Storchenkamera

Storchentagebuch 2003
...was bisher geschah
Teil 10
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Betriebsferien beendet
Zwei Wochen lang mussten Sie auf das gewohnte Tagebuch
verzichten. Nun wird das Geschehen dieser Zeit in den nächsten Tagen
aufgearbeitet und veröffentlicht. Freuen Sie sich also auf die
spannenden und informativen Berichte unseres Storchenexperten Thomas
Ziegler.
Gar nicht untätig waren in der tagebuchlosen Zeit einige unser
Besucher und haben für unser Projekt "Wörnitzauen"
(siehe unten) gespendet. Auch die
Liste der eingegangenen Spenden wird in den nächsten Tagen
aktualisiert. Wir freuen uns sehr, dass wir unserem Ziel wieder ein
gutes Stück näher gekommen sind. |
05. Jun. 03 |
Die sehr labile Wetterlage bringt meine
Planungen für heute ziemlich durcheinander. Bereits am
frühen Nachmittag brauen sich dunkle Gewitterwolken
zusammen, die einen geplanten Beringungstermin platzen
lassen. Ein schweres Unwetter im Raum Gunzenhausen und
Weißenburg bindet die Feuerwehrkräfte, so dass eine nicht unbedingt
notwendige Aktion selbstverständlich verschoben werden musste. Zum
Leidwesen für die Störche in Gunzenhausen
brachte der Gewittersturm den Verlust der drei erst
vor kurzem geschlüpften Jungstörche, die einfach aus dem Nest
geblasen wurden.
Von diesem Schicksalsschlag blieben
Pauline und Georg bisher verschont, auch wenn ein
starkes Gewitter heute zum wiederholten Male ihr Nest
heimsuchte. Doch das Paar bestand die erneute Prüfung mit
Bravour.

Achtung! Mein Ganzkörper-Regenschirm tritt in Aktion!
Was sich in den letzten Tagen schon Schritt für
Schritt andeutete, wird nun immer stärker sichtbar. Aus den
grauen „Mäuschen“ werden mehr und mehr weiße Küken. Bei der
Geburt brachten alle vier als Ausgangsausstattung ein
weiß/graues erstes Dunenkleid mit. Dieses begleitete sie während
der ersten Lebenswoche und wird jetzt nach und nach von einem
2.Dunenkleid, das ein strahlendes Weiß zeigt,
abgelöst. Beim Vergleich mit dem Nesthäkchen ist diese farbliche
„Neugestaltung“ am besten zu studieren.

Muntere Gesellen nach dem Regen!
Während die Geschwister schon zum
Großteil in ihr neues „Kleid“ gemausert haben, blickt die
Nummer 4 noch reichlich grau und leicht „verschmutzt“
aus der Wäsche. War das erste Dunenkleid von der Struktur
locker und kurz, erweist sich das neue als länger und
dicht. Damit lassen sich Wetterkapriolen ein wenig besser
durchstehen. Kommt ein Altvogel zur Ablösung ans Nest, dauert es
momentan nur Sekunden, bis sich der Partner auf die Futtersuche
macht und das Nest verlässt. Im Regelfall beginnen im Anschluss
an die Landung der „Futterquelle“ die Bettelbewegungen
der Jungen. Von weich klappernden Geräuschen der beiden
Schnabelhälften und einem katzenartigen Miauen begleitet beginnen
die Storchenkinder die Hälse hoch zu recken. Ist der
Scheitelpunkt des Hochreckens erreicht, fällt der Kopf nach hinten
über, das Klappern wird langsamer und bricht ab, bis sich der
Vorgang danach möglicherweise einige Male wiederholt. Dieses
Betteln ist für Storcheneltern ein Auslösemechanismus
das mitgebrachte Futter auszuwürgen. Die Nahrung wird
anschließend von den Jungen selbständig aufgenommen
und von den Eltern weder gereicht noch zubereitet. Eine weitere
„Neuerung“ bahnt sich ebenfalls bereits an und wird in den
nächsten Tagen immer deutlicher: Das Wachstum der
schwarzen Arm- und Handschwingen sowie der gleichfarbigen
Schulterfedern und Arm- und Handdecken bahnt sich an und
ist bei Nummer 1 und 2 im Ansatz schon sichtbar. Zarte schwarze
Säume der ersten sich aus den Blutkielen schiebenden
Schulterfedern und Armschwingen zeichnen sich ab. Beim Nesthäkchen
sowie bei Nummer 3 bedarf es in dieser Beziehung noch einer Lupe.
Aber die nächsten Tage werden auch hier eine Veränderung
bringen.

Bald bekommen wir unsere Konturfedern!
Wer weiter aufmerksam die Lage am Nest verfolgt
hat, wird an der Beinfärbung von Georg und Pauline schon auf
die Temperaturverhältnisse in Dinkelsbühl geschlossen haben
können: Sehr heiß! Deshalb setzten die Genannten ihren
Spezialkot zur Kühlung auf die Beine, wenigstens reichte es für eine
Weißfärbung von den Zehen bis fast zum Intertarsalgelenk (thermoregulatorisches
Beinkoten!).
Meine Feuchtwanger Störche zogen heute
am Abend wieder pünktlich in ihrem Nest auf dem Kamin des
alten Rathauses ein. Na, es geht doch! Da darf man sich dann von
Zeit zu Zeit schon mal eine neue Auszeit nehmen. |
06. Jun. 03 |
Letzter Schultag vor den Pfingstferien!
Damit beginnen für mich zwei Wochen, in denen ich
Kraft tanken kann für weitere Taten in Sachen Storchenschutz.
Doch wenn Sie, liebe Leser, diese Zeilen genießen dürfen, wird mich
die Schule schon wieder eingeholt haben. Was wird sich bis dahin in
Dinkelsbühl abgespielt haben? Werden noch vier Junge im Nest sein
oder muss der Verlust eines oder mehrerer Storchenkinder beklagt
werden? Da unser Webmaster heute am späten Abend in die
verdienten Ferien startete, bleibt das Tagebuch für die
Dauer des Urlaubs geschlossen und tägliche Aktualisierungen
bleiben fortan außen vor. Ich werde am Ball bleiben und auch
während der Ferientage das Geschehen, wie gewohnt, beleuchten und
kommentieren. Gewitter waren für den heutigen Freitag kein
Thema. Es blieb herrlich schön, trocken und warm. Für
Pauline und Georg aber bedeutete das reichliche Nass von
gestern, dass zumindest bis in die Vormittagsstunden
hinein „Regenwurm“ angesagt war.

Achtung! Frühstück!
Als zweites Frühstück brachte Georg
um 7 Uhr ein Futterpaket, das ausschließlich aus
Regenwürmern bestand.
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Regenwurmpaket – rechts vorne abgelegt! |
Wurmschnäbel! |
Derlei Kost bedeutet: Futter in
leicht verdaulicher und für alle Altersklassen nutzbarer Weise.
Da konnte man auch Küken Nummer vier kräftig zuschlagen sehen und am
Ende blieb selbst für Papa noch ein kleiner Rest des
Regenwurmkuchens übrig.

Da haben meine Jungen doch noch
ein paar prächtige Exemplare übrig gelassen!
Was lernen wir aus der geschilderten Fütterung?
Regen bringt die gleichnamigen Würmer an oder dicht
unter die Erdoberfläche und macht sie damit für Meister Adebar
erreichbar. Mit aufsteigender Sonne und damit auch wärmeren
Temperaturen zieht sich das Gewürm in tiefere Bodenschichten zurück
und wird damit selbst für einen langen Storchenschnabel
unerreichbar. Bevor Georg in der frühen Morgenstunde
sein mitgebrachtes Futter auswürgen konnte, legt er als kleines
Gastgeschenk ein sperriges Pappestück als Sichtblende vor
seine Jungenschar.

Jetzt versuchen wir es mal mit einer Sichtblende aus Pappe!
Beim Platzieren erwies sich das Teil
jedoch schnell als äußerst porös und brüchig, so dass der
Karton in viele kleine Einzelteile zerfiel und bald wieder freie
Sicht auf unsere Küken bestand. Der Rest des Tages geriet
dann angesichts der Hitze zum ständigen Versuch des
Elternpaares, ausreichend und in verschiedensten
Sonnenschirm-Stellungen Schatten zu spenden.
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Wie hätten
Sie´s denn gerne?
Sonnenschirmvariationen! |
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Wer einmal Junge reglos, mit
ausgestrecktem Hals und seitlich verdrehtem Kopf im Nest liegen
sieht, muss nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen.
Diese „Seitenlage“ wird gerne eingenommen, wenn man – meist
nur für Sekunden – einmal komplett abschalten will. Hier lohnt es
sich, einige Bildaktualisierungen abzuwarten und auf eine
Lageveränderung zu achten.

Komm, wir stellen uns alle mal tot!
Die Ausbildung der kleinen schwarzen
Federsäume im Bereich des Flügels ist ein Stückchen besser
sichtbar als gestern und selbst Nummer vier - gerade einmal 10 Tage
alt – schickt sich an, dieses Merkmal erkennbar zu machen. Eine
weitere Körperpartie entwickelt sich in der nun beginnenden Zeit
äußerst rasant. Dabei handelt es sich um das Wachstum
der hinteren Extremitäten. Die heranwachsenden Jungstörche
sitzen nun bereits immer länger im Fersensitz und bald
dürfte der erste auch den ersten Stehversuch unternehmen.
Man erkennt die Zehen mit dem Tarsus, der sich bis zum
Intertarsalgelnk erstreckt. Dieser Bereich der Extremität weist im
momentanen Alter eine fleischfarbene Tönung auf, das
Schienbein (Tibiotarsus) besitzt eine fast schwärzliche
Färbung. Die Füße halten unsere jungen Störche beim Hocken
leicht angehoben, so dass die herabhängenden Spitzen der Zehen
gerade noch den Nestboden erreichen.
Am Nachmittag ging ich zunächst mit der
Feuerwehr meiner Heimatstadt Feuchtwangen auf Beringungstour nach
Mosbach. Die drei Jungen erwiesen sich dabei als bestens
genährt und man braucht sich um ihr Wohlergehen keine Sorgen
mehr zu machen. In dieser Verfassung und im Alter 37 bis 40 Tagen
haben sie die kritischen Lebensphasen hinter sich gelassen
und müssen erst wieder nach dem Ausfliegen mit unliebsamen
Überraschungen kämpfen. Die Differenzen im Körpergewicht der Jungen
hielten sich in erfreulich engen Grenzen. So brachte das schwerste
Junge genau 3000 g, die beiden kleineren 2930 g und 2740 g auf die
Waage. Beide Elternteile beobachteten den Beringungsvorgang vom Dach
einer Scheune sowie vom Dach des Kirchenschiffes aus. Der nächste
Weg führte mich nach Weiltingen zum dortigen Nest und
zugleich zu einer Begegnung mit den freundlichen Kollegen der
Dinkelsbühler Wehr. Angeführt von Günter Roedel lief alles
wie am Schnürchen und drei Junge konnten auch in diesem Nest
mit Ringen der Vogelwarte Radolfzell gekennzeichnet werden. Die
dortigen Jungen lagen vom Körpergewicht her gesehen leicht über
denen aus Mosbach, waren sie doch auch 1 oder 2 Tage früher
geschlüpft. (2820 g, 2940 g bzw. 3210 g). Bei der Witzmannsmühle
waren wieder zwei Störche in einer Sulzachwiese auf Nahrungssuche.
Ob sich abermals unser Feuchtwanger Paar dahinter versteckt haben
könnte? Abends blieb das Nest in meiner Heimatstadt auf alle
Fälle ohne einen Übernachtungsgast, während im
Schopflocher Storchennest der Schlupf der Jungen nach
meinen Berechnungen begonnen haben muss. |
07. Jun. 03 |
Eine neue Hitzeschlacht bahnt sich für
Mensch und Tier an. Schon am Morgen lagen die
Temperaturen mit deutlich über 20 Grad in für die frühe
Tageszeit tropischen Bereichen. Dennoch startete ich mit meiner
neuen Beringungsassistentin Felicitas zu einer weiteren Fahrt,
diesmal ging es nach Trommetsheim bei Weißenburg. Dort war
ein Date mit der Feuerwehr der alten Römerstadt ausgemacht.
Pünktlich, wie es nur die Feuerwehr sein kann, fand das kleine
Ereignis ohne große Zuschauerbeteiligung statt. Auch diese
„Nestbesatzung“ war in den ersten Maitagen geschlüpft und
harrte nun doch schon der Beringung. Im Nest erwarteten mich drei
gut gewachsene Junge, deren viertes Geschwisterchen vor rund 14
Tagen aus dem Nest geworfen worden war. Bei der Rückfahrt von
Trommetsheim um die Mittagszeit nahm die Gewitterstimmung
über dem Hesselberg schlagartig zu und bereits eine Stunde
später rauschte der Regen über das Frankenland und brachte es
innerhalb von 30 Minuten auf immerhin 20 Liter/pro Quadratmeter.

Da bin ich mal wieder als Regenschirm gefragt!
Es blieb Gott sei Dank ein Gewitter der
harmlosen Art, denn schon bald lichteten sich die Wolken und der Tag
endete ruhig, sonnig und wolkenlos.
Pauline, Georg und ihre vier Kleinen
erlebten den Tag wettermäßig genauso. Am vierzehnten Lebenstag
unseres Zwillingspärchens gelang dem ersten Jungen
sensationell früh der erste Stehversuch. Und weil dieses neue
Gefühl offenbar Spaß bereitet hatte, folgten weitere Versuche dieser
Art auf dem Fuße. Nicht einmal ungeschickt verhielt sich dabei Küken
Nummer 1 oder 2. Zwar noch etwas staksig nutzte das Küken die
neue Lebenslage gleich zur Entleerung des Darmes. Dabei hielt
es das Gleichgewicht und wurde unterstützt von schlagenden
Bewegungen der kleinen Flügelchen. Dieser Ablauf wird in
den nächsten Tagen zum Alltag gehören. Der Schnappschuss „Babys
erster Schritt“ stammt von 17:46 Uhr und soll als
Beleg volle Anerkennung finden.
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Hurra!
Ich kann
stehen! |
Während einiger Stunden am Nachmittag hatte ich
mehrmals das Glück, Zeuge von Fütterungen zu werden
und durch die Schnappschussfunktion wesentliche Beobachtungen für
Sie festzuhalten.

