langsam weiter, Hugo legte sein normales Verhalten an den Tag und schritt weiter durch die zahllosen Pfützen entlang der Wörnitz. Nach Einbruch der Dunkelheit gegen 17:45 Uhr hatte das Hochwasser weiter zugelegt und Hugos Platz auf dem Dach der Familie Lehmann war verwaist. Eine Nachsuche an der mir bekannten Stelle brachte im Licht der Spielbank Hugo zum Vorschein. Er stand in einer überschwemmten Wiesenfläche und ließ es sich in der Dunkelheit gut gehen. An Anflug auf das Dach fand zur Abwechslung mal wieder nicht statt.

03. Nov. 02

Aus einzelnen sich vergrößernden Pfützen ist mittlerweile eine durchgängige Seenlandschaft gewachsen. Ich begebe mich heute um die Mittagszeit mit einem Doktoranden der Vogelwarte Radolfzell auf große Storchenfahrt entlang der Wörnitz und Altmühl. Das Wetter könnte nicht scheußlicher sein, erst am späten Nachmittag gibt es die ersten kurzen Lichtblicke. Hugo macht uns seine Aufwartung zwischen Reichenbach und Mosbach. An der Altmühl in Muhr am See sehen wir einen weiteren Überwinterer- Storch im Nest auf dem dortigen Kirchturm. Das Weibchen des Brutpaares verfährt dort schon einige Jahre nach diesem Muster. Bei der Rückkehr in Mosbach, es ist um 17 Uhr schon reichlich dunkel, sehen wir Hugo gerade noch im Anflug auf das Lehmannsche Haus. 

04. Nov. 02

In Mosbach nichts Neues! Oder doch? Das Wetter – in diesen Tagen allemal eine Nachricht wert – verheißt immer noch keine durchgreifende Besserung. Es regnet nicht mehr an einem Stück, aber feucht ist es nach wie vor. Die Hochwasserlage hat sich seit gestern keineswegs entschärft, auch wenn alle Wege und Straßen nach wie vor befahrbar sind. Mein Besuch bei Hugo findet heute erst nach Einbruch der Dunkelheit statt und die hat sich bereits gegen 17 Uhr 30 eingestellt. Das Hausdach der Lehmanns ist nicht besetzt, aber mittlerweile finde ich unseren Dauergast auch im Dunkeln. Nach einigen Stopps, die keinen Hugo zum Vorschein bringen, gelingt die Sichtung unweit der kleinen Ortschaft Reichenbach, also genau an der Stelle, an der sich Hugo seit Tagen bevorzugt aufhält. Er steht erneut im Wasser und holt sich an der Stelle zumindest einige kalte Füße. Ein Vorteil seiner Position ist, dass ein möglicher Räuber, der ihn erreichen will, durchs Wasser muss. Und davor scheut sich mancher! Die hell erleuchtete Spielbank schickt derweil ihr Spiegelbild in die überflutete Wörnitz.

Inzwischen wurde der stark angewachsene Teil 16 aufgeteilt. Bitte teilen Sie uns mit, wenn Sie immer noch Probleme mit der Darstellung des Tagebuchs haben.

05. Nov. 02

18 Uhr, 3 Grad Lufttemperatur, bewölkt, aber trocken. Für die kommende Nacht ist für hiesige Gegend wieder einmal Frost angesagt. Hugo scheint die immer noch überschwemmte Talaue der Wörnitz mehr zu lieben als ein warmes Hausdach, denn auch heute meidet er die Lehmannsche Gastfreundschaft. Ich finde ihn trotz Dunkelheit zwischen der Mosbacher Kläranlage und Reichenbach an genau derselben Stelle wie gestern Abend. Er steht mitten in der großen Wasserwüste und kann sich dort auch recht sicher fühlen. Es bleibt abzuwarten, ob er bei Rückgang des Wasserspiegels erneut die Ortschaft zur Übernachtung anfliegt, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Überschwemmung und Schlafplatz besteht.

Die beigefügten Bilder sollen einen kleinen Eindruck von der augenblicklichen Lage im Umfeld Hugos vermitteln. Sie stammen vom vergangenen Samstag, als die Wörnitz über die Ufer trat.

Zur Stunde ist die Situation wesentlich angespannter. Hugo hält sich seit zwei Nächten im überschwemmten Teil im Bildmittelgrund auf. Im Hintergrund ist jeweils Mosbach mit seinem imposanten Kirchturm zu erkennen.


 

06. Nov. 02

Die Wörnitz ist wieder in ihr Bett zurückgekehrt. Dennoch gibt es große Flächen in Mulden und kleinen Senken, die mit Wasser gefüllt sind. Es wird noch einige Tage dauern, bis auch diese Stellen wieder trocken fallen. Für morgen steht der nächste Regen bevor und somit bleibt Hugo nichts anderes übrig, als weiter mit nassen Füßen zu leben. Er tut dies als Bewohner feuchter Wiesen natürlich lieber als sich  in einer strohtrockenen Wiese zu bewegen. Auch bleibt für ihn in diesem Falle der Nahrungstisch reich gedeckt. Die vergangene Nacht verbrachte er übrigens bei leichtem Bodenfrost ohne Blessuren und er wird auch weitere kalte Nächte überstehen, wenn die Nahrung vorhanden ist. Momentan besteht also überhaupt kein Grund zur Sorge. Die kommende Nacht wird Hugo nicht bei Lehmanns auf dem Dach verbringen. Um 16:30 Uhr marschierte er zunächst fleißig an der Stelle durchs Wasser, an der er gestern übernachtet hatte. Sein Aktionsradius muss also seit Tagen sehr klein sein. Er erbeutete in den wenigen Minuten, in denen ich ihn durchs Fernglas musterte, einige Regenwürmer, blieb dann genau an der Stelle von gestern stehen, zog ein Bein an und nahm seine Übernachtungsposition ein. Ein Anruf nach Einbruch der Dunkelheit bei Frau Lehmann bestätigte meine Einschätzung von vor einer Stunde. Hugo war erneut nicht auf dem Dach erschienen.

07. Nov. 02

Nach einer kurzen Wetterberuhigung bringt der neue Tag weitere Regenschauer und Temperaturen von etwa 5 Grad. Hugo zieht es auch heute wieder vor, die Nacht außerhalb des geschützten Ortsbereiches von Mosbach zu verbringen und lieber draußen, einen Kilometer von seinem Geburtsort entfernt bei Reichenbach zu übernachten. Gegenüber gestern hat er seinen Schlafplatz um 100 Meter weiter nach Süden verlegt. Er steht gegen 18:30 Uhr bei fast völliger Dunkelheit und leichtem Regen mitten in der größten noch verbliebenen Überschwemmungsfläche der Wörnitz, in seiner Gesellschaft – lediglich wenige Meter von ihm entfernt – halten sich noch vier Graureiher auf. Seit dem 3. November, dem vergangenen Sonntag, hat sich Hugo nicht mehr in Mosbach blicken lassen.

08. Nov. 02

Bis auf eine einzige, rund 10 000 Quadratmeter große Überschwemmungsfläche hat sich das Hochwasser der Wörnitz im Augenblick wieder verzogen. Doch gerade dieser Rest hat es unserem Hugo scheinbar so sehr angetan, dass er diesen dem sicheren Hausdach immer noch vorzieht. Da ich heute einige Minuten früher an der Stelle ankomme, kann ich Hugos letzte Minuten vor dem Beziehen des Ruheplatzes verfolgen. Gegen 16:30 Uhr zeigt er noch verstärkte Aktivitäten, er läuft in schneller Schrittfolge über die überschwemmte Wiese und nimmt immer wieder einige kleinere Beutetiere auf (meist Regenwürmer!). Durch eine mir nicht erkennbare Beunruhigung fliegt Hugo auf, überquert die Wörnitz, um jedoch schnell wieder auf der anderen Flussseite zu landen. Auch dort – hier steht kein Wasser mehr – verharrt er nur kurze Zeit, um bei meiner Annäherung mit dem Auto gleich wieder zu starten und an den Ausgangspunkt seines Kurzausfluges zurückzukehren. Gegen 16:50 Uhr läuft Hugo genau in die Mitte der beschriebenen Überschwemmungsfläche, bleibt stehen, zieht ein Bein an, legt den Kopf leicht nach hinten und rührt sich nicht mehr. Hugo hat seinen Schlafplatz gefunden und wird sich heute auch nicht mehr groß davon entfernen.

