Storchenkamera

Storchentagebuch 2003
...was bisher geschah
Teil 8
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22. Mai 03
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Wir befinden uns nun endlich auf der
Zielgeraden.

Vier Eier schauen uns an!
Ich hoffe, mit dem neuen „Nestblick“
einen Kompromiss gefunden zu haben, der auch die
neugierigsten Storchengucker zufrieden stellen kann.

Georg als Rufer in der Wüste:
Heute Nachmittag gibt es einen neuen Bildausschnitt!
Wir entscheiden dann später, wie der
Bildausschnitt neu gewählt werden soll. Bis das Schlüpfen
beendet ist, bleibt der „Nahblick“ auf alle Fälle
erhalten. Ich bin auch richtig verliebt in die Möglichkeit,
Pauline und Georg ins Auge zu sehen.

Macht sich doch gut, der neue Ausschnitt!
An Hand von Details, die jeder für sich
selbst entdecken mag, wird es vielleicht schnell gelingen,
neue Unterscheidungsmerkmale der beiden Partner
festzustellen. Hier denke ich an den Schnabel und dessen
Basis, an Eigenheiten der Beine im Bereich des
Intertarsalgelenkes oder an den leichten Grauton im Rückenbereich
Paulines im Vergleich zum strahlenderen Weiß ihres Gatten Georg. Bis
zum Einbruch der Dunkelheit war noch kein Storchenküken
dem Ei entsprungen. Alle diesbezüglichen Beobachtungen beruhten auf
Täuschungsmanövern kleiner dunkelgrauer Plastikfolienteile.

Es sind noch vier Eier! Alles andere ist doch nur kleiner Müll!
Ich rechne aber morgen oder
spätestens übermorgen mit dem Schlupf des ersten Kükens.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!
Und dann soll auch bei uns wieder
sommerlicheres Wetter herrschen mit Tageshöchsttemperaturen an die
30 Grad. Die letzten Tage waren insgesamt recht kühl und von
täglichen, aber nicht lange anhaltenden Regenfällen geprägt. Doch
trotz der wenig sommerlichen Wetterlage der vergangenen Tage konnte
ich mich bei einem neuerlichen Besuch in Mosbach vom guten
Zustand der fünf verbliebenen Jungen überzeugen. Der
älteste Jungstorch hat bereits ein Alter von 23 Tagen
erreicht, sein jüngstes Geschwisterchen gerade mal 14
Tage. Dass dabei die Größenunterschiede immer noch immens sind,
darf nicht überraschen. Eine ältere Dreiergruppe besitzt nach wie
vor Größenvorteile gegenüber den beiden Kleinsten, so dass insgesamt
noch keine Entwarnung gegeben werden kann. Bei einer Fütterung
durch das Weibchens konnte ich keine Fische mehr
entdecken, dafür undefinierbare, durchweg sehr kleine Nahrungstiere.
Nachdem das Weibchen die Fütterung beendet hatte, kehrte schnell
Ruhe unter den Jungen ein, so dass sie satt zu sein schienen.
Hört sich doch prima an!
Mein Besuch in Dinkelsbühl wegen der
Einstellung eines neuen Bildausschnittes führte mich auch
durch Schopfloch mit seinem neuen Storchenpaar. Auch hier
konnte ich mich von einem ungestörten Brutverlauf überzeugen,
der bis etwa Anfang Juni beendet sein wird. Die Fränkische
Landeszeitung brachte hierüber heute auch einen
Beitrag
aus meiner Feder.
Das Feuchtwanger Storchenpaar macht
weiter große Fortschritte hinsichtlich des Nestbaues und der
Dauer der Anwesenheiten am Nest. Seit gestern ist das Nest
gewachsen und mit einer leichten Grasauflage versehen
worden, so dass das Weibchen viele Minuten im jetzt eindeutig
als Nest anzusprechenden Bau lag und neben ihrem männlichen
Partner ruhte. Von der Schule aus gelangen mir zahlreiche Sichtungen
des Paares und meist stand einer der Störche auf dem Kamin und die
Fehlzeiten während des gesamten Vormittages waren sehr begrenzt.
Ausführliches Bildmaterial folgt in Kürze.
Die Uhr auf dem Bild der Videokamera aus
Dinkelsbühl zeigt – während ich diese Zeilen verfasse - 21:08:47
Uhr. Georg liegt trotz beginnender Dunkelheit fantastisch
scharf und daher in beeindruckender Bildqualität im Nest. Sein
weißes Gefieder leuchtet strahlend hell, übertroffen im Glanz nur
noch von den vier „Golfbällen“ im Nest, die er vor einigen
Minuten sorgsam wendete.

Zu jedem Ei ein Bein!
Eigentlich sollte in diesem Stadium der Brut
bereits Stimmkontakt mit dem ersten oder vielleicht auch dem
zweiten Jungen bestehen. Als Pauline nach der Brutablösung abflog,
nahm sie auch einen kurzen Zwischenstopp auf dem Dachfirst vor, ehe
sie Richtung Wörnitz entschwand. Um 21:29 Uhr landet Pauline für
Sekunden im Nest und flog postwendend auf den Dachfirst. Dort blieb
sie bis um 21:40 Uhr. Mit einem kurzen Satz wechselte sie ins Nest.
Georg erhob sich, es fand die letzte Ablösung statt und Georg verzog
sich seinerseits auf das so geliebte Dach. |
23. Mai 03 |
Warten auf Godot! Während dieser
in Samuel Becketts gleichnamigem absurdem Theaterstück nicht
erschien, hoffe ich doch, dass es bei unserem Storchennachwuchs
etwas anders ausgeht.
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Kein
Zweifel! Es sind noch vier Eier! |
Da kitzelt
noch nicht am Bauch! |
Meine Einschätzung, dass das Schlüpfen des
ersten Jungen am 23./24. Mai stattfinden würde, halte ich
weiter aufrecht, auch wenn bei einer frei lebenden Vogelart
die Brutzeiten durchaus um ein oder zwei Tage
variieren können. Die Angaben über die Brutdauer in der
Literatur liegen bei älteren Veröffentlichungen eher bei
34 Tagen, bei aktuelleren Arbeiten eher bei 33
oder sogar nur 32 Tagen. Damit können alle, so glaube ich,
durchaus leben. Auf alle Fälle sollte es bis zum Sonntag
so weit sein und das erste Hälschen sich emporrecken. Auch ich kann
mich seit gestern nur schweren Herzens von den einmaligen Bildern
unserer Webcam trennen und sauge jedes einzeln in mich auf.
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Nun
übernehme ich!
Endspurt ist angesagt! |
Wie lange
mein Schorsch sich seine
Dachausflüge noch leisten kann? |
Nun werden Sie denken, dass Ihr
Tagebuchschreiber schon ungezählte Nester gesehen und an ihnen
Beobachtungen angestellt hat. Das ist schon richtig! Doch das
Schlüpfen live zu erleben, ist schon etwas ganz Besonderes
und nur von wenigen Standorten möglich. Wenn dann noch eine
Kameraübertragung frei Haus geliefert wird und man alles bequem vom
Sessel aus betrachten kann, ohne in gebückter Stellung aus
einem winzigen Dachfenster mit schwerer Optik in der Hand und
Schmerzen an allen Gelenken das Geschehen zu verfolgen, sind
Glücksgefühle nicht auszuschließen.