Wer etwas zu fressen will, muss sich schon ein wenig vordrängeln!
Fische waren nach dem gestrigen
trockenen Tag verständlicherweise oben auf der Speisekarte.
Was sich da vor den „Augen“ unserer Kamera abspielte, war schon
sehr beachtlich. Mundgerechte Karpfen waren zum ersten
Mal im Angebot.
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Wenn ihr
nicht mehr fressen könnt, gehören diese Karpfen mir! |
Weitere Fische konnte ich nicht bestimmen. Dies
wäre aber eine lohnende Aufgabe für einen Fischkenner unter
meinen Lesern, der sich die Schnappschüsse einmal unter diesem
Aspekt betrachten könnte.
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Welcher
Fisch verschwindet da im Schnabel? |
Im gleichen Zusammenhang wäre noch ein
Amphibienkenner mit Arbeit zu bedenken. Denn mit großer
Sicherheit glaubte ich eine Wechselkröte unter der
mitgebrachten Beute entdecken zu können.

Besonders beliebt scheint die Kröte nicht zu sein!
Verantwortlich für eine so
abwechslungsreiche Kost zeichnete in diesem Falle
Storchenvater Georg. Neu und in dieser Ausführlichkeit von mir
noch nicht beobachtet, war der immer größere Raumanspruch und
Platzbedarf der an Gewicht zunehmenden Kinderschar. Es passierte
immer wieder, dass eines der Storchenküken teilweise aus
dem Bild geriet, entweder weil es sich zum Entleeren des
Darmes an den Nestrand begab oder weil es einfach einmal auf
Entdeckungsreise gehen wollte.
Der tägliche Blick auf die schwarzen Federsäume
ließ auch heute Fortschritte erkennen und Küken Nummer 4
einen weiteren Entwicklungsschritt in dieser Beziehung
machen. Sollte sein Durchsetzungswille siegen und er die nächsten
Tage überleben? Drücken Sie mit mir beide Daumen. Wenn Pauline und
Georg sich auch in nächster Zeit so anstrengen wie bisher, gebe ich
die Hoffnung noch nicht auf. Aber vergessen Sie dabei nicht, dass
bei meinen bisherigen Beringungen an sieben Nestern
nur einmal 4 Junge anzutreffen waren, vier Mal gab es drei
und zwei Mal lediglich 2 Junge.
Die auflagenstarke Abendzeitung aus Nürnberg
veröffentlichte heute einen
weiteren Bericht
aus der Feder von Frau Britta Löppner über unsere Kamerastars auf
dem Altrathausdach. Dass dabei abermals Werbung für unsere Website
betrieben wurde, muss dankend hervorgehoben werden. Wir dürfen uns
schon jetzt auf weitere Berichte freuen, in denen über das weitere
Geschehen am Nest berichtet wird.
Mein Heimat-Storchenpaar machte sich am
Tag durch längere Anwesenheiten bemerkbar, doch konnte ich
erstmals nach längerer Zeit keine Abendkontrolle durchführen. |
08. Jun. 03 |
Pfingstsonntag! Für Dinkelsbühl bedeuten
die Pfingsttage viel Trubel und ein reges Treiben in den engen
Gassen und auf den Plätzen der Altstadt. Da der Lärm auf Gebiete
weit unterhalb des Nestes beschränkt bleibt, lässt Pauline und
Georg das Ganze ziemlich kalt. Seit Tagen spielt im Leben
unserer Familie Plastik in jeder Form keine Rolle mehr.
Georg unterließ es seit einiger Zeit, solche Teile seiner
Angebeteten mitzubringen. Auch im Außenbereich ihrer Wohnung
haben es die Eltern geschafft, wieder reinen Tisch zu machen.
Wer sich an die Hoch-Zeit dieser Marotte unseres Georgs erinnern
mag, wird diesen Wandel in so kurzer Zeit kaum für möglich gehalten
haben. Nummer 4 spielt im Konzert der Großen
weiter mit und gibt deshalb auch nach wie vor zu berechtigten
Hoffnungen Anlass. Nach einem sonnigen Morgen verdichtete
sich die Bewölkung schon am Vormittag und ließ der
Sonne danach keine großen Chancen mehr. Pauline und Georg
demonstrierten diese Wetterlage schon allein durch ihre von der
Sonne unabhängigen Standpunkte im Nest. Da spielte es keine
Rolle mehr, ob man der Sonne den Rücken zukehrte. Man hatte freie
Wahl und platzierte sich meist in der „Morgenstellung“. So blieben
die Jungen häufig halb verdeckt, was aber die Freude an den
Beobachtungen nicht trüben konnte. Auch heute kam es zu weiteren
Stehversuchen, wobei es nicht ganz ersichtlich wurde, welcher
der Jungen sich zu dieser Leistung aufraffen konnte.

Geht ja immer besser!
Eigentlich kommen im Augenblick nur Nummer 1
oder 2 dafür in Frage. Standen gestern – wie berichtet –
Fisch und Kröte auf dem Speiseplan, gab es am Nachmittag
reine Fleischkost in Form von Mäusen.

Gleich geht es los! Mäuse im Anmarsch!
Was Pauline da bei einer Mahlzeit ins
Nest „kotzte“, verdient alle Anerkennung. Teilweise hatte wohl
jeder der Jungen eines dieser „Teile“ gleichzeitig im Schnabel und
versuchte, die nahrhafte Kost hinunter zu schlingen.
Dabei fiel mehrmals eine Maus aus dem Schnabel
eines der Jungen, bis sie in die richtige Position gebracht war und
mit dem Kopf voran die Speiseröhre hinunter rutschte. Soweit
erkennbar und soweit es der 5-Sekunden-Takt hergab, standen den
Jungen mindestens 10 der Nager zur Verfügung. Nicht schlecht die
Arbeitsteilung unseres Traumpaares: Einer holt Fisch, der andere
bringt Fleisch nach Hause. Als die Jungen gegen 21:00 Uhr den
Wache haltenden Schorsch wieder um Futter anbettelten, würgte er
abermals mehrere fette Mäuse aus, die vom Nachwuchs gierig
aufgenommen wurden. Einige Entwicklungsstudien konnten bei
günstiger Lage und Stellung der Jungen im Nest angestellt werden.
Auf dem folgenden Schnappschuss sieht man in eindrücklicher Weise
die unterschiedlichen Entwicklungsstadien der vier Jungen. Diese
Stadien sind nicht nur in der divergierenden Größe, sondern
ebenso eindringlich auch in der unterschiedlichen Ausprägung
der Schulterfedern, Arm- und Handschwingen ersichtlich.

Rückansichten!
Die Ausreißversuche der großen Kleinen
in Richtung Nestrand gingen auch heute weiter.
Dahinter versteckt sich das Bestreben, Darminhalte gezielt
über den Nestrand abzusetzen. Diese angeborene
Verhaltensweise – sie wird auch bereits von eben geschlüpften
Küken praktiziert – gewährleistet, dass das Nestinnere vor
Exkrementen aller Art verschont und somit sauber bleibt.
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Das Wandern
ist der Störche Lust!
Ich muss mal schnell! |
In
Zweierreihen
angetreten! |
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Mama! Wo
bist du! – Hier am Nestrand! Ich muss ein paar Zweige richten! |
Das den Nestinnenraum umgebende Nistmaterial
gerät dagegen häufiger in die „Schusslinie“ des Nachwuchses und
nimmt mit fortschreitender Nestlingszeit eine schneeweiße Färbung
an. Gerät ein Kotstrahl einmal unbeabsichtigt ins Nest, werden
dessen Hinterlassenschaften sofort oder bei der nächsten Ablösung
mit Gras, Stroh und ähnlichen „Gaben“ zugedeckt. Inzwischen fällt es
den Eltern immer schwerer, ihre Rasselbande bei
Regen vollständig mit den Flügeln zu bedecken. Da der
Nachwuchs außerdem schon über eine beachtliche Mobilität
verfügt, ist lediglich eine kurzzeitige und immer nur
teilweise Bedeckung noch möglich.

Mal sehen, ob alle Kinder unter meinen Fittichen Platz finden!
Das abendliche und nächtliche Gewitter sah
Pauline im Nest, die sich während der gesamten Zeit immer redlich
bemüht zeigte, ihren Nachwuchs einigermaßen bedeckt zu halten. Nach
langem Hin und Her gelang es ihr endlich und auch dauerhaft. Man
hatte sich arrangiert und sah die Notwendigkeit des Handelns ein.
Währenddessen geriet Georg nie ins Blickfeld der Kamera, also
dürfte er seinen Einstand auf dem Kamin neben der Videokamera
gefunden haben und von trocknen Zeiten träumen. Doch wenn es
so bleibt – immer wieder Regen, warme Temperaturen und kein Unwetter
– ist die Lage für den Nachwuchs nicht einmal ungünstig.
Beim morgendlichen Kirchgang traf ich
einen Storch im Nest auf dem alten Rathaus in Feuchtwangen
an. Eine Stunde später gab es nur noch ein leeres Nest zu bewundern.
Die Nacht, in der erneut Gewitter über das Land zogen, blieb
abermals ohne Storch. |
09. Jun. 03 |
Die nächtlichen Regenfälle brachten
zumindest ein kleine Abkühlung und ließen die Sonne bis gegen
Mittag hinter Wolken verschwinden. Doch danach setzte sich der
Wärmespender erneut voll durch und ließ die Temperaturen, begleitet
von einem strammen Wind, abermals nahe an die 25-Grad-Marke
steigen. Ich nutzte die leichte Brise, um ausgiebig vom Kranzturm
der Stiftskirche in meiner Heimatstadt Feuchtwangen das
Geschehen um das Storchennest zu beobachten. Über eine Stunde
lang bewunderte ich Nest und Storchenpaar, während im
Klostergarten die Schauspieler für die kommende Premiere der
Kreuzgangspiele Feuchtwangen am 18. Juni Kurt Wilhelms Komödie „Der
Brandner Kaspar und das ewig´ Leben“ probten. Ob die Störche Teile
des Stückes auch schon auswendig beherrschen oder lieber dem
Kinderstück „Das Dschungelbuch“ oder gar Shakespeares „Sommernachtstraum“
etwas abgewinnen können?
Für Pauline und Georg blieb es heute ein
ganz normaler Tag. Da keine Gewittergefahr drohte,
konnten sich die Eltern ausschließlich der Nahrungssuche widmen und
mussten nicht zusätzlich „Regenschirm“ spielen. „Sonnenschirm“ war
dagegen ab Mittag angesagt und das Storchenquartett genoss den
Schatten und hielt zwischendurch immer mal Siesta. Gestern hatte ich
Georg wegen seiner nicht mehr erfolgten Transporte diverser
Plastikteile gelobt. Er schien dies gehört oder gelesen zu haben,
denn heute belehrte er mich eines Besseren und fiel in alte
Traditionen zurück. Den inneren Nestbereich zierte erneut ein
hellbraunes Folienteil.

Duftig arrangiert! Herrliche Folie!
Für mich sind es immer wieder die spannendsten
Momente, wenn die Eltern Futtern für ihre Jungen anliefern. Dann
sitze ich doch reichlich aufgeregt am Schreibtisch, eine Hand an der
Schnappschusstaste und volle Konzentration auf das, was sich in den
wenigen Minuten ereignen wird. Die Jungen bilden meist eine weiten
Halbkreis im Nest, gehen in den Fersensitz, richten ihre Schnäbel zu
einem gedachten gemeinsamen Mittelpunkt aus und erwarten just an
dieser Stelle den Schnabel des Elterntieres.

Es gibt etwas zu essen!
Zeigen wir es dem Experten, wie es geht!
Einige Sekunden später – der Mageninhalt
ergießt sich an die genannte Stelle – folgen heftige Bewegungen der
Jungen, die zum Ziel haben, möglichst viele der Beutetiere zu
ergattern. Hier heißt die Devise: Frechheit siegt! Und da sind die
älteren und größeren Geschwister immer eine Schnabellänge voraus.
Waren bisher die Stehversuche der Zwillinge recht seltene
Angelegenheiten, folgen ihnen jetzt alle Küken nach und selbst
Nummer 4

Nummer 3 steht! Könnte sogar die 4 sein!
könnte bei einem solchen – leider vergeblichen
Versuch – beobachtet werden.
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Da sieht die
Welt gleich anders aus! |
Die von mir am besten beobachtete Fütterung
erbrachte einige kapitale Karpfen, die aber offensichtlich von den
Jungen wegen Übergröße verschmäht wurden und liegen blieben, bis sie
sich der Altstorch einverleibte.
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Da waren
Papas Augen wieder größer als unsere Aufnahmekapazität! |
Eine zweite Fütterung förderte weitere
Fischkost zu Tage.

Schau mir in die Augen, Kleines!
Punkt 20 Uhr vollzog sich die vorletzte
Ablösung am Nest. Georg strich ab und Pauline begann ihrerseits mit
der Fütterung. Möglicherweise bleibt die Dame auch gleich im Nest
und Georg sucht sich einen ruhigen Standplatz in der Nähe. |
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Fortsetzung der
Aktualisierung |
10. Jun. 03 |
Hitze pur über der historischen Altstadt
von Dinkelsbühl und damit Schwerstarbeit für Pauline und
Georg.