09. Nov. 02

Es regnet wieder. Das Wetter des heutigen Tages ist an Scheußlichkeit kaum mehr zu übertreffen. Neben einem unangenehmen Wind, peitscht der Regen mit Macht über das Wörnitztal. Als ich am Vormittag mit Hugo ein erstes Zusammentreffen habe, scheint er die gleiche Meinung über die Wetterlage zu besitzen wie Ihr Tagebuchschreiber. Geduckt und äußerst widerwillig entfernt er sich bei meiner Annäherung, um die Distanz zu mir möglichst schnell zu vergrößern. Dass er dabei das Fliegen unbedingt vermeiden will, versteht sich bei der augenblicklichen Wettersituation beinahe schon von selbst. Als er sich wieder sicher fühlt, sucht er am und unter dem die Wörnitz begleitenden Bewuchs aus Weiden und Schilf regelrecht Schutz. Das Hochwasser ist weiter rückläufig und bis auf wenige kleinere und eine größere Pfütze (siehe Eintrag von gestern) komplett zurückgegangen. Doch neue Regenfälle dürften die Situation bis zum Abend wieder verschärfen. Um 17:30 Uhr steht das abendliche Gute-Nacht-Sagen auf dem Programm. Hugo ist abermals dem Dach der Lehmanns fern geblieben. Da ich den neuen Übernachtungsplatz kenne, steuere ich bei völliger Dunkelheit den besagten Platz an. Nach kurzer Suche entdecke ich Hugo erneut inmitten der größten noch bestehenden Pfütze. Ich platziere meinen fahrbaren Untersatz so, dass mein Aufblendlicht einen großen Teil der Wasserfläche ausleuchten kann. Als ich die richtige Position erreiche, blende ich für einige Sekundenbruchteile auf und Hugo erstrahlt im leuchtendsten Weiß. So ganz wohl ist mir bei der Geschichte nicht, denn unser Freund erschrickt durch das grelle Licht doch sichtlich und zwei Graureiher in seiner Nähe machen einen Luftsprung, um gleich darauf wieder zu landen. So unterlasse ich weitere Versuche Hugo „heimzuleuchten“ und lenke bei der Heimfahrt meine Scheinwerfer auf die Straße.

10. Nov. 02

Der Vormittag bringt seit Tagen zum ersten Mal wieder einige Sonnenstrahlen und für Hugo die seltene Gelegenheit, sein Gefieder zu trocknen und nach Lust und Laune über die Wiesen zu streifen. Er tut dies heute in mehr oder weniger enger Nachbarschaft zu bei uns nicht alle Tage zu beobachtenden Vertretern der Vogelwelt. Zum einen handelt es sich dabei um eine Kornweihe, die in gaukelndem Flug mehrmals dicht an Hugo vorbeifliegt und ihm die hohe Kunst des Fliegens zu demonstrieren scheint. Doch Hugo nimmt von alledem kaum Notiz, stellt doch der kleine, artistische Greifvogel keinerlei Gefahr für ihn dar. Zum anderen gibt heute ein Silberreiher in den immer noch leicht überfluteten Wörnitzwiesen ein Stelldichein. Fast storchengroß und schneeweiß fällt er auch einem weniger geübten Beobachter schnell „ins Auge“. Seit einigen Jahren gehören Vertreter dieser Art in den Herbst- und Wintermonaten zu den seltenen, jedoch immer regelmäßigeren Erscheinungen in unserer Vogelwelt. Um 17:30 Uhr, für einige Minuten war sogar die schmale Sichel des Mondes wieder einmal über dem Wörnitztal zu sehen, finde ich unseren Hugo einsam und verlassen an seinem neuen, seit einer Woche regelmäßig aufgesuchten Übernachtungsplatz in der großen überschwemmten Wiese bei Reichenbach. Dort wartet er auf den für die nächsten Stunden angekündigten Regen.

11. Nov. 02

Der Regen hat sich wie angekündigt in den späten Abendstunden des gestrigen Tages eingestellt und mit großer Intensität bis heute in die Mittagsstunden angehalten. Als ich gegen 16:30 Uhr das Wörnitztal erreiche, blicke ich auf eine endlose Wasserwüste, die den gesamten Talraum erfasst hat. Einige, die Wörnitz querende Straßen sind überflutet und nicht mehr passierbar. Für Hugo wird der Aufenthaltsraum immer knapper. Er steht in der Nähe seiner Lieblingsstelle unweit von Reichenbach am Rande des Wasser und erwartet meine Annäherung. Doch schon lange, bevor ich ihn erreiche, macht er einen langen Hals und fliegt ab. Da keinerlei Thermik herrscht, ist er auf aktives Fliegen angewiesen. Er dreht eine große Runde, wobei er einige Male dicht an mir vorbei fliegt, um nach vielleicht zwei Minuten „Luftfahrt“ bei der Kläranlage Mosbach in einem außerhalb der Talaue gelegenen Acker zu landen. Ich fahre noch einmal in der Nähe seiner Landestelle vorbei und Hugo startet erneut, diesmal mit Ziel und Landung genau am Ausgangspunkt seines ersten Starts. Dort lasse ich ihn zurück, steht er doch wieder ziemlich genau an seinem „alten“ Übernachtungsplatz. Die beiden Flugstunden des heutigen Tages bewiesen eindeutig, dass Hugo keinerlei Absicht zeigte, zur Übernachtung das Lehmannsche Anwesen in Mosbach anzusteuern. Es wäre für ihn leicht gewesen, dorthin zu fliegen, Stattdessen kehrte er um und flog in die entgegen gesetzte Richtung, um erneut „draußen“ zu nächtigen.

12. Nov. 02

Hugo holt sich weiter nasse Füße. Auch wenn das Hochwasser rasch wieder zurückgeht, bleibt unser Dauergast seiner Linie treu und ist überwiegend am oder in der großen überschwemmten Wiese nahe Reichenbach anzutreffen. Es bleibt angesichts der milden Temperaturen, die eher an das kommende Frühjahr erinnern, reine Spekulation, was passiert, wenn Eis und Schnee unseren Raum und damit auch Hugo erfassen. Das Füttern soll dabei wirklich nur ein großer Ausnahmefall bleiben. Wie das Ganze dann ablaufen kann, sei für die besorgten Leser schon heute einmal kurz skizziert. Unser Storch ist durch eine hohe Schneedecke in der Erbeutung möglicher Nahrungstiere stark eingeschränkt. Er findet nicht mehr die für die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen erforderliche Nahrung. Das bedeutet, dass Hugo dann zunächst von seinen Reserven leben müsste. Diese Reserven in Form von eingelagertem Fett helfen ihm, ein bis zwei Wochen ohne Nahrungsaufnahme zu überstehen. Hat sich die Wetterlage nicht entscheidend gebessert, kann in diesen Tagen mit der Fütterung begonnen werden. Da Hugo dann in diesem Fall seinen Aktionsradius weiter einschränken wird,  er quasi auf Sparflamme kocht, kann er mit in seiner Nähe ausgelegten toten Eintagsküken (dieses Futter ist am leichtesten in gefrorenem Zustand lagerbar und außerdem am billigsten) geködert und an einen bestimmten Fütterungsplatz gewöhnt werden. Es hat sich bewährt, die Nahrungstiere in einer Büchse zu „servieren“ und diese etwa „schnabeltief“ ( etwa 30 Zentimeter) in der Erde zu vergraben. Damit wird erreicht, dass Nahrungskonkurrenten (Möwen und Graureiher) sich nicht ebenfalls dieses Services bedienen. Herr Lehmann (das ist der Besitzer des Hauses, auf dem Hugo lange übernachtet hat) hat sich schon bereit erklärt, das eventuelle Füttern zu übernehmen. Seine Gefriertruhe würde dann regelmäßig mit 100 Eintagsküken bestückt sein, um so einen Vorrat für etwa eine Woche bereit zu halten.

Das Foto zeigt ein Überwinterer-Paar, das sich seit 1980 (!!!) ununterbrochen das ganze Jahr unweit seines Brutnestes in Frauenaurach bei Erlangen aufhält. Der weibliche Storch (links im Bild) trägt einen Ring, den ich ihm 1977 in einem Nachbarort als Jungstorch angelegt hatte. Im gleichen Jahr wurde dieser Storch nach dem Ausfliegen verletzt in den Tiergarten Nürnberg gebracht, dort drei Jahre gepflegt und 1980 frei gelassen. Seit dieser Zeit brütete das Weibchen in Frauenaurach und zog niemals ins Winterquartier. Bis heute blieb dies so. Mit jetzt 25 Jahren ist dieser Vogel auch zugleich mein Ältester. Der Kopf des Weibchens auf der Aufnahme ist nicht sichtbar, da die Storchendame diesen (den Kopf nämlich!) gerade in die im Boden vergrabene Büchse gesteckt hat. Das Männchen rechts wartet derweil auf eine günstige Gelegenheit, dies seinem Weibchen gleich zu tun. Die Lachmöwen in der Nachbarschaft müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen und nach anderer Nahrung Ausschau halten.