Alle meine Entchen...Schwänzchen in die Höh!
Auffällig am Brutverhalten von Pauline
in den Minuten kurz vor 20 Uhr bis gegen 20:30 Uhr war ihre
große Unruhe. Diese Unruhe stellten auch einige
Gästebuchschreiberinnen und Schreiber fest. Der jeweils brütende
Vogel erhob sich dabei im 10-Sekuinden-Takt vom Gelege,
blickte und hörte für Sekunden in die Nestmulde und legte sich dann
wieder nieder. Waren es Geräusche und Stimmen aus dem Ei, die die
Altstörche zu dieser im Vergleich zu den bisherigen Beobachtungen in
der Brutzeit neuen Verhaltensweise drängten? Gegen 22 Uhr
traf Georg endlich wieder auf seine Pauline und zog
gleich bei ihr im Nest ein. „Passiert es vielleicht in dieser
Nacht?“, mag sich Vater Storch denken, „Oder muss ich noch ein wenig
länger warten?“
Mein Storchenpaar in meiner
Heimatstadt hat weiter am Nest gebaut und vor allem die
Nestmulde mit trockenem Gras ausgestattet.
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Die
Nestwerdung geht zügig weiter! |
Nest am 22.
und am 23. Mai
im Hintergrund Fahne zum kommenden Altstadtfest |
Das Weibchen lag wieder regelmäßig für längere
Zeit im Nest, so als ob sie Maß nehmen wollte. In den
Vormittagsstunden herrschte erneut Anwesenheitspflicht, nur
unterbrochen von Flügen zum Herbeischaffen von Nistmaterial. Wenn
man vom Kirchturm aus beobachtet und von der Türmerwohnung
auf den Umgang des Turmes und damit ins Freie tritt,
ändert sich das Verhalten der beiden Störche schlagartig.
Obwohl etwa 40 Meter entfernt vom Nest erhob sich bei
meinem Erscheinen „im Freien“ der im Nest liegende Storch und
schien sichtlich beunruhigt über die für ihn neue Situation.
Ob Adebar wegen meiner Anwesenheit schließlich sogar das Nest
verließ, ist sehr wahrscheinlich, stimmt mich aber ein
bisschen nachdenklich, spielt doch jeden Samstag eine
sechs- bis achtköpfige Bläsergruppe von eben diesem
Turmumgang einen Choral, der am Sonntag im Gottesdienst das
Hauptlied darstellt.

Turmbläser auf dem Umgang des Kranzturmes
Da meine Familie und Ihr
Tagebuchschreiber zu dieser Gruppe gehören und wir am
kommenden Samstag mit dem Turmblasen an der Reihe sind, werde
ich mich der für uns neuen Situation besonders annehmen und beim
Blasen in alle vier Himmelsrichtungen besonders das Verhalten der
Störche im Auge behalten. Um 22 Uhr steht das Paar vereint
im Nest. Als kleine Sondergabe für meine treuen Tagebuchleser
füge ich den heutigen
Bericht in der
Lokalausgabe der Fränkischen Landeszeitung über „meine“
Störche bei.
Da meine Frau am heutigen Tag
Geburtstag feiert, lade ich die gesamte Familie zum
Abendessen nach Mosbach ein. Ein wenig Storch muss eben doch
dabei sein und außerdem genießt das Gasthaus mit seiner
erlesenen Speisekarte einen hervorragenden Ruf. Hier bilden
Qualität und Preis noch eine Freude bereitende Einheit.
Dass man vom richtigen Sitzplatz im Lokal (wenn man nicht so und so
im Freien isst) einen grandiosen Blick zum Storchennest
genießt, stellt schon allein einen Leckerbissen besonderer
Art dar. Ich durfte diesen Blick genießen und sah dabei mehr nach
draußen als auf mein Wallerfilet auf Kartoffel-Lauchgemüse. Mit dem
Fernglas gelang es dabei nach kurzer Zeit alle fünf Jungstörche
auszumachen.
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Fünf Junge
in Mosbach am 22. Mai gesund und munter! |
Eine Fütterung durch die Storchenmama
kam als kostenlose Nachspeise ebenfalls noch dazu. Wer sich
in nächster Zeit einmal auf den Weg nach Dinkelsbühl machen sollte,
dem sei ein Abstecher nach Mosbach und eine Stärkung im dortigen
Gasthaus (es gibt nur eines) wärmstens empfohlen. |
24. Mai 03 |
Heute sollte bei Pauline und
Georg der Durchbruch gelingen, es kam aber erst zu einem
kleinen Schlupfloch im ersten Ei. Um 14:48 Uhr
entdeckte Ihr Tagebuchschreiber die ersten Spuren des
Schlüpfvorganges an einem der Eier des Geleges.

Da ist das Loch! Kein Zweifel,
Pauline, es scheint los zu gehen!
Mit dem Eizahn am Oberschnabel drückt
der Jungvogel – nun für alle sichtbar - gegen die
durch den Kalkabbau geschwächte Schale und bricht
diese an. Der Jungstorch dreht sich dabei im Ei um
seine Achse, so dass die Eikappe kreisförmig angebrochen
wird.

