Teil 1 Mosbach
Ein ereignisreiches, turbulentes und dramatisches Storchenjahr geht in
diesen Tagen in dem kleinen Feuchtwanger Ortsteil Mosbach zu Ende. Es
gehört schon beinahe zur Tradition, dass dieser Standort zu den ersten
zählt, die im Frühjahr von einem Paar besetzt werden. So verwunderte es
niemanden, als bereits am 11. März ein Storch im Nest stand. Noch nie
seit Menschengedenken hatte sich aber ein Adebar so früh eingestellt.
Als eine Stunde nach der Ankunft Thomas Ziegler, langjähriger
Storchenexperte aus Feuchtwangen, vom Kirchturm aus den Neuankömmling
unter die Lupe nahm, stellte er fest, dass dieser einen Ring einer
Vogelwarte trug. Binnen weniger Minuten – die Ringinschrift war
mittlerweile entziffert - stand fest: Der Storch ist das Weibchen des
Brutpaares aus dem letzten Jahr. Damals hatte die Storchendame für eine
kleine Sensation gesorgt, als sie nämlich im Alter von erst zwei Jahren
vier Junge zum Ausfliegen gebracht hatte. Nicht zuletzt deshalb musste
sie gute Erinnerungen an ihre erste Brutsaison in Mosbach gepflegt
haben, denn nun war sie bereit, erneut an alter Stelle eine Brut zu
versuchen. In den nächsten Tagen stand die „Alte“ häufig über Stunden im
Nest und hoffte auf das Erscheinen eines geeigneten Partners. Ihr
Berichterstatter staunte deshalb nicht schlecht, als er am 15. März das
Nest in Dinkelsbühl auf dem Dach des alten Rathauses beobachtete. Stand
doch erstmals ein Paar in der dortigen Storchenwohnung. Seit Mitte
Februar hatte in Dinkelsbühl ein Einzelstorch vergeblich auf
Partnerschaft gehofft. Nun schien er oder sie erhört worden zu sein.
Eine genaue Kontrolle der Jungvermählten erbrachte eine weitere
Überraschung. Der neue Storch war das beringte Weibchen aus Mosbach. Das
durfte doch nicht wahr sein! Eine Störchin aus einem Feuchtwanger
Ortsteil liiert mit einem Dinkelsbühler Storchenmann! Da keimten alte
Erinnerungen auf, die bis in das Jahr 1388 zurückreichten, als
Dinkelsbühler Bürger ihre Nachbarstadt in Schutt und Asche legten. Und
aus jüngster Zeit sei nur an den Verlust der gynäkologischen Abteilung
am Feuchtwanger Krankenhauses erinnert, dessen Nutznießer vor allem die
Klinik in Dinkelsbühl werden durfte. Jetzt war also eine Feuchtwanger
Störchin drauf und dran in Dinkelsbühl Geburtshilfe zu leisten. Die
beiden mussten irgendwo zwischen den genannten Orten an den Ufern der
Wörnitz zueinander gefunden haben. Nun stand unsere Mosbacher Störchin
in Dinkelsbühl und blickte in das Kameraauge der dort seit wenigen Tagen
laufenden Webcam. Man paarte sich sogar und verbrachte die erste
gemeinsame Nacht. Doch im Verlauf des folgenden Tages – es war der 16.
März – muss sich das Ex-Mosbacher Weibchen nach der Ruhe und
Beschaulichkeit des kleinen Feuchtwanger Ortsteils gesehnt haben, denn
nun wagte sie ihrerseits einen Entführungsversuch in umgekehrte Richtung
und flog mit ihrem Alt-Dinkelsbühler Mann zurück nach Mosbach. Am Abend
übernachteten beide zum zweiten Mal gemeinsam, doch jetzt an anderer
Stelle. Die Storchendame setzte sich letztlich doch durch. Man blieb nun
endgültig in Mosbach, auch wenn beide in den folgenden Wochen immer
wieder nach Dinkelsbühl schielten und zur Nahrungssuche bis an den
Ortsrand der Stadt der Kinderzeche flogen. In der alten Reichsstadt
selbst warteten alle sehnsüchtig auf ein neues Storchenpaar. Leider
vergeblich. Als am 28. Mai sich doch noch ein Paar einstellte, war es
für eine Brut jedoch schon zu spät. Auf eine solche bereitete sich das
Mosbacher Paar dagegen mit aller Macht vor und ab dem 30. März ließen
beide Partner das Nest keinen Augenblick mehr unbewacht, ein sicheres
Zeichen, dass mit der Brut begonnen wurde. Nach etwa 32 Tagen – so lange
dauert es bei den Störchen, bis aus einem Ei Junge schlüpfen - beäugte
Ihr Storchenexperte umso aufmerksamer die flache Nestmulde vom Kirchturm
aus. Am 2. Mai sah man das erste Köpfchen hochschnellen, als sich Papa
Storch für einige Sekunden vom Rest-Gelege erhob. Im gleichen Abstand,
wie die Eier gelegt wurden, schlüpften nun weitere Junge, nämlich etwa
alle 2 Tage. Am 5. Mai konnte man schon drei neue Erdenbürger ausmachen,
ein Blick auf die restlichen Eier war leider nicht möglich. In diese
Idylle platzte jedoch eine Schreckensnachricht: Live über Telefon
erlebte Ihr Berichterstatter am Nachmittag des 6. Mai heftige Kämpfe des
Mosbacher Storchenpaares mit einem Fremdstorch mit. Dieser flog einen
Angriff nach dem anderen, wurde aber vom tapferen Mosbacher Männchen –
dieses trug die Hauptlast der Kämpfe – immer wieder abgedrängt. Am Ende
blieb ein aus zahlreichen Wunden an Beinen, Hals, Bauch und Brust
blutender Sieger zurück, während sich das Weibchen den unverletzt
gebliebenen Jungen widmen konnte. Bis zum 9. Mai war die Kinderschar auf