Hugos Platz ist auch heute Nacht die überschwemmte Wiese bei Reichenbach.

13. Nov. 02

Dunkelheit liegt über dem Wörnitztal, als ich am Abend gegen 18 Uhr Hugo meine obligatorische Aufwartung mache. Wie immer steuere ich auch heute wieder den Platz in der Nähe eines Fahrsilos an, von wo aus man mit den Autoscheinwerfern einen Teil der Überschwemmungsfläche bei Reichenbach erfassen kann. Bereits beim ersten Aufblenden habe ich Hugo im Visier. Nach einer knappen Sekunde blende ich wieder ab, fahre rückwärts auf die befestigte Straße und übergebe Adebar wieder an die ihm vertrautere Dunkelheit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Hugo auf den Punkt genau seit Tagen die gleiche Übernachtungsstelle in der noch immer überschwemmten Wiese aufsucht und nasse Füße weiterhin dem trockenen Dachfirst vorzieht.

14. Nov. 02

„My local patch“ – mein räumlich sehr eng begrenztes Beobachtungsgebiet zwischen Mosbach und Reichenbach an der weiterhin überschwemmten Wörnitz – ist doch immer wieder für einige ornithologische Überraschungen gut. Waren es vor einigen Tagen Kornweihe und Silberreiher, durfte ich heute am späten Nachmittag Raritäten aus den Tundren Sibiriens und Nordeuropas in Gestalt dreier erwachsener Singschwäne bestaunen. Auch wenn diese Vogelart ihr Brutgebiet in den letzten Jahren deutlich nach Süden und Westen ausgedehnt hat (es gab schon Bruten in Brandenburg und Polen) , ist es auch für mich etwas Besonderes, gleich drei Vertreter dieser Art fern von den Hauptüberwinterungsgebieten in Norddeutschland bestaunen zu dürfen. Was sich Hugo wohl dabei gedacht hat? Er stolzierte reichlich uninteressiert und weniger aufgeregt als Ihr Tagebuchschreiber zwischen den im Wasser ruhenden Schwänen umher, obwohl er solch große Vögel mit Sicherheit zum ersten Mal sah. Immerhin hatten sie sich seines Übernachtungsrevieres bemächtigt! Doch Hugo machte gute Mine zum bösen Spiel und hielt sich ganz dicht an zwei Graureiher, die ebenfalls die überschwemmte Wiese zum Übernachten ausgewählt hatten. Als es dämmerte und eine weitere Nacht heraufzog, ergab sich eine illustre Schlafgemeinschaft, die in dieser Form sicher noch nie beobachtet werden konnte. 3 Singschwäne, 2 Graureiher und ein Weißstorch bildeten das einmalige Sextett. Sollte jemand andere Erkenntnisse haben, darf er sich mit mir in Verbindung setzen.

15. Nov. 02

Als ich gegen 14 Uhr nach Hugo sehe, bin ich etwas aufgeregt. Werden die Singschwäne noch einmal zu beobachten sein? Das Wetter alleine lässt einfach keine gute Stimmung aufkommen. Inzwischen prasselt der Regen erneut vom Himmel und die Wasserflächen im Umfeld der Wörnitz beginnen sich wieder zu vergrößern. Wenigstens ist es während des gesamten Tages mit etwa 10 Grad für die Jahreszeit viel zu mild. Für Hugo ist der letzte Aspekt auf alle Fälle positiv zu werten, verbraucht er bei diesen Temperaturen nicht übermäßig viele Kalorien. Leider sind die Singschwäne – wie erwartet – nicht mehr in Hugos Revier anzutreffen. Er selbst jedoch schon. Er hat nur mal wieder die Flussseite gewechselt und schielt beständig nach einer Wiese, auf der ein Bauer gerade Gülle ausbringt. Hier verspricht sich Hugo sicher reiche Beute, werden doch zahlreiche Regenwürmer den „Gülleschock“ nicht überleben. Beim zweiten Besuch des Tages – um 17 Uhr ist es schon fast dunkel – regnet es schwer vom Himmel. Trotzdem hat Hugo „seinen“ Platz bereits erneut aufgesucht und punktgenau inmitten der Wasserfläche Quartier bezogen. Heute Nacht ist er allerdings allein. Graureiher und Singschwäne lassen Hugo im Stich.

16. Nov. 02

Der Regen hat – man glaubt es kaum – aufgehört. Daran scheint auch Hugo sichtbar Gefallen gefunden zu haben. Denn als ich ihn am Vormittag besuche, hat sich unser treuer Begleiter an einer nicht überschwemmten Stelle unweit seines momentanen Schlafplatzes im Gras niedergelassen und eine seiner seltenen Liegephasen eingelegt. Durch mein Erscheinen – ich bleibe im Auto sitzen und bin gut 100 Meter von ihm entfernt – beunruhigt erhebt er sich nach wenigen Augenblicken, bleibt stehen und ordnet und pflegt sein Gefieder sehr ausgiebig. Anschließend sucht er einen randvollen Zulauf der Wörnitz langsam voran schreitend nach etwas Essbarem ab und ich sehe, dass er dabei immer wieder Erfolge zeitigt. Die letzten Minuten des Tages verbringt Hugo in Gemeinschaft mit einem Graureiher gegen 16:45 Uhr unweit seines Übernachtungsplatzes. Der Wasserstand ist weiter gesunken und vormals überschwemmte Wiesenbereiche sind nun frei von Wasser. Hugo schreitet schnell durch diese Strukturen und erbeutet innerhalb weniger Minuten eine Unmenge ertrunkener Regenwürmer. So kann es weitergehen, denkt Hugo und läuft schließlich gezielt an seinen alten Übernachtungsplatz. An dieser Stelle ist der Wasserstand noch am höchsten. Neben einem Graureiher wartet er dort auf die kommende Nacht

17. Nov. 02

Ein herrlicher Sonnen-Sonntag! Nach trüben und regnerischen Wochen der erste Sonntag seit langem, der seinem Namen auch alle Ehre macht! Dabei steigen die Temperaturen auf satte 12 bis 13 Grad. Das Nahrungsangebot für Hugo kann weiterhin als sehr gut bis optimal bezeichnet werden. Um 13:30 Uhr steht er direkt an der Kläranlage, einem Ort, der für den richtigen Winter (wenn er wirklich irgendwann kommt) gute Nahrungsmöglichkeiten bietet, da dort sicher Zu- und Abflüsse kaum vereisen oder zufrieren werden. In Hugos direkter Gesellschaft befinden sich heute sieben Graureiher, deren Fluchtdistanz deutlich größer ist als die von Hugo. So entfernen sich die Reiher, um etwa 200 Meter weiter wieder im Wiesengrund zu landen, während Hugo an den Klärbecken der Kläranlage entlangläuft und sich einen Abflug dieses Mal verkneifen kann

Gegen 17 Uhr zeichnet die untergegangene Sonne noch ein schmales, gelbrotes Band am westlichen Horizont. Bereits hoch am Himmel strahlt der silberne Mond in fast voller Größe sein Licht über das Wörnitztal. Hugo saugt diese Stimmung in vollen Zügen auf und macht es sich an seinem traditionellen Schlafplatz in der immer weniger Wasser führenden Überschwemmungsfläche bequem. Ganz nahe, schon fast in Tuchfühlung leistet ein einsamer Graureiher Hugo in dieser Nacht Gesellschaft.

18. Nov. 02

Eine kalte und klare Nacht mit Bodenfrost liegt hinter Hugo. Das Überschwemmungsgebiet „Wörnitz“ ist bis auf einige kleine Wasserstellen verschwunden. In der noch größten verbliebenen liegt weiterhin Hugos Aufenthaltsort. Auch heute bewegt er sich nur innerhalb eines Radius von wenigen hundert Metern. Gegen 16 Uhr hat er sich bereits in der Nähe seines Übernachtungsplatzes eingefunden und bei meinem zweiten Besuch nach Einbruch der Dunkelheit um 18 Uhr steht Hugo mitten in der kleiner gewordenen Wasserfläche allein. Mein Autoscheinwerfer erfasst ihn für Sekundenbruchteile und lässt ihn dann wieder in der Dunkelheit zurück.