Mal sehen, bis wann es unser Kleiner geschafft hat!
Durch heftiges Bewegen und Abstützen des
Körpers mit den Beinen befreit sich der Vogel schließlich
aus dem Ei. Der Schlüpfvorgang kann wenige Stunden
bis mehrere Tage in Anspruch nehmen.
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Na, geht
doch voran. Nach
drei Stunden ist ein Fortschritt erkennbar!. |
Und noch
später! Vorne rechts spitzt
das Loch über den Nestrand. |
Bewahren Sie deshalb noch ein wenig
Geduld! Bis das Küken für alle sichtbar sein wird, wird schon
noch ein Tag vergehen.
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Wer sich so
gekonnt
auf dem Gelege niederlässt... |
...der hat
ein paar
Streicheleinheiten verdient! |
Nun habe ich mich also doch leicht
verschätzt, aber ein Tag hin oder her ist - wie schon früher
geäußert – immer drin. Bleiben wir am Ball und feiern wir am
Sonntag Geburtstag. Ein Sonntagskind ist schon etwas
Besonderes, auch für Pauline und Georg. Das häufige Aufstehen und
Stochern in der Nestmulde und das häufige Eierwenden konnten
ebenfalls als deutliche Vorboten der bevorstehenden Geburt
beobachtet werden.
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Da habe ich
eine richtige „Eierkette“
hingezaubert! |
Immer schön
wenden! |
Mit etwas Glück gelang es bei jeder kurzen
Brutunterbrechung, das erste „schwarze Loch“ im Ei zu
erkennen. Verwirrung stiftete lediglich ein Zweig im
Bildvordergrund, der genau vor den Eiern aufragte und zwei kleine
seitliche Verdickungen in Höhe der Eier aufwies.
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Wir zwei
sind ein hübsches Paar!
(Georg liegt! Vergleichen Sie
bitte die Schnäbel!) |
Wo ist denn
das
versprochene Küken?
Weit und breit keine Spur! |
So schienen diese Verdickungen, auf ein Ei
projiziert, ein ebensolches Loch vorzutäuschen. Ab 17:40 Uhr
konnte ich das Geschehen schließlich wieder genauer verfolgen. Zu
dieser Minute übernahm Pauline das Brutgeschäft von Georg.
Erst knapp drei Stunden später beobachtete ich eine
Ablösung, die Pauline zur Nahrungssuche rief. Einige Minuten
vor 22 Uhr ließ sich die werdende Mutter am Nest
sehen, Georg erhob sich vom Nest, machte Pauline Platz, die
ihrerseits das Brutgeschäft aufnahm. In dieser Nacht bleibt das
Paar gemeinsam im Nest. Kinder zu bekommen ist ja, wie mir
sicher viele von Ihnen bestätigen können, für beide Elternteile eine
sehr aufregende Angelegenheit, bei der sich die Partner gegenseitig
unterstützen können und sollen.
Feuchtwangens heute beginnendes
Altstadtfest ist um eine große Attraktion reicher. Direkt
am Marktplatz gelegen überragt nun ein fast fertiges Storchennest
mit zwei leibhaftigen Störchen das bunte Treiben. Das
heutige Turmblasen ging für uns vorüber, ohne dass den
Störchen etwas geschehen wäre. Sie hatten es nämlich
vorgezogen, erst gar nicht im Nest anwesend zu sein.
So konnten wir durch unser Erscheinen auf dem Umgang des Kranzturmes
niemanden erschrecken. Als Nicht-Altstadtbesucher mache ich
mich um 22 Uhr noch einmal auf, um aus sicherer Distanz nach
den Störchen zu sehen. Die vielen Besucher in den Gassen der
Altstadt und vor allem auf dem Marktplatz sowie die laute Musik kann
ich von unserem Großparkplatz „Mooswiese“ nicht sehen und hören,
aber ein Meer von zahllosen Autos lässt mir den großen Andrang
wahrscheinlich werden. Unser Storchenpaar nimmt das alles
gelassen hin, es steht seelenruhig auf dem Kamin des
alten Rathauses und damit auch gleichzeitig in seinem Nest.
Ein Abstecher am Nachmittag auf den
Spuren der Störche entlang der Wörnitz brachte
keine großen Neuigkeiten. An allen Orten wird entweder
gebrütet oder es werden schon kleine Junge betreut. Einzig die
Jungen im Weiltinger Storchennest konnten den Storchenexperten
aus luftiger Höhe einen Willkommensgruß senden. Ohne lange zu
warten, zählte ich drei Junge, ein zuverlässiger Beobachter
hatte aber vorher auch schon vier gezählt.
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25. Mai 03 |
Ein Traum wurde in den frühen Morgenstunden
wahr. Dass das Glück aber gleich im Doppelpack zu uns
kommt, habe ich in dieser Form nicht vorhergesagt.

Ratet mal, was Pauline da versteckt!
Des Rätsels Lösung ist
schnell gefunden: Pauline und Georg begannen – entgegen
meiner Einschätzung – erst ab dem zweiten Ei so richtig mit
dem Brutgeschäft. Das ist bei Störchen eh das normalere
Verhalten. Somit lag der Brutbeginn – vom Zweitei an
gerechnet – erst am 23. April. Somit erfolgte der Schlupf
nach 32 Bruttagen (und einigen Stunden) mit einer
Zwillingsgeburt, d.h. in unserem Fall mit dem gleichzeitigen
Aus-dem-Ei-Schlüpfen zweier junger Störche. Doch lassen Sie mich
schnell die Ereignisse noch einmal Revue passieren: Gestern gab es
mit der Beobachtung eines angepickten Eies
(Ursula sah da bereits zwei angepickte Eier, was beweist, wie Recht
sie hatte!) die ersten Anzeichen des bevorstehenden
Schlüpfens. In den Abend- und Nachtstunden wurden die Arbeiten
des kommenden Neugeborenen am Ei fortgesetzt und mit Theresia und
Burkhard auch schnell die gefunden, die vom erfolgreichen Verlassen
der Eihülle sprechen und im Falle von Burkhard auch Bildbeweise
anfertigen konnten. Punkt 6 Uhr war der „Deckel“ des Eies
abgesprengt und das erste Küken bahnte sich einen Weg ins
Freie, noch halb gefangen von der unteren Schalenhälfte, in der
es wie Dionysos in der Tonne saß.
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Dieser Burkhard hat mich doch voll erwischt! Gleich hab ich es
geschafft! |
Beeindruckende Bilder,
die eineinhalb Stunden später abermals von Burkhard noch übertroffen
wurden. Ganz überraschend schickte sich Küken Nummer 2
an, der Eischale zu entspringen. Um 7:26:21 Uhr
befreite sich gerade im linken Bereich der Nestmulde unser neuer
Erdenbürger von der Eischale

Leicht unübersichtlich!
Links schält sich gerade Nummer 2 aus dem Ei!
Rechts hat es Nummer 1 schon vor 90 Minuten geschafft!
und war um 7:51:01 Uhr als Storch neben seinem
Geschwisterchen gut erkennbar.

Zwillinge! Wir sollten Burkhard einmal winken!
War der
„Erstling“ zu dieser Zeit schon trocken hinter den Ohren, zeigte das
Zweitgeborene das durch die Nässe im Ei noch feuchte und
daher dunklere Dunenkleid. Doch bald sollte sich dies
ebenfalls ändern und der bisherige Benjamin seinem Geschwisterchen
gleich kommen. Nur wenige Stunden nach der Geburt öffneten sich die
Augen und nahmen erste Eindrücke aus der Umgebung wahr. Könnte man
unsere beiden Kleinen auf die Waage legen, würden sie außerdem rund
75 g (Schwankungsbereich zwischen 68 g und 88 g) wiegen.

Da sieht man ja den Wald vor lauter Beinen nicht!
Auch bald
nach dem Schlupf gab es bereits die ersten Fütterungen. An
Beutetieren machen im vorliegenden Alter nur solche einen Sinn, die
von der Größe her gesehen für die Jungen fressbar sind, denn mit
Mäusen wären die Neugeborenen heute noch ziemlich überfordert.

