Storchenkamera

Storchentagebuch 2003
...was bisher geschah
Teil 15
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12. Aug. 03
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Früher als erwartet und weniger
als 14 Tage nach dem ersten Ausflug unseres ältesten Jungstorchs
Felix hat sich unser Quartett in den Vormittagsstunden aus
Dinkelsbühl verabschiedet.

Wo sind sie denn hin?
Felix verließ am 30. Juli erstmals das Nest, am
3. August, dem Tag unseres kleinen Storchentreffens, flog Benjamin
das erste Mal. So dauerte es als bei Felix 13, bei Benjamin 9 Tage
bis zum Verlassen des Geburtsortes. Sicher hängt das schnelle
Verlassen der Brutheimat mit den weiterhin extremen
Wetterverhältnissen zusammen, denn auch heute kletterte die
Quecksilbersäule abermals über die 35-Grad-Marke. Als
gestern die Jungen aus Wassertrüdingen in Dinkelsbühl übernachteten
und zu diesem Zeitpunkt unser Quartett nicht mehr im Nest,
sondern auf umliegenden Dächern nächtigte, deutete sich für
mich diese Entwicklung schon an. Das Fernbleiben vom Nest war
der entscheidende Schritt für den heutigen Abzug. Zuletzt
gelang um 10:31 Uhr eine Sichtung zweier Jungen im
Nest.

Letzter Schnappschuss von zwei Jungen im Nest!
Von da an wurde keiner mehr gesehen. Mit
Sicherheit haben sich die Gäste sowie die Dinkelsbühler
Jungen in der Thermik des späten Vormittages über der
Stadt in die Höhe geschraubt und sind schließlich in Richtung
Südwesten abgeflogen. Natürlich muss diese These spekulativ
bleiben, denn für unseren Nachwuchs gibt es – wie für alle Störche –
zwei Abzugsvarianten. Franken liegt nun genau in einer
Mischzone, aus der heraus beide Zugrichtungen möglich sind. Es gibt
für unser Nest keine neueren Ringfunde, aber aus der Gesamtschau
meiner bisherigen Ringfunde für fränkische Störche ist ersichtlich,
das etwa 70% die Westroute fliegen, der Rest folglich
dann die Ostroute. Ein Ringfund für einen
Dinkelsbühler Jungstorch aus dem Jahre 1959 belegt die
Westroute, wurde dieser Vogel doch aus dem französischen Teil der
Pyrenäen zurückgemeldet. Aus dem vergangenen Jahr erhielt
ich zwei Ablesungen der beiden damaligen Wassertrüdinger
Jungstörche aus Hochrhein in Graubünden, Schweiz. Diese
beiden Festsstellungen sind klare Belege für einen Westzug.
Ebenfalls aus dem Vorjahr stammt dagegen ein Todfund
eines Jungstorchs aus Wittelshofen (zwischen Dinkelsbühl und
Wassertrüdingen gelegen), der aus Niederbayern gemeldet
wurde. Sie sehen also, wie diffizil die Verhältnisse in Franken
liegen. Ganz generell gilt aber: Je weiter man nach Osten blickt,
umso häufiger liegt die Abzugsrichtung in dieser Himmelsrichtung, je
weiter man nach Westen Richtung Rhein kommt, umso häufiger liegt die
Abzugsrichtung in jener Himmelsrichtung. Aber Sie kennen ja schon
das geflügelte Wort: Bei Störchen ist mit jeder
Überraschung zu rechnen und es gibt Schweizer Störche,
die nach Osten ziehen und tschechische, die nach
Westen reisen. Deshalb sind die hier gemachten Angaben lediglich
Anhaltspunkte, welche Abzugsrichtung in unserem Falle die
dominierende sein könnte. Unser Quartett reist mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit gemeinsam. Das heißt, Felix, Lore, Luise
und Benjamin bilden eine Reisegruppe, der sich sehr schnell
Störche anschließen werden. Schon beim Start zählte man ja
wahrscheinlich acht Köpfe. Auf dem weiteren Weg Richtung Südwest
gesellen sich immer mehr Störche dazu, so dass Richtung
Schweiz/Bodensee Trupps von 50 und mehr Störchen keine Seltenheit
sind. Je weiter sich unsere Jungen von ihrer Brutheimat entfernen,
desto größer wird natürlich die Möglichkeit, dass der
Geschwisterverband auseinander reißt und einer irgendwo hängen
bleibt oder den Anschluss verliert. Im Grunde aber gilt, dass
Geschwister auch auf dem Wegzug Kontakt zueinander halten oder dies
zumindest versuchen. Bei den guten Wetterbedingungen des heutigen
Tages mit weit über 30 Grad Lufttemperatur und guter Thermik sollte
ein Flug bis in den Nähe des Bodensees möglich sein, wenn auch der
erste Flugtag selten schon eine maximale Flugleistung (und das wären
so 200 bis 300 Kilometer) erlaubt. Da die Zugrichtung
angeboren ist, erfordert es die Vererbungslehre, dass es
zumindest auch in der Linie der Elternvögel Westzieher gibt. Ob hier
Vater und/oder Mutter als die entscheidenden Vererber fungieren,
vermag ich nicht zu sagen. Da aber Georg bereits am 25.
Februar am Nest erschien, rechne ich ihn mit großer Sicherheit
zu den Westziehern. Kein Ostzieher erscheint so früh. Also
ist es sehr gut möglich, dass Georg irgendwo in
Spanien überwintert hat, seine Kinder dann eben auch die
Westroute nehmen. Georg und Pauline reisen in den nächsten Tagen
ebenfalls ab. Bei ihnen ist die Situation wieder eine andere. Georg
– nehmen wir einmal an – fliegt ebenfalls Richtung Spanien. Pauline
geht ihre eigenen Wege und könnte theoretisch und auch praktisch die
Ostroute einschlagen. Eine gemeinsame Reise der Altstörche
ist auf jeden Fall eher die Ausnahme. Da sie auch meist mit
großem Abstand zueinander aus der Brutheimat verschwinden, sehen
sie sich während des Zuges wohl nie. Erst die Treue zum Nest des
Vorjahres führt dann die beiden Partner wieder zusammen. Da spielt
es keine Rolle, welche Zugwege die Störche genommen haben. Das
gemeinsame Ziel ist das Entscheidende. Eines der
berühmtesten Storchenpaare unserer Republik sind Prinzesschen und
Felix. Gerade die zuletzt genannte Storchendame hat in diesem Jahr
für einigen Wirbel gesorgt. Beide Störche tragen einen
Satellitensender und sind damit genau verfolgbar. Deshalb weiß man,
dass Felix in Spanien überwintert, Prinzesschen dagegen alljährlich
bis nach Südafrika wandert. So könnte es im Extremfall bei Georg und
Pauline auch sein. Nur einmal gelang es mir heute,
beide Elternteile gemeinsam im Nest zu „erwischen“.

Pauline, unsere Kinder sind wohl weg!
Sie schienen ihren Jungen nachzusehen, die sich
irgendwo im Luftraum über der Stadt aufhielten. Danach war das Nest
meist leer. Pauline stand zwischendurch längere Zeit auf
dem Dachfirst

Das wäre geschafft!
und erst gegen 19 Uhr konnte man Georg wieder
im Nest beobachten.

Georg macht im Nest Pause!
In der Nacht allerdings blieb der
Platz im Nest Pauline vorbehalten und Georg zog
freiwillig auf den Dachfirst des benachbarten Cafèhauses
Haagen.

Georg scheint mir ein wenig aus dem Weg zu gehen!
Er stand auf der rückwärtigen, zur Georgskirche
weisenden Giebelspitze und wollte von Pauline nichts mehr
wissen. Man sieht, dass die enge Paarbindung zu seiner Partnerin
bereits aufgebrochen ist und er es vorzieht, ohne ihre Gesellschaft
auszukommen. Bitte nicht denken, dass sich beide nichts mehr zu
sagen hätten oder die Verbindung durch Streitigkeiten gelöst wurde.
Es sind die Hormone! Ich werde das Schlafverhalten auch in
den nächsten Tagen beobachten und an dieser Stelle
darüber berichten. |
13. Aug. 03 |
Heute war der heißeste Tag seit 1948 im
Gebiet der Wörnitz. 38 Grad zeigte das Thermometer am Nachmittag.
Dazu wehte ein heißer „Wüstenwind“, der zusätzliche
Saharastimmung aufkommen ließ. Die Spuren im Nest gaben für
zahlreiche Gästebuchschreiber schon am Morgen einige Rätsel
auf. Sind es Mäuse? Sind es geheime Zeichen der Eltern an ihren
Nachwuchs? Wer jedoch in unserem Falle an Gewölle gedacht
hat, lag richtig.