19. Nov. 02

Hugo bekommt jetzt schon seit Wochen keine trockenen Füße mehr. Sah es zuletzt so aus, als sollten die überschwemmten Wiesen demnächst gänzlich abtrocknen, öffnete der Himmel den ganzen Tag über seine Schleusen und entließ 15 Liter Regen auf den Quadratmeter. Die Folge konnte am Abend bei einem Besuch Hugos sichtbar werden. Die Überschwemmungsflächen bedeckten wieder den gesamten Talraum der Wörnitz und mittendrin vertrat sich bei hereingebrochener Dunkelheit Hugo die Füße. Er stand keineswegs still, sondern bewegte sich bis zum Bauch im Wasser emsig hin und her. Irgend etwas schien ihn  zu beunruhigen. Am Beobachter mochte es nicht liegen, denn dieser hielt heute bewusst zurück und verzichtete auf eine „Blendung“ seines Schützlings mittels der Autoscheinwerfer. Nach einigen Minuten hatte Hugo die tiefste Stelle seines beliebten Übernachtungsplatzes verlassen und legte im nur „kniehohen“ Wasser eine längere Verschnaufpause ein. In Schlagdistanz zu Hugo stand ein einsamer Graureiher.

20. Nov. 02

„Trocken und mit 6 Grad nur mäßig warm“, so lautete der heutige Wetterbericht. Ein paar Sonnenstrahlen galt es zu tanken für Hugo und Ihren Dauerbeobachter. Gegen 14 Uhr war ich abermals zwischen Mosbach und Reichenbach unterwegs. Die Auswahl an Überschwemmungsflächen hat sich seit gestern deutlich erhöht. Trotzdem hält sich Hugo auch zu dieser relativ frühen Stunde nur etwa 200 Meter südlich seines Schlafplatzes ganz in der Nähe der Kläranlage auf. Und wieder ist von einer ungewöhnlichen „Vogelrunde“ zu berichten. Dass Hugo dazu gehört, versteht sich ja bereits von selbst. Dass neben ihm immerhin sieben Graureiher Siesta halten und in einiger Entfernung weitere drei Exemplare präsent sind, verdient schon eher eine Bemerkung. Doch ein Vertreter einer weiteren, für unsere Breiten lediglich in den Wintermonaten zu beobachtenden Vogelart erregte mein größtes Interesse. Eine Sturmmöwe im Schlichtkleid lagerte in einer der ausgedehnten Wasserflächen vor Storch und Reihern. Sie war aus relativ geringer Entfernung bei bestem Licht gut zu beobachten. Lediglich auf dem Durchzug befindlich wird sie eine „Eintagsfliege“ bleiben und morgen vielleicht schon an anderer Stelle einem Naturfreund einige freudige Momente verschaffen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit kurz nach 17 Uhr hatte sich die illustre Gesellschaft wieder aufgelöst und nur noch Hugo hielt die Stellung. Er war inzwischen wieder 200 Meter nach Norden gezogen und hatte sich an seinen „Lieblingssee“ begeben, um dort die nächste Nacht zu verbringen.

21. Nov. 02

Hugo übernachtet weiterhin auf freiem Feld. An diesem Abend hält er sich bei Einbruch der Dunkelheit am Rande der schon oft erwähnten Überschwemmungsfläche bei Reichenbach auf.

22. Nov. 02

Vom Wetter gibt es mal was Neues!? Es regnet seit den frühen Morgenstunden mehr oder wenig heftig bei Temperaturen um 6 Grad. Gegen 16 Uhr 30 ertappe ich Hugo etwas abgesetzt von seinem Übernachtungsplatz bei strömendem Regen westlich der Wörnitz in Richtung Autobahn. In Manier eines erfahrenen Jägers schleicht er an einem Graben entlang,  verharrt nach wenigen Schritten immer wieder für einige Augenblicke und wiederholt den gesamten Vorgang einige Male. Hugo auf Mäusejagd! Als er nach einigen Minuten auffliegt – es regnet heftig! – steuert er auf direktem Wege sein Übernachtungsplätzchen am Rande der überschwemmten Wiese an. Seit gestern zieht er es scheinbar vor, außerhalb des Wassers die Nacht zu verbringen. Unweit von Hugos Standplatz haben sich für heute Nacht zwei neue Übernachtungsgäste eingestellt. Diesmal handelt es sich um zwei Höckerschwäne, also Schwäne, die Ihnen als solche gemeinhin bekannt und in 99% aller Schwanensichtungen als solche zu bestimmen sind. Im Gegensatz zu den Singschwänen vom 14.11. an gleicher Stelle sind die erwachsenen Höckerschwäne an ihren roten und schwarzen Schnabelzeichnungen zu erkennen, während die besagten Singschwäne statt der roten die gelbe Farbe bevorzugen.

23. Nov. 02

Ein herrlicher Tag! Die Sonne verwöhnt Mensch und Tier. Da mutet es schon ein wenig seltsam an, dass Hugo sich im Bereich der Kläranlage hinter einem Schneefangzaun fast zu verstecken scheint. Als ich mein Auto stoppe, beginnt er zu sichern (reckt Kopf und Hals ganz hoch) und fliegt zusammen mit einem Graureiher ab. Nach wenigen Sekunden Flug setzen beide in einer brach liegenden Fläche in der Nähe zur Landung an. Während ich die Sonne bei einem kleinen Morgenspaziergang genieße, wechselt Hugo – diesmal freiwillig – erneut das Terrain, um eine Ackerfläche westlich der Wörnitz aufzusuchen und dort ausgiebig Gefiederpflege zu betreiben. Auffällig ist, dass sich bei seinem zweiten Landeplatz erneut ein Graureiher in unmittelbarer Nachbarschaft aufhält. Eine Viertelstunde später wechselt Hugo abermals seinen Standplatz, er fliegt auf die andere Wörnitzseite und landet dort – sie ahnen es schon – ein weiteres Mal neben einem seiner Freunde. Die beiden Höckerschwäne, Hugos gestrige Übernachtungsgäste, dümpeln derweil in einem Klärbecken der Kläranlage Mosbach. Das zweite Aufeinandertreffen mit Hugo findet erst wieder bei Einbruch der Nacht statt. Wie nicht anders zu erwarten, steht Adebar auch in dieser Nacht hart an der Wasserkante seiner arg geschrumpften Überschwemmungsfläche, die aber noch so viel Wasser aufweist, dass die beiden Höckerschwäne von gestern auch in dieser Nacht wieder Hugos Begleiter darstellen.

24. Nov. 02

Hugos derzeitige Weggefährten – zwei Höckerschwäne - halten in der arg zusammengeschrumpften Überschwemmungsfläche weiterhin die Stellung. Ein Gründeln nach Schwanenart ist dabei nur noch an wenigen Stellen möglich. Für Hugo ist es deshalb kein Beinbruch, wenn er am Nachmittag den Schwänen aus dem Wege gehen kann und sich  lieber mehr in Richtung Spielbank absetzt. Da steht der arme Tropf in einem Acker und mag sich so seine Gedanken über die neue Schwanenfreundschaft machen. Die Nacht verbringt er allerdings erneut in illustrer Gesellschaft. Er setzt dabei seinen Fuß einige Zentimeter ins Wasser – also doch wieder kalte Zehen – und wird zusätzlich vom Schwanenpaar (wenn es überhaupt ein Paar ist) eingerahmt. Zwei Graureiher vervollständigen das bunte Bild, ehe diese - von mir beunruhigt (Autoscheinwerfer!) - unter lautem Gekrächze schnell wieder das Weite suchen. Graureiher sind durchaus für einen Nachtflug tauglich und dieser Umstand kommt ihnen im vorliegenden Falle zugute.

25. Nov. 02

Die Nacht senkt sich erneut über das Wörnitztal. Die Überschwemmungsflächen sind weiter zurück gegangen, so dass für unsere beiden Höckerschwäne eine schwimmfähige Unterlage fehlt. Sie haben sich in eines der Klärbecken innerhalb der Kläranlage verzogen. Hugo läuft im letzten Licht des Tages an seiner Lieblingsstelle umher und sammelt in schneller Folge die nach dem Rückgang des Hochwassers liegen gebliebenen Regenwürmer ein. Fette Beute! Anschließend marschiert er an den Rand der letzten verbliebenen Pfütze, hebt ein Bein und beschließt, dort die Nacht zu verbringen.

26. Nov. 02

Trotz erneut aufkommender Regenfälle hat sich der Wasserstand in und außerhalb der Wörnitz fast normalisiert. Auch für Hugo heißt es jetzt Abschied nehmen vom nassen Untergrund. Er denkt aber dennoch auf keinen Fall an eine Rückkehr auf das Lehmannsche Dach, sondern verharrt auch in der kommenden Nacht an identischer Stelle bei Reichenbach. Nur steht er heute trockenen Fußes in der vorher überschwemmten Wiese. Schlafkameraden sind weit und breit nicht in Sicht.