Hast du im Tagebuch gelesen?
Wir bringen 75 g auf die Waage!
Also werden es – wie in den meisten ähnlichen Fällen
– Regenwürmer aller Größenklassen sein. Man wundert sich
dabei schon gelegentlich, welch große Beute ein so kleines Küken
doch verschlingen kann. Sind die Jungen satt und unterlassen sie das
Betteln, nimmt der jeweilige Altvogel das vorher aus dem Schlund
ausgewürgte Futter wieder auf, das dann im Magen verbleibt und vom
Elterntier endgültig der Verdauung zugeführt wird.

Zwischen den Beinen von Mama und Papa
lässt sich gut Verstecken spielen!
Ich möchte schon jetzt an alle
Schnappschuss-Fans appellieren und Sie bitten, bei
Fütterungen auf der Hut zu sein und möglichst viele Bilder zu
speichern, die die Art der Beute vielleicht
identifizierbar machen. Im momentanen Alter, bei meist sehr
kleinen Beutestücken, ist dieser Nachweis natürlich nur schwer zu
führen. Es hat also nach einer einjährigen Pause erneut mit
Nachwuchs in Dinkelsbühl geklappt. Wie viele Junge es werden,
müssen die nächsten Tage weisen. Ich sage mal, dass der
Schlüpfvorgang, sollte es nach Lehrbuch weitergehen, am
Dienstagmorgen fortgesetzt und zwei Tage später abgeschlossen sein
kann. Aber weil wir es mit Störchen zu tun haben, sind
Überraschungen nie ganz ausgeschlossen. Deshalb
nageln Sie mich bitte nicht fest, wenn es letztlich doch etwas
anders verläuft. Es wäre ja doch schrecklich, wenn alles so glatt
und berechenbar verliefe. Kommt es anders (so wie die heutige
Zwillingsgeburt), ist die Freude darüber höher anzusetzen. Zum
Ereignis passend wurde das Nest von Vater Schorsch mit
farblich herrlich abgestimmtem Beiwerk ausgestattet. Das Weiß
des Papiertaschentuchs korrespondiert in wunderbarer Weise
mit dem Weiß des Dunenkleides unserer Superstars.
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Papa hat uns zur
Geburt ein weißes
Deckchen als Geschenk gebracht! |
Schau, die
Schnabelspitze
gilt uns! |
Oder wollte
Georg nur die Aufmerksamkeit und Beobachtungsgabe unserer
„Schnappschießer“ testen, denn es fiel manchmal gar nicht so leicht,
zu entscheiden, wo das Taschentuch aufhört und der Storch anfängt.
Das netzartige Gebilde im rechten Bildvordergrund stellt –
wenn überhaupt – im Augenblick keine Gefahr dar. Sollten sich
Junge darin verstricken und sie nicht mehr von diesen Teilen
loskommen, würde ich einen Eingriff am Nest nicht ausschließen.

Du Junior, vor dem netzartigen Gebilde
solltet ihr euch mal fernhalten!
Dieser erfolgt auf alle Fälle zum Zeitpunkt der
Beringung der Jungen. Den genauen Termin, er liegt
frühestens Ende Juni, werde ich selbstverständlich rechtzeitig
bekannt geben. Sollten dagegen Junge in ihrer Entwicklung zurück
bleiben, einen kranken Eindruck machen oder gar sterben, wird von
einem Eingriff auf alle Fälle abgesehen. Ich weiß, dass ich
damit einigen unter Ihnen weh tun muss, doch hoffen wir, dass ein
solcher Fall nicht eintreten wird. Nur möchte ich – und viele kennen
in diesem heiklen Punkt meine Einstellung – bereits jetzt reinen
Wein einschenken und sie mit allen Eventualitäten vertraut machen.
Am frühen Abend schien mir ein weiteres Ei bereits Spuren
des Schlüpfens zu zeigen oder besser gesagt, es zeigte ebenfalls
ein kleines Schlupfloch.

Das ist die nächste Überraschung!
Das nächste Schlupfloch zeigt sich!
Seien Sie deshalb weiter umsichtige und interessierte
Nestgucker und haben Sie in den nächsten Wochen mindestens ebenso
viele freudige Momente und Erlebnisse mit unserem Storchennest und
dessen „Besatzung“ wie im Augenblick!
Vom Feuchtwanger Storchennest gibt es
wenig Neues zu berichten. Dass die beiden Gäste die
Attraktion des Altstadtfestes darstellten, blieb aber dennoch
unbestritten. Der Ausbau des Nestes schritt auch heute
wieder voran und zumindest zeitweise besuchten Adebars auch während
des Nachmittags ihr Nest und erduldeten die Musik
verschiedener Blaskapellen. Ich hoffe einmal, dass die beiden
Langbeine eher der Musikrichtung Ihres Storchenexperten nacheifern,
denn anders konnte ich mir ihr sehr langes und unbegründetes
Fernbleiben vom Nest nicht erklären. Trotzdem kamen sie zur
Übernachtung zurück ins Nest und durften sich weitere Schmachtfetzen
anhören. Morgen geht alles dann wieder seinen gewohnten Gang und das
Schlimmste wäre ausgestanden. |
26. Mai 03 |
Unser Traumpaar!? Es wartet doch nach
wie vor mit der einen oder anderen Überraschung auf.

Mal überlegen, was ich mir für eine
Überraschung ausdenken könnte!
Dachte ich gestern nach der
aufregenden Zwillingsgeburt, dass nun am heutigen Tag etwas
Ruhe einkehrt, belehrten mich Pauline und Georg abermals eines
Besseren. Es geht um Küken Nummer 3. Dieser Schlingel wurde
zwei Tage nach seinen Geschwistern als große befruchtete
Eizelle ins Storchennest gelegt. Obwohl er demnach zwei Bruttage
weniger auf der Eischale vorzuweisen hat, schlüpfte er
dennoch nur rund 27 Stunden nach Küken Nummer 2. Nummer 3
hat also während der Brutzeit einen knappen Tag aufgeholt.
Ich kann nur sagen, dass dies nun auch nichts Ungewöhnliches
darstellt, dass es aber ausgerechnet bei unserem Paar passiert,
macht die Angelegenheit um eine Nuance pikanter. Dieser
„Frühling“ hatte sich gestern Abend bereits angekündigt,
als ich gegen 20:35 Uhr ein weiteres angepicktes Ei
entdeckte. Und es kam, wie es kommen musste. In den
Vormittagsstunden des heutigen Tages gelang nun eine
bemerkenswerte Beobachtungsreihe des gesamten Schlüpfvorganges.
Vom Absprengen der Eikappe bis zum endgültigen
Freistrampeln aus dem Ei wurde alles lückenlos dokumentiert. In
dieser perfekten Form ist eine Storchengeburt wohl noch
nie im Internet übertragen worden. Dafür sei allen Einsendern
von Schnappschüssen an diesem Tag besonders gedankt.
Seien Sie deshalb nicht allzu sparsam mit Ihren Fotobelegen!
Verwerfen kann man ja sehr viele davon, aber einen bemerkenswerten
Vorgang, eine einmalige Verhaltensweise kann man nicht ohne weiteres
mehrmals „schnappen“. Um 10:19 Uhr war der Deckel des
dritten Eies rundum abgehoben, so dass das dunkelgraue, weil
noch nasse Dunenkleid des Neugeborenen schon durchschimmerte.