Des Rätsels Lösung: Gewölle!
Pauline brachte es also während der Nacht auf
den Ausstoß einiger dieser unverdaulichen Nahrungsreste.
Natürlich werden diese aus Haaren, Erde, Chitinteilen, kleinen
Steinchen und anderem „Unrat“ bestehenden
Nicht-Verdauungs-Produkte auch sonst von den beiden
Altstörchen und den Jungen ausgewürgt. In den Monaten bis
zum Schlüpfen der Jungen und in der ersten Phase der Jungenaufzucht
werden solche Teile schnell überbaut und verschwinden dann
unter dem neuen Nistmaterial. Sind die Jungen erst einmal
größer, zertreten diese die im Nestinneren liegenden
Gewölle sehr schnell, so dass eigentlich nur selten und immer nur
für kurze Zeit ein ungetrübter Blick auf diese Produkte möglich ist.
Die Nestbesuche von Georg und Pauline hielten sich während
der Bruthitze sehr in Grenzen.
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Georg zu
Besuch! Klappert oder gähnt er? |
Georg im
Abseits! |
Der Abend erbrachte schließlich die
gleiche Situation wie bereits gestern. Pauline übernachtete
allein im Nest. Ob Georg abermals auf dem Dach des Cafés Haagen
stand, konnte ich nicht mehr persönlich ermitteln. Ich weilte
nämlich bis weit nach Mitternacht mit der gesamten Familie bei einem
Konzertabend, den Tochter Felicitas mit einer weiteren Sängerin aus
Feuchtwangen im Rahmenprogramm der Röttinger Festspiele mit Opern-
und Operettenmelodien gab. Vor mehreren Hundert Besuchern wurde der
Abend zu einem gefeierten Erlebnis für alle Zuhörer. |
14. Aug. 03 |
Es hat abgekühlt und einige Wolken
versprechen vielleicht sogar den einen oder anderen Regenschauer.
Die Zahl der Gewölle hat sich auch in dieser Nacht erneut
vermehrt.

Pauline hat in der Nacht fleißig verdaut!
Pauline konnte folglich ihren Verdauungsprozess
weiterführen und somit unter Beweis stellen, dass es immer noch
Nahrung für sie gibt. Eine findige Störchin – der Storchenmann
natürlich ebenso – kommt ohne den Nachwuchs versorgen zu müssen,
allein auf sich gestellt, auch mit einer prekären Nahrungssituation
gut zurecht. Die Temperaturen stiegen heute nur noch kurz über 30
Grad, sanken am Nachmittag mit den kurzen Schauern
schließlich in den Bereich von erträglichen 25 Grad. Die
Ruhe am Nest entwickelt auch ihre Reize, doch ausgestorben
blieb es auch heute nicht. Immer wieder kamen entweder
Georg oder Pauline zu Kurzbesuchen vorbei und
unterstrichen dadurch, dass sie noch nicht gewillt sind,
Dinkelsbühl den Rücken zu kehren.
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Georg zu
Hause... |
...in
Liegestellung |
Am Abend saß Familie Ziegler nach
Einbruch der Dunkelheit in Dinkelsbühl „Beim Surri“ im
Biergarten und hatte einen ungetrübten Blick zum Rathausnest,
in dem Pauline abwechselnd lag und stand.

Pauline ist zum Übernachten erschienen.
Beäugt wurde sie in dieser Zeit von Gemahl
Georg, der wieder auf dem Dach des schon häufiger
genannten Cafés Haagen übernachtete. Diesmal hatte er jedoch
die andere Giebelspitze gewählt und blickte nun unter sich auf die
Straße am Ledermarkt.
Ein nächtliche Kontrolle ergab in
Schopfloch die drei Jungen im Nest und beide Altvögel
gemeinsam auf dem Kamin eines Wohnhauses an der
Durchgangsstraße. Die beiden Mosbacher Altstörche standen
ebenfalls zusammen im Nest. Während die beiden
Feuchtwanger Störche weder auf ihrem Ausweichquartier
„Matratzenfabrik“ noch auf dem Nest in der Altsstadt zu finden
waren und offensichtlich abgezogen sind. |
15. Aug. 03 |
Weitere traurige Meldungen gab es heute
über das Schicksal einiger Jungstörche aus dem Gebiet der
Wörnitz. So kamen von den vier Jungen im Nest in
Rudelstetten (Ries) zwei bereits ums Leben. Einer
starb bereits vor dem Ausfliegen im Nest, der zweite
verunglückte beim ersten Ausflug. Auch das einzige
überlebende Junge aus Munningen (dort war bei einem Unwetter
der Horstbaum umgestürzt und hatte zwei von drei Jungen erschlagen)
verunglückte beim ersten Abflug vom Nest und kam mit
erheblichen Flügelverletzungen in den Tiergarten nach
Nürnberg, wo ein Flügel amputiert werden musste. Und nun
verunglückte heute ein weiterer Jungstorch bei Wechingen
im Ries. Wie Hermann Metzger, der Storchenvater im Ries, mir
mitteilte, fing er einen flugunfähigen Jungstorch in der Nähe
des genannten Ortes ein. Da er beringt war, wies ihn die
Ringnummer als aus Mosbach stammend aus. Dort hatte ich die
dreiköpfige Jungenschar zuletzt am 3. August gesehen. Offensichtlich
hatten sich die Jungen seitdem knapp 50 Kilometer von ihrem
Geburtsnest entfernt im Ries herumgetrieben, wenn auch nicht
ausgeschlossen werden kann, dass sich der Unglücksrabe mit seiner
Verletzung schon einige Tage in dieser Gegend aufgehalten hatte.
Mitarbeiter des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern brachten den
Storch in den Tiergarten nach Nürnberg.
Wesentlich erfreulicher gestaltet sich
dagegen das Leben auf dem Altrathausnest in Dinkelsbühl.
Georg interessierte sich sogar schon wieder für die seit dem
Abflug der Jungen entstandene Unordnung im und am Nest.

Zeit, wieder etwas aufzuräumen!
Der äußerste Kranz aus Ästen und Zweigen
hat inzwischen etwas an „Nestbindung“ verloren und ist leicht
nach unten abgerutscht. Ob es an überfliegenden Fremdstörchen
lag, dass Georg und Pauline im Nest eine Drohposition
einnahmen und heftig klapperten oder ob es übertriebene Freude war,
sich wieder einmal im Nest zu begegnen, kann nicht eindeutig geklärt
werden.

Schön, dich wieder einmal bei mir zu haben, Pauline!
Bei Georg dauerte dieses Verhalten etwas länger
und er konnte auch später noch beim Drohen beobachtet werden. Als er
sich auch noch durch die Liegeposition als der Hausherr
auswies, dürfte der Grund der Aufregung doch vermehrt im
Auftauchen von Fremden zu suchen gewesen sein.
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Jetzt sind
die Fremden wieder weg! |
Als sich die Aufregung wieder gelegt hatte,
standen Pauline und Georg einträchtig und gelassen nebeneinander und
gaben sich in aller Ruhe der Gefiederpflege hin.

Genug Zeit für die Körperpflege!
Abends stand Pauline erneut alleine im Nest und
musste eine weitere Nacht auf ihren Gemahl Georg verzichten. Dieser
stand – mit großer Sicherheit – etwas abseits bei Haagen auf dem
Dachfirst. |
16. Aug. 03 |
Die Abkühlung, die gestern nur noch Temperaturen von 27 Grad
gebracht hatte, setzte sich heute nicht weiter fort. Die Sonne
vertrieb auch die letzten Regenwolken, die jedoch nur einige Tropfen
des so dringend erforderlichen Regens brachten. Mit beinahe 30 Grad
im Schatten konnte man trotzdem schon ein wenig aufatmen. Man sieht
daran, wie schnell sich der Körper auf die Hitze einzustellen
vermag. Auch heute gab es über Stunden „Zweisamkeit“ im Nest.