27. Nov. 02

Drei Monate befindet sich Hugo nun in seiner wieder gewonnenen Freiheit. Die Berichte über seine Erlebnisse füllen mittlerweile viele Seiten und wie es aussieht, wird wohl die eine oder andere noch hinzu kommen. Der Regen des Tages hat dazu geführt, dass die mit Wasser immer noch voll gesogenen Wiesen erneut über die Ufer getreten sind und Hugo sich gegen 16:30 Uhr in einer Wasserfläche rund 100 Meter von seinem alten Schlafplatz entfernt zur Ruhe begeben hat. Er steht mittendrin und ist mit sich und der Welt zufrieden. Drei Stunden später komme ich noch einmal an der selben Stelle vorbei und sehe Hugo unverändert in Ruheposition mit nassen Füßen, nur beschienen vom sich im Wasser in verschiedenen Farben spiegelnden Licht  der Feuchtwanger Spielbank.

28. Nov. 02

Dicker Nebel liegt am Spätnachmittag über dem Wörnitztal und gibt der Szenerie einen unwirklichen Touch. Hugo ist allerdings immer noch real und an seinen Lieblingsplatz bei Reichenbach zurückgekehrt. Er verbringt die Nacht im Wasser stehend und denkt noch nicht an den bevorstehenden Wintereinbruch. Wie Ihr Berichterstatter aus dem Wetterbericht erfahren konnte, dürfte der erste Wintervorstoß doch bevorzugt die östlichen Landesteile treffen, während die Westler – und Hugo darf sich zu dieser Spezies zählen – wohl noch mindestens eine Woche davon verschont bleiben.

29. Nov. 02

Vom Wetter gibt es weiterhin nur Regen zu vermelden. Dieser treibt auch unsere Wörnitz wieder aus ihrem Bett. Gut für Hugo! Er holt sich zwar nasse Füße, hat dafür aber einen sicheren Übernachtungsplatz inmitten seines größer gewordenen Privatsees. Und über allem leuchtet die Spielbank, so dass selbst ein komplett bewölkter Himmel und ein völlig unsichtbarer Mond die Nacht nicht ganz schwarz erscheinen lassen. Von Hugos Schlafkameraden, den Graureihern, ist seit Tagen nichts mehr zu sehen. Lediglich die beiden Höckerschwäne lassen ihre Hälse aus einem Becken der Kläranlage sichtbar werden.

30. Nov. 02

Nach wie vor ist von einem Wintereinbruch nichts zu sehen. Die Kaltluft bahnt sich nur mühsam ihren Weg und hat ihre Fühler erst bis Ostpolen ausgestreckt. Bei Hugo herrschen immer noch überdurchschnittliche Temperaturen, die den ganzen Tag um die sechs Plusgrade betrugen. Jeder Tag, der in dieser Form verläuft, ist für unseren Hugo ein Tag mehr in Richtung Frühling. Also weiter die Daumen drücken! Alle Wintersportler mögen mir aber diese Einstellung verzeihen: Mosbach möge möglichst lange schneefrei bleiben. Unser Wassersportler verschläft derweil die kommende Nacht in seinem Zweitsee (siehe unter dem Eintrag vom 27.11.) rund einhundert Meter südlich seiner Stammbehausung. Die Wasserfläche hat sich erneut vergrößert. Gegen 16:45 Uhr marschiert Hugo wie von Geisterhand geleitet vom trockenen „Seeufer“ geradlinig zur Mitte des temporären Gewässers, hält dort inne, zieht ein Bein an und lässt die sich von der Dunkelheit gefangen nehmen.

01. Dez. 02

Mit dem heutigen 1. Adventssonntag beginnt zugleich der meteorologische Winter. Auch wenn vor Ort in Mosbach und bundesweit noch keine erkennbaren Spuren der kalten Jahreszeit zu bemerken sind, sollten doch einige Gedanken darüber verschwendet werden. Hugo hat sich also, ohne Schaden zu erleiden, in den Dezember hinein gerettet. Die angekündigte kältere Luft bedeutet aber für sein Wohlbefinden noch keinerlei Gefahr. Bis der Frost einmal in den Boden dringt und die Erbeutung von Regenwürmern erschwert oder verhindert, werden mit Sicherheit noch ein bis zwei Wochen vergehen. Was danach kommt, werden die weiteren Beobachtungen erweisen. Ich besuche am Abend ein kleines adventliches Konzert in der Mosbacher Michaelskirche und nutze dabei die Gelegenheit, bei Hugos Schlafplatz vorbei zu schauen. Wie erwartet, finden ihn Fernglas und Autoscheinwerfer inmitten seines Lieblingssees. Im Verlauf des gesamten Monats November war dieser Platz völlig ab- und ausgetrocknet. In Reichweite zu Hugo glänzen die beiden Höckerschwäne als Gesellschafter für die Nacht.

02. Dez. 02

Es regnet seit gestern so gut wie nicht mehr. Hugos kleiner See ist nach wie vor vorhanden, er hat sich aber erneut um einige Hundert Quadratmeter reduziert. Der Stundenplan unseres Badegastes funktioniert - gesteuert von einer eingebauten Uhr - nach wie vor bestens. Gegen 16:30 Uhr - das Tageslicht hat den kritischen Helligkeitswert unterschritten, der Hugo signalisiert seine Ruheposition einzunehmen – beendet dieser schlagartig seine Suche nach Beute und läuft wie an der Schnur gezogen an die tiefste Stelle der Überschwemmungsfläche (und hier wiederhole ich mich erneut), bleibt stehen und beendet seine Tagesaktivität.  

03. Dez. 02

Seit Hugo am 22. Juli das Geburtsnest verließ, ist er nie mehr dorthin zurückgekehrt. Von seinem ersten Ausflug an bis zu seiner Rückkehr aus der Pflegestation in Ansbach am 26. August verbot sich ein solcher Besuch von selbst. In den ersten Wochen nach seiner wieder erlangten Freiheit konnte er aus flugtechnischen Gründen das Nest nicht ansteuern. Und dabei blieb es. Hugo befindet sich als diesjähriger Storch in einem Entwicklungszustand, in dem ihm das Nest nichts bedeutet. Fern ab jeglicher Geschlechtsreife stellt ein Nest für ihn einen uninteressanten Gegenstand dar, der nicht in sein Verhaltensrepertoire passt. Selbst einjährige Störche – Hugo erreicht dieses Alter im Sommer 2003 – interessieren sich noch nicht für Nester. Sie übernachten, so wie es unser Mosbacher Storch tut oder tat, meist auf Dächern innerhalb von Ortschaften, auf Bäumen oder in selteneren Fällen ganz einfach auch auf dem Boden. Dass dabei instinktiv eine Wasserfläche mehr Schutz bietet als ein für jeden Räuber leicht erreichbarer Platz ist sicher einleuchtend. Mit Erreichen der vollen Flugfähigkeit hätte ich erwartet, dass Hugo einen erhöhten Übernachtungsplatz (Haus, Mast, mit Einschränkung Baum) aufsucht. Dies hat er ja auch eine ganze Weile getan (auf verschiedenen Häusern im Neubauviertel). Einige Vertreibungsaktionen (wegen Verunreinigung des Daches und der Hausfassaden) ließen Hugo danach abwandern und sein Glück meist von Wasser umschlossen genießen. Physiologisch, d.h. ausgerichtet nach seiner inneren Uhr, befindet sich Hugo derzeit im Winterquartier. Ein Übernachten in der momentan geübten Weise wäre dort somit nichts Ungewöhnliches. Auf dem Zug rastende Störche stehen nicht selten im Wasser. Wäre alles normal verlaufen, befände sich Hugo jetzt irgendwo in Südspanien, Westafrika oder im Sudan. Und dort stünde er mit großer Sicherheit auch an einer ähnlichen Lokalität wie heute erneut bei Mosbach. Mit überwinternden Altstörchen, also brutfähigen Störchen und solchen, die schon Bruten hinter sich gebracht haben, sieht es etwas anders aus. In ihrem Verhaltensrepertoire ist das Nest durchaus als wichtiger Bestandteil im Storchenleben bekannt und wird deshalb auch für das Übernachten während des Winters genutzt. So sind die überwinternden Altstörche (zwei Jahre und älter) nicht selten im Nest anzutreffen. Das Weibchen des Brutpaares aus Leutershausen (Altmühl), das ich gestern wieder einmal besuchte, hat mehrere Übernachtungsplätze und weicht nicht selten auf andere Dächer der Stadt aus. Zum anderen kann  der Aktionsradius erfahrener Störche weiter gefächert sein und es kann ein mehrtägiges bis mehrwöchiges Fernbleiben vom Brutnest vorkommen. Der Freistädter Storch in Oberösterreich sollte demnach nach meiner Interpretation ein Brutstorch sein, der an seinem Brutplatz auch überwintert. Unser Hugo beackert seit Monaten ein Gebiet, das lediglich etwa 2 km² groß ist. Sein heutiger Übernachtungsplatz: Mit nassen Füßen im Rest seines Lieblingssees. Schlafkameraden: keine

04. Dez. 02

Erlauben Sie mir, die Ereignisse – wenn sie sich nicht wesentlich von denen des Vortages unterscheiden – in geraffter Form zu Papier zu bringen. Ich traf Hugo bei Einbruch der Dunkelheit ein weiteres Mal in seinem kleinen See, dessen Wasserstand trotz ausbleibenden Nachschubs sein Niveau behalten hat. Die beiden Höckerschwäne, Hugos letzte Begleiter, verbringen Tag und Nacht in und bei der Kläranlage. Sämtliche Graureiher scheinen aus dem Gebiet verschwunden zu sein.