Sonnenschirm extrem!
Die gute Nachricht gleich zu Anfang: Küken
Nummer 4 lebt nach wie vor und es hat nicht den Anschein, als
sollte sich an diesem Zustand so schnell etwas ändern. An dieser
Stelle muss ich aber zugeben, dass während der Brut des
Jahres 2001 in unserem Nest ein Junges von einem
Altvogel abgeworfen wurde, das bis kurz vor seinem Tod ebenfalls
keine schlechte Figur abgab. Vom einen auf den anderen Augenblick
wurde es mit dem Schnabel ergriffen und in hohem Bogen
aus dem Nest befördert. Wer diese dramatischen Augenblicke
einmal nachlesen möchte, dem sei das Storchentagebuch des Jahres
2001 und hier Teil 3 wärmstens empfohlen. Die „Tat“
geschah am 15.Tag nach der Geburt des Nesthäkchens. Morgen
erreicht übrigens unser diesjähriges Nesthäkchen diesen kritischen
(?) Termin. Dass unsere Junge mächtig wachsen, kann jeder täglich
sichtbar erkennen. Aus den grauen „Mäuschen“ (1.Dunenkleid“) sind
strahlend weiße Störchlein geworden (2.Dunenkleid). Sie nutzen
längst bei ihren Ausflügen während des Tages alle Bereiche
des Nestes und geraten dabei auch gelegentlich an den von der
Kamera bei der momentanen Einstellung nicht ganz erfassten rechten
Nestrand. Ich werde wohl demnächst dieser Tatsache durch die Wahl
einer neuen, etwas totaleren Kameraführung Rechnung tragen. Damit
opfern wir andererseits die Detailgenauigkeit des jetzigen
Bildausschnittes. Mal sehen, wie es mir gelingt, denn ein
stufenloses Zoomen ermöglicht die Technik leider nicht, sondern sie
gestattet im Grunde nur drei Variationen. Die ganz nahe (so wie im
Augenblick), eine mittlere und eine ganz totale, bei der das Nest
sehr klein wirkt und die gesamte Kulisse der Altstadt sichtbar wird
(diese eignet sich vielleicht für die Zeit nach dem Abzug der
Störche im Herbst als Kamerablick). Doch genießen wir einfach weiter
und freuen uns an den Super-Aufnahmen und an einem ungetrübten
Familienglück. Das Wachstum verschiedenster Körperteile
schreitet – wie schon mehrfach angesprochen – mit Macht
voran. Der schwarze Schnabel beispielsweise bringt es
mittlerweile bei unserem Quartett schon auf die stolze Länge von
5 bis 6 Zentimetern und beim Körpergewicht pendelt
man leicht unter bzw. leicht über der 1000-g-Marke.
Nicht schlecht, Herr Specht!
Aufstehen aus dem Fersensitz und Stehen
auf eigenen Füßen gelingt nun schon mehrere Sekunden
lang mühelos. Bei Küken Nummer 4 sind nun an Hand und Arm die
Ansätze der Blutkiele als schwarze Spitzen erkennbar.
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Man wächst
und gedeiht! |
Diese „Versorgungszentren“ für das
Federwachstum leiten nun auch beim letzten Küken das „Hervorsprießen“
der Konturfedern ein. Hoffentlich kann er diese später auch einmal
zweckentsprechend einsetzen. Auffällig beim Vergleich der
Beinfärbung von Pauline und Georg war heute die
unterschiedliche Weißfärbung der hinteren Extremitäten.

Papa hat seine roten Strümpfe noch an!
Da stellen wir uns doch gleich mal zu zweit ins Nest!
Während Pauline bereits ihr
thermoregulatorisches Beinkleid angelegt hatte,

Mama trägt weiße Halbstrümpfe!
konnte man dieses bei Georg noch nicht
ausmachen. Er begnügte sich mit einem strahlenden Rot. Bei einer
Fütterung durch Mutter gab es für den Nachwuchs zumindest
überwiegend Mäuse zu fressen. Diese energiereiche Ernährung
bringt den Küken die gewünschten und erforderlichen Kalorien in
kompakter Form.

Für eine Maus hat es doch noch gereicht!
Nicht ganz vergessen wollen wir auch das
Neuansiedler-Paar in Feuchtwangen, von dem es nur so viel zu
erzählen gibt, dass es immer noch die Stellung hält, wenngleich es
tagsüber sehr häufig außer Haus weilt.


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11. Jun. 03 |
Eine nächtliche Fahrt zum Bahnhof nach Würzburg
lässt mich schon im Morgengrauen ab 5:30 Uhr das Storchenquartier
ins Visier nehmen. Punkt 6:00 Uhr erschien Pauline am Nest
und fütterte ihr Jungenquartett ausschließlich mit Regenwurm
& Co. Diese Kost deckt natürlich alle Altersstadien
unter den Jungen ab und kann von einem frisch geschlüpften ebenso
aufgenommen werden wie von einem flugfähigen Jungen. Also hat die
Storchenmama die Gunst der frühen Morgenstunde genutzt
und die durch die relative Kühle und hohe Luftfeuchtigkeit der Nacht
an die Erdoberfläche gekrochenen Würmer erfolgreich erbeutet.
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Alles Wurm!
Es kreucht
und fleucht
und umwickelt alle Schnäbel! |
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Doch dann geschah etwas Erstaunliches,
mit dem ich in diesem Augenblick nicht gerechnet hätte: Pauline
flog ab und ließ ihre Jungen allein.

Mama! Komm bitte schnell wieder!
Wir haben Angst!
Die Phase der unbewachten Jungenaufzucht
beginnt jedoch so gut wie nie vor Ende der dritten
Lebenswoche, also vom 20. Lebenstag aufwärts. Da gab es nur eine
Vermutung, weshalb Mama Storch ihre Kleinen im Stich lassen könnte.
Sie hatten Durst! Und diese Vermutung bestätigte sich
nach wenigen Minuten. Pauline war nicht zur Nahrungssuche gestartet
(da wäre sie mit Sicherheit eine Stunde und länger weg geblieben und
das tut in einem solch frühen Stadium der Jungenaufzucht auch keine
gute Storchenmutter), sondern nur eben mal um die Ecke an einen
Wasser führenden Graben geflogen, hatte ein paar tiefe
Schlucke Wasser genommen und anschließend sofort wieder
zum Nest zurückgekehrt. Und da landete sie dann auch bald wieder und
ließ sofort wie bei einer Wasserleitung aus ihrem Schnabel
das köstliche Nass fließen. Vieles ergoss sich auf die
Federn der Jungen und brachte schon alleine beim Verdunsten
die gewünschte Abkühlung.
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Wasser
marsch! |
Ein paar Tropfen dürften auch direkt an den
Endverbraucher gekommen sein, als einige Junge direkt nach dem
Schnabel Paulines fassten. Im Normalfall wird bei Störchen
der Wasserbedarf durch die mitgebrachte Nahrung gedeckt.
Reicht dies nicht ganz aus – wie im beschriebenen Fall – erfolgt ein
gezielter Wassertransport durch beide Elternteile. Dies
geschieht so schnell mal nebenbei, auch wenn man eigentlich
Innendienst schieben müsste und aus diesem Grund das Nest nicht
verlassen dürfte. Solche Ausflüge finden dann jedoch
ausschließlich in engen Grenzen statt und lassen das Nest in
Sichtweite bleiben. Pauline startete – soweit ich es beobachten
konnte – um 20:41 Uhr zu einem weiteren Abflug, ohne
die Rückkehr Georgs abzuwarten. Nach 9 Minuten flog sie das
Nest wieder an. Danach war allerdings weder die Abgabe von
Futter noch – wie eigentlich erwartet – das Reichen von flüssiger
Nahrung erkennbar. Pauline stellte sich zu ihrem Nachwuchs, als ob
nichts geschehen wäre. So blieb der zweite Abflug Paulines an diesem
Tag und das gleichzeitige Allein-Lassen des Jungenquartetts etwas
rätselhaft. Macht nichts! Wenig später erschien Georg und brachte
Futter. Wie sich die Ration zusammensetzte blieb angesichts der
hohen Aktivität der Jungen unsichtbar. Ihre heftigen Bewegungen und
ihre große Gier gaben keinen Blicke auf die mitgebrachte Beute frei.

Heutiges Bild zur Entwicklung des Quartetts!
Der Abend stand für mich erneut im
Zeichen einer Beringungsfahrt. Diesmal ging es nach Ornbau
an der Altmühl, einer kleinen Stadt mit einem schönen
Storchennest auf dem Barockkamin eines Hauses aus eben
dieser Zeit. Die drei Jungen hatten ein Alter von gut
vier Wochen und waren bei meinem Besuch bereits allein und
ohne elterliche Begleitung im Nest. Von der gesamten Aktion bekamen
Vater und Mutter Storch nichts mit. Ein Elternteil erschien erst
lange nach Abschluss meines Einsatzes zum Füttern und flog danach
sofort wieder ab. Drei Junge befinden sich zur Zeit im Nest. Ich
erfuhr aus mehreren Quellen, dass insgesamt in diesem Jahr vier
Junge abgeworfen wurden. Das würde gleichzeitig siebenfachen
Nachwuchs bedeuten. Nun sind diese Zahlen nicht ganz von der Hand zu
weisen, aber Doppelzählungen toter Junge halte ich in diesem Falle
für eher wahrscheinlich. So verhält es sich häufig: Nicht auf alle
Festsstellungen kann man sich verlassen. Viele gehören ins Reich der
Fabel, sind nur vom Hörensagen übernommen, aus zweiter Hand gegeben
und leicht verändert an dritte Personen erzählt worden. So bleibt
als verwertbare Aussage lediglich eine Tatsache übrig: Es wurde(n)
Junge(s) aus dem Nest geworfen. Den drei Verbliebenen geht es –
soweit beurteilbar – gut und sie besitzen große Chancen, auch in
vier Wochen das Nest zu verlassen.
Ein weiterer Vorfall an einem
Storchennest, diesmal in Gerhardshofen bei Neustadt/Aisch
rund 100 Fahrtkilometer von Dinkelsbühl entfernt, erregte
heute die Gemüter. Unsere Tageszeitung – die Fränkische
Landeszeitung - berichtete in großer Aufmachung und auch über dpa
wurde die Geschichte bundesweit verbreitet. Dies ist nun noch nichts
Besonderes, erregen Störche doch in weiten Kreisen der Bevölkerung
hohes Interesse und davon profitieren Naturschützer, also auch wir,
in nicht geringem Umfang. (FLZ
Artikel 1,
FLZ Artikel 2)
Es ist für Storchenexperten, wie im vorliegenden Fall,
nicht immer einfach unter dem Druck der Öffentlichkeit und
unter enormem Zeitdruck, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Hier wäre es ratsam, bevor man in die Presse geht, in Ruhe
unter sich zu verhandeln und Entscheidungen anzubahnen. Erst in
zweiter Instanz sollte dann die breite Öffentlichkeit
hinzugezogen werden. Aber hier möchte ich keine Vorschriften machen,
sondern nur meine Denkweise darstellen, die weit weg von den
Geschehnissen natürlich ruhiger und entspannter vonstatten gehen
kann. Warum aber in Gerhardshofen sogleich in so massiver und
blinden Aktionismus zeigenden Weise eingegriffen wurde, ist
mir schon etwas unverständlich. Das Unglück geschah zu einem
Zeitpunkt, zu dem die vier Jungen des Nestes schon so weit
entwickelt waren, dass sie von den Altstörchen nicht mehr bewacht
und geschützt wurden, d. h. die Jungen befanden sich in einer Phase,
in der sie von beiden Eltern alleine im Nest gelassen werden. Dies
ist meines Erachtens eine ganz wichtige Feststellung, die das
weitere Eingreifen entscheidend beeinflussen muss. In einem
ähnlichen Fall (der eine Altstorch verunglückte lediglich an einem
Strommasten tödlich) in Wittelshofen waren zum Zeitpunkt des Todes
vier dreiwöchige Junge im Nest. Bei einer am folgenden Tag
durchgeführten Nestkontrolle, der Altstorch hatte erst nach 24
Stunden den Horst erstmals verlassen, wurde lediglich das
Nesthäkchen entnommen und einen weiteren Tag später zu zwei
gleichaltrigen Jungen in ein Nachbarnest gesetzt. Diese
Einhorstung klappte ebenso wie das alleinige Aufziehen
der drei Geschwister durch den Alleinerzieher im Unglücksnest. Eine
ähnliche Vorgehensweise hätte ich mir für das Gerhardshöfener
Nest ebenfalls gewünscht. Nun füttert man von der
Feuerwehrdrehleiter aus und setzt den Altstorch dadurch unnötig
unter zusätzlichen Stress. Mein Vorschlag hätte gelautet. Wir
helfen dem Storch bei der Futtersuche durch täglich
mehrmaliges Mähen von Streifen in die Wiesenlandschaft um das
Nest. Jeder Mäheinsatz und dieser sollte möglichst im
1-Kilometer-Radius um das Nest stattfinden, schafft für den Storch
natürliche Nahrungsressourcen, derer er sich auch sonst
sofort bedient. Kaum ist ein Traktor bei der Arbeit, ist der
Storch schon da. Also Landwirte! An die Storchenfront! Mäht
eure Flächen einmal so, wie ihr es eigentlich immer tun solltet!
Morgens und abends einige Streifen quer durch die Wiese.
Am nächsten Tag weitere Streifen. Machen das mehrere Wiesenbesitzer
in den nächsten drei Wochen ebenso, erübrigen sich
Auseinandersetzungen des verbliebenen Storchs mit einem
Stopfpräparat und das Schnäbeln in einer Plastikwanne. Und den
Jungen blieben wenigstens die Eintagsküken erspart. Die gibt es eben
doch nur auf dem Weg zum Hausschwein. Also liebe Gerhardshöfener
Freunde! Euer Einsatz ist fraglos anerkennenswert und ich weiß aus
persönlichen Begegnungen, dass Ihr es gut mit den Störchen meint und
nie eine böse Absicht dahinter steckte. Da Ihr auch meine
Einstellung kennt, habe ich für mich nach einer anderen Lösung
gesucht und diese hier dargestellt. Es geht – bitte versteht dies –
nicht um die Frage, wer Recht hat. Denn ich mag nicht beurteilen, ob
mein Handeln richtig oder richtiger gewesen wäre. Nur vertrete ich
einen anderen Ansatzpunkt in der Frage des Storchen- und/oder
Naturschutzes. Nicht mehr und nicht weniger! Also bitte keinen neuen
Glaubenskrieg entfachen! Nur bin ich in diesen Fragen ein gebranntes
Kind und ereignen sich neue Katastrophen, kommen Altlasten in mir
hoch, denen ich auf schriftlichem Wege begegnen und die ich in
dieser Weise verarbeiten muss. Die im Bericht der Zeitung genannten
Frauen und Männer verdienen – und hier stimme ich mit dem Verfasser
voll überein – Anerkennung. |
12. Jun. 03 |
Wegen der ungewöhnlichen Hitze ist im Hause Ziegler
Entspannung angesagt. Wenig Bewegung und nur im äußersten
Notfall aus dem Haus beherzige ich heute penibel genau.
Büroarbeiten und gleichzeitig mit einem Auge nach Pauline und
Georg schielen, ist nun keine so schlechte Alternative. Doch
die Storchenfamilie scheint im Moment auch nur das Nötigste an
Bewegung zu realisieren.