Wo unsere Kinder jetzt wohl sein werden, Georg?
Nach einigen Tagen des absoluten „Getrennt-Seins“ finden Georg
und Pauline so langsam wieder zusammen. Mit etwas Glück traf man sie
im Nest an und die Schnappschüsse sollen diese neue Liebe auch
belegen.

Die Abkühlung war nur von kurzer Dauer!
Selbst am Abend erschienen beide im Nest und man hatte den
Eindruck, dass es zur ersten gemeinsamen Übernachtung kommen könnte,
doch am Schluss machte sich Georg im letzten Licht noch davon und
zog es vor, auf den benachbarten Dachfirst des Cafés Haagen zu
entschwinden.
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Bleibst du
heute bei mir, Georg? |
Er hat sich
wieder nicht getraut! |
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17. Aug. 03 |
Das Thermometer kletterte abermals locker über die
30-Grad-Marke. Dazu entwickelte sich eine teilweise extreme
Schwüle, die den Tag nicht leicht erträglich machte. Nachdem
zuerst wieder Georg seine Anwesenheit eindeutig unterstrich,

Bin ja gespannt, wann Pauline kommt!
waren es über die Mittagsstunden beide Elternteile, die
für Stunden Präsenz zeigten. Dabei fiel auf, dass Georg es
vorzog, ein wenig Abstand zu seiner Partnerin zu halten. So
rückte er ein Stück vom Nest ab und stand für Stunden auf
dem Dachfirst des alten Rathauses.
Würde es heute Abend zu einer Neuerung im
Übernachtungsverhalten unserer beiden Stars kommen? Um 20:40
Uhr hielt man noch Tuchfühlung und zeigte sich vereint
im Nest.

Bleibst du heute, Georg?
Aber bereits 10 Minuten später war Georg abermals
von Pauline abgerückt, aber erstmals nicht auf ein
Nachbardach, sondern er blieb praktisch auf Tuchfühlung auf dem
Dachfirst des alten Rathauses stehen. Dort schlummerte unser
Traumpaar dann in den neuen Morgen.
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Heute
probiere ich es zur Abwechslung
auf dem Dachfirst, Pauline!) |
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18. Aug. 03 |
Der erste Anruf des Tages kam von Thomas Joas, dem
Ortsvorsitzenden des Bund Naturschutz in Dinkelsbühl. Er habe
erfahren, dass bei Diederstetten auf einem Acker ein toter
Storch liege. Er bat mich, der Sache nachzugehen und die näheren
Umstände zu ermitteln. Da Diederstetten innerhalb des
Nahrungsgebietes der Dinklsbühler Störche liegt, war mein erster
Gedanke: Kann ein Dinkelsbühler Storch von einem solchen Unglück
betroffen sein? Eigentlich nicht! Die Jungen sind seit sechs Tagen
abgezogen und dass sie in einer Entfernung von etwa 4 Kilometern
ausharren, ohne ans Nest zurück zu kommen, ist ziemlich
ausgeschlossen. Nachdem ich meinen Kontaktmann in
Diederstetten aufgesucht hatte, war das Finden des toten
Storchs keine große Schwierigkeit mehr. Auf einer
leichten Anhöhe auf einem ehemaligen Rapsfeld sollte sich das Opfer
befinden. Zwei Rote Milane hatten den Kadaver bereits
entdeckt. Während einer über dem Opfer kreiste, hatte sich
ein zweiter an der Unglücksstelle niedergelassen und sich am Aas
bereits zu schaffen gemacht. Bei meinem Auftauchen flog er
ab und kreiste noch eine Weile über dem Unglücksort. Das
Opfer – maximal seit gestern tot – zeigte äußerlich keinerlei
Verletzungen. Am After war es offensichtlich von den Attacken
der Milane bereits ein wenig geöffnet und wies dort eine
diesbezügliche Verletzung auf. Beim toten Storch handelte es
sich um einen unberingten Vogel, ein kleiner Trost, aber ein
toter Storch ist – ob beringt oder unberingt – ein beklagenswerter
Verlust. Demnach konnte es keiner „meiner“ Störche gewesen
sein und die Herkunft wird immer im Dunkeln bleiben. In etwa 30
Meter Entfernung führt eine mit Isolierschläuchen gesicherte 20
kV-Stromtrasse entlang. Die früher so gesicherten Masten erwiesen
sich nach neuen Erkenntnissen als nicht sehr sicher, so dass durch
auftretende Kriechströme dennoch Erdschlüsse möglich waren und sind.
Deshalb wurden und werden solche Masten auch sukzessive
nachgerüstet. Die weite Distanz von der Fundstelle zu einem
der Masten lässt einen Tod im Mastbereich reichlich
unwahrscheinlich erscheinen. Eher kommt da schon ein Anflug
gegen die Leiterseile in Frage. Aber ein Klärung der
Todesursache muss auf Grund der Fundumstände als unbekannt
eingestuft werden. Die Fahrt zur Unglücksstelle brachte als kleinen
Nebeneffekt den Sichtnachweis von Pauline im Nahrungsgebiet.
Während Gemahl Georg schon große Teile des Vormittages einsam in
seinem Nest thronte,

Ich glaube, ich reise bald ab!
ertappte ich Pauline zwischen Neustädtlein und
Knittelsbach rund 3 Kilometer sudöstlich des Nestes an der
Wörnitz bei der Nahrungssuche. Sie durchstöberte den Randstreifen
zwischen einer gemähten und einer ungemähten Fläche auf der Suche
nach Insekten.
Georg brachte es
im Lauf des Tages auf viele Stunden Anwesenheit im Nest.

Da mach ich es mir doch einmal bequem!
Das Abrutschen des Nistmaterials legte allerlei
von Georgs Sammelleidenschaft während der Brut und Jungenaufzucht
frei. So tauchten vermehrt Plastikteile auf, die damals an den
Nestrand gezerrt und dort eingebaut worden waren. Auch gab es erneut
einige frische Gewölle zu bestaunen, die Pauline während der
Nacht und des Vormittages im Nest ausgewürgt hatte. Das Wetter
gestaltete sich erneut wechselhaft mit einzelnen Schauern
und Gewittern. Dabei blieben die Temperaturen auf einem
hohen Niveau von annähernd 30 Grad. Am späten Nachmittag –
das Nest war zu diesem Zeitpunkt leer – entlud sich über Dinkelsbühl
ein kurzes, aber heftiges Gewitter, dessen Verlauf die
Schnappschüsse zeigen.
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Diesmal brauchte jedoch niemand Angst zu
haben, wie sich die Naturgewalten entwickeln würden, bedrohten sie
doch nur ein leeres Nest. Mit einiger Spannung erwartete ich den
abendlichen Einflug unseres Traumpaares. Und an diesem Abend
passierte es endlich, was ich eigentlich schon viel früher erwartet
hatte. Pauline und Georg fanden sich wieder! Sie brachten es
endlich fertig, ihre Distanz zu überwinden und eine Nacht
gemeinsam im Nest zu verbringen. Bis 21:02 Uhr musste
Pauline warten, ehe Georg unter heftigem Begrüßungsklappern am Nest
erschien und die erste Nacht seit vielen Wochen im engen
Dunstkreis von Pauline verlebte.
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Heute kommt
Georg zu mir ins Nest! |
Ich hatte
Recht! Wiedervereinigung! |
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19. Aug. 03 |
Heute musste ich lange warten, ehe sich etwas
im Nest regte.

Daran muss man sich erst wieder gewöhnen!
Zugegeben, ich konnte nicht pausenlos am
Bildschirm sitzen! Doch meine erste Sichtung gelang zum
abendlichen Einflug von Georg. Er war es, der um 20:21 Uhr
nach Hause gefunden hatte, im Nest stocherte und anschließend
nur noch wenig Aktivität zeigte.

Heute warte ich
zur Abwechslung auf Pauline!
Fast genau zum gleichen Zeitpunkt wie gestern
erschien Pauline kurz vor 21:00 Uhr unter heftigem
Begrüßungszeremoniell.