05. Dez. 02

Nieselregen begleitet Hugo den ganzen Tag über, dafür sind die Tagestemperaturen mit plus 6 Grad durchaus angenehm. Doch der Kaltlufteinbruch sollte unser Gebiet am Sonntag erreicht haben und damit werden die Nächte deutlich kälter. Hugo steht um 17 Uhr genau an der gleichen - oder sollte ich schreiben an der selben –Stelle wie gestern und wie schon oft in den letzten Wochen.

06. Dez. 02

Über Mosbach hängt heute eine hochnebelartige Wolkendecke, aus der heraus bei einer Temperatur von plus 1 Grad gegen 16:30 Uhr immer wieder leichter Sprühregen fällt. Ich besuche Hugo, ehe er sich zu Bett begibt. Anfangs sucht er eine frische Traktorspur, die ein Bauern während des Tages am Rand einer kleinen, zur Wörnitz hin abfallenden Geländeterrasse in die Wiese gegraben hat, nach Regenwürmern ab. So war die Suche nach Beute heute ein leichtes Spiel für Meister Adebar. Punkt 16:30 Uhr beendete Hugo die Nahrungsaufnahme, lief pfeilgerade an den letzten Rest seines kleinen Sees, stellte sich ins Wasser und tat keinen Schritt mehr.

Und was hat der Nikolausi den lieben Tagebuchlesern und Gästebuchschreibern gebracht? Keine Nüsse, aber Lesefutter für triste Winterabende...

07. Dez. 02

Während ich diese Zeilen schreibe, zeigt das Thermometer bei mir am Arbeitszimmerfenster immer noch plus 1 Grad. Dennoch wird Hugo in dieser Nacht frostigen Temperaturen ausgesetzt sein und der Wind-Chill, die gefühlte Temperatur, wird sich auf mindestens satte minus fünf Grad einpendeln. Bei zwei Besuchen am heutigen Tag hatte ich jeweils den Eindruck, als ob Hugo Windschutz suchen wollte. Am Vormittag erwischte ich ihn nahe der Kläranlage in einem Gelände, das die Golfer gemeinhin als „rough“ bezeichnen. Dieser schmale Wiesenstreifen ist in diesem Jahr noch nicht gemäht worden, die Halme bilden ein wirres Durcheinander. Und außerdem bietet der Komplex der Kläranlage- er ist gegenüber dem Standplatz von Hugo erhöht und genau in östlicher Richtung – eine sicherlich nicht unerhebliche Minderung der Ostwindstärke. Genau die gleiche „Idee“ scheinen auch 5 Graureiher für sich zu beanspruchen, stehen sie doch einträchtig auf der selben Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft Hugos. Es gibt sie also doch noch! Zumindest tagsüber sind die ehemaligen Schlafgefährten noch präsent! Die Seenlandschaft ist nun gänzlich bis auf einige Pfützen geschwunden Hugo muss sich nun keine nassen Füße mehr holen. Für die Nacht hat sich unser Freund deshalb einen neuen Platz ausgesucht. Er steht unmittelbar an der Wörnitz nicht weit von seinem bisherigen Übernachtungsplatz entfernt unter dem Schutz einer mächtigen Weide. Doch mit dem Schutz ist es wohl nicht so weit her. Seit Tagen nagt ein Biber genau an diesem Baum. Offenbar hat er aber zuletzt eine Pause eingelegt oder den Versuch abgebrochen. Auf alle Fälle besteht im Augenblick keine Gefahr für Hugo. Nicht auszudenken, wenn einmal im Tagebuch vermerkt werden müsste: Hugo von Baum erschlagen. Biber als Täter ermittelt! Schauen Sie aber bitte trotzdem auf unsere Biberseite oder gönnen Sie sich wenigstens einen Plüschbiber. Oder stärken Sie sich einfach mit dem angebotenen Lesefutter für die kommenden kalten, aber sonnigen Wintertage!

08. Dez. 02

Strahlender Sonnenschein bei plus 2 Grad! Die vergangene Nacht brachte über Mosbach noch nicht den knackigen Frost, lediglich leichte Minusgrade waren zu verzeichnen. Klein- und Kleinstgewässer tragen noch keine Eisdecke, so dass Hugo noch mühelos auf Regenwurmjagd gehen kann. Er steht heute gegen 12 Uhr wieder bei der Kläranlage und duckt sich eng an die leichte, Schutz vor dem immer nach strammen Ostwind bietende Geländeterrasse. Dieses Mal zähle ich mindestens vier Graureiher – einer steht sogar in der Wörnitz – auf Mäusejagd. Hugo scheint satt zu sein und widmet sich ausgiebig der Gefiederpflege. Um 17 Uhr statte ich unserem „Wintermännchen“ – kann auch ein Weibchen sein -  einen zweiten Besuch ab. Der Frost hat mittlerweile auch von Mosbach Besitz ergriffen und die Temperaturen unter den Gefrierpunkt gedrückt. Die Nacht ist sternenklar. In Hugos Lebensraum gibt es so gut wie keine überschwemmten Bereiche mehr. Heute übernachtet er erneut ganz nahe am Wörnitzufer. Er hat seinen gestrigen Schlafplatz unter der „Biberweide“ jedoch verlassen und sich etwa 100 Meter weiter stromabwärts in Richtung Mosbach begeben. In seiner Nachbarschaft wartet ein Graureiher auf eine weitere Frostverschärfung.

09. Dez. 02

„Der See hat eine Haut bekommen!“ Nach einer frostigen Nacht mit minus 7 Grad in Mosbach sind alle Klein- und Kleinstgewässer vom Rand her von einer dünnen Eisschicht eingerahmt. Der vormals weiche Untergrund der Wiesen- und Ackerflächen ist oberflächlich gefroren und trägt den Tagebuchschreiber mit rund 90 kg Körpergewicht schon ganz gut, ohne dass dieser einsinkt. Die strahlende Sonne brachte es auch heute den ganzen Tag nicht auf mehr als minus 2 Grad. Gegen 16 Uhr begebe ich mich nach Mosbach, um Hugo gute Nacht zu sagen. Doch wie sehr ich mich auch anstrenge, ich kann ihn nirgends entdecken. Was mir in den letzten Monaten immer gelang, nämlich Kontakt zu Hugo herzustellen, scheitert heute zwischen Mosbach, Reichenbach, der Spielbank und der Autobahn A7 erstmals. Hugo hat also im Verlauf des heutigen Tages das Gebiet verlassen! Warum? Wohin? Aus zeitlichen Gründen kann ich diesen Fragen heute nicht nachgehen. Wie weit hat er sich entfernt? Hat er auf den gefrorenen Boden sofort reagiert und sich abgesetzt? Dies wäre sicher eine kluge Entscheidung gewesen. Es ist also schlagartig und etwas unerwartet Bewegung in die Geschichte um Hugo gekommen. Ich werde in den kommenden Tagen unerwartete Mehrarbeit bekommen, um Licht ins Verschwinden Hugos zu bringen. Es darf also mit einiger Spannung auf die weitere Entwicklung geblickt werden.

10. Dez. 02

Dauerfrost in Mosbach! Über Nacht sank die Quecksilbersäule nahe an die 10 Grad unter Null und am frühen Nachmittag blieb sie bereits bei minus drei Grad stecken. Der Boden ist steinhart gefroren, die Eisdecke auf kleinen Gewässern hat mächtig zugenommen. Meine Suche nach Hugo brachte auch heute keinen Erfolg, so dass ich langsam sicher bin, dass er sich weiter weg entfernt hat und eine Suche einer solchen nach einer Stecknadel im Heuhaufen gleichzukommen scheint. Auf alle Fälle würde Hugo an einem anderen Ort sofort Aufmerksamkeit erregen und da er beringt ist, eine Identifizierung ermöglichen. Ich fragte einen Wanderschäfer, der seit Tagen mit seiner 400-köpfigen Herde im Wörnitztal unterwegs ist, ob er einen Storch gesichtet hätte? Doch auch er konnte mir nicht weiter helfen. Hugo scheint das Tal verlassen zu haben.