die stolze Zahl von 5 gestiegen und als am 12. Mai sogar sechs kleine
Storchenküken im Nest ausgemacht werden konnten, war die Sensation
perfekt. Schon in diesem Moment war klar, dass ein so reichlicher
Kindersegen mit vielen Problemen kombiniert sein musste und nie alle
überleben konnten. Bereits am folgenden Tag blieb das kleinste Junge
verschollen und konnte nicht mehr im Nest festgestellt werden. Einige
Tage später, am 19. Mai, fehlte ein weiteres Junge. Beide hatten also
die erste Lebenswoche nicht überstanden und waren entweder von den
Eltern aus dem Nest geworfen oder gefressen worden. Auch in der
Folgezeit blieb eines der Jungen in der Entwicklung deutlich zurück,
konnte aber bei den Fütterungen immer noch genug Nahrung abbekommen. Ein
großer Tag stand der Storchenfamilie am 3. Juni bevor. Nach 15 Jahren
Pause nahm Ihr Chronist als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vogelwarte
Radolfzell die Beringung, d. h. die Kennzeichnung der Störche wieder
auf. Diese wissenschaftliche Methode lässt populationsdynamische
Vorgänge transparent werden und leistet wesentliche Beiträge zum
Naturschutz. Die ersten Jungen, die wieder beringt wurden, waren nun die
vier Mosbacher. Zusätzlich wurden sie auch gewogen, um über die Fitness
und den Ernährungszustand Aussagen treffen zu können. Möglich machte
diese Aktion die Freiwillige Feuerwehr Feuchtwangen, die ihre Drehleiter
zur Verfügung stellte. Nach dem zehnminütigen Einsatz war klar, dass ein
Junges – das Nesthäkchen – mit 1700 Gramm Gewicht deutlich leichter war
als seine drei Geschwister, die alle über 5 Pfund auf die Waage
brachten. Kaum war die Leiter wieder vom Nest abgezogen, landete der
Storchenmann ohne Zögern bei seinen Jungen im Nest. Während der Arbeiten
hatte er die Szene vom Dach des Mosbacher Kirchenschiffes beäugt. Solche
Eingriffe bedeuten keine Gefahr für das Leben der Brut, dürfen aber nur
von besonders autorisierten Personen durchgeführt werden. Zuletzt konnte
das Quartett am 9. Juni beobachtet werden. Beim nächsten Besuch auf dem
Kirchturm am 15. Juni lebte das Kleinste nicht mehr. Es konnte tot am
Nestrand ausgemacht werden. Die Eltern hatte es dorthin gezogen und mit
Nistmaterial schon fast zugebaut. Damit lebten von sechs geschlüpften
Küken nur noch drei und es bestand große Hoffnung, dass sie auch
ausfliegen würden. In den ersten Julitagen erwarteten alle bereits die
ersten Ausflüge vom Nest, doch es dauerte diese Mal ungewöhnlich lange.
Normalerweise verlassen junge Störche im Alter von zwei Monaten aus dem
Nest. Diese Zeitspanne war nun längst überschritten, als mit einer
Verzögerung von mehr als 14 Tagen am 18. Juli zwei der Jungen erstmals
vom Nest abflogen. Diese ersten Ausflüge führten lediglich in die
direkte Nestumgebung, also in den Bereich der Wörnitzwiesen um Mosbach.
Zwischendurch fand man sich regelmäßig am Nest ein, zur Übernachtung
traf man die gesamte Familie immer in ihrem luftigen Domizil. Einer der
Jungen wollte seine Geschwister noch nicht so recht auf ihren Ausflügen
begleiten. Er zögerte regelrecht, den Absprung zu wagen. Der Grund war
bei genauer Betrachtung deutlich sichtbar. An einem Flügel zeigte der
Unglückliche ein stark verzögertes Wachstum der für das Fliegen so
wichtigen Handschwingen. Dass auch seine Geschwister fast 80 Tage
benötigten, um fliegen zu können, lässt vermuten, dass auch bei ihnen
infolge fehlender Nährstoffe und einseitiger, häufig mangelhafter
Ernährung die Federentwicklung nur schleppend voranging. Am 22. Juli
wagte auch der dritte Nestinsasse den Absprung. Jedoch wie befürchtet,
kam er nur bis in den Hof des Nachbaranwesens von Familie Rühl. Im
Schweinestall endete sein vorerst letzter Ausflug. Da er in diesem
Zustand nicht in die „Wildnis“ entlassen werden konnte, kam er bis zum
Erlangen der Flugfähigkeit in die Auffang- und Pflegestation für
verletzte Vögel des Landesbundes für Vogelschutz nach Ansbach. Dort
sollte das weitere Wachstum der Federn beobachtet werden. Fortan sah man
nur noch eine vierköpfige Familie in den Wörnitzwiesen zwischen
Reichenbach und Tribur – ihrem Lieblingsgebiet - auf Nahrungssuche. Die
Erlebnisse der letzten Wochen zeigten, wie schwer es einem Storchenpaar
fällt, Junge noch erfolgreich groß zu ziehen. In einer immer
lebensfeindlicheren Natur ist die Beschaffung ausreichender Nahrung das
Hauptproblem. Als am 26. August die Familie immer noch keine Anstalten
machte, den Wegzug ins Winterquartier anzutreten, wagte ihr Schreiber
den Versuch einer Familienzusammenführung. Der Pflegling – er war fünf
Wochen in menschlicher Obhut – wurde mit dem Auto wieder ins schöne
Wörnitztal gefahren und in unmittelbarer Nähe zu seiner Familie, die im
Bereich der Kläranlage Siesta hielt, aus der Transportkiste entlassen.