Willkommen bei mir zu Haus, Pauline!
Danach erwartete man abermals gemeinsam die
nächste Nacht in Dinkelsbühl. Was ich kürzlich über die
Feuchtwanger Störche gesagt hatte, durfte ich heute gegen Abend
revidieren. Beide sind nämlich noch nicht gen Süden geflogen,
denn einer stand gegen 19 Uhr im Nest auf dem
Rathauskamin und um 22 Uhr auf der Matratzenfabrik zum
Übernachten. |
20. Aug. 03 |
Thomas Joas entwickelt sich langsam zum Überbringer von
Hiobsbotschaften. Meldete er mir erst vor 48 Stunden den Tod
eines unberingten Jungstorchs, so hieß seine heutige Botschaft am
Vormittag: „Bei Tiefweg liegt ein toter Storch.“
Danach noch eine kurze Beschreibung des genauen Ortes, den Namen
einer Bezugsperson und damit war die Aufgabe von Thomas J. erfüllt.
Als Nächster musste nun Thomas Z. ran. Das Gebiet um Tiefweg
ist bekannt als Nahrungsraum der Dinkelsbühler,
Wilburgstettener und zum Teil sogar der Weiltinger Störche.
Nach Dinkelsbühl und zum Nest auf dem alten Rathaus sind es
gerade gut gerechnete vier Kilometer, zum Fundort des toten
Jungen vom 18. August bei Diederstetten gerade zwei Kilometer. Etwas
beunruhigt fuhr ich die rund 20 Kilometer von meinem Heimatort bis
nach Tiefweg. Kurz vor dem kleinen, inmitten eines Weihergebiets
gelegenen Ort sah ich schon, wie Thomas es mir beschrieben hatte,
neben einer Pferdekoppel, mitten auf einer Wiese ein weißes „Etwas“
liegen. Als ich den Vogel untersuchte, fiel sofort die
merkwürdige Haltung des toten Storches auf. In weitem
Abstand zum Fundort befinden sich keinerlei Stromleitungen
oder ähnliche Hindernisse, ein Stromtod scheidet damit
völlig aus. Die Beine waren außerdem angewinkelt, so dass man
vermuten musste, dass der Tod den Vogel im Liegen ereilt hatte. Der
Hals und der Kopf waren eigenartig verdreht und nach hinten auf den
Rücken gesunken. Allein diese Eindrücke verstärkten meinen
Verdacht, dass dieser Vogel im Liegen auf der Wiese unter
krampfartigen Begleitumständen verstorben war. Als Todeszeit kam
die vorausgegangene Nacht in Frage. In dieser Einschätzung bestärkte
mich auch eine Anwohnerin, die seit Tagen immer wieder zwei Störche
von ihrem Haus aus an den Weihern beobachten konnte. Auch gestern
Abend seien sie da gewesen. Einer lag schon zu diesem Zeitpunkt
am Boden, so dass sie erst glaubte, es sei eine Katze. Später habe
sie nicht mehr darauf geachtet und erst heute am Morgen die traurige
Entdeckung gemacht. Da Georg und Pauline gestern ja gemeinsam im
Nest übernachtet hatten, konnte der tote Storch kein
Dinkelsbühler sein, denn beim ersten Anblick dachte ich sogleich
an unsere Pauline. Der vor mir im Gras liegende Storch war ein
Altvogel und trug keinen Ring. Blieben als mögliche
Kandidaten immer noch einer der Altstörche aus Wilburgstetten oder
Weiltingen oder ein Durchzügler aus einer ganz anderen Gegend.
Sollte der nun vor mir liegende Storch – und diese Todesart halte
ich für die wahrscheinlichste – an einer Vergiftung gestorben
sein? Wer aber sollte hier Gift ausbringen? Es gibt einen Teichwirt,
es gibt ganz in der Nähe eine Graureiherkolonie, aber da kann ich
beim besten Willen keine Zusammenhänge herauslesen. Für alle Fälle
galt es zunächst den Kadaver sicher zu stellen. Da meine
hauseigene Gefriertruhe mit allerlei Getier schon bis zum Bersten
gefüllt ist, schied diese Unterbringungsmöglichkeit aus. Doch Thomas
Joas wusste schnell einen Rat. Er verständigte eine Jägerin in
Wilburgstetten und fragte nach einem freien Platz in einer
Gefriertruhe. Es gab einen solchen. So brachte ich den toten
Altstorch an diese Adresse und die morgendliche Storchenaktion
konnte vorübergehend abgeschlossen werden. Ich werde versuchen, den
Vogel einer Untersuchung zuzuführen, um vielleicht
Aufschluss über die Todesursache zu bekommen. Trotz der
Gewissheit, dass es keiner der Dinkelsbühler Altstörche sein konnte,
der da in einer Gefriertruhe verschwunden war, blieb doch den ganzen
Tag über eine Unruhe in mir, die sich erst legen sollte, wenn ich am
Abend beide Störche im Nest zu Gesicht bekommen würde. Das Warten
wurde bis 20:36 Uhr mit dem Erscheinen von Georg und
Pauline beendet.

Uns gibt es noch, liebe Sehergemeinde!
Da standen sie plötzlich wie hingemeißelt und das blieb so, bis
die Nacht über dem Nest hereinbrach. Pauline und „ihr Schorsch“
hatten sich also für eine weitere Nacht zum Bleiben entschieden und
sich gegen einen Platz in einer Gefriertruhe ausgesprochen. Das soll
bitte auch so bleiben. Mit schlechten Nachrichten sind wir ja in
letzter Zeit reichlich eingedeckt worden.
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Wir wünschen
eine gute Nacht! |
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21. Aug. 03 |
Ich bin gespannt, wie lange Georg und
Pauline noch zu beobachten sein werden. Das Wetter
zeigt sich auch in den letzten Tagen von seiner besten Seite.
Von Regen weit und breit keine Spur, so dass das
Niederschlagsdefizit so allmählich dramatische Formen annimmt.
Offenbar lässt sich unser Traumpaar dennoch nicht davon abhalten,
Dinkelsbühl untreu zu werden und an anderer Stelle sein Glück zu
versuchen. Nach dem morgendlichen Abflug präsentierte das
Nest wie in den letzten Tagen einige unversehrt gebliebene
Gewölle der vergangenen Nacht. Bleiben Pauline und Georg dann
während des Tages sehr lange dem Nest fern, behalten die Überreste
der Verdauung auch sehr lange ihre Form. Befinden sich beide Störche
allerdings längere Zeit im Nest, werden die schwarzen „Dinger“ sehr
schnell zertreten und sehen dann wie dunkelgraue Pfannkuchen aus.

Verdauungsreste!
Erst um 20:14 Uhr konnte ich Georg
als ersten Übernachtungsgast begrüßen.

Mal sehen, wie lange ich noch bleibe?
Pauline folgte um 20:32 Uhr und
man verbrachte eine weitere Nacht gemeinsam im Nest.
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Du, Pauline,
wir sollten uns im nächsten Jahr wieder in Dinkelsbühl
verabreden! |
Eine nächtliche Kontrolle in Mosbach
zeigte ein verlassenes Nest. Demnach sind auch die Eltern
inzwischen abgereist. Ich werde aber trotzdem weiter „am Ball“
bleiben, um eine mögliche Rückkehr doch nicht zu verpassen. Solche
Ausflüge, die auch mal einige Tage dauern können und mit einer
nachmaligen Rückkehr zum Nest verbunden sind, habe ich schon
mehrmals beobachten können. In Schopfloch standen zur
Nacht nur noch die beiden Altstörche im Nest, die
Jungen sind zur Stunde ebenfalls auf dem Wegzug. |
22. Aug. 03 |
Das Tagebuch ist mit dem heutigen Tag genau ein halbes
Jahr geöffnet. Seit dem 23. Februar konnte ich j e d e
n T a g einen neuen Eintrag hinzufügen. Wann es –
vorübergehend – geschlossen werden kann, lässt sich noch nicht
absehen, denn Georg und Pauline halten ihr Nest nach wie vor besetzt
und von einem ähnlichen Fall wie im letzten Jahr in Mosbach ist
wahrscheinlich nicht auszugehen. Damals blieb einer der Jungen nach
mehrwöchiger Pflege zurück und wurde bis zu seinem Abflug am 8.
Dezember durch mich intensiv beobachtet und seine Erlebnisse im
Tagebuch schriftlich fixiert. Heute gaben sich unsere
beiden Nestbesitzer längere Zeit auch während des Tages die
Ehre. Pauline zog dabei den Dachfirst dem Nest vor und überließ
ihrem Gemahl Georg die Sonderstellung in der ehemaligen Kinderstube.