11. Dez. 02

Die kälteste Nacht mit weniger als 10 Grad unter Null liegt hinter uns. Während des Tages bleibt die Temperatur auch deutlich unter dem Gefrierpunkt. In der kalten Sonne treffe ich zwischen Spielbank und Mosbach zwar fünf Graureiher, jedoch bleibt Hugo weiterhin verschwunden. Dass er Opfer eines Räubers wurde, halte ich eher für unwahrscheinlich, wenngleich man es nie ganz ausschließen kann. Hoffen wir halt weiterhin auf positive Nachrichten.

12. Dez. 02

Die leichte Frostabschwächung des heutigen Tages bringt Hugo immer noch nicht zurück. Er bleibt weiter wie vom Erdboden verschluckt

13. Dez. 02

Meine immer noch regelmäßigen Fahrten nach Mosbach bringen zur Stunde keine neuen Erkenntnisse. Hugo ist nicht mehr in meinem Blickfeld und somit lässt sich über sein Schicksal keinerlei Aussage machen. Das Zusammenfallen seines Verschwindens mit dem Auftreten des ersten starken Frostes und einer damit „spürbaren“ plötzlichen Veränderung der Bodenkonsistenz lassen mich zu dem Schluss kommen, dass Hugo sein Aufenthaltsgebiet in irgendeiner Richtung verändert hat. Wie weit man als Storch, der bisher höchstens zwei Kilometer am Stück geflogen ist, bei fehlender Thermik fliegen kann, wage ich nicht zu beurteilen. Auf alle Fälle kann ein solcher Flug nach meiner Einschätzung nicht allzu weit führen. Da sind sicher 50 Kilometer schon sehr viel. Mal sehen, ob sich noch einmal eine Spur ergibt. Hugo ist beringt, ein Storch im Winter erregt überall noch Aufsehen und ein einigermaßen kundiger Beobachter wird zumindest den Ring erkennen und vielleicht seine Feststellung an andere weitergeben, die dann vielleicht...! Na, Sie ahnen, mit welchen Mitteln ich mich etwas beruhigen will! Genauso gut kann alles aber ganz anders verlaufen sein. Es möge sich jeder seinen Reim selbst darauf machen.

14. Dez. 02

Die Quecksilbersäule klettert wieder einmal leicht über die Null-Grad-Grenze. Als ich kurz vor Einbruch der Nacht meine Runde drehe, gibt es von Hugo abermals keine Spur.

15. Dez. 02

Ab 12 Uhr einsetzender Eisregen, lässt jeden Schritt außer Haus zur Gefahr werden. An eine Autofahrt auf kleinen Nebenstraßen bis nach Mosbach verbietet sich deshalb heute von selbst. Nach vielen Wochen einer täglichen Präsenz in Hugos Aufenthaltsgebiet fällt ein Besuch heute aus den angegebenen Gründen leider flach.

16. Dez. 02

Die Eislage hält auch in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages unverändert an. Offensichtlich hat mich der gestrige, unfreiwillige Besuchsverzicht bei Hugo so sehr mitgenommen, dass ich jetzt mit einer Grippe im Bett liege. Für viele Schüler im Landkreis Ansbach – meine Schule ausgenommen – bedeutet die Eisglätte in den Morgenstunden gleichzeitig einen Tag schulfrei. Über Hugo gibt es deshalb auch heute keine neuen Erkenntnisse.

17. Dez. 02

Gleiches Bild wie gestern. Ihr Tagebuchschreiber hütet einen weiteren Tag das Bett. Die Befürchtungen einiger Gästebuchschreiber, Hugo könne in die Wörnitz gestürzt oder festgefroren sein, teile ich nicht. Beide Hugos haben wohl im Laufe ihrer Tage Bekanntschaft mit dem nassen Element gemacht, jedoch erfolgten diese Begegnungen bei fehlender Flugfähigkeit. Für unseren „späten“ Hugo stellte jedoch das Wasser keine Gefahr mehr da. Bei meiner letzten Beobachtung stand Hugo – es war schon dunkel – zwar dicht am Ufer der Wörnitz im Trockenen, von einer Eisbildung in der Wiese, geschweige denn im fließenden Wasser des Flusses war noch keine Spur zu sehen. Wie sollte auch ein Vogel, der vielleicht nur im Bereich der Zehen nasse Füße hat, in dieser Weise „gefangen“ werden. In den Beinen fließt wie im restlichen Körper immerhin Blut mit einer Temperatur von deutlich über 42 Grad! Da passiert es höchst selten, dass man festfriert. Bei Schwimmvögeln mag es vorkommen, wenn nasses Gefieder am Körper mit dem Wasser der Schwimmunterlage zusammen bäckt, dass mancher sich nicht mehr aus der „Umklammerung“ lösen kann. Diese Schicksal ist Hugo aber keineswegs passiert!

24. Dez. 02

Ihr Tagebuchschreiber meldet sich mit dem heutigen Tag wieder zurück aus der Versenkung. Pünktlich zum Heiligen Abend hat er schon fast alte Stärke und Tatkraft wieder gewonnen. Allen Lesern möchte ich von dieser Stelle eine gesegnete Weihnachtszeit wünschen und hoffen, dass sie sich schon jetzt ein bisschen auf die kommende Storchensaison freuen.
Für die Genesungswünsche und Weihnachtsgrüße möchte ich hiermit meinen Dank abstatten. Leider gibt es von Hugo weiterhin keine Spur. Ich bleibe aber trotzdem bei meiner bisherigen Einschätzung und vermute, dass Hugo lebt und sich irgendwohin abgesetzt hat. 

Das Tagebuch-Team wünscht allen treuen und neuen Besuchern dieser Seiten
ein frohes Weihnachtsfest.

Wolfgang Horlacher und Thomas Ziegler


Marktplatz in Dinkelsbühl mit Münster St. Georg
und "Deutschem Haus"


Das "Christoph-von-Schmid"-Denkmal.
Ch. v. Schmid schrieb den Text zu
"Ihr Kinderlein kommet"

30. Dez. 02

Das Tagebuch 2002 schließt mit dem heutigen Eintrag. Es hat eine Fülle von Material gebracht, jedoch den absoluten Höhepunkt – eine erfolgreiche Brut im Dinkelsbühler Nest – vermissen lassen. Dass uns Hugo, der Jungstorch aus Mosbach, überraschend noch bis in den Dezember hinein begleitet hat, war eine nicht erwartete kleine Zugabe in unserem Tagebuch. Dem Hinweis von Frans aus Antwerpen über seine Storchenbeobachtung zwischen Dinkelsbühl und Wassertrüdingen in Höhe der Abzweigung bei der Schmalzmühle bin ich heute nachgegangen. Ich konnte jedoch im gesamten Abschnitt entlang der Wörnitz neben zahlreichen Graureihern und rund 40 Kormoranen keine größeren Vögel sichten. Also bleibt uns die Hoffnung für das kommende Jahr erhalten, bald über eine neue Sichtung eines Storches berichten zu dürfen, die vielleicht dann sogar wieder in eine erfolgreiche Brut münden könnte. Für das neue Jahr wünsche ich im Namen des gesamten Teams Gesundheit, Glück und viel Freude auf unserer Website, die Ihnen vielleicht manch privaten und beruflichen Stress mildern hilft.