Nach seiner langen Gefangenschaft suchte der ehemalige Bruchpilot Schutz
an der Umzäunung der Kläranlage, während seine in der Nähe stehenden
Eltern und Geschwister kaum Notiz vom „Neuen“ nahmen. Als die Familie
aufflog, blieb ihr verlorener Sohn zurück. Mehrere Startversuche endeten
kläglich und führten nur wenige Meter weit. Am Tag seiner Freilassung
wäre unser Bruchpilot beinahe in der Wörnitz ertrunken und vom Auto
überfahren worden. Ein Absturz über einem Maisfeld endete danach ebenso
glimpflich. Während die Storchenfamilie auch jetzt nach wie vor im Nest
übernachtete, bestand diese Möglichkeit für den Ex-Pflegling nicht. Er
verbrachte seine Nächte von nun an auf einem Acker im Bannkreis der
Feuchtwanger Spielbank. Mit jedem weiteren Tag wuchs die Flugfähigkeit
unseres Sorgenkindes, so dass keine Gefahr mehr bestand, einem Räuber
zum Opfer zu fallen. Mehr zufällig kam es im Nahrungsgebiet einige Male
zu einer Begegnung mit dem Rest der Familie, jedoch blieben diese
Treffen ohne erkennbare Reaktionen. Als bei herrlichem Sonnenschein am
31. August zwei Fremdstörche über Mosbach auftauchten und für einige
Aufregung sorgten, war der Zeitpunkt gekommen, Abschied von den beiden
Jungen dieses Sommers zu nehmen. Zur abendlichen Übernachtung erschienen
sie an diesem Tag nicht mehr. Nur die Eltern flogen am Abend in ihr Nest
und entließen damit – wie es bei Störchen ganz normal ist – ihren
Nachwuchs allein auf die weite Reise ins Winterquartier. Doch 48 Stunden
später waren die beiden Jungen wieder nach Haus zurückgekehrt. Plötzlich
standen alle erneut gemeinsam auf ihrer Lieblingswiese und unser Patient
schien dabei immer mehr Anschluss zu finden. Von da an sah man ihn
tagsüber stets im Kreise seiner Lieben, zur Übernachtung blieb er aber
nach wie vor in der Wiese auf dem Boden zurück. Eine neue Variante ergab
sich am 6. September. Die Mosbacher Storchenschar hatte sich nicht
verkleinert, sondern war um ein Mitglied gewachsen. Ein weiterer
Jungstorch hatte sich unter die Einheimischen gemogelt. Auch der Neue
war beringt und in diesem Sommer irgendwo in Frankreich geboren worden.
Was ihn zu einem Abstecher nach Mosbach bewogen hat, wird sein Geheimnis
bleiben. Am Abend musste der Franzose auf dem Dachfirst der alten
Molkerei übernachten, während der ehemalige Bruchpilot in der Nähe der
Kläranlage auf einer Wiese die Nacht verbrachte. Am 7. September um die
Mittagszeit reisten zwei Mosbacher Junge zusammen mit dem französischen
Jungen und der Storchenmutter endgültig aus Mosbach ab. Zurück blieben
vorerst noch der ehemalige Pflegling mit seinem Vater. In wenigen Tagen
wird Ruhe einkehren und die Störche werden aus ihrer Brutheimat
verschwinden. Es bleibt zu hoffen, dass sie alle die gefährliche Reise
gut überstehen und es im nächsten Jahr ein Wiedersehen in der kleinen
Wörnitzgemeinde geben wird.
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Teil 2 Wörnitz
An den zwei größten Flüssen des Landkreises Ansbach, der Wörnitz und der
Altmühl, besteht noch immer eine kleine Population des Weißstorchs.
Ihren Werdegang verfolgt seit über 30 Jahren der Feuchtwanger
Storchenexperte Thomas Ziegler. Seit einigen Jahren berichtet er nach
Abschluss des Storchenjahres an dieser Stelle über die Ergebnisse der
abgelaufenen Brutsaison. In zwei Teilen werden auch heuer die Ereignisse
an den einzelnen Nestern vorgestellt.
Beginnen wir unsere Reise am Oberlauf der Wörnitz im Feuchtwanger
Ortsteil Mosbach. Über die Vorgänge dort auf dem Kamin der ehemaligen
Molkerei wurden die Leser in einem gesonderten Bericht schon ausführlich
informiert. Von sechs geschlüpften Jungen überlebten die Nestlingszeit
lediglich drei. Einer der Überlebenden machte bei seinem ersten Ausflug
eine Bruchlandung, kam in Pflege, wurde wieder ausgewildert und befindet
sich am 8. September zusammen mit seinem Vater immer noch in Mosbach.