Lassen wir uns die Mittagssonne
auf den Rücken brennen!
Fast schon zur Routine entwickelt sich das abendliche
Geschehen. Gegen 20:30 Uhr war es zunächst erneut
Georg, der seinen Übernachtungsplatz bezog,

Mal sehen, wann Pauline heute kommt!
ehe wenige Minuten vor 21:00 Uhr Pauline einschwebte. Eine
weitere Nacht tauchte beide in ein geheimnisvolles Licht.
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23. Aug. 03 |
Alles läuft weiterhin prächtig. Nach wie
vor scheint die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, von Regen keine
Spur und Pauline und Georg halten sich auch 11 Tage nach
dem Abzug Ihrer Jungen zeitweise am Nest auf. So kam es
über die Mittagszeit zu einem der seltenen Besuche beider
Altstörche außerhalb der Nachtstunden. Obwohl man glauben
konnte, es sei nur einer am Nest, verriet die genauere Betrachtung
des Kamerabildes, dass es doch Georg u n d Pauline sein mussten:
Zwei Schnäbel, vier Beine..!“?

Doppeltes Lottchen!?
Doch bald war es mit der Zweisamkeit vorbei und
Georg hielt nach dem Abflug von Pauline noch über eine Stunde allein
Stellung im Nest. Ab 13:40 Uhr sah man nur noch die schon
obligatorischen Gewölle als Zierde des Nestes

Mahlzeit!
und man musste sich bis zur hereinbrechenden
Dämmerung gedulden, ehe gegen 20:50 Uhr beide Altstörche wieder
vereint am Nest eingetroffen waren und eine weitere Nacht dort
verbrachten.
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So kann es
noch ein Weilchen weiter gehen!) |
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24. Aug. 03 |
Auch heute verbrachte ein Mitglied unseres Traumpaares seine
Mittagspause im Nest. Georg zog diesen hervorragenden
Aussichtspunkt während mehr als einer Stunde jedem anderen Platz
vor.

Aufräumen!
Aus seinem Verhalten konnte geschlossen
werden, dass er fremden Störchen über seinem Nest
beweisen wollte, wer hier Herr im Hause sei. Unter heftigem
Drohen und Klappern zeigte er deutlich seine Nestpräsenz.

Drohen!
Als er abgeflogen war, konnte man nicht mehr mit einer baldigen
Rückkehr rechnen und das Warten auf den abendlichen Einflug konnte
beginnen. Ein weiteres Mal wurde dieses Warten mit einbrechender
Dämmerung vom Erscheinen der beiden „Alten“ überstrahlt. Um 20:47
Uhr hatten sie sich am Nest eingefunden und verlebten
auch die neue Nacht gemeinsam.

Schlafen!
Ob sie sich schon ein wenig abgesprochen haben, wann denn ihr
Abflug geplant sei? Wollen wir hoffen, dass es noch einige Tage
dauert, bis der Platz im Nest auch in der Nacht leer bleibt. |
25. Aug. 03 |
Von der Wetterfront gibt es nichts
Neues. Die Sonne scheint auch in der neuen Woche von einem
strahlend blauen Himmel und lässt die Temperaturen erneut weit über
die 25-Grad-Marke klettern. Von unserem Traumpaar war
tagsüber nichts zu sehen, zumal die Technik – durchaus
verständlich – die Bildintervalle auf über eine halbe
Stunde verlängert hat. Da bleiben natürlich Kurzbesuche
am Nest unentdeckt, aber für die entscheidenden Minuten und
Stunden während der Nacht reicht es allemal. Man kann
immerhin feststellen, ob ein oder zwei Störche im Nest
übernachten. Und diese Beobachtung soll für uns in den nächsten
Tagen wesentlich sein. So konnte man beim Schnappschuss um 20:36 Uhr
Pauline im Nest stehen sehen,

der sich bis 21:09 Uhr auch Georg zugesellt
hatte. Einer lag und der Partner stand neben ihm und das Ganze im
romantischen Licht der Stadtbeleuchtung Dinkelsbühls.

Bei einer kleinen nachmittäglichen Exkursion
konnte ich Georg im Nahrungsgebiet längere Zeit
beobachten. Er ging an der Wörnitz zwischen der
Froschmühle und dem Ortsteil Maulmacher in einer frisch
gemähten Wiese der Nahrungssuche nach. Von seiner Partnerin war in
diesem Flussabschnitt nichts zu entdecken. Beide Altstörche scheinen
auch im Augenblick während des Tages getrennte Wege zu gehen und
erst zur Übernachtung wieder zusammen zu treffen. Als kleiner
Nebeneffekt gelang mir bei der Fahrt an die Wörnitz noch die
Beobachtung des Schopflocher Storchenpaares, das
ebenfalls noch vor Ort weilt und in der Nähe von Zwernberg im
Bereich der Mündung der Zwergwörnitz in die Wörnitz zur Beobachtung
kam. |
26. Aug. 03 |
Die Sonne scheint weiter von einem wolkenlosen Himmel...!
Aber das wissen Sie ja schon längst und daran hat sich auch in der
neuen Woche nichts verändert. Pauline und Georg konnten von mir
heute am Nest während des Tages nicht beobachtet werden.

Wo seid ihr, Georg und Pauline?
Bei einer neuerlichen Exkursion in die Wörnitzauen
sichtete ich jedoch Georg abermals zwischen Lehengütingen
und der Pulvermühle. Er war gegenüber gestern rund einen
Kilometer weiter Richtung Nordwesten anzutreffen. Von Pauline,
seiner Partnerin, fehlte in diesem Flussabschnitt erneut jede Spur.
So verwunderte es auch nicht, dass ich Nest und Nestgebäude
am Nachmittag in einem storchenlosen Zustand vorfand.
An Hand der Spuren auf dem Dach erkennt man die
Lieblings-Ruheplätze von Georg und Pauline. Zum einen war dies
der Kamin links vom Nest und zum anderen die Giebelspitze
rechts vom Nest.

Ein zweites Foto, das ich bei meinem Besuch heute in Dinkelsbühl
schoss, zeigt das zweite Gebäude, das Café Haagen. Dort
verbrachten Pauline und Georg viele Nächte. An der rechten
Giebelseite war über Wochen Paulines Schlafplatz und an einigen
Stellen auf der linken Dachseite künden weiße Schmelzspuren
ebenfalls von gelegentlichen Übernachtungen.

Etwa gegen 20:30 Uhr konnte man das Paar
schließlich bei seiner Rückkehr zum Nest bestaunen und ihm eine gute
Nacht wünschen. Dass dabei der eine oder andere Partner auch einmal
im Nest lag, brachte Erinnerungen an die Brutzeit hoch, die nun
schon über drei Monate zurück liegt.

|
27. Aug. 03 |
Nun wird es mit jedem Tag spannender! Wie lange kehren
Pauline und Georg noch abends ins Nest zurück? Verschwinden sie
gemeinsam oder – was vielleicht häufiger vorkommt – nacheinander?
Für heute wurden alle Wartenden mit dem Erscheinen beider „Alten“
belohnt. Sie standen zumindest ab 20:26 Uhr
einträchtig nebeneinander im Nest und verbrachten eine weitere
Nacht, in der der Mars seine geringste Entfernung zur Erde seit
Jahrtausenden aufbot, einzelne Sternschnuppen über den Himmel zogen
und der Mond sich ganz versteckte, in Dinkelsbühl.
|
28. Aug. 03 |
Heute ist es passiert! Was wir seit
langem erwartet, aber immer ein Stückchen verdrängt haben, ist nun
am Abend zur Wahrheit geworden. Pauline und Georg sind nicht
mehr in ihr Nest zurückgekehrt! Erstmals blieb das Nest
ohne Übernachtungsgast. Angesichts des Verhaltens unseres
Traumpaares während der vergangenen Wochen bedeutet dieser Umstand,
dass beide heute während des Tages abgezogen sind. Sie
taten dies gemeinsam, so dass die Chance besteht, dass sie
zumindest ein Stück des Weges gemeinsam bzw. in die gleiche Richtung
ziehen werden. Sie leiteten ihre Abreise am letzten Tag einer
beispiellosen Schönwetterperiode ein, die man später wohl als
Jahrhundertsommer bezeichnen wird. Dieser wird mit den
niedrigsten Niederschlagswerten und den höchsten Temperaturen seit
Bestehen von Wetteraufzeichnungen in die Geschichte eingehen. Das
abendliche Warten auf den Einflug der Übernachtungsgäste blieb also
am heutigen Tage ohne Erfolg. Da sich bei einem Kurzbesuch der
Stadt auch auf den umliegenden Häusern nach Einbruch der
Dunkelheit kein Adebar mehr zeigte, blieb kein anderer
Schluss übrig.