Tägliches Bulletin über den Gesundheitszustand:
Alle vier Junge wohlauf!
So gab es einen recht langweiligen Tag ohne
besondere Vorkommnisse. Nur
zur Regel entwickeln sich wegen der Temperaturverhältnisse die
kurzen Abflüge zum Wasserholen und damit das kurzfristige
Allein-Lassen der Jungen.
 |
 |
Mama ist weg! Was hast du bestellt?
Bei mir war es ein Wasser! |
Ich will zuerst..
Nein, ich war der erste! |
Während eines solchen Fluges kam es heute einmal zu einer
Begegnung der besonderen Art. Kurz nachdem Pauline mit Wasser
im Nest gelandet war und dies an die schon wartenden Jungen
verteilt hatte, erschien auch Georg am Nest.

Pauline, da hattest du die gleiche Idee wie ich!
Er hatte
wohl bei seinem kurz vorher erfolgten Abflug die gleiche Idee
verfolgt und war nicht zur Nahrungssuche aufgebrochen, sondern
ebenfalls zur Tränke abgeflogen. Diese Parallelität der
Gedanken führte dann zu der grotesken Situation, dass beide
Altstörche gleichzeitig an ihre Jungen Getränke verteilten.
In diese Phase der Jungenaufzucht ereignet sich ein solcher
Doppelschlag ganz selten und auch dann, wenn beide Altstörche
getrennt auf Futtersuche gehen, finden gleichzeitige Fütterungen am
Nest durch beide Altstörche so gut wie nie statt. Mir gelangen
derartige Beobachtungen bisher nur ganz wenige Male.

So gehört sich das mit einer Fütterung!
Der Nachmittag brachte
heute schließlich mit 34 Grad die höchsten Temperaturen des
Jahres und vielerorts purzelten Rekorde für einen 12. Juni
seit es Aufzeichnungen über die Temperaturen gibt.

Mama, ist dein Thermostat kaputt?
Wir haben 34 Grad und du deckst uns zu!
Die Gewitterstimmung in den frühen Abendstunden entlud
sich lediglich in einigen Tropfen Regen. Dies reichte jedoch
aus, um bei Pauline, sie hatte gerade „Nestdienst“, den
Regenschirm aufzuspannen. Ihre Versuche, die vier doch schon
großen Jungen komplett zu bedecken, wirkten anfangs grotesk und
deuteten auf ein erfolgloses Unterfangen hin, doch nach wenigen
Minuten hatte sich Groß und Klein arrangiert und außer einer
unnormalen Wölbung an Paulines Hinterteil passten schließlich alle
unter den Natur-Regenschirm.
 |
 |
Viel Regen wird es nicht geben, aber sicherheitshalber
nehme ich euch schon mal unter meine Fittiche! |
|
13. Jun. 03 |
So langsam schließt sich für
unser Jungenquartett die dritte Lebenswoche. Was ich nicht
für möglich gehalten habe, ist schon eingetroffen. Alle Jungen
haben bis heute überlebt und dies trotz des
immer wieder zu Beginn des Schlüpfens vermuteten Nahrungsmangels
infolge der großen Trockenheit.
 |
 |
Schaut, Papa
baut gerade einen
grünen Zweig mit Blättern ein! |
Wir sind noch
alle da! |
Hier hat ihr Experte aber
die Rechnung ohne die Eltern gemacht. Die sind eben doch findiger
und bestens auf diese Situation eingestellt. Mit Sicherheit ist die
herrschende Wetterlage allemal besser als eine
kühle und regenreiche Witterungsperiode in der Zeit der
Jungenaufzucht. Man kann es halt nicht jedem Recht machen. Es ist
nur schwer nachvollziehbar, warum – wie in Vetschau geschehen – ein
wenige Tage altes Küken an Nahrungsmangel verenden sollte, braucht
es doch in diesem Alter bei weniger als 100 g Lebendgewicht deutlich
weniger als 100 g an Nahrung. War aber die richtige Nahrungsgröße
vorhanden? Was macht ein kleines Küken mit einem Maulwurf, einem
großen Fisch oder anderen zu umfangreichen Brocken? In solchen
Fällen spielen ganz gewiss mehrere Faktoren zusammen. Wer denkt
von all den Experten auch an die Eltern? An ihre Fitness?
Können manche Störche überhaupt mit vielen Jungen zurecht
kommen? Sind sie dieser Aufgabe gewachsen? Vom Alter oder
von der persönlichen Konstitution her? Fragen über Fragen, die
manches Eingreifen des Menschen von dieser Sicht aus in Frage
stellen. Pauline und Georg hatten bisher das Glück – und die
Beobachtungen über die Webcam bestätigten dies eindrücklich – in
jeder Phase der Jungenaufzucht die entsprechende Beute bereit zu
halten. So gab es Regenwurm, wenn diese Beutegröße gefragt war oder
entsprechend Fisch, Kröte und Maus, wenn es schnell mal galt, einen
Kalorienstoß zu verabreichen. War es einfach Glück, das den Eltern
in dieser Beziehung hold war oder stellen beide ein erfahrenes
Brutpaar dar, das in langjähriger Zweisamkeit gelernt hat, mit
schwierigen Situationen klar zu kommen. Eine sichere Aussage kann
nicht angestellt werden, aber von beiden Möglichkeiten können Teile
sicher zutreffen.

Kaum ist Mama da, fliegt Papa auch schon ab!
Seit einigen Tagen
wünschte ich mir gelegentlich einen etwas totaleren Bildausschnitt
in unser Kameranest. Gelegentlich rutschten Jungen oder Eltern schon
einmal aus dem Bild. Darüber habe ich mich kürzlich schon in aller
Ausführlichkeit ausgelassen. Heute nun führte ich
diesen kleinen Eingriff durch und hoffe, dass er Ihren
Wünschen entspricht.

Hallo, Freunde! Nun sieht man uns wieder ganz!
Komisch, wie
klein dadurch die Jungen zunächst wieder geworden
sind, wenn man sie fast drei Wochen so nah betrachten konnte.
Aber man gewöhnt sich an alles, so dass nach kurzer Zeit das neue
Bild im Auge haftet.
 |
 |
Wir sind nun plötzlich ein ganzes Stück kleiner geworden! |
Es bleibt zumindest nach wie vor alles
erkennbar. Deshalb sah man auch, was Rudi da um die
Mittagszeit erneut an Müll angeschleppt hatte. Wenn mich
nicht alles täuscht, handelt es sich da um eine schwarze Tasche
oder große schwarze Plastiktüte, an der ein deutlich
sichtbarer Haltegriff auffällt. War er damit gar beim
Einkaufen und uns will er weiß machen, er habe alles selbst
erbeutet? Oder macht sich Georg damit von Zeit zu Zeit auf
den Weg ins Büro?

Papa, was machst du mit der Aktentasche?
Man sollte den Vorgang
weiter verfolgen, um eine Klärung des Geschehens zu erreichen. Die
Sonne versteckte sich heute von Zeit zu Zeit hinter dickeren
Wolken und immer wieder sah es nach Regen oder Gewittern aus. Doch
alles blieb ruhig und mit knapp unter 30 Grad lagen die
Temperaturen um über 5 Grad niedriger als gestern. Prompt
sank auch der zusätzliche Wasserbedarf unserer Jungen, so dass
Sonderausflüge zum Getränkeeinkauf nicht stattfinden
mussten. Leider ohne Schnappschuss-Beleg blieb das kurze,
einbeinige Stehen eines Jungstorches (Nummer 1 oder Nummer 2).
Zweifellos bedeutet dies eine glanzvolle Balanceleistung und
das in einem Alter von gerade mal 19 Tagen.
Die Storchen-Groteske in Gerhardshofen
geht weiter und hat bereits viele Fernsehstationen auf den
Plan gerufen. Der verbliebene Storchenmann findet keine
Ruhe mehr, wird ständig durch umtriebige Reporter und Fütterer
in seiner eigentlichen Aufgabe, Nahrung herbeizuschaffen, behindert
und zusätzlich pausenlos gestresst. Lesen Sie den heutigen
Bericht in der Zeitung und machen Sie sich ein eigenes Bild,
welch seltsame Blüten Tierliebe treiben kann. Und doch
spiegelt all dies nur das weit verbreitete Tier- und
Naturverständnis weiter Kreise der Bevölkerung wieder, die
Wildtiere mit ihren Muschis und Mausis auf dem Sofa gleich setzen
und eine identische Behandlung zum Beispiel auch den Störchen
angedeihen lassen wollen. Wenn sich wenigstens einige meine Leser
von einer solchen Einstellung verabschieden, wären meine Gedanken
und Einlassungen nicht ganz umsonst geschrieben. Doch hier ist noch
eine ganze Menge Überzeugungsarbeit zu leisten, bis
menschliche Denkart nicht mehr auf tierisches Verhalten
durchschlägt. Wenn Eltern ihre Kinder quälen, vergewaltigen, halb
tot schlagen und total vernachlässigen, ist die Aufregung in der
Bevölkerung äußerst zurückhaltend, nein, im Wissen um solche
Vorfälle wird sogar häufig geschwiegen. Verunglückt ein Storch – um
nur ein Beispiel zu nennen – entsteht ein ungeahnter Aufruhr und
eine ganze Armada von Hilfe Leistenden tritt auf den Plan. Doch
reichlich pervers, unsere Gesellschaft! Und ich will mich dabei
ebenfalls nicht ausnehmen. Ich versuche nur, Ihnen die
Verhältnismäßigkeit der Mittel ein wenig zu verdeutlichen. Man muss
nicht alle Tiere um jeden Preis retten, nur weil es technisch oder
medizinisch machbar ist. Aber da geraten wir schon wieder in einen
anderen Themenkomplex. Würde man in Gerhardshofen ähnlich handeln,
wenn keine Feuerwehrdrehleiter zur Verfügung stünde? Wer wäre bereit
die Fütterung freihändig von einer auf den Dachfirst gestellten
Leiter zu übernehmen? Also bewahren Sie Augenmaß, auch wenn man sich
dabei unbeliebt machen muss! (FLZ
Artikel)
Von meinem Heimatpaar gibt es derzeit wenig zu
vermelden. Seit Tagen habe ich keine Sichtbeobachtung mehr tätigen
können, doch lag dies überwiegend daran, dass ich in der Nacht keine
Kontrollfahrt mehr unternommen habe. Zuletzt konnte ich die beiden
am Montag unweit Feuchtwangen auf Nahrungssuche sichten. Bei einer
negativen Feststellung blieb es auch heute. Das Nest auf dem Kamin
des alten Rathauses zeigte sich nachts verlassen. |
|
2. Fortsetzung der
Aktualisierung |
14. Jun. 03 |
Endlich wieder Storchensichtung in
Feuchtwangen! Das Paar, das sich in den letzten drei Tagen rar
gemacht hatte, steht heute wieder im Mittelpunkt des
Interesses auf dem Feuchtwanger Marktplatz. Beide Störche
halten sich während mehrerer Stunden am Vormittag im Nest auf, so
als ob nichts geschehen wäre.
Für Pauline und Georg galt es heute
abermals, ein schweres Gewitter zu überstehen. Wie die
Storchenmutter die Situation meisterte, verdient erneut
hohe Anerkennung. Während einer Stunde zwischen 17 und 18
Uhr schien in Dinkelsbühl die Welt unterzugehen. Es wurde
finster, der Regen peitschte, das Nest erzitterte in seinen
Grundfesten, so sehr wurde es vom Wind durchgeschüttelt.
 |
 |
 |
Jetzt gilt
es das Unwetter gut zu überstehen! |
Einige Male glaubte ich am rechten Nestrand
eine Bewegung nach oben und kurz darauf wieder nach unten erkannt zu
haben. Aber das gut verflochtene Ast- und Zweigmaterial
hielt dem Wind stand. Nur an der der Kamera
abgewandten Nestseite war nach dem Unwetter etwas Unordnung
zu erkennen und einige Zweige hatte sich gelöst und zeigten nun
senkrecht nach oben.

Da muss ich schnell wieder für Ordnung sorgen!
Während der ganzen Zeit lag der
Altvogel ohne Unterbrechung auf seinen Jungen und versuchte, sie
komplett zu bedecken. Ein schwieriges Unterfangen bei so viel
Storch, doch bis auf den einen oder anderen vorwitzigen Kopf war das
gesamte Jungenquartett perfekt zugedeckt. Nachdem die Gewitterfront
abgezogen war, schüttelte Pauline einige Male ihr durchnässtes
Gefieder aus, um sich gleich darauf mit größter Vorsicht abermals –
diesmal zum Trocknen - über die Jungen zu legen.
 |
 |
Pauline
schüttelt sich trocken... |
...und
trocknet so ihre Jungen |
So muss man es eben machen. Da braucht
es keine Feuerwehr, die bei Gewitterregen ausrückt, um kleine Junge
zu bergen oder anderen Schnickschnack zu machen. Vor den
Gewittern musste unser fürsorgliches Paar die eine oder andere
heiße Phase hinter sich bringen.
 |
 |
Wieder mal
die Sonnenschirmstellung! |
Georg vollführte dabei eine klassische Art der
Durstbewältigung. Kaum hatte er seinen Nachwuchs gefüttert,

Bitte zum Mittagessen!
ließ er Nest und Junge für genau zwei Minuten
allein.