Seine Geschwister machten sich am 7. September auf die Reise ins
Winterquartier.
In Dinkelsbühl wohnt eines der bekanntesten Storchenpaare der Republik.
Seit der vergangenen Brutzeit verfolgt eine Kamera neben dem Nest die
Vorgänge im Leben von Familie Adebar. Die Bilder werden ins Internet
übertragen und können von jedem, der einen Computer mit
Internetanschluss besitzt, auf der ganzen Welt empfangen werden. Bisher
haben dies unter der Adresse www.storch24.de 230.000 Besucher getan.
Eine Bilanz, die sich wahrlich sehen lassen kann. Gab es im vergangenen
Jahr noch zweifachen Nachwuchs zu bestaunen, wurde die Geduld vieler
heuer auf eine harte Probe gestellt. Von den gegenseitigen
Entführungsversuchen zwischen Mosbacher und Dinkelsbühler Störchen wurde
an anderer Stelle schon berichtet und der hoffnungsvolle Beginn mit dem
Erscheinen eines Männchens am 15. Februar schlug ab 16. März in ein
langes Warten auf ein neues Storchenpaar um. Die Kamera offenbarte
zahllose Besucher am Nest – es waren über 20 – jedoch erst am 28. Mai
stellte sich ein neues Paar ein. Für eine Brut war es da natürlich schon
zu spät. Jedoch brachten „die Neuen“ das von den Dohlen im Frühjahr
komplett abgetragene Nest innerhalb einer Woche auf Vordermann, so dass
es wieder bruttaugliche Züge annahm. Eine Schrecksekunde hatte das Resi
und Rudi getaufte Paar noch zu überstehen. Während des schlimmen
Hagelunwetters am Abend des 23. Juni ging Resi, die Storchendame,
verloren. Ob sie ums Leben kam oder nur wegen eines erlittenen Schocks
dem Nest fern blieb, konnte nicht ermittelt werden. Nach langen Tagen
des Wartens tauchte am 6. Juli wieder eine Partnerin auf und von da an
ging alles seinen gewohnten Gang. Die Unwetternacht hatte auch der
Webcam arg zugesetzt. Wasser war ins Gehäuse gedrungen und ließ nur noch
„trübe“ Bilder aus dem Storchennest zu. Ein zweifacher Einsatz der
Freiwilligen Feuerwehr Dinkelsbühl half, den Schaden zu beheben.
Offensichtlich hat das Paar so sehr an Dinkelsbühl Gefallen gefunden,
dass es bis Anfang September dem Nest die Treue hielt. Erst ab dem 8.
September konnte kein Storch mehr gesichtet werden. Wenn alles gut
verläuft, dürfen die Dinkelsbühler im nächsten Jahr ihr Storchenpaar
wieder begrüßen. Landschaftspflegeverband, Stadt und Naturschutz haben
verschiedene Projekte ins Auge gefasst, die die Nahrungssituation für
die Störche im Umkreis des Nestes sichern und verbessern helfen.
Einige Kilometer flussabwärts erreichen wir auf unserer Storchenfahrt
Wilburgstetten. 1980 brütete auf dem dortigen Kirchturm zum letzten Mal
ein Paar erfolgreich. Danach wurde es still, nur ab und zu hielten sich
in den folgenden Jahren Störche für kurze Zeit am Nest auf. Doch heuer
wurde alles anders. Der Kirchturm war um einige Meter erhöht worden, ein
neues Wagenrad sollte an Stelle der alten Unterlage auf dem Dachfirst
befestigt werden. Ihr Berichterstatter bereitete unter Assistenz des
Ortspfarrers das neue Storchendomizil artgerecht vor und am 12. April
hievte ein Baukran die attraktive Storchenbehausung auf den nun fast 30
Meter hohen Kirchturm. Wegen der immer noch laufenden Bauarbeiten
rechnete niemand so recht mit dem Bezug des Nestes. Doch bereits eine
gute Woche später wurden die ersten Besucher gesichtet und vom 9. Mai an
hielt nach 22 Jahren wieder ein Paar Einzug im Nest. Die verspätete
Ankunft sowie die Störungen durch den Baubetrieb ließen ein Brüten
jedoch in diesem Jahr nicht zu, machen aber Hoffnung auf Mehr in der
kommenden Brutzeit. Bei dem Weibchen des Paares handelte es sich um eine
alte Bekannte. Die Ringinschrift machte deutlich, dass die im
sächsischen Schkeuditz 1993 geborene Storchendame in den Vorjahren in
Weiltingen und Ornbau erfolgreich gebrütet hatte.
Vier Kilometer weiter grüßen Weiltingens Störche vom Kamin des
ehemaligen Sägewerks von Heinrich Ströhlein. Sehr früh stellten sich
heuer dort die Störche ein. Die bekannte 9-jährige Störchin, sie brütete
schon in den vergangenen zwei Jahren in Weiltingen, wurde erstmals am
10. März gesichtet, ein unberingtes Männchen komplettierte eine Woche
später das Paar. Anfang April begann die Bebrütung des Geleges, das bei
heftigen Kämpfen am 22. April zu Bruch ging. Vier Eier wurden bei den
Angriffen eines Fremdstorches über Bord geworfen. Keiner glaubte mehr an
eine erfolgreiche Brut in diesem Jahr. Doch das Weibchen zeitigte ein
Nachgelege, aus dem in der ersten Juniwoche doch tatsächlich zwei Junge
schlüpften und erfolgreich im August das Nest verließen.