Die Hackerei ist bald vorbei!
Dann müsste der Deckel abspringen!
Ganz gelöst hatte sich die obere Schalenhälfte
vom Rest noch nicht. Um 10:50 Uhr hatte sich an diesem
Zustand noch nichts Dramatisches verändert, das Küken sich noch
nicht befreit.

Das zieht sich jetzt doch schon ein Weilchen!
Um 12:26 Uhr war Nummer 3 zu
zwei Dritteln aus dem Ei gepellt.

In der letzten Stunde ging es aber flott!
Nun habe ich es fast geschafft!
Um 13:16 Uhr lag es erstmals frei.
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Geschafft!
Wenn ich meine Augen bald aufkriege
und trocken hinter den Ohren bin, mach ich mich an meine
Geschwister ran! |
Und in den nächsten Stunden ging die weitere
Entwicklung rasend schnell. Das noch nasse Dunenkleid trocknete
unter dem warmen Körper eines der Elternstörche schneller als im
kühlen Wind des mit 15 Grad nur mäßig warmen Tages. Mit wachen
schwarzen Augen blickte fortan Nummer 3 aufgeweckt in
die Kamera und kuschelte sich unter seine beiden Geschwister.

Futter! Da wollen wir drei schon mal
in Bettelstellung gehen!
So schlecht ist die schnelle Schlupffolge
– Barbara nennt sie gekonnt „Schnelle Brüter“ – doch gar nicht.
Lehrbuch hin und her, wenn es weiter ruckzuck abgeht, sind
die Größenunterschiede unter den einzelnen Jungen natürlich
auch geringer, die Gefahr eines unvermeidlichen Todesfalles
ebenso. Wenn ich mich am Abend nicht getäuscht habe, „droht“
uns morgen schon die nächste Geburt. Auch das
letzte Ei präsentierte im letzten Licht ebenfalls die ersten
Anzeichen des bevorstehenden Schlüpfens. Hätten wir nicht
über vier Wochen lang vier Eier angestarrt, würde man heute glauben
können, dass das Gelege aus fünf Eiern bestand. Es gab nämlich
Augenblicke, in denen die Eischale von Küken Nummer 3 sich so
platzierte, dass man auf die intakte Schalenhälfte blicken konnte
und somit ein fünftes Ei zu sehen glaubte.
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Hallo, Kollegen!
Der
Tagebuchschreiber wird jetzt glauben,
dass noch zwei Eier auszubrüten sind! |
So als ob Georg sich für die neue
Familiensituation rüsten wollte, trug er am Morgen zwischen 6:30 Uhr
und 7:30 Uhr einiges an Nistmaterial herbei. Sah er sich
durch die Vergrößerung der Familie dazu gezwungen oder wollte er nur
seiner Freude Ausdruck verleihen, schon dreifacher Vater zu sein.
Dass im Laufe des Tages dann noch einiges an weichem Polstermaterial
dazu kam, darf angesichts der neuen Situation nicht verwundern.
Einmal ist Gras und ähnlicher Baustoff gut für die
Nesthygiene, zum anderen wird dadurch einer „Verschlammung“ des
Nestbodens bei Regenfällen und einem direkter Körperkontakt mit
humösen Nestbestandteilen vorgebeugt. Die abendliche
Schlafsituation stellte sich wie folgt dar: Nachdem Georg
gestern am Tag der Geburt seiner ersten beiden Kinder in der Nacht
überhaupt nicht gesichtet wurde (er stand aber sicher auf dem Kamin
unmittelbar neben der Kamera und entzog sich damit unseren Blicken),
konnte er heute wenigstens teilweise auf dem Dachfirst des
alten Rathauses erspäht werden. Dort hielt er sich auf, bis in
Dinkelsbühl die Lichter ausgingen.
In Feuchtwangen blieb dagegen für mich
bei den sich überschlagenden Ereignissen vor der Kamera nicht
viel Zeit. Das Paar beglückt nach wie vor alle
Feuchtwanger und ließ auch den Feuchtwanger Bürgermeister
Wolf Rüdiger Eckhardt bei der Eröffnungsrede für das
Altstadtfest am Wochenende Bezug auf die neuen Bürger
der Stadt nehmen. „Allerdings haben wir in Feuchtwangen auch ein
Problem; die Leute sind geburtsfaul geworden. Ich sehe allerdings
einen Lichtblick im Eintreffen der zwei Störche. Sie werden
eindeutige Signale setzen.“, so der Bürgermeister. Dass das Nest
inzwischen fertig ist und schon so groß, dass beide Partner heute
für eine dreiviertel Stunde gleichzeitig im Nest lagen, ist
unübersehbar. Ich lege noch zwei Fotos vom Wochenende bei,
die das Nestgebäude aus zwei verschiedenen Perspektiven zeigen.
Einmal vom Marktplatz aus, dem es durch seine stattliche Bauweise
einen architektonischen Akzent setzt und zum zweiten aus dem
Blickpunkt Ihres Tagebuchschreibers beim Beobachten vom Kranzturm
der Stiftskirche aus. Als kleine Zugabe und zugegebenermaßen etwas
unter Zwang präsentiert der zweite Schnappschuss gleich zwei
Höhepunkte. Tochter Felicitas und weniger deutlich natürlich auch
das alte Rathaus mit Storchennest und einem darin liegenden Storch
(wer suchet, der findet!).
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27. Mai 03 |
Brief Ihres
Tagebuchschreibers an Georg, stolzen Vater der Dinkelsbühler
Storchenkinder
Mensch,
Georg!
Womit hast Du uns heute wieder überrascht? Am Morgen war die
Kinderstube noch aufgeräumt und wie geleckt (fast!)! Doch was musste
ich schon nach wenigen Stunden erleben? Einen Saustall hast du
hinterlassen! Ich weiß, du kannst doch nichts dafür. Du handelst ja
nicht vernunftbegabt, sondern ausschließlich
triebgesteuert.
Da kann das schon passieren. Oder willst du der Internetgemeinde
einen ungetrübten Jungenblick vermiesen und alles unter den Teppich,
nein unter Folie und Papier kehren? Es wird dir nicht gelingen,
deinen Nachwuchs vor uns zu verstecken! Dafür ist dieser viel zu
kamerageil. Wenigstens hast du es bei deiner Auswahl farblich bei
Weiß belassen. So bietet das Nest zumindest aus dieser Sicht ein
homogenes und nicht auf Effekthascherei bedachtes Aussehen. Dies
hast du uns während der Brutzeit ja auch schon einige Male
vorexerziert. Auch wie du die einzelnen Teile anordnest, ist schon
eine Anmerkung wert. Versuche nur nicht – da es nun mal geschehen
ist – über allem den Mantel des Vergessens oder gar Schweigens zu
legen. Du hast dich nun mal hinreißen lassen, mit Pauline eine Ehe
auf Zeit einzugehen. Jetzt musst du persönliche Interessen und
Gewohnheiten eben etwas hintanstellen. Wir werden auch in Zukunft
auf deine Marotten achten und dir von Zeit zu Zeit die Leviten
lesen. Aber wie du das mit Pauline bisher auf die Reihe bekommen
hast mit Nestbau, und schnellem „Brüter“ ist schon aller Ehren wert.
Gib Pauline auf alle Fälle Bescheid, falls du sie heute noch einmal
länger zu Gesicht bekommst. Leider muss ich dir eine traurige
Mitteilung machen. Deine Kollegen in Mosbach haben seit Sonntag zwei
weitere Junge verloren! Sie liegen tot im Nest. Sie wurden gerade
mal drei Wochen alt. Woran es letztlich lag, wird für immer im
Verborgenen bleiben. Sollten deine Jungen auch in irgendwelche
Schwierigkeiten geraten, werden wir es so gut wie möglich
beobachten. Ansonsten werden wir es deinem und deiner Gattin
Geschick und Erfahrung überlassen, ob ihr alle vier Kinder in diesem
vorhandenen Lebensraum großziehen könnt. Wir werden euch nicht mit
Gewalt Futter aufzwingen, das ihr sonst nirgendwo finden könnt.
Möglicherweise geratet ihr auch in Stress, wenn ihr gegen euren
Willen und gegen eure vorhandenen physischen und vielleicht auch
psychischen Fähigkeiten etwas tun müsst, was i h r gar nicht wollt,
sondern nur wohlmeinende Tierschützer. Sei mir wegen dieser
Einstellung nicht böse. Ich weiß ganz sicher, dass du und deine Art
letztlich mehr davon haben, wenn Menschen die Natur und die
Vernetzungen innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt verstehen lernen,
wenn sie sich einsetzen, dass die Gefahren auf dem Zugweg und im
Brutgebiet – ich denke hier vor allem an die gefährlichen
Strommasten – beseitigt werden und wenn dein Lebensraum nicht weiter
zerstört und durch menschliche Eingriffe an Wertigkeit verliert und
du und deine Partnerin deshalb zu viel Zeit mit der
Nahrungsbeschaffung verbringen müssen. Für heute wünsche ich dir
eine gute Nacht und für morgen viel Erfolg und Geschick bei der
Nahrungsbeschaffung. Gerade werden ja großflächig die Wiesen gemäht,
so dass du für einige Tage leichtes Spiel haben wirst. Wenn sich die
Situation wieder verschlechtert, empfehle ich dir einmal die
verschiedenen Weiherketten abzuklappern und dort nach dem Rechten zu
sehen.
Dein
Thomas, Tagebuchschreiber
Als kleiner Morgengruß empfängt mich
heute nach dem Aufstehen eine dreiköpfige Jungenschar mit
Mutter Pauline und reichlich Polstermaterial aus Gras im
Nest. Letzteres hat das schon seit dem gestrigen Abend angepickte
vierte Ei total zugedeckt.