Jetzt bringt Papa gleich wieder Wasser!
Wo er in dieser kurzen Zeit gewesen war, zeigte
er dann kurz nach der Landung, als er einen kleinen Wasserstrahl
über seine Jungen laufen und ihnen damit eine wohltuende
Abkühlung zu Teil werden ließ. |
15. Jun. 03 |
In den frühen Morgenstunden feierten
unsere erstgeschlüpften Zwillinge in alle Stille
Geburtstag. Zu dieser Zeit wurden beide genau drei Wochen alt.

Wo wollt ihr denn alle hin?
Ihr müsst zur Geburtstagsfeier!
Damit beginnt für sie, ebenso wie für ihre ein
bzw. zwei Tage jüngeren Geschwisterchen, die Zeit des stärksten
Wachstums und des größten Futterbedarfs. Die 22 Arm-
und 11 Handschwingen an jedem Storchenflügel werden nun mit
Macht aus den Blutkielen schieben und unsere Jungen immer mehr dem
Aussehen ihrer Eltern gleich kommen lassen. Bis zum Ausfliegen
werden die Arm- und Handschwingen aneinander gelegt eine
unglaubliche Länge von 20 Metern - für beide Flügel gerechnet
– erreichen. Dass dabei für die längsten Handschwingen – sie
erreichen fast 50 Zentimeter – pro Tag sogar mehr als 1 Zentimeter
Längenzuwachs erforderlich ist, unterstreicht die enorme
Wachstumsgeschwindigkeit. Beim Blick ins Nest erleben wir die
Jungen meist im so genannten Fersensitz. Kopf und Brust sind
dabei vom Nestboden abgehoben. Vom Flügel erkennt man in
dieser Position den langen Armteil, während die kürzere
Hand im Handgelenk abgewinkelt wird und teilweise unter
dem Arm zu liegen kommt. Stehen die Jungen und versuchen sie
sich mit schlagenden Flügeln im Gleichgewicht zu halten, kommt die
Hand zum Vorschein. Dieser Teil des Flügels trägt am Schluss die
längsten Federn und dieser Teil ist es dann auch, der durch das
Federwachstum ungemein an Gewicht gewinnt. So fällt es den Jungen
bald ungemein schwer, ihr Hand immer schön angewinkelt zu halten,
immer öfters rutscht sie nach unten und wird dann vorübergehend gut
sichtbar.

Auf dieser Aufnahme von gestern sieht man
die Blutkiele der Hand bläulich schimmern.
Kurz nach 13 Uhr erlebten wir heute
beide Elternteile gemeinsam für mindestens 10 Minuten
am Nest. Die Nestpräsenz beider Altstörche hatte eine
einfache Erklärung: Mindestens ein fremder Storch war
im Luftraum über dem Nest erschienen und auch in dieser
Situation funktionierte unser Paar. Noch ehe der Eindringling sich
dem Nest gefährlich nähern konnte, hatte auch Georg neben seiner
Pauline Platz gefunden und so genügten einige Klapperstrophen und
einige Drohgebärden, um den Artgenossen auf Distanz zu halten.
Während der gesamten Zeit der Bedrohung zeigte unser
Jungenquartett eine ebenfalls eindrucksvolle Vorstellung, die
das angeborene Verhaltensschema für solche Fälle vorsieht.
Nummer 1 bis Nummer 4 fielen in den Zustand der
Bewegungslosigkeit, sie stellten sich tot. Merken Sie sich,
dass der Name Kino vom griechischen „kinere“, sich bewegen, kommt
(denn dort bewegen sich Bilder und man sieht einen Film, würden sich
die Bilder nicht bewegen, wäre es auch ziemlich langweilig). Mit
diesem Wissen verstehen Sie den Fachbegriff der „Akinese“
besser, den die Jungen bei Erscheinen einer Gefahr an den Tag legen
und der so viel bedeutet wie „Sich-nicht-bewegen“.

Schnell, Akinese! Papa und Mama
sind aber ganz schön aufgeregt!
Dies erhöht ihre Chancen erheblich, von einem
möglichen Aggressor in Ruhe gelassen und vielleicht verschont zu
werden. Allzu große Gegenwehr würde im Ernstfall das
Aggressionspotential eines Feindes erhöhen und dadurch auch die
Überlebenschancen verringern. In menschlicher Obhut aufwachsende
Jungstörche verlieren mit der Zeit der Aufzucht diese
Verhaltensweise und fallen bei Erscheinen eines Feindes – und dies
kann auch der Mensch sein – nicht mehr in Akinese.

Entwarnung!
Es darf wieder gekuschelt werden!
Seit dem gestrigen Unwetter ziert unsere
Nachwuchsstörche ein gelblich bräunlicher Streifen, der von
der Brust über den Bauch verläuft. In diesem Bereich ist die
Befiederung im Augenblick sehr lückig oder es finden sich dort sogar
einige nackte Hautstellen. Durch die gestrigen Regenfälle
wurde der Nestinnenraum kurzfristig weich und
färbte die Körperpartie, die die engste Auflagefläche mit
diesem Nestteil besitzt, in der angesprochenen Weise und Farbe.
Keine Angst! Bis zum Ausfliegen hat sich dieser Farbtupfer jedoch
längst wieder verflüchtigt. So schließt das Tagebuch für den
heutigen Sonntag mit wenig Action, jedoch für Pauline, Georg und
ihre Kinder weiterhin sehr erfolgreich. Mit jedem Tag, den die
Jungen zu viert überleben, steigt auch die Möglichkeit, dass man
zusammen das Ausfliegealter erreicht.

1.Reihe liegend, 2.Reihe stehend!
Feuchtwangen erlebte auch an diesem
schönen Sonntag seine Störche wie in besten Tagen. Beide hielten
heute wieder über Stunden das Kaminnest besetzt. Wo sie zur
Zeit die Nächte verbringen, kann ich nach wie vor nicht ermitteln.
Im Nest standen bis gegen 23 Uhr keine Störche.
PS! Dank Ulrich konnte meine Vermutung
über das Auftauchen von Fremdstörchen heute gegen 13 Uhr bestätigt
werden. Als er – wie im Gästebuch unter Nr. 4220 geschrieben – zur
angegebenen Zeit das Nest live beobachtete, sah er das Paar im Nest
(so wie wir) und über dem Nest kreisten zwei Fremde, die allerdings
keine bösen Absichten hegten. |
16. Jun. 03 |
Um 10 Uhr konnte das Feuchtwanger
Storchenpaar erneut im Nest auf dem Kamin des alten
Rathauses gesichtet werden. Also lassen sie sich nur nachts an einem
anderen Ort nieder oder ihr Tagebuchschreiber sollte einmal eine
Kontrolle nach Mitternacht durchführen. Bei den momentanen
„Vollmond-Verhältnissen“ wäre eine Anflug des Nestes um diese späte
Stunde durchaus denkbar, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich. Um 23
Uhr konnten auch heute keine Störche im Kaminnest gesichtet werden.
Am Vormittag startete ich zu einer
kleinen Storchenfahrt an den Oberlauf der Altmühl. In
Leutershausen leben von mindestens vier geschlüpften Jungen noch
zwei. Sie haben ein Alter von über vier Wochen
erreicht und damit gute Chancen, die nächsten Wochen
ebenfalls unbeschadet zu überstehen. Im 10 Kilometer entfernten
Herrieden sind ebenfalls Junge geschlüpft. Ich entdecke
nach längerer Beobachtungsdauer mindestens zwei knapp 14
Tage alte Junge. Zwischen beiden Orten bekam ich noch einen
Besuchsstorch auf dem Nest in Neunstetten zu Gesicht. Das
Männchen, das einen Ring trägt, ist mir seit vielen Jahren bekannt.
Es hat auch schon in Neunstetten erfolgreich gebrütet. In diesem
Jahr ist es nur sporadisch am alten Nest und wechselt – wie im
Vorjahr – gerne an die Autobahnraststätte. Dort befindet sich
ebenfalls ein Nest auf der Werbeanlage der Tankstelle.
Bei Pauline und Georg im Nest auf dem
alten Rathaus in Dinkelsbühl läuft alles seinen gewohnten Gang.
Die Eltern „funktionieren“ vorzüglich und die vier Jungen
gedeihen nach wie vor ausgezeichnet.

Weiter so, meine Kleinen!
Es sind keinerlei sichtbare Anzeichen einer
Schwäche oder Anomalie zu erkennen. Aber solche Anzeichen gibt es ja
– wie Ihnen bekannt sein dürfte – so und so nur ganz selten. Also
dürfen weiter die Daumen gedrückt werden, damit der positive Trend
erhalten bleibt.
 |
 |
Mama, bei
der Hitze brauchst du
uns doch nicht mehr zu hudern! |
Es wird
schwierig! Ich krieg
euch nicht mehr unter die Flügel! |
Die Eltern ließen ihre Jungen
auch am heutigen Tag mehrmals alleine, um bei den hohen
Tagestemperaturen, die wieder nahe an die 30 Grad kletterten,
ausreichend Flüssigkeit einzufliegen.

Ohne Eltern ist Akinese angesagt!
Doch die Zeiten, in denen elterlicher
Schutz und Schirm fehlen, verlängern sich mit
jedem Tag. Heute gegen Abend waren es schon satte 24 Minuten
(von 19:47 Uhr bis 20:11 Uhr). Nach der Landung gab es für die
Jungen überraschenderweise weder feste noch flüssige Nahrung zu
konsumieren. Georg zeigte sich wieder am Nest, zog ein Bein an und
gab sich total entspannt. Das Jungenvolk „erwachte“ aus
seiner Akinese und gefiel sich in entspanntem Spiel. Mal
hierhin rutschen, mal dorthin rutschen! Gebettelt wurde in der Tat
auch nicht, also hatte man auch keinen Hunger und ließ Georg
in Ruhe. Mit Sicherheit reagieren die Eltern in dieser
frühen Phase (das Nesthäkchen ist noch keine drei Wochen alt) auf
den erhöhten Nahrungsbedarf und nutzen auch einmal kurze
Abflüge, um ausschließlich an sich zu denken.

Das Beobachten von Papa macht Spaß!
Unerwartet verabschiedete sich um
21:14 Uhr auch Pauline von ihren Jungen und ließ
sie allein. Diesmal währte die Vakanz sage und schreibe bis
22:04 Uhr, also genau 50 Minuten lang. Als die Mama
endlich wieder erschien, gab es zur Belohnung für das lange
Ruhigsein eine Extraportion Futter.

Mal sehen, was es heute zum Abendessen gibt?
Stellen wir uns in den nächsten Tagen darauf
ein, dass die „unbewachte Jungenaufzucht“ früher einsetzt als
erwartet, aber bei vier Jungen sollten wir diesen Umstand nicht
allein als Anzeichen einer sich verschlechternden Nahrungssituation
sehen. Das Stehen entwickelt sich längstens zur Gewohnheit
bei allen Jungen, wenn auch die Älteren hier noch gewisse Vorteile
an den Tag legen. |
17. Jun. 03 |
Es ist soweit! Die Phase der
unbewachten Jungenaufzucht hat mit Macht begonnen.
Pauline und Georg haben sich eindeutig schon sehr früh für diese
neue wichtige Überlebensstrategie entschieden.
 |
 |
Von da
müssen Papa oder
Mama doch bald kommen!... |
...oder
kommen sie
doch eher von da! |
Am 11. Juni waren die Jungen zum
ersten Mal für einige Minuten allein und seitdem
steigerten sich diese Augenblicke täglich in ihrer Häufigkeit und
zeitlichen Ausdehnung. Das Wetter stimmt, die Jungen sind heute alle
drei Wochen alt oder älter (das Nesthäkchen feiert heute seinen
dreiwöchigen Geburtstag!) und der Nahrungsbedarf wird
immer größer. Was bleibt den Eltern da schon an
Wahlmöglichkeiten? Ich denke keine! Es heißt nun, keine Minute
unnütz vergeuden mit Schattenspenden oder anderen
Kinkerlitzchen! Nahrungssuche ist angesagt und zwar rund um die Uhr
und dazu auch noch zu zweit im Doppelpack. Durch die etwas
weitere Kameraposition gehen leider Details bei der
Nahrungsübergabe an die Jungen verloren. Man kann nun die
Art der Beute nur noch schwer ausmachen, aber bei
einer Fütterung waren mit Sicherheit wieder Mäuse auf
dem Speiseplan. Da es nun bereits seit drei Tagen nicht
mehr geregnet hat, sieht es mit den Regenwürmern
natürlich sehr schlecht aus. Von 8:30 Uhr bis 12:00 Uhr
– das sind 210 Minuten – waren die Jungen sage und schreibe
174 Minuten allein oder anders ausgedrückt lediglich 36
Minuten „bewacht“. Pauline und Georg halten sich also echt
ran und haben erkannt, wie wichtig jetzt ihr Einsatz bei der
Nahrungsbeschaffung ist. Dieses Strickmuster behielten unsere Eltern
während des gesamten Tages bei.
 |
 |
 |
Jetzt haben
wir uns
mal in der Mitte
versammelt! |
Wenn Papa
verschwindet
schlägt er mit den Flügeln!
Das kann ich auch! |
Schau, da
hinten kommt
gleich Mama
angesegelt! |
Nun muss man schon etwas Glück haben,
will man Pauline oder Georg für längere Zeit im Nest
stehen sehen. So schnell ändern sich die Zeiten! Etwa alle
Stunde erschien einer der Altvögel zur Fütterung. Das
sind für Pauline und Georg im Schnitt alle zwei Stunden ein Anflug
ans Nest. In den Nachmittagsstunden stieg dieser zeitliche Rahmen
auf 90 Minuten respektive drei Stunden an. Kaum war eine
Fütterung vorbei – und die dauerten rund zwei Minuten – flogen
Pauline oder Georg auch schon wieder ab. Beide wollten
wohl damit zum Ausdruck bringen, dass sie keine Zeit zu verlieren
hätten und möglichst schnell in den Nahrungsgebieten zurück sein
wollten. Kürzlich traf ich bei einer Autofahrt nach Dinkelsbühl
unmittelbar neben der Bundesstraße B25 und der still gelegten
Bahnstrecke Dombühl – Nördlingen einen der Dinkelsbühler Altstörche
in Höhe der Abzweigung zur Froschmühle bei der Nahrungssuche an. Er
stand in einer frisch gemähten und komplett abgeräumten Wiese.
Bei den heutigen Fütterungen habe ich einige
Male meine Unterscheidungsmerkmale von Pauline und Georg
überprüft und verfeinert. Es besteht nach wie vor ein deutlicher
Unterschied in der Färbung der Beine. Bei Georg leuchtet das
Rot selbst in einem schlechten Licht heller als Paulines mehr
bräunlich/rote „Stelzen“. Dass die Beinlänge ebenfalls bei
Georg ein längeres Maß erfordert, habe ich schon einige Male
angesprochen.
 |
 |
Pauline am
Nest:
Hat gut geschmeckt! |
Nun ist
Georg
an der Reihe! |
So konnte man deutlich – diese Kriterien
kennend und anwendend – Pauline um 21:15 Uhr zu einer
Fütterung erscheinen sehen. Unmittelbar darauf flog sie ab,
stand für etwa zwei Minuten auf dem Dachfirst des alten Rathauses
und strich dann zur Nahrungssuche ab. Als Georg 20 Minuten später
im Nest landete, war er erneut nicht bereit, Futter an die Jungen
abzugeben. Er stellte sich stattdessen gelangweilt an den Nestrand,
zog ein Bein an und tat so, als ob er als Alibi seine Nachkommen
bewachen wollte. Diese ihrerseits schienen auch keinen Appetit zu
entwickeln, sondern legten sich ruhig mit seitlich verdrehtem Kopf
in die flache Nestmulde. Die letzten Beobachtungen lassen mich zu
dem Schluss kommen, dass Pauline im Bereich der
Nahrungsbeschaffung den weitaus größeren Anteil trägt als
Georg.