Eine weitere frohe Botschaft kann heuer auch aus dem Nest auf dem Kamin
der ehemaligen Molkerei in Wittelshofen vermeldet werden.
Dort fand 1994 die bislang letzte Brut statt, ein Jahr später scheiterte
eine solche durch den Stromtod eines Altstorches während der Brutzeit.
Jetzt zogen um den 20. April Störche ein, bauten das wenig einladende
Nest binnen sechs Tagen zu einer wahren Storchenburg aus und begannen
zur Freude vieler nach einer achtjährigen Pause mit der Brut. Die
Brutzeit verlief ohne jede Aufregung, so dass am 30 Mai die ersten
Fütterungen beobachtet werden konnten. Obwohl kein Einblick in das Nest
möglich ist, genügte die Tatsache einer Fütterung als Nachweis für das
Vorhandensein von Jungen. Nur in einem solchen Fall würgen die Eltern
Futter aus Schlund und Magen in das Nestinnere. Es dauerte einige
Wochen, bis man sicher sein konnte, dass zwei Junge im Nest
heranwuchsen. Auch sie wurden – wie alle anderen im Landkreis Ansbach –
am 6. Juli im Alter von etwa fünf Wochen beringt. In den ersten
Augusttagen sah man dann häufig vier Störche am Südabhang des
Hesselberges in der Thermik in die Höhe gleiten. Wittelshofen war wie
das nicht weit entfernte Wilburgstetten nach längerer Unterbrechung
wieder in den Rang eines Storchenortes aufgestiegen. Welch großes
Potential als geeigneter Lebensraum der Flussabschnitt der Wörnitz in
diesem Bereich aufweist, zeigt auch das nur knapp zwei Kilometer von
Wittelshofen entfernte Gerolfingen.
Hier war auf Initiative von Günter Losert auf dem Kamin eines ehemaligen
Brauereigebäudes im Jahre 1993 eine künstliche Nisthhilfe angebracht
worden. Immer wieder besuchten darauf Störche das Nest, die erste
erfolgreiche Brut glückte aber erst im Jahr 2000. Einem ausgeflogenen
Jungen folgten im Vorjahr deren zwei. Auch heuer schien alles auf einen
positiven Bruterfolg hinzudeuten. Bereits Ende März war das Paar
komplett und begann in den ersten Apriltagen mit Eiablage und Brut. Ende
Mai befanden sich mindestens zwei Junge im Nest. Was danach geschah,
liegt im Dunkeln. Weder interessierte Anwohner noch der Besitzer des
Nestgebäudes können sagen, wie und wann die Jungen aus dem Nest
verschwanden. Es war eines Tages leer und weder unterhalb des Nestes
noch im Nest konnten Spuren des Dramas entdeckt werden. Mit Sicherheit
haben die Geschehnisse mit dem Auftauchen fremder Störche und deren
Nestattacken zu tun. Häufig kommen durch Angriffe von Artgenossen nicht
nur Eier, sondern auch schon größere Junge zu Schaden. Diesmal traf ein
solches Ereignis das Gerolfinger Storchenpaar. Den ganzen Sommer
hindurch sah man in und bei der kleinen Hesselberggemeinde mehrere
Störche, die dort Nahrung suchten und abends auf Gebäuden oder Bäumen
übernachteten.
Die Tour durch den Landkreis endet in Wassertrüdingen, kurz bevor die
Wörnitz in den Regierungsbezirk Schwaben überwechselt und damit
mittelfränkisches Gebiet verlässt. Es ist auch erst sechs Jahre her,
dass auf dem Giebel eines hohen Lagerhauses am Rande der Altsstadt eine
Nisthilfe für Störche angebracht wurde. Bereits zwei Jahre später fand
1998 die erste Brut statt und so erfolgreich ging es in den nächsten
Jahren weiter. Bis einschließlich 2001 flogen 9 Jungstörche in
Wassertrüdingen aus. Doch heuer schien die Brut zunächst unter keinem
glücklichen Stern zu stehen. Das Weibchen des Paares, das bereits in der
ersten Aprilwoche das Nest besetzte, trug im Gegensatz zu den
letztjährigen Storchendamen in Wassertrüdingen den Ring einer
Vogelwarte, war also neu in der Wörnitzstadt. Als am 23. April bei
heftigen Kämpfen Eier aus dem Nest geworfen wurden, musste schon mit dem
Schlimmsten gerechnet werden. Offenbar hatte sich bei den
Auseinandersetzungen um das Nest ein neues Weibchen, vielleicht sogar
ein neues Paar durchgesetzt, denn anschließend trugen beide Partner
keinen Ring mehr. In der neuen Zusammensetzung zeitigte man ein weiteres
Gelege, aus dem zwei Junge schlüpften und im August auch ausflogen.