Eine glückliche Familie!
Doch aus der Schule zurück traute ich
meinen Augen kaum. Georg war in der Zwischenzeit auf seine
Art fleißig und konnte das Nest mit allerlei
Schnickschnack aufmöbeln.
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Was hat denn
Georg da wieder angerichtet? |
Wenn jemand in den mitgebrachten Fundstücken
an Windeln erinnert wird, liegt er meiner Meinung nach nicht
einmal ganz falsch. Sollte Georg gar einen Werbevertrag mit
einem namhaften Hersteller abgeschlossen haben? Morgen wird die Lage
sich wieder komplett anders gestalten, deshalb wollen wir unserem
stolzen Vater die Freude gönnen.
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Auf los
tauchen wir alle wieder auf
und erschrecken Papa! |
Beim Militär
heißt das:
Augen links! |
Sie werden bei den weiteren Beobachtungen der
kleinen Jungen bemerken, dass diese sehr gerne aneinander
gekuschelt im Nest liegen. Häufig scheinen sie sogar regelrecht
ineinander verschlungen und gerne auf Körperkontakt aus zu
sein. Diese als Wärmepyramide bezeichnete Verhaltensweise
garantiert es den Kleinen, so ihren Wärmeverlust möglichst
gering zu halten.

Freunde, wir machen gerade eine Wärmepyramide
und sind gar nicht in Ägypten!
Während der Vormittagsstunden gab es außer Müll
und drei Jungen auch „Ei mit Loch“. Doch diese Loch wurde und
wurde nicht größer.

Durch dieses Loch muss er kommen!
Seit dem Schlüpfen der ersten beiden Jungen am
vergangenen Sonntag hat sich auch das Verhalten von Pauline und
Georg beim Niederlegen ins Nest verändert und selbst durch
die bloße Beobachtung des dabei sichtbaren Bewegungsablaufes wird
deutlich, dass sich Junge im Nest befinden müssen. Das
Niederlegen geschieht noch vorsichtiger, die Flügel
werden weit abgespreizt und bleiben auch noch mehr oder
weniger lang in dieser „weiten“ Position. Dadurch erreicht der
brütende oder hudernde Vogel, dass die Küken unter die
Fittiche geraten und nicht vom Brustbein zerquetscht werden.

Langsam! Den Druck des Körpers noch vom Nestboden wegnehmen!
Katzenbuckel machen!
Erst wenn jedes Junge sein Position gefunden
hat, machen die Altstörche einige Bewegungen und nehmen die Flügel
enger an den Körper. Ein besonderes Erlebnis stellen die
Bilder dar, bei denen ein oder mehrere vorwitzige Junge sich
unter dem Flügel des liegenden Elterntieres hindurch
arbeiten und ihren Kopf plötzlich ins Freie
halten.
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Kuckuck! Ich
seh' dich
und die Sonne auch! |
Jetzt bin
ich aber
schon hungrig! |
Die spannende Frage des heutigen Tages,
deren Beantwortung sich bis in die frühen Abendstunden hinzog
lautete: Wann schlüpft das vierte Küken? Im Gästebuch gab es
dann um 20:13 Uhr die erlösende Antwort! Küken
Nummer 4 ist da! Hurra! Wenig später konnte ich dann die ersten
gelungenen Schnappschüsse dieses historischen Ereignisse
schießen.