Mama, was hast du denn Gutes mitgebracht?
Ist ja auch ganz normal und auf den
menschlichen Bereich übertragen nur zu verständlich. Er – Georg –
hat das Nest in fast alleiniger Arbeit von Null auf Hundert
gebracht, dafür darf nun sie – Pauline – einen größeren Part bei der
Jungenaufzucht leisten.

Jetzt ist aber mal Georg an der Reihe!)
Reichlich im Dunkeln blieb das Verhalten
unserer Storchenbesatzung in der Nacht. Denn ab 22 Uhr gingen
abermals Gewitter über der Stadt und dem Land nieder. Doch außer
einem heftigen Regen blieb es ohne weitere negative Begleitumstände. |
18. Jun. 03 |
Auch für unser Jungenquartett verliefen
die heftigen Regenfälle der Nacht ohne schlimme
Folgen.

Hunger haben wir immer!
Wie sollten sie auch solche nach sich ziehen?
Nummer 1 bis Nummer 4 sowie sämtliche Artgenossen haben es im Laufe
ihrer Entwicklungsgeschichte (und diese dauert nun schon rund 150
Millionen Jahre) mit ganz anderen Wetterkapriolen zu tun gehabt und
haben sich letztlich mit Erfolg durchgesetzt. Papa Georg
stand heute am Morgen für lange Zeit im Nest neben
seinen Jungen.

Wann werden unsere Handschwingen
auch so groß wie die von Papa?
Sollte die Nahrungssituation auf Grund
des Regens deutlich besser sein als in den vergangenen
Tagen und er deshalb mehr Muße zum Faulenzen haben?
Nach kurzem Abflug erschien Schorsch schon wieder bei seinen Jungen,
doch Futter hatte er erneut nicht dabei. Da lass ich
lieber meine Pauline ran! Soll die sich doch mit unseren Kindern
abmühen. Sie war es ja, die unbedingt vier haben wollte! Schorsch,
sei bitte nicht gleich so beleidigt! Du wirst auch noch dringend
gebraucht! Glaub es Deinem Storchenexperten! Doch für heute konnten
beide Eltern immer wieder mal kurz oder lang verschnaufen und nach
der nächtlichen Abkühlung musste man auch nicht mehr so viel
schwitzen. Kein Wunder bei gerade mal 22 Grad
Höchsttemperatur! Dass unser Nesthäkchen den größeren
Geschwistern weiter mit Macht nacheifert, darf uns schon ein
bisschen stolz machen.
 |
 |
Papa, zähl
mal! Wie viele sind wir? |
Richtig! Wir
sind zu viert! |
Deutlich zeigt sich das Wachstum der
schwarzen Schulterfedern, an deren Länge man gut die
verschiedenen Altersstadien herauslesen kann. Ebenso verbreitern
sich die schwarzen Säume an Hand und Arm mit jedem Tag
mehr. Wenn man nach längerer Zeit einen Blick auf verschiedene, von
Hand aufgezogenen Jungstörche wirft und deren Gewichtsentwicklung
mit der unseres Quartetts gleichsetzt, ergeben sich folgende
Werte. Mit 24 Tagen bringen es unsere Zwillinge
demnach auf ein Körpergewicht von knapp über vier Pfund,
bei den Geschwistern liegt es leicht darunter. Der
schwarze Schnabel hat es mittlerweile auf rund 8 Zentimeter
gebracht. Wer sich in den letzten Tagen nach Müll im Nest
gesehnt hatte, wurde heute endlich mal wieder
zufrieden gestellt. Unser Schorsch entschied sich für
einige weiße Folieteile und als Farbkontrast auch für ein
„kleines Schwarzes“.
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Unser
Schorsch fällt doch hin und wieder in alte Gewohnheiten zurück! |
Die letzte Fütterung des Abends, von der
ihr Tagebuchschreiber etwas mitbekam, erfolgte kurz nach 22 Uhr.
Recht viel später geht es auch im Hinblick darauf, dass wir bald den
längsten Tag des Jahres erreicht haben, nicht mehr. Sollte es einmal
knapp mit der Zeit werden, füttern Störche auch schon mal später und
nutzen dazu auch das spärliche Licht des Mondes aus, aber so weit
muss es ja nicht kommen. Mancher wird sich schon gefragt haben, wie
es mit vier erwachsenen Jungen im relativ kleinen
Storchennest zugehen wird. Ich wage dazu ebenfalls keine
Prognose abzugeben, aber eng wird es auf alle Fälle. Die
Eltern werden außer bei Fütterungen nicht mehr am Nest zu sehen sein
und das Jungenquartett muss sich halt „absprechen“,
wer wann etwas macht. Alle vier gleichzeitig Flügel spreizen, im
Nest springen, Dehnübungen machen und so weiter, wird nicht möglich
sein. Da muss man eben zusammenrücken und das wird
auch in irgendeiner Weise so geschehen. Auf spannende Wochen
darf man aber schon jetzt gespannt sein. |
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3. Fortsetzung der
Aktualisierung - wir sind wieder auf dem Laufenden! |
19. Jun. 03 |
Feiertag und vielleicht auch
Brückentag für viele, um in ein verlängertes Wochenende zu starten.
Die Abkühlung hat sich heute fortgesetzt und gibt allen die
Gelegenheit wieder durchzuschnaufen, die Zimmer zu durchlüften und
sich auf den angekündigten neuen Sommerstart vorzubereiten. Auch bei
unserer Storchenfamilie hat sich die kühlere Witterung durchgesetzt
und der böige Wind (dieser brachte ja schließlich die Abkühlung) hat
sämtliche Folienteile, die Georg gestern mühsam eingetragen hatte,
komplett aus dem Nest geweht.

Hoffentlich bringt Papa nicht wieder seinen Müll mit!
So ist der Lauf der Zeit! Nichts ist ewig,
alles ist vergänglich. Die Sonne machte sich wirklich rar, nur gegen
Abend verbreitete sie ein wunderschön weiches Licht auf Nest und
Storchenfamilie. Heute konnte man ein völlig anderes Bild beobachten
als an den vergangenen beiden tagen. Georg und Pauline hielten doch
die meiste Zeit Wache bei ihren Kindern. Wenn nicht im Nest direkt,
gaben sie ihre Aufwartung auf dem Dachfirst des Nestgebäudes.
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Hier auf dem
Dach habe ich
meine Ruhe! |
Die Kleinen
können schon
ganz schön nerven! |
Dies allein mit der entspannteren
Nahrungssituation erklären zu wollen, erscheint mir zu einfach. Mit
großer Sicherheit erschienen an diesem Tag mehrmals fremde Störche
über dem Storchendomizil. Einmal schien die Bedrohung so intensiv zu
sein, dass der wachhabende Storch nach intensivem Klappern und
massiven Drohgebärden sich schützend mit ausgebreiteten Flügeln über
die Jungen legte. Über die Webcam war allerdings der Fortgang der
Aktion nicht zu verfolgen. Vor dem Auge der Kamera konnte man keinen
Angreifer erkennen. Die häufigen An- und Abflüge in den frühen
Nachmittagstunden lassen im Zusammenspiel mit den genannten
Verhaltensauffälligkeiten auf eine Gefahr aus der Luft schließen.

Georg lässt sich reichlich unmotiviert ins Nest fallen!
Im Wissen um diese Bedrohung entschlossen sich
die beiden Eltern schließlich zu einer längeren Nestpräsenz als
erwartet. Die Fütterungen im 5-Sekunden-Takt ergeben bei der
augenblicklichen Fressgeschwindigkeit unseres Jungenquartetts kaum
noch Blicke auf mögliche Beutetiere. Die Gier nach Nahrung ist so
groß, dass das mitgebrachte Futter schon vor Erreichen des
Nestbodens von den Jungen geschnappt und hinuntergewürgt wird. So
richten sich vier Schnäbel und vier Augenpaare wie gebannt auf den
sich senkenden Schnabel von Georg und Pauline.

Kollektiver Brechreiz?!
Wenn diese mit dem Würgen beginnen, steigert
sich die Konzentration unterstrichen von heftigen Flügelbewegungen
und gezielte Stöße mit den Schnäbeln lassen die Nahrung ohne
richtigen Stopp von einem Schnabel in den anderen gleiten. Trotzdem:
Mit Glück gelingen trotzdem noch einzelne Nachweise über die
Zusammensetzung der Nahrung. Alles, was mir unter die Augen kam, sah
sehr stark nach Maus aus.

Die Maus gehört mir!
Da die Jungen nach wie vor wachsen und sich
entwickeln, habe ich keine Angst, dass sie Hunger leiden müssen.
Selbst für unser Nesthäkchen fällt immer etwas ab und lässt es mit
den anderen Schritt halten. Auf nachfolgendem Schnappschuss erkennt
man am linken Jungen (es ist die Nummer 4!) sehr schön die
Entwicklung der schwarzen Schulterfedern, die im Verhältnis zur
späteren Größe schon am weitesten gesprossen sind und die auch als
erste schwarze Spitzen aus dem sonst schneeweißen Dunenkleid
hervorlugten. Der nächste Flügelabschnitt des selben Jungen
verkörpert den Arm, an dem insgesamt 22 schwarze Armschwingen einmal
Platz finden müssen. Bisher sind davon nur kümmerliche Ansätze zu
erkennen. Wenden wir uns nun dem Jungen rechts vorne zu (es könnte
Nummer 1 sein!). Auf alle Fälle zeigt dieser Jungstorch in der
Entwicklung seiner Armbefiederung deutliche Vorteile gegenüber
Nummer 1. Waagrecht abstehend – einem spitzen Sporn gleichend –
sehen wir die Hand,

die auf dem nächsten Schnappschuss noch
deutlicher hervortritt. Bläulich schimmern hier die Blutkiele, aus
denen heraus die 11 zukünftigen Handschwingen ihre Wachstumsphase
mit Macht begonnen haben. Das Scharnier, das die Hand unter dem Arm
„verschwinden“ lassen kann, heißt übrigens – dreimal dürfen Sie
raten – Handgelenk.

Achten sie also weiterhin auf diese
interessanten Details und sie kommen von unseren Bildern nicht mehr
los. Auf dem dritten Schnappschuss lässt sich alles noch einmal kurz
erklären: Die Schulterfedern stehen in die Luft (sie sprießen dort,
wo der Flügel am Rumpf ansitzt), es folgt der lange Arm und
schließlich die kürzere, bläulich schimmernde, helle Hand.

So senkt sich eine weitere Nacht über eine
Storchenfamilie, die alles bisher mit Glanz und Gloria überstanden
hat. |
20. Jun. 03 |
Hurra! Unser Webmaster ist wieder da!
Nach seinem wohlverdienten Urlaub meldet sich Wolfgang Horlacher
zurück und setzt als erste „Amtshandlung“ den ersten Nachtrag des
„Ferientagebuches“ ins Netz. Das Wetter erleichterte ihm diese
Arbeit, denn zu diesem Zeitpunkt ergossen sich kräftige
Niederschläge über Dinkelsbühl und das Nest samt seiner
„Besatzung“.