Blicken wir noch einmal schnell an den Oberlauf der Wörnitz zurück und
wenden uns einem kleinen Nebenfluss, der Ampfrach, zu. Kurz vor ihrer
Mündung in die Wörnitz kam es heuer in Unterampfrach zu einer
Neuansiedlung. Anfang Mai ging es wie ein Lauffeuer durch die Ortschaft:
Störche sind da! Ihr Hauptinteresse galt den Holzmasten der
innerörtlichen Stromversorgung. Dort ruhten und übernachteten sie, bis
eines Tages einer – offensichtlich ein Männchen – auf einem dieser
Masten ein Nest zu errichten begann. Leider sah der Energieversorger
keine Möglichkeit, das Nest in dieser Form auf dem Holzmasten zu
belassen. Es wurde entfernt! In einer beispiellosen Gemeinschaftsaktion
zahlloser Anwohner wurde auf einem Nachbargrundstück ein alter Maibaum
mit einem Wagenrad aufgestellt, jedoch von Adebar nicht angenommen.
Statt dessen baute er erneut auf seinem Lieblingsplatz weiter, bis das
Stromunternehmen die Leitungen entfernte und den Mast in den Besitz der
Gemeinde Schnelldorf überführte. Die Isolatoren beließ man am Mast, so
dass eine kleine Auflage für Äste und Zweige vorhanden war. Nach einigen
Tagen Pause – der verbliebene Einzelstorch hatte im benachbarten Zumhaus
einen ähnlichen Versuch gestartet – kam er reumütig nach Unterampfrach
zurück und baute auf dem Mast auf dem Grundstück der Familie Kraus
abermals ein Nest. Schon heute warten die Unterampfracher gespannt auf
das kommende Frühjahr in der Hoffnung, dass sich erstmals auch Nachwuchs
einstellen möge.
Von diesem Wunsch sind auch die Einwohner Schopflochs beseelt. Die
Nisthilfe auf dem dortigen Rathaus erlebte auch in diesem Jahr
gelegentlich Storchenbesuch, eine längere Verweildauer, die sogar einmal
eine Brut erwarten ließe, zeichnete sich leider wieder nicht ab.
Insgesamt erlebten die Storchenorte an der Wörnitz einen seltenen Boom.
Mit sage und schreibe sieben Brutpaaren wurde ein Ergebnis erreicht, das
seit Menschengedenken nicht mehr erzielt werden konnte. Allerdings soll
bei aller Freude nicht verkannt werden, dass nur vier Paare erfolgreich
brüteten und insgesamt nur 9 Junge ausflogen. Gerade die letzten Zahlen
zeigen den geringen Bruterfolg unserer Störche. Unter diesem Aspekt muss
mit allem Nachdruck am Erhalt bestehender Lebensräume festgehalten und
um die Verbesserung potentieller Nahrungsgebiete gekämpft werden. Nur so
kann es gelingen, bessere Brutergebnisse vorweisen zu können und den
Bestand auf einem ähnlich hohen Niveau zu halten wie zuletzt.
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Teil 3 Altmühl
Im zweiten Teil berichtet unser Mitarbeiter und Storchenexperte Thomas
Ziegler aus Feuchtwangen über die Geschehnisse um die Storchennester an
der Altmühl. Vom Oberlauf folgen wir seinen Spuren bis ins Wiesmet, dem
größten Wiesengebiet ganz Nordbayerns, bei Ornbau.
Bereits wenige Kilometer nach ihrem Ursprung durchfließt der größte
Fluss des Landkreises, die Altmühl, ein weites Wiesental. Gespeist von
zahlreichen kleineren Nebenflüssen erreicht sie an Colmberg vorbei
fließend den kleinen Ort Meuchlein. Als sich hier spontan 1995 ein
Storchenpaar erstmals angesiedelt hatte, kam es im darauf folgenden Jahr
zur bisher einzigen Brut mit einem ausfliegenden Jungen auf der
Dunstabzugshaube einer Scheune. Seither blieb das Nest verwaist und
verfiel immer mehr. Eine künstlich geschaffene Nisthilfe auf dem Dach
des Feuerwehrgerätehauses wurde nicht angenommen. Doch heuer kam es
während einiger Tage im Juni zu regelmäßigen Besuchen eines
Einzelgängers. Die Gegend um Meuchlein bietet jederzeit die Möglichkeit
für ein Wiederaufleben der erst kurzen Storchentradition.
Einige Kilometer weiter thront schon Jahrzehnte lang auf dem
Schlauchtrocknungsturm des Feuerwehrgerätehauses in Leutershausen ein
besetztes Storchennest. Seit dem vergangenen Winter bleibt das Weibchen
des Paares seiner fränkischen Wahlheimat auch in der kalten Jahresszeit
treu. Die mittlerweile 18 Jahre alte Storchendame erhielt ihren Ring
1984 als Küken in einem Nest in Hunawihr im Elsass. Bereits im
vergangenen Jahr brütete die Störchin in Leutershausen und zog zwei
Junge auf. Selbst die kalte und schneereiche Witterungsperiode um die
Weihnachtszeit machte unserer Dame keine Probleme. Sie verbrachte in
dieser Zeit viele Tage und Nächte auf dem Kamin eines Einkaufsmarktes
vor den Toren der Stadt. Bereits im vergangenen Jahr brütete die
Störchin in Leutershausen und zog zwei Junge auf. Am 23. März wurde ihr
Warten auf einen Partner erneut belohnt. Ein Männchen fand sich ein.