Adieu, Georg und Pauline! Gute Reise!
Wünschen wir den beiden, auch im Namen
aller unserer treuen Seher, eine gute und glückliche Reise.
Wie weit und in welche Richtung sie führen wird, kann nur vermutet
werden. Ich spekuliere einmal, dass Georg und Pauline nun
doch in westliche Gefilde entfleucht sein könnten. Mit einem
Zwischenziel in Spanien oder einem Winterquartier in
den Savannen Westafrikas – bevorzugt Mauretanien und Mali –
liegen wir vielleicht gar nicht so verkehrt. Das Paar aus dem
benachbarten Schopfloch konnte ich am späten Nachmittag
in der Nähe des Ortes auf einem frisch gepflügten
Stoppelacker noch einmal zu Gesicht bekommen, so dass zumindest bis
morgen noch mit seiner Anwesenheit gerechnet werden darf. |
29. Aug. 03 |
Als ob es unser Storchenpaar geahnt hätte!
Gerade wenige Stunden bevor sich Andreas Kamm, Thomas Joas und Ihr
Tagebuchschreiber in Dinkelsbühl am heutigen Vormittag trafen, um
über die abgelaufenen Saison zu reflektieren und an die
nächste zu denken, hatten sich Georg und Pauline aus dem Staub
gemacht. Dabei hätten die beiden den Gesprächen ohne Sorge und
Bangen entgegen sehen können. Die Akzeptanz unserer Website
konnte sich im großen Konzert ähnlich gestrickter Seiten eines regen
Zuspruchs erfreuen, der auf alle Fälle dazu anspornt, auch im
nächsten Jahr – vorausgesetzt wir haben wieder Glück und können
über reichen Kindersegen berichten – in noch verbesserter Form
aus dem Storchennest zu berichten. Ich möchte genauere Details
und viele neue Ideen noch nicht ausplaudern, darf aber schon
so viel verraten, dass auf alle Fälle ein Livestream zu
erwarten sein dürfte. Auch das Tagebuch, das nun nicht mehr
täglich aktualisiert zu werden braucht, bleibt weiterhin bestehen
und geöffnet und wird von Zeit zu Zeit auch in der
storchenlosen Zeit ergänzt. Es lohnt sich also nach wie vor, ab
und zu ein wenig neugierig zu sein und auch dem Tagebuch weiterhin
Aufmerksamkeit zu schenken. Sobald es Wichtiges zu berichten gibt,
werde ich dies in diesem Forum bekannt geben.

Ein trostloser Anblick! |
30. Aug. 03 |
Das Nest weist auch an diesem Abend keinen
weiteren Übernachtungsgast aus. Die leise Hoffnung, dass sich
Georg und Pauline mal nur auf einen kurzen Ausflug begeben hätten,
bewahrheitete sich leider nicht. Wenn alles „nach Plan“ verlaufen
sein sollte, dürften beide bereits die Grenzen der Bundesrepublik
überflogen haben und sich auf dem Gebiet der Schweiz befinden.
Das Gebiet zwischen dem Züricher und dem Genfer See lud sie heute
zur Übernachtung ein.

Dinkelsbühl ist um eine Attraktion ärmer! |
31. Aug. 03 |
Gegen 20 Uhr erreichte mich die nächste Schreckensnachricht.
Familie Boidol, allen Naturfreunden in und um Dinkelsbühl wohl
bekannt, entdeckte bei ihrer Exkursion am Abend zwischen
Ruffenhofen und Aufkirchen – im Bereich der Nahrungsgebiete der
Storchenpaare von Wittelshofen und Gerolfingen – unter einem
ungesicherten Masten einer 20 kV-Stromtrasse einen frisch toten
Altstorch ohne Ring. Dieser wies keine äußeren Verletzungen auf,
nach Sachlage der Fundumstände besteht jedoch an einem Stromtod
kein Zweifel, zumal der Tierkörper direkt am Mastfuß
lagt. Dabei dürfte es bei der Landung auf der Traverse oder kurz
danach zu einem Erdschluss und damit zu einem tödlich verlaufenden
Stromschlag gekommen sein. Das Opfer fiel „wie vom Blitz getroffen“
zu Boden und blieb direkt unter dem Mast liegen. Mit diesem Fall kam
bereits der dritte Storch allein im Gebiet um Dinkelsbühl in diesem
Jahr zu Tode.

Die prächtige Georgskirche überragt die Stadt.
Vor dem Turm sind das leere Nest und das weiße Dach
des alten Rathauses zu erkennen! |
1. Sep. 03 |
Während sich Ihr Tagebuchschreiber in
der angebrochenen letzten Ferienwoche mit der gesamten Familie
auf eine kleine Reise nach Stuttgart begab, wurde er auf der
Autobahn von einem erneuten Anruf aufgeschreckt. Thomas Joas,
seines Zeichens Vorsitzender der Ortsgruppe Dinkelsbühl im Bund
Naturschutz, wusste von einem weiteren Zwischenfall mit einem
Storch zu berichten. Zwischen Königshofen und Oberkönigshofen,
beides Orte im östlichen Kreis Ansbach, halte sich ein Storch
auf, der verletzt sei und nicht mehr fliegen könne. Er wolle
der Sache auf den Grund gehen und versuchen, den Vogel einzufangen
und in ärztliche Behandlung zu bringen. Als ich am Nachmittag auf
dem Stuttgarter Schlossplatz beim Kaffeetrinken saß, klingelte mein
Handy erneut. Thomas Joas meldete sich außer Atem und berichtete
über seine Schwierigkeiten, des Storches habhaft zu werden. Dieser
weise zwar eine Verletzung am Bein auf, sei aber noch so gut bei
Kräften, dass ein Fang im Augenblick nicht möglich sei. Wir kamen
deshalb überein, unser Glück an einem der nächsten Tage erneut zu
versuchen.
Dass es sich auch jetzt noch lohnt, dem Nest
auf dem alten Rathaus in Dinkelsbühl etwas Aufmerksamkeit zu
schenken, beweist Ulrich Bohla mit seinem gelungenen
Schnappschuss. Wenn schon nicht Pauline oder Georg zur
Beobachtung kamen, dann doch wenigstens eine prächtige Elster.

Da gibt es aber nichts zu holen, liebe Elster! |
2. Sep. 03 |
Das Schicksal des verletzten Storches ließ mir den ganzen Tag
keine Ruhe, so dass ich beschloss, an der beschriebenen Stelle mein
Glück zu versuchen.

Aufenthaltsgebiet des verletzten Storches
Meine beiden Buben hatte ich sicherheitshalber mitgenommen, um
beim Fangen leichteres Spiel zu haben. Nach einigen Minuten des
Suchens entdeckten wir in einem abgeernteten Maisfeld im
Fersensitz den besagten Storch. Wir kreisten den Vogel zu Fuß ein
und zogen dann den Ring immer enger. Doch als wir auf etwa 30 Meter
herangekommen waren, sprang der verletzte Storch auf und flog nach
wenigen Metern Anlauf mühelos und gekonnt auf. Nach einem Flug von
fast 500 Metern landete er auf einem Erdhügel am Rande eines
Flurbereinigungsweges. Als ein Spaziergänger mit einem frei
laufenden Hund sich der Stelle näherte, startete der Storch erneut
und flog ungefähr die gleiche Strecke bis an den Ortsrand von
Oberkönigshofen. Er hatte abermals ein ehemaliges Maisfeld
angesteuert und ging nach seiner Landung dort wieder in den
Fersensitz.