So ein Sauwetter und kein Regenschirm!
Was so schlecht begann, endete zum Nachmittag
und Abend mit Sonnenschein und einem sehr kräftigen Wind und einer
weiteren traurigen Nachricht aus Oettingen, einem Ort
an der Wörnitz im Landkreis Donau-Ries. Dort hatte Ihr
Tagebuchschreiber am 4. Juni die beiden Jungstörche (vier waren
geschlüpft) beringt. Ein Anruf brachte die wenig schöne Botschaft,
dass einer der beiden, heute etwa knapp 7 Wochen alten Jungen
aus dem Nest gestürzt, über das Dach abgerutscht und im
Schneefanggitter hängen geblieben sei. Von dort wurde er mit
kompliziert gebrochenen Beinen geborgen, tierärztlich versorgt, aber
wegen der Aussichtslosigkeit einer Heilungschance leider
eingeschläfert. Was zu dem Absturz geführt hat, kann keiner
sagen. Der heftige Wind könnte als Auslöser in Frage kommen, indem
er den Flügel schlagenden Jungstorch erfasste und dieser sich nicht
mehr auf den Nestboden zurückbewegen konnte. Ungewollter,
frühzeitiger Abflug!? Dies passiert zwar normalerweise nicht, aber
bei Störchen ist nicht, fast nichts unmöglich. Tatsache ist, dass
ein Jungstorch weniger zum Ausfliegen kommt und es wird mit
Sicherheit nicht der einzige bleiben.
Den ersten Wolkenbruch ohne
elterliche „Bedeckung“ musste unser Quartett heute überstehen.
Es schüttete teilweise wie aus Kübeln und weder Georg noch
Pauline sahen sich in irgendeiner Weise zum Halten eines
Regenschirmes befugt. Die Jungen managten die Lage
ganz allein und das nicht schlecht. Mit dem Sprießen der Federn,
die sie auch während des ersten Lebensjahres tragen, gewinnen sie
täglich ein mehr an eigener „Sonnen- und Regentoleranz“.
Trotzdem war es beeindruckend, wie sie sich dennoch
gegenseitig zu schützen versuchten.

Wir können es auch ohne Mama und Papa!
Da deckten die größeren die kleineren
Geschwister zu, so dass ein richtiges Knäuel entstand, bei
dem man nicht mehr wusste und erkennen konnte, ob überhaupt mehr als
zwei Junge im Nest liegen. Selbst bei diesem Hundewetter ließ es
sich Pauline nicht nehmen, zur Essensausgabe zu
erscheinen.
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Meine
nassen Mäuschen! Ich habe Futter mitgebracht! |
Statt wenigstens danach noch ein Weilchen zu
bleiben und den einen oder anderen Trockenversuch zu unternehmen,
verzog sie sich kurz auf den Dachfirst und
verschwand schließlich endgültig im Regen.

Im Nest gibt es einfach zu wenig Platz!
Da bleib ich lieber auf dem Dach!
In den Stunden danach – die Sonne ließ sich
sogar wieder sehen – wurden aus den pitschnassen Mäuschen wie
von selbst strahlend weiße Storchenkinder.
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Unsere vier
Tenöre auf dem steinigen Weg zu trockenen Storchenkindern |
Sie hatten es also geschafft und haben
bewiesen, das sie Mama und Papa nun nur noch zur Essensausgabe
benötigen. Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur
„Storch-Werdung“ war gelungen.

Quartetto furioso
Seit heute Abend steht es fest: Die vier
Tenöre werden in der nächsten Woche beringt. Am kommenden
Dienstag, den 24. Juni 2003 um 18 Uhr,
wird sich Ihr Tagebuchschreiber mit Hilfe der Drehleiter der
Freiwilligen Feuerwehr Dinkelsbühl dieser Aufgabe
unterziehen. Sichern Sie sich zu dieser Zeit schon einmal
einen Platz vor einem Computer mit Internetzugang,
verschieben Sie alle weiteren Tätigkeiten an diesem Tag auf einen
anderen Zeitpunkt. Die Aktion - es gibt ja einiges zu tun –
wird etwa eine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Dabei wird
Ihr Storchenexperte zusammen mit seinem Sohn Tobias
als Assistenten neben der Beringung mit den neuen ELSA-Ringen der
Vogelwarte Radolfzell noch eine ganze Reihe weiterer Messungen
vornehmen, die im Rahmen eines deutsch-polnischen
Forschungsprogramms vorgesehen sind. Für die Erhebung dieser
Daten eignet sich das Dinkelsbühler Nest in vorzüglicher Weise, da
das Alter der Jungen auf die Minute genau bekannt ist und dieses
Wissen ist die Voraussetzung für die Qualität der Messungen. In den
nächsten Tagebucheinträgen werde ich auf die Einzelheiten
noch näher eingehen, um Sie auf den nächsten Dienstag gut
vorzubereiten.
So nebenbei laufen an den anderen Nestern die
Beringungen weiter. Heute konnte ich in Wassertrüdingen
vier Junge beringen, ein sehr erfreuliches Ereignis! |
21. Jun. 03 |
Sommeranfang! Dem Tag angepasst zeigte
sich auch das Wetter. Wie so oft in den vergangenen Wochen
strahlte eine makellose Sonne vom Himmel, es blieb
trocken und mit deutlich unter 25 Grad zur Abwechslung
auch angenehm „kühl“. Wenn man den Wetterbericht der nächsten
beiden Tage betrachtet, kann einem schon wieder Angst und Bange
werden und dies vor allem wegen der angekündigten Gefahr vor
schweren Unwettern.
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Bald kommt
Besuch
zu euch! |
Wer steht,
kann nächste
Woche beringt werden! |
Nun sind es
ja
gleich drei! |
Heute setzte ich meine Beringungsreise
durch Westmittelfranken fort. In Leutershausen am Oberlauf
der Altmühl konnten zwei knapp 4 Wochen alte Junge
gekennzeichnet und einige
wichtige Messdaten erhoben werden. Die Mutter
der beiden Halberwachsenen verbrachte die beiden vergangenen Winter,
ohne Schaden zu nehmen, in ihrer Brutheimat. Da es sich bei ihr um
einen Abkömmling der Wiedereinbürgerungsversuche im
Elsass handelt, ist diese Verhaltensweise nicht überraschend.
Mit nun 19 Jahren gehört sie auf alle Fälle zu den
ältesten Brutstörchen in Bayern. Ursprünglich waren auch in
diesem Nest vier Junge geschlüpft. Zwei wurden vor Wochen bereits
tot aus dem Nest geworfen.
Wenn unsere Dinkelsbühler Jungen am
Dienstag von Ihrem Tagebuchschreiber am Nest besucht
werden, werde ich nach dem Anbringen der schwarzen ELSA-Ringe
die Jungen wiegen. Ich setze sie dabei für den Wiegevorgang
in einen geflochtenen Korb, der den Körpermaßen der Störche
angepasst ist und ermittle mit einer auf 5 Gramm genauen
Digitalwaage die Gewichte. Machen das in Deutschland an
ausgesuchten Horsten andere Beringer ebenso und in Polen in mehreren
Vergleichsgebieten weitere Beringer in ähnlicher Weise, sollte es
mit dem Material aus mehreren Jahren möglich sein, zu bestimmten
Altersklassen (in Frage kommen hier Junge zwischen 20 und
vielleicht 40 Tagen, weil in dieser Zeitspanne das Anbringen der
Ringe erfolgt) exakte Gewichte zu ermitteln. Voraussetzung
sollte aber in jedem Fall die genaue Kenntnis der Geburtstermine
der Jungen sein. Liegen nun Daten aus deutschen Brutgebieten und aus
polnischen Brutgebieten vor, können Vergleiche der Gewichte mit
gleichaltrigen Jungen aus beiden Ländern möglicherweise eine bessere
Konditionierung polnischer Störche ergeben. Auf alle Fälle lassen
sich durch solche Gewichtsvergleiche Aussagen über die
Nahrungssituation im Lebensraum einzelner Teilpopulationen
unserer Störche geben. In die gleiche Richtung zielen andere
Messdaten, die ich am Dienstag an unserem Quartett vornehmen werde.
Alle haben zum Ziel, in dem angesprochenen deutsch-polnischen
Projekt Parameter zu ermitteln, die die Konditionierung der
Jungen in Abhängigkeit zu ihrem Lebensraum sichtbar werden lassen.
Mit Hilfe dieser Daten ließe sich danach ein Ideallebensraum
ermitteln (hier sind die Jungen in einem Alter von 32 Tagen zum
Beispiel signifikant schwerer als in allen anderen Bereichen der
Untersuchungsgebiete), nach dem dann Biotopmanagement-Maßnahmen
in schlechteren Lebensräumen eingeleitet werden könnten. Solche
weiteren Messreihen beziehen sich zum Beispiel auf die Ermittlung
der Flügellänge. Gerade hier sind durch Nahrungsmangel
begründete Verzögerungen im Wachstum der Handschwingen ein wichtiges
Kriterium für die Qualität des Lebensraumes. So hatte im vergangenen
Jahr ein Mosbacher Jungstorch in dieser Beziehung enorme Rückstände,
die ihn sogar am „normalen“ Abzug im September hinderten und ihn zu
einem Winterstorch werden ließen. Schließlich werde ich auch noch
die Schnabellänge vom distalen Ende des Nasenloches bis zur
Schnabelspitze messen. Vielleicht lassen sich nach Abschluss der
Forschungen in diesem Punkt geschlechtsspezifische Unterschiede
ermitteln, die eine Unterscheidung in Männchen oder Weibchen schon
im Nestlingsalter möglich machen. Es fällt nämlich bei manchen
Jungen schon beim bloßen Augenschein auf, dass sie kürzere Schnäbel
haben als gleichschwere oder gleichaltrige Junge.
Es wurde im Gästebuch die Frage
gestellt, wie lange die Jungen im Nest bleiben?
Wahrscheinlich dachte der Fragesteller an das Alter, zu dem
der erste Ausflug vom Nest stattfindet. War es mit der
Brutdauer noch relativ einfach - auch wenn uns unsere Viererbande
hier doch einige Male überrascht hat - ein enges zeitliches Fenster
von 31-34 Tagen auszuloben, ist dies bei der Nestlingsdauer
wesentlich schwieriger. So um die 60 Tage dauert es in
den meisten Fällen, bis das erste Junge das Nest für
Sekunden oder auch Minuten verlässt. Dies geschieht nie bei
allen Jungen gleichzeitig, sondern bei – wie in unserem Fall – vier
Jungen zieht sich der gesamte Prozess über viele Tage hin.
Die Nestlingzeit ist weiterhin vom Nahrungsangebot, von der
Anzahl der Jungen sowie von vielen anderen Faktoren abhängig, so
dass die Spanne bis zum Ausfliegen bei einzelnen Jungen auch gut
und gerne 75 Tage dauern kann. So können Sie sich ein wenig
orientieren und schon vorab ein wenig in die Zukunft blicken, bis
wann solche Ausflüge zu erwarten sind. Wenn wir den günstigsten Fall
von etwa zwei Monaten annehmen, käme es in der letzten Juliwoche
zu diesem Großereignis. Richten Sie also Ihr Augenmerk vom
21. bis 27. Juli besonders auf das erste Abfliegen eines Jungen vom
Nest. Aber nicht vergessen! Die Bandbreite, wann damit zu rechnen
ist, erstreckt sich in diesem Fall über Wochen.
Eine weitere Frage sei noch kurz einer Klärung
zugeführt: Haben Störche Geschmacksnerven? Das
Geschmacksorgan ist bei Vögeln nur schwach entwickelt.
Geschmacksknospen befinden sich vor allem in Schleimhäuten auf dem
weichen Gaumen und auf den hinteren Teilen der Zunge. Im Vergleich
zu Säugern haben Vögel nur relativ wenige dieser Sinnesorgane
(Geschmacksknospen). Während der Mensch bis zu 9000, Ratten bis zu
17000, Knorpelfische bis zu 100000 vorweisen können, sind es bei
daraufhin untersuchten Vögeln 24 (Blaumeise) bis 400 (Sittiche),
also viel, viel weniger. Die letzten Zahlen zeigen auch, dass ein
sehr unterschiedliches Schmeckvermögen vorliegt, so dass generelle
Aussagen nicht möglich sind. Von größerer Bedeutung als der
Geschmackseindruck dürfte bei der Nahrungswahl und der
Nahrungskontrolle von Pauline und Georg die Information über Härte,
Oberflächenbeschaffenheit und Form der Nahrung sein. Diese
Informationen werden von den Tastkörperchen an den Schnabelrändern
geliefert. So spielen sicher taktile Reize und damit ein
Erfühlen der Beute die entscheidende Rolle bei der
Wahl eines Beutetieres. So zog ein junger Storch, den ich
einmal einige Tage in Pflege hatte, von den zur Wahl stehenden
Nahrungstieren Fische eindeutig vor. An zweiter Stelle
folgten Labormäuse und erst dann nahm er auch Eintagsküken. Alles
andere – Schnecken zum Beispiel – fraß er überhaupt nicht. Schon
allein am Jagdverhalten erkennt man, worauf ein Storch spitz ist.
Ist er auf Mäuse aus, spielt es keine Rolle, wie diese schmecken. Da
er ja sämtliche Beute eh unzerkaut und unzerkleinert verschluckt,
spielt der Geschmack so und so keine Rolle. Hauptsache er fängt in
einer bestimmten Zeitspanne genug Beute, um sich und andere satt zu
bekommen. Als reiner Opportunist sind es dann solche Tiere,
die im Augenblick besonders häufig im Lebensraum vorkommen, die
besonders leicht zu erjagen sind oder auf die sich der betreffende
Storch spezialisiert hat. So gibt es unter den Störche
ausgesprochene Mäusejäger, Fischfresser oder Amphibienfreunde.
Fazit: Der Geschmack spielt keine Rolle, nur die Effektivität
zählt. Hauptsache satt, ganz egal, wie es schmeckt!
Doch sehr vernünftig!
Es gab aber auch noch Pauline, Georg und
Familie an diesem Tag. Dass sich unser Nesthäkchen immer bessere
Chancen erarbeitet, als Nummer 4 auch das Nest lebend zu verlassen,
kann mit Freude vermeldet werden. Dafür kann es nun selbst nichts,
aber Vater und Mutter in Gestalt Georgs und Paulines zeigen, wie
wichtig ein funktionierendes Brutpaar ist. Dass jede Fütterung
mittlerweile ein aggressives Drängeln um die beste Ausgangsposition
an der Futterquelle, sprich Schnabel, darstellt, kann nicht mehr
übersehen werden.