Hallo, Pauline!
Darf ich
vorstellen! Küken Nummer 4!
Somit ist etwas passiert, was ich in dieser
Form nicht für möglich gehalten hätte. Die Eiablage begann am 21.
April und endete mit dem vierten Ei am 27. April in den
Morgenstunden. Das Schlüpfen der Jungen begann am 25. Mai und endete
heute am 27. Mai um 20:13 Uhr. Somit brauchte unser Benjamin von
der Ablage als Ei am 27. April (vor 5 Uhr morgens) bis zum Schlüpfen
gerade einmal sagenhafte 30 Tage und 15 Stunden. Wenn das nicht
rekordverdächtig ist!
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Seht ihr
mich? Ich bin Rekordhalter! Aber es ist trotzdem alles dran! |
Der Abend endete mit Georgs Ankunft am
Nest um 21:53 Uhr, danach blieb er nahe bei seiner Gattin auf
dem Dachfirst. Gehört sich auch an einem solchen Tag!
Unsere Partnerzeitung – die Abendzeitung aus
Nürnberg – berichtete heute, also in der Ausgabe vom 27. Mai
2003, erneut von den Vorgängen im Dinkelsbühler Nest. Der
Bericht wird
hiermit meinen Lesern zugänglich gemacht.
Wie Sie im Brief an Georg bereits erfahren
haben, gibt es aus Mosbach sehr schlechte Nachrichten.
Ich musste heute die betrübliche Beobachtung machen, dass
neben augenscheinlich drei gesunden Jungen auch zwei
noch nicht sehr lang verstorbene Jungstörche im Nest liegen.
Ich vermute aus dem Zustand und der Lage der Toten, dass sie wohl
erst kurz vor meinem Besuch von ihrem Schicksal ereilt
wurden. Das wachhabende Männchen sah immer wieder auf die leblosen
Körper und berührte sie mit seinem Schnabel. Ich rechne, dass er in
den nächsten Stunden versuchen wird, sie aus dem Nestinneren heraus
zu ziehen und an den Rand zu bugsieren. Sollte er es nicht schaffen,
werden die toten Körper im Nest verwesen und gleichzeitig immer
weiter im Nestinneren versinken. Unabhängig davon werde ich
versuchen, noch in dieser Woche einen Beringungstermin zu
vereinbaren und bei dieser Gelegenheit die Kadaver aus dem Nest zu
entfernen. Schade, dass ich Ihnen zum Schluss keine besseren
Nachrichten übermitteln konnte.
In Feuchtwangen übernachtet das Paar abermals
auf dem Kamin des alten Rathauses im neu gebauten Nest. |
28. Mai 03 |
Lassen Sie mich noch einmal ganz kurz – in
Dinkelsbühl gab es heute nach einigen Tagen der Hektik und
Aufregung wenig Dramatisches – auf die Vorkommnisse in
Mosbach eingehen. Der Tankwagenunfall auf der A7 zwischen
Dinkelsbühl und Feuchtwangen hat nichts mit dem Tod der beiden
Jungen im Nest zu tun. Die genannte Autobahn verläuft allerdings
gerade mal 500 Meter vom Storchennest entfernt durch das Wörnitztal,
doch lag die Unfallstelle einige Kilometer davon entfernt. Das
Storchenpaar und seine Jungen (die Einwohner von Mosbach und seiner
Nachbarorte natürlich ebenfalls) hören Tag und Nacht das unablässige
Rauschen der Autobahn, die dort nach einer Gefällstrecke und vor
einem Anstieg auf Kilometer über freies Gelände verläuft. Ein
einzelner Laster oder ein hoch drehendes Motorrad können manchmal
über Minuten verfolgt werden.
Ich denke, Sie verstehen mich, wenn ein
Eingreifen am Nest vor den Todesfällen nicht erfolgt ist.
Wann hätte dieser Eingriff geschehen sollen? Gleich
nach dem Schlüpfen, nach einer Woche? Wenn eines der
Küken einen schwachen Eindruck macht? Wann ist ein
Eindruck schwach? Sollte generell ab drei Jungen
eingegriffen werden? Wie? Durch wen? Wie lange?
Außerdem ist jeder Eingriff am Nest ein Verstoß gegen
das Bundesnaturschutzgesetz und damit strafbar und
strengstens verboten. Leider wird gerade beim Storch in
vielfältiger Weise und entgegen dem ausdrücklichen Verbot der
Höheren Naturschutzbehörden gegen bestehendes Recht verstoßen und
das alles immer unter dem Deckmäntelchen, dem Storch Gutes zu tun.
Ich belasse es bei diesen Bemerkungen, weiß ich mich von vielen
meiner Leser in dieser kontrovers diskutierten Frage verstanden.
Kommen wir doch nun zu hoch Erfreulichem.
Mit dem beginnenden Abend erreichte unser jüngstes Küken
(ich nenne es vorübergehend und nicht sehr einfallsreich erneut
einmal Benjamin) im Nest auf dem Altrathausdach das stolze Alter
von 24 Stunden, Nummer 3 ein solches von 2 Tagen
und die beiden Alterspräsidenten immerhin von bereits 3 ½
Tagen.
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Herkommen!
Es gibt
eine neue Futterration! |
Ich bin
jetzt genau 24 Stunden alt
und bin euer Nesthäkchen! |
Es verläuft alles wie am Schnürchen. Wie anders
sollte es auch laufen?
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Zum
Genießen! Pauline
mit dem Jungenquartett! |
Quartett?
Versuchen sie einmal,
die Jungen zu zählen! |
Alle Eier waren befruchtet, aus allen Eiern
konnten sich die Jungen befreien, keines blieb unausgebrütet liegen.
Der Schlupfvorgang verlief einfach super schnell und den ersten
Lebenstag hat auch unser kleinstes Küken schon überlebt. Pauline
und Georg wissen die Signale ihres Nachwuchses zu
entschlüsseln und lassen angeborene Verhaltensstrategien
unbewusst ablaufen. Bei Sonnenschein stehen beide Elternteile
immer mit dem Rücken zur Sonne und spenden dadurch, einem
Sonnenschirm gleich, Schatten für die vielleicht Kühlung fordernden
Jungen. Anfangs noch sehr häufig bedarf der Nachwuchs
vor allem der Wärme. Deshalb lassen sich Georg und Pauline
immer wieder auf ihren Jungen nieder. Dieses Hudern dauert je
nach Außentemperatur längere oder kürzere Zeit. Hier reagieren die
erwachsenen Störche wie ein Thermostat . Hat es 30
Grad Lufttemperatur genügen nur kurze Huderphasen, liegen
die Temperaturen bei 10 Grad, wird eben durchgehend
gehudert und nur, wenn es unbedingt nötig ist, ein Pause
eingelegt.
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Und wenn es