(Feuchtwangen_425)
Es bereitete ihm sichtlich Schmerzen, das verletzte Bein zu
belasten. Ich beobachtete ihn diesmal aus der Distanz, um über die
Art der Verletzung etwas heraus zu bekommen. Das linke Bein wies im
Bereich der Zehen bis einige Zentimeter darüber schwarze
Verkrustungen auf, die von Blutungen herrühren konnten. Ein danach
folgender Sprint in die Richtung des sitzenden Vogels führte
allerdings abermals zu keinem Erfolg. Zu gut flog er auch diesmal
und vergrößerte damit seinen Abstand zu uns auf einige Hundert
Meter. So wird ihm nur schwer beizukommen sein. Um ihn nicht über
Gebühr zu strapazieren, brachen wir damit den zweiten Fangversuch
ab. |
3. Sep. 03 |
Thomas Joas begab sich heute ein weiteres Mal in das Gebiet,
in dem sich der verletzte Adebar weiterhin aufhält und das er
seit seiner ersten Sichtung nicht verlassen hat. Das Ergebnis blieb
leider das gleiche wie an den vergangenen Tagen. |
4. Sep. 03 |
Unserem Patienten wollten wir heute einen
Ruhetag gönnen. Dafür zeigten sich am Storchennest wieder
einmal mehrere Dohlen gleichzeitig. Ob hier wohl Jungdohlen
von ihren Eltern auf die Möglichkeit des Nistmaterialdiebstahls
eingeschworen wurden, sei dahin gestellt. Außerhalb der Brutzeit
wird von dieser Möglichkeit jedoch kein Gebrauch gemacht, da hierfür
keine Notwendigkeit besteht.

Schaut euch diesen
Haufen Nistmaterial schon einmal an! |
08. Okt. 03 |
Leider ist und war Ihr Tagebuchschreiber
in den vergangenen Wochen nicht „aushäusig“. Er verbrachte
seine Freizeit ausnahmsweise nicht mit Störchen,
sondern nutzte seine Freiräume, um sich vermehrt der
Familie zu widmen. Gerne würde ich den Spuren unserer Störche im
Winterquartier einmal folgen, dies muss ich aber, wenn es überhaupt
realisierbar ist, auf die Zeit nach meiner Pensionierung
verschieben. Auch ein fernöstliches Reiseziel wäre ein lohnendes
Unterfangen, aber es bleibt wohl noch für einige Zeit ein
Wunschtraum. So begann für mich am 8. Sep. der „Ernst des Lebens“
mit der ersten Lehrerkonferenz an meiner Schule und am folgenden Tag
empfing ich meine neuen Erstklässler erwartungsfroh für das
beginnende neue Schuljahr. Die ersten Wochen gestalten sich – wie
viele von Ihnen wahrscheinlich gut nachempfinden können- immer ein
wenig schwierig und für beide Seiten – Lehrer und Schüler – überaus
anstrengend und Kräfte zehrend. Daneben musste die Familie für Sohn
Tobias eine Studentenbude mit ausstatten und dazu gelegentlich für
einen halben Tag nach Stuttgart entschwinden. Am 9. September wurde
offiziell die Storchensaison beendet. Dazu traf sich der „harte“
Kern der Verantwortlichen zu einem Fototermin vor dem Schaufenster
der Adler-Apotheke in Dinkelsbühl. Dort konnte über ein Fernsehgerät
jedermann ein halbes Jahr lang Einblick in das Leben Adebars
gewinnen. Vor allem Apotheker Klaus Milz durfte sich für seine
Bereitschaft, ein Schaufenster für die gute Sache zur Verfügung zu
stellen, loben lassen. Die Lokalpresse zeigte sich ebenfalls mit
unserer Aktion solidarisch und brachte einen weiteren Bericht und
einen kurzen Artikel zu den Ereignissen des Storchenjahres 2003.

Wichtige Personen der „Storchenkamera“ (v.l.): Andreas Kamm
(Technik), Thomas Ziegler (Tagebuch), Klaus Milz (Adler-Apotheke),
Wolfgang Horlacher (Webmaster), Thomas Joas (Vorsitzender Ortsgruppe
Dinkelsbühl im Bund Naturschutz)
Dass die Kameraübertragung via Internet noch
bis zum 4. Oktober lief und als letztes Bild ein reichlich
verregnetes Dinkelsbühl brachte, verursachte für die Betreiber
keinerlei Mehrkosten.