Auch dieser Storch trug einen Ring und es stellte sich heraus, dass
unsere Französin einen neuen Partner gefunden hatte. Der Neue hatte
seinen Ring 1996 in Forst in Nordbaden in der Nähe von Karlsruhe
erhalten. Die beiden verstanden sich schnell und einer Brut stand nichts
mehr im Wege. Um die Monatswende Mai/Juni jedoch kam es zum Verlust
mehrerer kleiner Junge. Weshalb sie starben, blieb ungeklärt. Da für die
Eltern von da an weniger Aufgaben zu bewältigen waren, sah man sie an
manchen Tagen überhaupt nicht mehr am Nest. Man darf gespannt sein, ob
das Weibchen auch den kommenden Winter in seiner fränkischen Wahlheimat
zubringen wird.
In Neunstetten auf dem Wohnhauskamin von Familie Paul Rupprecht befindet
sich seit Menschengedenken ein bewohntes Storchennest. Im letzten Jahr
kam es während der Brutzeit durch einen Stromunfall zum schmerzlichen
Verlust eines Storchs, so dass die Brut verloren ging. Auch heuer musste
man bis in die letzten Apriltage warten, ehe sich Störche am Nest
zeigten. Die Paarbildung vollzog sich jedoch ungemein schleppend, alle
Nestbauversuche unterblieben und nach drei Wochen zogen beide zu der
Nisthilfe auf dem benachbarten Autohof sowie zu der auf einer
Werbeanlage des benachbarten Rastmarktes unmittelbar an der
Autobahnauffahrt. Was die beiden zu diesem Ortswechsel veranlasst hatte,
bleibt deren Geheimnis. Das Männchen – so wies es der Ring aus, den es
trug – war in den vergangenen fünf Jahren Brutvogel in Leutershausen.
Bei seiner verspäteten Ankunft heuer fand er das Nest dort bereits von
einem anderen Männchen besetzt vor und wich darauf auf das nächste noch
freie Nest in Neunstetten aus. Während des gesamten Sommers machten
beide keine Anstalten für eine Brut, sondern pendelten meist zwischen
dem Autohof und dem Kaminnest in Neunstetten hin und her.
Seit Jahrhunderten ziert das Stadtor von Herrieden – auch Storchentor
genannt - ein Storchennest. In dieser attraktiven Kombination zählt es
wohl zu den meist fotografierten Motiven in der Altmühlstadt. Blieb es
im vergangenen Jahr nur bei vorübergehenden Besuchen von Störchen,
zeigten sich heuer bereits im März immer wieder einzelne Besucher. Aber
keiner blieb länger oder hatte ernsthafte Absichten. Erst Ende April
fanden sich schließlich zwei Störche, die es miteinander versuchen
wollten. Das Männchen gehörte schon im letzten Jahr zu den Besuchern des
Nestes. Sein Ring stammt von einem Züchter, dessen Herkunft nicht
ermittelt werden konnte. Auf alle Fälle wurde der Herrieder Storchenmann
in Gefangenschaft geboren. Seine Partnerin kommt aus Frankreich, der
Geburtsort sowie das Geburtsjahr sind noch nicht bekannt. In den ersten
Wochen sorgten die beiden für einige Aufregung in der Umgebung des
Domizils des Reitvereins. Hier wurden reihenweise Fensterscheiben
attackiert, in denen die Störche in ihrem Spiegelbild vermeintliche
Rivalen zu erkennen glaubten. Aus dem gleichen Grund wurden Autos
bestiegen und munter auf die Karossen eingehackt. Auch zeigten sie sich
gegenüber Menschen so zutraulich, dass sich Eltern eher an Hitchcocks
Filmklassiker „Die Vögel“ erinnert sahen und sich um das Wohl ihrer
Kinder sorgten. Diese Verhaltensweisen belegen eindeutig, dass
vermutlich beide Herrieder Brutstörche in engem Kontakt mit Menschen
groß wurden. Mit fortschreitender Brutzeit legte sich diese Unart immer
mehr und als das einzige Junge zu versorgen war, blieb für derartige
Eskapaden keine Zeit mehr. Das Junge flog aus, nicht ohne zuerst eine
Bruchlandung in den engen Gassen der Altstadt hinter sich gebracht zu
haben. Beherzte Anwohner fingen es kurzerhand ein und trugen es vor die
Stadt. In den weiten Wiesenflächen gelang der Neustart problemlos.
Bis zum nächsten besetzten Storchennest muss man eine weite Strecke
Altmühl abwärts reisen. Vorbei an den Nestern in Rauenzell und
Großenried, die heuer unbesetzt blieben, erreichen wir das von einer
Stadtmauer umgebene Ornbau. Dort grüßt schon von weitem sichtbar auf dem
Kamin eines aus der Barockzeit stammenden Wohnhauses in der Altstadt die
in diesem Jahr abermals besetzte Storchenbehausung. Beide Störche des
letztjährigen Paares kamen nicht mehr nach Ornbau. Das Männchen blieb
verschollen, das Weibchen wanderte – wie bereits im Bericht über die
Wörnitzstörche erwähnt – nach Wilburgstetten ab. Die beiden Neuen hatten
zu Beginn der Brutzeit mit einem Baukran zu „kämpfen“, dessen Ausleger
immer wieder dem Nest bedrohlich nahe kam. So verwundert es nicht, dass
das Weibchen bei der Eiproduktion etwas sparsamer zu Werke ging. Als das
einzige geschlüpfte Junge im Alter von gut drei Wochen am 17. Juni einen
Ring der Vogelwarte erhielt, fand ihr Chronist außerdem noch ein
unbefruchtetes Ei im Nest vor. In den ersten Augusttagen flog das Junge
aus.