mir zu heiß wird, wühle ich mich ganz einfach unter den Flügeln
durch! Ich habe nämlich schon
wieder Hunger! |
Wie sollten es wohlmeinende Tierschützer
besser wissen, als ein Vogel, der diese Strategien über Millionen
von Jahren entwickelt und sie über Millionen von Jahren auch
unverändert beibehalten hat. Wäre der Storch nicht längst zum
Höhlenbrüter mutiert, wenn sein der Witterung ausgesetztes
Nest mit teils heftigsten Regenfällen durch all die Jahrmillionen
nicht der optimalste Raum für die Jungen wäre? Ich weiß! Früher gab
es ja keine Plastikteile! Leider müssen diese Teile immer
wieder für sämtliche Todesfälle unter jungen Störchen
herhalten und manch unglaublicher Eingriff wird auch immer wieder
damit gerechtfertigt. Nun haben wir ja schon genug Plastikmüll im
Nest liegen und wieder verschwinden sehen. Es dauert lediglich einen
Tag, bis alle Teile an den Nestrand gezogen und dort mit eingebaut
werden. Kommen neue Teile dazu, geschieht mit diesen das gleiche.
Wollte man den Faktor Plastikmüll für die gesamte Zeit der
Anwesenheit unserer Störche ausschließen, wären tägliche Eingriffe
am Nest erforderlich und schon allein in diesem Punkt näherten wir
uns einer Verhausschweinung des Storchs. Ich bleibe bei
diesem Begriff, den nicht alle akzeptieren wollen und können, doch
trifft er die Realität leider in vollem Umfang. Im
Mosbacher Fall waren es keine Plastikteile, die zum Tod
von bislang drei Jungen führten.
Warum hat dieses doofe Storchenpaar nicht sechs
Junge groß gezogen, wenn es schon sechs Eier legt? Man macht sich
doch kaum die Mühe mit sechs Eiern und ist dann nicht in der Lage,
daraus mehr zu machen. Doch wir haben da ein Patentrezept,
sagen manche wohlmeinende Tierschützer. Es gibt für solche
Fälle das berühmte Eintagsküken. Massenware und billig zu
bekommen! Und wehe ein Storchenpaar erbrütet einmal aus Versehen
mehr als zwei Junge, dann steht ihm, McDonald´s sei´s gedankt, „fast
food“ ins Haus, nein ins Nest! Chicken ist in, da darf unser
geliebter Weißstorch auch daran teilhaben. Und schon beginnt – bitte
merken – das Zufüttern. Ist doch plausibel! Zufüttern macht
die Runde. Überall, wo Störche nicht mehr leben können und
nicht mehr leben wollen, werden sie zum Bleiben veranlasst und
gezwungen mehr Junge zu füttern als sie wollen oder der
Lebensraum hergibt. Dummerweise gibt es im Umkreis von 5 Kilometern
keine „natürliche Nahrung“ mehr, aber das ist ja gar nicht nötig und
überhaupt nicht erwünscht. Wenn draußen nichts mehr zu holen ist,
serviert man die Nahrung Meister Adebar eben in eingegrabenen
Putzeimern und Meister Adebar ist findig. Er braucht nicht
lange, um die Nahrungsquelle zu entdecken. Er kennt seine
Pappenheimer und geht zu McDonald´s. Nachschub gefällig? Aber bitte
sehr! Zufütterung erlaubt ja sogar noch, der allmächtigen
Pharmaindustrie die Hand zu reichen. Man wird auch hier an die
Verhausschweinung erinnert, wenn man als Storch schon das
eine oder andere Vitaminpräparat, Antibiotikum, Wurmmittel
und Anti-Lausfliegen-Tonikum verpackt in Huhn mitliefert. Da
brat mir doch einer einen Storch! Sollte man sich angesichts solcher
Zustände im Weißstorchschutz nicht neu besinnen und
den Weg zurück zur Natur gehen? Dabei genügt es, die vorhandene
Rechtssituation voll auszuschöpfen. Sie sehen, dass durch die
Ereignisse in Mosbach in mir erneut die Diskussion über die Frage
von Tier- und Naturschutz hochkocht. Die Naturschutzverbände
Deutschlands lehnen ein derartiges Eingreifen an
Nestern des Weißstorches allesamt kategorisch ab, es ist
außerdem – wie geschrieben – gegen bestehendes Recht gerichtet und
bedarf in jedem Fall der Genehmigung der Höheren
Naturschutzbehörden. Doch man schert sich einen Dreck um diese
Konstellation und handelt ohne großes Aufsehen. Man bleibt unter
sich und munkelt im Dunkeln. Um Ihnen aber ein wenig Hilfe für
mögliche Diskussionen im einen oder anderen Gästebuch zu liefern,
habe ich mich zu obigen Ausführungen schweren Herzens entschlossen.
Pauline und Georg sollten es auf alle
Fälle schaffen, wenigstens zwei Junge zum Ausfliegen zu
bringen. Alles, was darüber liegt, wäre eine Bestätigung für die
bereits durchgeführten oder noch geplanten Verbesserungen im
Nahrungsgebiet der Störche und ein zusätzliches Argument für eine
großflächige Veränderung in der Bewirtschaftung weiter
Wiesenbereiche. Bestätigt sich die Minimalforderung , wissen
wir, dass der Lebensraum um die herrliche Stadt Dinkelsbühl
dem Storch noch eine Daseinsberechtigung gibt, es sich aber
noch lohnt, Möglichkeiten einer Verbesserung zu
suchen. In zehn Brutjahren flogen aus unserem Nest 13 Junge
aus, ein Schnitt von 1,3 Jungen pro Jahr. Vergessen Sie diese
Zahlen bitte nicht, wenn sie mit vier ausfliegenden Jungen rechnen.
Möglichkeiten, den Lebensraum zu verbessern, werde ich Ihnen im
weiteren Verlauf der Geschehnisse immer wieder aufzeigen und dabei
auch um Ihre Mithilfe bitten. Es ist billiger zuzufüttern als
weiträumige Lebensraumverbesserungen durchzuführen. Lassen Sie uns
den letzteren Weg gehen und unser Bestreben nicht allein dem Storch
zukommen zu lassen, sondern der gesamten Tier- und Pflanzenwelt. Das
unterscheidet den Individualschutz (Störche auf Teufel komm raus!)
vom Naturschutz, der als Ansatz eine umfassende Strategie
beinhaltet, aber weniger spektakulär verläuft. Eine kleine Wiese zu
optimieren, bringt weniger Aufmerksamkeit in der Presse als das
Ausfliegen von sechs Jungen aus einem Storchennest unter den
genannten Anzeichen einer Verhausschweinung. |
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Thomas Ziegler
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