Schlussbild einer erfolgreichen Saison
Die im Vergleich zur „Hochsaison“ anlaufenden
Übertragungskosten konnte Andreas Kamm innerhalb seines „Pools“
quasi kostenfrei mit unterbringen. Dass es letztlich doch zu einer
Einstellung zum genannten Termin kam, lag an den Stadtwerken in
Dinkelsbühl. Diese beantragten – nach vorheriger Rücksprache mit den
Betreibern der Storchenkamera – den Telefonanschluss während der
Abwesenheit der Störche zu kündigen. Da die Stadtwerke für die
monatlichen Anschlussgebühren aufkommen, lässt sich durch die
Kündigung seitens der Stadt zumindest bis einschließlich Februar
2004 einiges an Unkosten einsparen. Die Kamera selbst läuft
unterdessen natürlich weiter, so wie sie es seit April 2001
ununterbrochen und störungsfrei tut. Nur werden ihre Bilder nicht
mehr in die weite Welt übertragen. Sobald sich wieder ein Storch am
Nest blicken lässt – spätestens aber zum Beginn des Monats März –
werden die Bilder der Webcam wieder laufen lernen. Bis dahin bleibt
noch etwas Zeit, sich Gedanken zu machen, wie und mit welchen
technischen Neuerungen wir im kommenden Jahr mit Ihnen in Kontakt
treten werden. Die alte Mannschaft bleibt auf alle Fälle zusammen
und garantiert für Kontinuität. Ihr Tagebuchschreiber wird ebenfalls
seinen Beitrag der Begleitung und Kommentierung der Ereignisse am
Nest beibehalten. An der Intensität und Ausführlichkeit seiner
Kommentare wird er aber Abstriche vornehmen, die allerdings
Wesentliches nicht vernachlässigen werden. Es wird weiter ein
Tagebuch geben, das aber vielleicht statt 1000 Seiten nur noch
wenige Hundert Seiten stark sein wird und vielleicht auch nicht
jeden Tag mit einer 10-seitigen Replik abschließt. Ich denke, dass
sich auch meine treuesten Leser mit einer solchen abgespeckten
Lösung einverstanden erklären können und mir deshalb nicht allzu
gram sein werden.
Unser verletzter Storch, der sich mindestens
seit 1. September (siehe die letzten Tagebucheinträge) im Gebiet von
Königshofen - Oberkönigshofen herumgetrieben hatte, konnte in der
Folgezeit wiederholt beobachtet werden. In allen Fällen gelang ein
Fang nicht oder ein solcher wurde erst gar nicht versucht. Der
Aktionsradius des fraglichen Vogels erstreckte sich im Verlauf des
Septembers über ein immer größeres Gebiet, so dass davon ausgegangen
werden konnte, dass sich die Verletzung mit der Zeit gebessert
hatte. Neben den genannten Orten kamen Meldungen die weiter
wiesethabwärts reichten und über Bechhofen in den Raum
Heinersdorf-Voggendorf führten. Einige Tage später war der Storch
wieder zurückgewechselt und hielt sich darauf in der Gegend von
Meierndorf auf. Die vorläufig letzten Meldungen erreichten mich von
der Altmühl. Am 23. September wurde zwischen Leibelbach und Heuberg
(beide Orte in der Nähe von Herrieden) ein offenbar verletzter
Storch gemeldet, auf den die Beschreibung passte. Seit diesem Datum
fehlt eine weitere Sichtbeobachtung. Es kann dennoch nicht
ausgeschlossen werden, dass sich Adebar immer noch dort aufhält.
Eine Meldung über seinen Tod hat mich allerdings bis heute noch
nicht erreicht. |
30. Dez 03 |
Es gibt ihn noch – Ihren Tagebuchschreiber!
Pünktlich zum Jahresausklang und quasi als Abschluss eines überaus
erfolgreichen Storchenjahres, das unserem Nest mit vier
ausfliegenden Jungen und unserer Website mit 320.000 Zugriffen
überragende Erfolge brachte, melde ich mich aus der „Versenkung“.
Ich tue dies sehr gerne, da ich weiß, dass viele Storchenfreunde
insgeheim schon längere Zeit auf ein Lebenszeichen von meiner Seite
gewartet haben. Dass dies bisher nicht geschah, hat weder
persönliche Ursachen noch anders gelagerte Gründe, sondern war
allein auf meine Schreibfaulheit zurückzuführen. Wenn es nichts
Besonderes zu berichten gibt und der Faden einmal gerissen ist,
ergeben sich einfach einmal mehrwöchige Pausen so wie in unserem
Fall. Seien Sie mir deshalb nicht böse! Das Tagebuch des Jahres 2003
mit täglichen Einträgen von Mitte Februar bis in den September
hinein erforderte schon einige Kraft und manchmal auch die
Überwindung des inneren Schweinehundes, so dass ich nach dem Abzug
der Störche fast ein wenig froh war, dem mir selbst auferlegten
Zwang des Berichtens entfliehen zu können.
Es gab in diesem Herbst auch keine Hugos, deren
Schicksal nachgespürt und über deren Erlebnisse berichtet werden
konnte. Über den im vorangegangenen Eintrag erwähnten verletzten
Storch erreichten mich keinerlei Nachrichten mehr. Seine weiteren
Lebensstationen entziehen sich deshalb meiner Kenntnis. Von unserem
Dinkelsbühler Storchenquartett liegen bis zum heutigen Tag keine
Nachrichten vor. Da die Jungen – wie Sie sicher noch wissen – im
Nest mit Ringen der Vogelwarte Radolfzell gekennzeichnet wurden,
besteht die Möglichkeit ihren Lebensweg zu verfolgen. Dies setzt
allerdings voraus, dass die Ringinschriften irgendwo mit einem
Fernrohr abgelesen oder – und dies wäre weniger erfreulich – die
Ringe nach dem Tod des Vogels in menschliche „Obhut“ geraten. Beides
ist noch nicht geschehen oder nicht mitgeteilt worden.
Über den Verbleib von Jungstörchen aus weiteren
fränkischen bzw. schwäbischen Storchennestern gibt es aber
inzwischen eine ganze Reihe von Meldungen, die vielleicht auch
Hinweise auf den möglichen Zugweg der Dinkelsbühler Jungen geben. Je
ein Jungstorch aus Oettingen und Gunzenhausen des
Geburtsjahrganges 2002 wurde am 14.9. des vergangenen Jahres bei Los
Barrios, Provinz Cadiz in Spanien abgelesen. Dieser Ort mit einer
riesigen Müllkippe ist seit langem als Überwinterungsplatz von
Störchen bekannt, er dient aber auch als „Warte- und Sammelpunkt“
für Störche vor dem Überfliegen der Straße von Gibraltar. Ein
Mosbacher Jungstorch des Jahres 2003 wurde am 9. September
Stromopfer bei Vilagrassa, Provinz Lerida in Spanien. In dieser
Gegend kommen – wie die Ergebnisse des schweizerischen Projektes
SOS-Storch ergaben – jährlich Hunderte von Störchen an wenigen
Stromleitungen zu Tode.
Einen überaus interessanten Einblick in den
möglichen Zugverlauf eines Jungstorches aus Wassertrüdingen
aus dem Jahr 2002 erbrachten zwei Lebendbeobachtungen. Die erste
stammte bereits aus dem Vorjahr, als dieser Vogel zusammen mit
seinem Nestgeschwister am 9. September in der Ortschaft Hinterrhein
in Graubünden, Schweiz abgelesen wurde. Auf ihrem ersten Flug musste
das Duo von Wassertrüdingen aus an das Ostufer des Bodensees gelangt
sein. Von dort folgte es dem Rheintal und kam über Chur nach Tamins.
Dort vereinigen sich der Vorder- und der Hinterrhein zum Namen
gebenden Vater Rhein. Statt schon vorher im Bereich des Bodensees
der Normalroute durch das Schweizer Mittelland zu folgen, strebte
das Duo nun immer weiter in das Hochgebirge hinein. Noch fungierte
der Hinterrhein als Leitlinie und brachte beide in über 1600 Meter
Höhe in den gleichnamigen Ort. Hier musste das Paar übernachtet
haben. Vor ihm lag der Eingang zum San-Bernardino-Tunnel,
vierhundert Meter höher die Passhöhe des Passo del S.Bernardino. Es
blieb keine große Auswahl. Man schraubte sich – gute Thermik
vorausgesetzt – am nächsten Tag in die Höhe und überflog den Pass,
um anschließend italienischen Boden zu erreichen. In der Ferne
blinkte bereits der Comer See und die lombardische Millionenstadt
Mailand war zu erahnen. Hier endete der erste Teil der Geschichte,
bis mich vor einigen Wochen eine weitere Nachricht eines der beiden
„Alpenüberquerer“ erreichte.
Ein solcher Zugweg ist nun nichts
Außergewöhnliches – es gibt eine ganze Reihe von Italienfunden –
jedoch blieb es in den mir bekannten Fällen immer bei einem
einmaligen Schlaglicht. Da heißt es dann „erlegt“ bei Mailand, tot
gefunden in der Nähe von Chur, beobachtet in der Provinz Bergamo.
Wie es aber möglicherweise im Leben dieser Erstzieher weiter geht,
blieb, soweit ich es überblicken kann, meist im Dunkeln. Fast genau
ein Jahr später, am 2. September 2003, wird der Wassertrüdinger
Storch – nun am Beginn seines zweiten Lebensjahres stehend - unweit
der Lagunenstadt Venedig in der Provinz Treviso erneut lebend
abgelesen. Ich vermute, dass er sich seit seiner Erstbeobachtung
immer in Oberitalien aufgehalten und dort auch den ersten Winter
verbracht hat. Vielleicht hat er auf der Suche nach einem
„Schlupfloch“ entlang des Alpensüdkammes im Westen keinen Ausgang
gefunden und danach mit einer mehr östlich orientierten Suche
begonnen. Diese brachte ihn an den Ort seiner letzten Sichtung. Was
wird weiter mit ihm passieren? Es wäre toll, wenn man erfahren
könnte, wo er sich im nächsten Frühjahr aufhalten wird! Wird er sich
mit Einsetzen der Geschlechtsreife wieder nordwärts orientieren?
Viele Fragen, deren Beantwortung dem Ganzen noch die Krone aufsetzen
würden. Geben wir uns also zunächst mit dem zufrieden, was bisher an
Erkenntnissen erbracht wurde.
Mit jedem neuen Tag verkürzt sich auch die
Wartezeit am Dinkelsbühler Nest. Nehmen wir die beiden
vergangenen Jahre als Richtschnur, dann könnte es innerhalb der
nächsten acht Wochen passieren, dass es heißt: Der Storch ist da!
Bis dahin seien Sie vertröstet und genießen Sie bis dahin die Bilder
der spanischen Webcam aus Arevalo unter
www.seo.org/arevalo . Dort kann schon seit Wochen ein Paar
bewundert werden, das sich zumindest zum Übernachten regelmäßig am
Nest einstellt.
Für den Jahreswechsel und den Beginn eines
neuen, hoffentlich ähnlich erfolgreichen Storchenjahres 2004 wünsche
ich Ihnen allen ein gesegnetes neues Jahr, in dem Sie gesund
bleiben, Ihre Gesundheit wieder finden und in dem sich alle Ihre
Hoffnungen und Ziele positiv entwickeln mögen. Der nächste
Tagebucheintrag wird nicht mehr so lange auf sich warten lassen und
wird gleichzeitig das Tagebuch 2004 eröffnen. |
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Inzwischen sind weitere
Spenden
eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum
Erhalt der Webcam und zur Sicherung
des
Lebensraumes unserer Störche. |
Thomas Ziegler
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