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Ornbauer Nest haben Störche vor sechs
Jahren auf einem ausgedienten Kamin innerhalb der Landwirtschaftlichen
Lehranstalten in Triesdorf ein Nest gebaut. Seither blieb der Bruterfolg
eher bescheiden. Doch heuer landete das Paar einen Volltreffer. Während
das Weibchen eine alte Bekannte war - sie hält dem Triesdorfer Nest seit
1997 die Treue und wurde, wie die Beringung ausweist, im Jahre 1993
geboren – handelte es sich beim Männchen um einen Storch, der vorher
noch nicht in Triesdorf beobachtet worden war. Sein Leben begann 1998 in
Riedhausen in Südwürttemberg. Als Vierjähriger brütete er mit seiner
9-jährigen Partnerin zum ersten Mal. Am 22. Mai konnten die ersten
Fütterungen beobachtet werden. Vier Junge wuchsen heran, ehe am 16. Juni
das Nesthäkchen aus dem Nest geworfen wurde. Während seine Geschwister
am 17. Juni, dem Tag der Beringung, um die fünf Pfund auf die Waage
brachten, war der Unglückliche weniger als drei Pfund schwer. Dieser
große Gewichtsunterschied erklärt vielleicht das Schicksal des kleinsten
Jungen. So wird wenigstens gewährleistet, dass sich Nahrungsengpässe
nicht auf noch mehr Junge negativ auswirken. Die drei Jungen, die das
Triesdorfer Paar heuer zum Ausfliegen brachte, stellen trotzdem einen
neuen Rekord seit Bestehen des Nestes dar.
Ziehen wir für die Altmühlstörche im Landkreis Bilanz, fällt diese heuer
sehr trübe aus. Bei fünf Paaren kam es nur in drei Fällen zu
erfolgreichen Bruten. Mit nur fünf ausfliegenden Jungen wurde
gleichzeitig eine dramatisch niedrige Nachwuchsrate erzielt. Vergleicht
man die Entwicklung an den beiden Flüssen in den vergangenen Jahren, so
fällt auf, dass an der Wörnitz ein deutlicher Aufwärtstrend und eine
gleichzeitige Stabilisierung des Bestandes eingetreten sind. Dies hängt,
wie zahlreiche Ablesungen von Ringstörchen belegen, mit einer deutlichen
Bestandserholung der sogenannten Weststörche zusammen. Vor allem
massive, nicht immer unumstrittene Stützungsmaßnahmen haben den Bestand
in Baden-Württemberg innerhalb von zwei Jahrzehnten von etwa 20 Paaren
auf weit über 200 ansteigen lassen. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet
sich auch im benachbarten Frankreich ab, wo durch
Wiedereinbürgerungsversuche vor allem im Elsass sich die Bestandszahlen
vervielfacht haben. Letztlich profitieren andere Landesteile im Westen
Frankreichs von einer massiven Erhöhung der Brutpaarzahlen in weiten
Teilen Spaniens. Der dadurch gestiegene Populationsdruck lässt junge
Störche zur Brut verstärkt in Gebiete östlich ihres Geburtsortes
vordringen, die noch günstige Biotope bereit halten. Und letztlich haben
sich in den vergangenen Jahrzehnten die Überlebensbedingungen in den
Überwinterungsgebieten immer weiter verbessert. Die frühen Ankunftsdaten
einiger Störche lassen weiter den Schluss zu, dass die Westzieher – und
bei den Wörnitzstörchen handelt es sich überwiegend um solche –
verstärkt bereits in Südspanien überwintern und sich den Flug bei
Gibraltar über das Mittelmeer sparen. Offene Müllkippen im Bereich
großer Städte haben sich zu nie versiegenden Nahrungsquellen entwickelt,
an denen Tausende von Störchen das Winterhalbjahr verbringen.
In diesem Frühjahr kam es nach 1997 erneut auf dem Zugweg, den die
Ostzieher befliegen, zu dramatischen Wetterbedingungen, die ein
Vorwärtskommen kaum oder nur schwer ermöglichten. Viele Störche wurden
in Anatolien und später auch auf dem Balkan so lange aufgehalten, dass
die Ankunft im Brutgebiet zu spät erfolgte oder eine Zugumkehr eintrat.
Unabhängig von diesen nicht hausgemachten Unbilden bietet die Altmühl
durchaus noch Lebensraum für einige Brutpaare mehr. Gerade im Gebiet um
Großenried lohnen sich Investitionen in eine Verbesserung der
Lebensraumsituation. Auch das Wiesethtal zwischen Wiesethbruck und
Taugenroth sowie alle Ortschaften, die an das Wiesengebiet Wiesmet
südlich von Ornbau grenzen, bieten noch in reichem Maße Eigenschaften,
die den Ansprüchen des Weißstorchs voll genügen. Auch dort sollten
bestehende Strukturen wie Flutmulden, flache Grabenverläufe sowie eine
extensive Bewirtschaftung von Wiesenflächen erhalten werden. Wo diese
noch nicht bestehen, sollte über die Schaffung solcher Maßnahmen
nachgedacht und diese verstärkt zur Anwendung gebracht werden. Solche
Bemühungen kommen letztlich nicht nur dem Storch zugute, sondern führen
zu einer artenreicheren Lebensgemeinschaft, die auch Pflanzen und allen
Tierklassen ein besseres Auskommen sichert.
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Thomas
Ziegler
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