13. Jan. 03

Am 8. Dezember wurde Hugo zum letzten Mal in seinem Aufenthaltsgebiet um Mosbach gesichtet. Er schlief am Abend dieses Tages bei Frost bis zu minus 7 Grad am Ufer der Wörnitz in einer Wiese. Da er am Nachmittag des folgenden Tages nicht mehr gefunden werden konnte, schrieb ich im Tagebuch: Hugo hat also im Verlauf des heutigen Tages (9. Dezember) das Gebiet verlassen. Warum? Wohin? Über das „Warum?“ lässt sich auch heute keine schlüssige Begründung geben. Es mag vielleicht doch mit dem plötzlich eingetretenen strengen Frost zusammenhängen, der Hugo geschockt und zu seinem ersten Streckenflug veranlasst haben könnte. Das „Wohin?“ ist dagegen seit einigen Tagen bekannt und ich erlaube mir, im Folgenden die Erkenntnisse zu diesem Komplex in groben Zügen wiederzugeben. Am 9. Januar 2003 erhielt ich Post von der Vogelwarte Radolfzell. Am Format des Briefes schloss ich sofort auf eine Fundmitteilung und dachte auch gleich an Hugo. Sollte er gefunden worden sein? Ich nahm das Blatt aus dem Umschlag und sah meine Vermutung unvermittelt bestätigt. Gemeldete Ringnummer A...1930 – Funddatum 10.12.2002 auf den Tag genau – Vogel gemeldet als Weißstorch – Fundort  Bronnholzheim (DEBS, TK 6826) Nordwürttemberg (Stuttgart), Deutschland – Finder Reinhold Schuster, Ellwangen – Koordinaten Lat.: 49,19000 (+49°11´24,0´´) Long.: 10,11000 (10°06´36,0´´) auf 0,001´´ genau – Geschlecht unbekannt – Alter: Alter unbekannt – Zustand: frischtot – Fundursache: verunglückt (Kollision): im Straßenverkehr – Distanz: 11 km; Richtung 282°; Zeitintervall 190 Tage

Erläuterung zu der Karte: Die rote Gerade stellt die Luftlinie zwischen Hugos Aufenthaltsgebiet bei Mosbach (rechts) und dem Fundort an der Autobahn (roter Punkt) dar. Von Nord nach Süd verläuft die A7, von Ost nach West die A6. Beide Autobahnen schneiden sich am Autobahnkreuz Feuchtwangen/Crailsheim Ebenso kreuzt die Bahnlinie Nürnberg-Stuttgart den Kartenausschnitt. Die bewaldeten Flächen zwischen dem Autobahnkreuz und dem Fundort bilden die beschriebenen Ausläufer der Frankenhöhe. Die größere Ortschaft westlich des Autobahnkreuzes unmittelbar an der Bahnlinie heißt Schnelldorf

Soweit die förmlichen Daten, aus denen der Beringer die wichtigsten Informationen über die Fundumstände entnehmen kann. Ich besah mir sogleich die Karte, da ich von diesem Ort, obwohl nicht sehr weit von Mosbach entfernt, weder jemals etwas gehört hatte geschweige denn, dass ich jemals an diesem Ort gewesen war. Schuld ist sicher seine Lage auf baden-württembergischem Gebiet. Für einen fränkischen Bayern bedeutet Baden-Württemberg auch heute noch so viel wie Ausland. So sind die meisten Pendler oder Einkäufer mehr in die Kreisstadt Ansbach oder gar nach Nürnberg orientiert (beide in Bayern gelegen) als zum Beispiel nach Crailsheim (obwohl dieser mit Ansbach vergleichbare Ort näher liegt). Ich nahm als zweite „Amtshandlung“ mit dem in der Fundmitteilung genannten Finder Reinhold Schuster telefonisch Kontakt auf. Dabei stellte sich heraus, dass ich ihn zwar nicht persönlich kenne, aber über seine ehrenamtliche Tätigkeit als Leiter einer Auffang- und Pflegestation für verletzte Vögel sehr wohl Bescheid wusste. Mit seiner Hilfe gelang es, die beiden letzten Tage im Leben unseres Hugo zu rekonstruieren. Hugo verließ im Verlauf des 9. Dezember (wohl am späten Vormittag) sein Gebiet bei Mosbach. Nach einer kalten Nacht kam in den Morgenstunden sogar die Sonne zum Vorschein und eine schwache Thermik ließ unseren Hugo wohl übermütig werden. Er schraubte sich über dem Wörnitztal in die Höhe und setzte zu seinem ersten Überlandflug an. Unmittelbar nach seinem Start galt es, die westlichsten Ausläufer der Frankenhöhe zu überqueren, die unmittelbar nordwestlich von Mosbach aufragen. Dieser Höhenzug erreicht nahe Mosbach mit dem Birkenberg bei 547 m über dem Meeresspiegel seine größte Höhe und liegt somit 100 Höhenmeter über dem Flusstal der Wörnitz. Wahrscheinlich nutzte Hugo für seinen Flug das Band zweier diesen Raum tangierender Autobahnen, der A6 bzw. der A7. Sicher herrschten zur Zeit des Fluges gerade über dem Asphaltband der Autobahn günstigere Luftströmungen, so dass Hugo dieser Spur folgte. Er erreichte auf diesem Weg das Autobahnkreuz Feuchtwangen/Crailsheim, gewann dort noch einmal an Höhe und überflog das rund 550 Meter hohe „Hindernis“ und damit auch die bayrisch-baden-württembergische Grenze. Danach verlor er schnell an Höhe und suchte unmittelbar danach am Fuße der „Berge“ in 420 Meter Höhe bei Bronnholzheim, Gemeinde Satteldorf einen Landeplatz. Nach einer Flugstrecke von etwa 15 Kilometern landete Hugo am Ortsrand des kleinen Kirchdorfes in einer Wiese, die von der Gronach, einem Nebenfluss der Jagst durchflossen wird. Auffällig ist erneut Hugos große Affinität zur Autobahn und ihren markanten, nie aufhörenden Störgeräuschen. Wie oft ging Hugo bei Mosbach unmittelbar am Rande der Autobahn spazieren, fast immer schien er sich dort besonders wohl zu fühlen. Nun hatte er abermals einen vergleichbaren Platz gefunden und schien nichts von dessen Gefährlichkeit zu ahnen. Die A6 gehört zu den meist befahrenen Autobahnen Europas. Seit der Öffnung der Grenzen nach Osteuropa hat sich der Verkehr auf der Achse Paris-Prag oder Paris-Moskau explosionsartig ausgeweitet. An besagter Stelle dürfte Hugo auch die Nacht vom 9. auf den 10. Dezember verbracht haben. Am Vormittag des 10. Dezember, Hugo schien sich für den Weiterflug rüsten zu wollen, startete er. In diesem Bereich verläuft die Trasse der Autobahn schnurgerade und ohne nennenswerte Böschungen an beiden Seiten der Straße. Große Erfahrungen mit schnell fahrenden Autos oder vor allem mit großen Lastern konnte Hugo in seinem bisherigen Leben nicht sammeln. Gerade die Lastwagen spielen in diesem Autobahnabschnitt eine wesentliche Rolle. Viele nutzen nach Bewältigung eines langen Anstieges die rasante Abfahrt in die Hohenloher Ebene zu ersten Überholmanövern. Von all dem ahnte Hugo nichts, als er in diesem Moment im Niedrigflug die Autobahn überquerte. Über die ersten PKWs zog er noch mit Mühe hinweg, bei einem tschechischen Laster (sie bilden das Hauptkontingent) gelang dies jedoch nicht mehr ganz. Hugo fuhr sein Fahrwerk aus, um noch eine schnelle Richtungsänderung vorzunehmen. Dabei wurde er im Bereich der Zehen doch noch von dem knapp vier Meter hohen Laster oberhalb des Führerhauses erfasst und mit voller Wucht an den Rand der Standspur geschleudert, wo Hugo verletzt, aber noch lebend liegen blieb. Der Fahrer und weitere Verkehrsteilnehmer mussten den Vorfall mitbekommen haben, denn kurze zeit später gingen Anrufe bei der Autobahnpolizei in Crailsheim ein. Eine Streifenwagenbesatzung fand an der beschriebenen Stelle Hugo schwer verletzt vor. Knapp oberhalb der Zehen waren beide Beine fast komplett abgetrennt und nur noch wenige Sehnen hielten die schweren offenen Brüche zusammen. Trotzdem verständigte die Polizei einen ihr für diese Fälle bekannten Kurier – und solche Fälle gibt es an Autobahnen leider nicht wenige! Der Kurier brachte unseren Hugo anschließend in die Auffang- und Pflegestation nach Ellwangen zu Herrn Reinhold Schuster und der Kreis schließt sich. Nach kurzer Untersuchung stand für Herrn Schuster – er ist auf dem Gebiet der Pflege verletzter Vögel ein allseits geachteter und anerkannter Experte – fest, dass Hugo nicht mehr zu retten sei. Eine erlösende Spritze setzte kurz darauf Hugos Leben ein Ende.

13. Feb. 03

Inzwischen wurde in Dinkelsbühl der erste Storch des Jahres 2003 gesichtet. Wir sind sicher, dass er uns noch einige Zeit erhalten bleibt. Dass er allerdings das Nest auf dem Alten Rathaus beziehen wird, erscheint sehr ungewiss...

 

Falls Sie bisher noch nicht dazu gekommen sind, es gibt natürlich immer noch unser Lesefutter für die storchenfreie Zeit: Das Stochenjahr 2002 in "Kurz"-Form.

Unsere Kameraseite zeigt einstweilen eine kleine Auswahl der zahlreichen Schnappschüsse aus der letztjährigen Storchensaison und soll Sie einladen, das weitere Informationsangebot zu erkunden.

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Thomas Ziegler

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