Drängeln erlaubt!
Aus den kurz vorher so unschuldig
dreinblickenden Jungen werden bei Erscheinen eines Elterntieres und
kurz vor dem Auswürgen der Beute wahre Furien.

Auf los geht’s los!
Nun wird gedrängelt und mächtig gequietscht und
miaut, bis Papa oder Mama die Beute preisgibt.

Leben in der Bude! Es geht hoch her!
Hat einer der Jungen einen großen Brocken
ergattert, dreht er sich schon einmal für Augenblicke zur Seite, um
nicht Gefahr zu laufen, zum Beispiel die im Schnabel befindliche
Maus an eines seiner Geschwisterchen zu verlieren, denn Mund- oder
besser Schnabelraub ist bei jungen Störchen an der Tagesordnung.

Der Brocken gehört mir!, sagt das Junge ganz rechts.
Hier gilt also die Devise: Alles, was man
ergattert hat, schnell hinunter schlucken, sonst läuft man Gefahr,
dass man bestohlen wird. Die Phasen, in denen man einen Altstorch
längere Zeit am Nest beobachten konnte, kamen wieder häufiger vor.
Ich sehe es als Zeichen, dass man mit der Nahrungsbeschaffung ganz
gut klar kommt. |
22. Jun. 03 |
Am frühen Nachmittag begrüße ich mein
Feuchtwanger Storchenpaar auf dem Kamin des alten Rathauses
meiner Heimatstadt. Es sind wieder einige Tage vergangen seit meiner
letzten Sichtung. Aber mit Beginn der Schule nach den
Pfingstferien am morgigen Montag wird es von meiner
Arbeitsstelle wieder leichter möglich sein, einen Blick zum Nest zu
werfen.
In Dinkelsbühl genießt die
Viererbande die warme Sonne, die die Temperaturen am
Nachmittag doch nahe an die 30 Grad drückt.
 |
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Durch
diese hohle
Gasse
muss er kommen! |
In
Zweierreihe
marsch! |
Vierstimmiges Quartett,
der Dirigent muss
natürlich stehen! |
Ab und zu leisten es sich die Eltern
nach den Fütterungen, für wenige Minuten Schatten zu spenden
und den Jungen dadurch etwas Kühlung zu verschaffen. Die
Rangelei bei der Essensausgabe hat an Intensität in
nichts nachgelassen.

Bei den langen roten Beinen
müsste es mal wieder Papa sein!
Auf alle Fälle gibt es weiter kalorienreiche
Kost, denn alle würgten nur große Brocken hinunter und mussten
sich nicht mit vielen kleineren Beutestücken herumschlagen. Mehrmals
konnte man als Bestätigung dafür Junge mit Mäusen im Schnabel
ertappen.
 |
 |
Futter im
Anmarsch und wieder gibt es für die Runde Mäuse! |
Möglicherweise besteht die gesamte Nahrung
im Augenblick aus diesen Nagern, denen die Trockenheit
natürlich sehr zu Gute kommt. Georg wurde abermals beim
Transport eines – zugegeben sehr kleinen – Plastikteiles
erwischt und für die Nachwelt auf Bild festgehalten.

Erwischt!
Heute begeht unser Zwillingspärchen den
nächsten Geburtstag. Beide werden vier Wochen alt. Ihre
Geschwister erreichen dieses Alter morgen bzw. am Beringungstag.
Dies bedeutet im Moment auch etwa Halbzeit des Nestlingsdaseins,
jedoch schon weit mehr als Halbzeit, was die Gewichtszunahme
betrifft. Im Augenblick und ich gehe einmal vom nächsten Dienstag
aus, haben die Zwillinge ein Gewicht zwischen fünf und
sechs Pfund erreicht, die beiden kleineren liegen leicht unter
dieser Marke. In vier Wochen – zum Zeitpunkt des Ausfliegens
-ist das Gesamtgewicht nur wenig höher und liegt knapp über
sechs Pfund. Das bedeutet, dass die zweite Halbzeit des
Heranwachsens in das Längenwachstum aller Körperteile gelegt wird,
das Gewicht also nur verlagert wird. So werden viele Kalorien
beim Wachstum des Großgefieders verbraten, ebenso
verändert sich die Proportion des Körpers, ohne dass dieser deshalb
schwerer wird. Die Beinlänge legt deutlich zu, aber am
markantesten ist und bleibt das Wachsen der Schwingen und
diese suggerieren dann einen größeren Vogel, der er in Wirklichkeit
gar nicht ist. |
23. Jun. 03 |
Ein kleiner Nachtrag soll den
gestrigen Tag noch abrunden. Die letzte Fütterung und
gleichzeitig auch das erste Zusammentreffen von Georg und Pauline
gemeinsam am Nest seit Tagen ereignete sich um 22:25 Uhr.
Danach blieb ein Storch (wahrscheinlich Pauline) im Nest, der andere
(Georg) verzog sich ziemlich sicher auf den Kamin neben die Webcam.

Grüß dich, Pauline! Lange nicht mehr gesehen!
Dramatische Ereignisse begleiteten den
heutigen Tag.

Noch herrscht Ruhe! Niemand ahnt Böses!
Georg ruht auf dem Dachfirst.
Um die Mittagszeit ereignete sich schier
Unglaubliches. Nach den Mitteilungen, die mich erreichten,
versuche ich das Geschehen kurz zu rekapitulieren bzw. zu
rekonstruieren. Mitten in die mittägliche Stille – es war
genau 11:56 Uhr – platzte eine Bombe. Als ein Storch
bei den alleine im Nest befindlichen Jungen auftauchte,
dachten alle, Pauline oder Georg seien erschienen und würden nun
Futter auswürgen, so wie es in den letzten Wochen guter Brauch und
die Regel war. Doch nichts dergleichen geschah! Der Atem
schien allen zu stocken, als dieser Storch urplötzlich auf
die Jungen einhackte.

Bitte aufhören!
Wir haben dir doch nichts getan!!
Auf einen der Jungen hatte es der Adebar
besonders abgesehen. Wie zum Schutz - diesen Eindruck konnte
man zumindest gewinnen – breitete dieser besonders attackierte
Jungstorch seine Flügel über den anderen Geschwistern
aus. Manche bangten schon um das Leben des tapferen Streiters. Allzu
heftig waren die Stöße, die da ausgeteilt wurden und die Federn
stieben ließen. Das Quartett reagierte jedoch von Anfang an
in der einzig richtigen Weise! Es machte sich ganz flach,
rührte sich kein bisschen und gab dem Angreifer zu verstehen, dass
man vielleicht schon tot sei und er deshalb von ihnen ablassen
solle.

So wie es uns zwei Junge im Vordergrund zeigen,
sieht die echte Akinese aus.
Doch warum sollten Georg oder Pauline in dieser
unverständlichen Weise handeln? Der Brutpflegetrieb kann doch nicht
plötzlich in dieser Weise umschlagen? Warum sollten solche
Aggressionen aufkochen, für die es keine biologische Notwendigkeit
mehr gibt? Ein mir eingeschickter Schnappschuss brachte dann die
Wende. Kein zweiter zeigte nämlich die beschriebene Situation.
Man sieht deutlich einen anderen Storch. Schon vom
gesamten Habitus fällt dabei sofort seine hochgewachsene und
unheimlich schlanke Gestalt auf. Man spürt regelrecht,
wie sich dieser Storch heimlich eingeschlichen hat, er
wirkt nervös wie auf der Flucht, man glaubt fast, dass er sich
der Boshaftigkeit seines Tuns voll bewusst ist. Nun denke ich selbst
schon in menschlichen Kategorien, wo diese Denkart den
Geschehnissen in keiner Weise gerecht wird und bei unserer
Betrachtung auch völlig unangepasst ist. Kein böser Storch
war hier am Werk, sondern einer, der vielleicht Brut oder Gelege an
anderer Stelle verloren hat, überhaupt keinen Brutversuch
unternommen hat und für eine Brut noch gar nicht reif ist. Diese
Störche fliegen durchaus in bester Absicht ein vorhandenes Nest an,
um es für sich zu erobern. Da spielt es keine Rolle, ob dieses Nest
Eier oder Junge enthält. Gelingt es, im auserwählten Nest Fuß zu
fassen, wird versucht, den Inhalt auszuräumen. Bei kleinen Jungen
oder einem Gelege gelingt dies in der Regel in wenigen Augenblicken.
Bei unserem Quartett kam der Angreifer schon wegen des enormen
Gewichtes der Jungen nicht so zum Zuge. Aber Verletzungen –
auch tödliche – können solche Schnabelhiebe durchaus
nach sich ziehen. Solche Störer tauchen immer
wieder auf, zu Beginn der Brutzeit häufiger als im
jetzigen Stadium, doch zu verhindern sind solche Angriffe
nie. Wer anderes behauptet oder nach Vorschlägen sucht, solche
Attacken auszuschließen, ist wohl endgültig in die Reihe der
Fantasten und Quertreiber zu stellen. Da hilft dann nur eine
Rundum-Bewachung aller 170.000 Storchennester weltweit mit einem
stets griffbereiten und geladenen Gewehr, 170.000 sichere Schützen,
die ihre Arbeit meist in dicht bebauten Wohngebieten zu erledigen
hätten. Die Verluste unter der Wohnbevölkerung wären ungleich höher
zu veranschlagen als die Rettung einzelner Jungstörche, wenn
überhaupt einer gerettet werden könnte. Also bitte Hände weg von
solchen hoffentlich nicht Ernst gemeinten Vorschlägen. Wenden wir
uns nach diesem Exkurs wieder dem Schnappschuss unseres Herrn
Heitmann zu. Wer diesen (den Schnappschuss) genauer mustert und
der Einsender hat dies in seiner Mail auch schon beschrieben, war
der Störenfried rechts über den Zehen beringt und damit auch
der Beweis für die Unschuld Paulines und Georgs erbracht (die
beiden tragen nun wirklich keinen Ring und sie wurden auch in der
Zwischenzeit nicht markiert!) Die Art des Ringes (flach mit
Verschluss) lässt mich in Richtung eines Zoo-Storches tippen, doch
reichen die Beweise dafür bei weitem nicht aus. Der Fremdstorch
bearbeitete die Jungen etwa fünf Minuten lang und
stand danach noch eine kurze Zeit untätig am Nestrand.
Ob er danach selbst abflog oder von einem Altstorch unseres Paares
in die Flucht geschlagen wurde, ist bisher nicht bekannt. Über die
Folgen der Attacken lässt sich abschließend natürlich auch noch kein
Bild fertigen. Fest steht nur, dass die Schnabelhiebe bei
mindestens einem Jungen zu blutenden Wunden im
Rückenbereich und seitlich am Kopf geführt haben.
 |
 |
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Junges
rechts mit deutlich
sichtbarer kreisrunder
Wunde am Rücken |
Blutfleck im
Rückengefieder des
vorderen Jungen |
Und noch
einmal
Spuren der
Attacken! |
Die Blutungen müssen aber schnell wieder zum
Stillstand gekommen sein, denn die Braunfärbung der betroffenen
Federpartien lassen angetrocknetes Blut vermuten. Da nach einer
knappen halben Stunde auch das ramponierte Junge wieder munter war
und wohl in dieser Zeit unter Schock stand, ist davon auszugehen,
dass keiner der Jungstörche eine lebensbedrohliche
Verletzung aufzuweisen hat. Alle vier haben mehrmals bei
Fütterungen im Anschluss an die unangenehme Begegnung mit dem
fremden Storch tüchtig zugeschlagen, sich völlig normal
verhalten, sie standen alle vier einträchtig im Nest, sie lagen alle
vier in der Storchenwohnung und sie schlugen alle fleißig mit den
Flügeln.

Alles läuft wieder normal!
Keine Anzeichen einer schweren Verletzung erkennbar!
Ein Eingreifen am Nest verbot sich da von
selbst, zumal morgen eh ein Besuch vorgesehen ist und
bei dieser Gelegenheit selbstverständlich auch auf die möglichen
Verletzungen geachtet wird. Also drücken Sie auch in
diesem Fall ein wenig die Daumen, dass ich mit meiner Einschätzung
recht behalte und die Viererbande ihr Abenteuer gesund überstanden
hat. Leider konnten die meisten von uns – mich eingeschlossen –
lediglich die Situation nach den Angriffen beobachten und
Schnappschüsse davon erzielen. Dass zu der Zeit immer noch
dicke Luft über dem Nest herrschte, beweisen die Bilder zur
Genüge und dies noch weit über eine Stunde nach dem
Mordversuch. Da wurde gedroht, geklappert und sich groß gemacht –
ein sicheres Indiz dafür, dass ein oder mehrere Fremde immer noch im
Luftraum über Dinkelsbühl weilten.
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 |
Weiter
Luftalarm über Dinkelsbühl! Jetzt sind aber
die Altvögel zur Stelle und kein Angreifer hat eine Chance. |
Doch eben die wenigen Minuten der
Nicht-Aufmerksamkeit genügten dem Fremden um die Mittagszeit, seine
Attacke zu vollführen. Anschließend hatte man den Eindruck,
dass Pauline extra lang bei den Jungen stand und sie
erst abflog, als feststand, dass Georg die Gefahrenquelle aus der
näheren Umgebung des Nestes verjagt hatte. Übrigens: Das am
meisten verletzte Junge war nicht das Nesthäkchen, sondern
eines des Zwillingspärchens.

Ein versöhnliches Bild am Abend.
Die Viererbande steht komplett im Nest!
Am Abend um 21:56 Uhr kam wieder beide
Altstörche im Nest bei der letzten Fütterung zusammen. Für
kurze Augenblicke gab es dann eine Sechsergruppe zu bestaunen, ehe
das Elternpaar sich trennte und einer – sicher Georg – auf den
Dachfirst rückte, also in unmittelbarer Nestnähe seine
Schlafposition bezog.

Gut, dass der aufregende Tag endlich vorbei ist! |
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Inzwischen sind weitere
Spenden
eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum
Erhalt der Webcam und zur Sicherung
des
Lebensraumes unserer Störche. |
Thomas Ziegler
|