Storchenkamera
 
Storchentagebuch 2003
...was bisher geschah

Teil 10

 

Betriebsferien beendet

Zwei Wochen lang mussten Sie auf das gewohnte Tagebuch verzichten. Nun wird das Geschehen dieser Zeit in den nächsten Tagen aufgearbeitet und veröffentlicht. Freuen Sie sich also auf die spannenden und informativen Berichte unseres Storchenexperten Thomas Ziegler.

Gar nicht untätig waren in der tagebuchlosen Zeit einige unser Besucher und haben für unser Projekt "Wörnitzauen" (siehe unten) gespendet. Auch die Liste der eingegangenen Spenden wird in den nächsten Tagen aktualisiert. Wir freuen uns sehr, dass wir unserem Ziel wieder ein gutes Stück näher gekommen sind.

05. Jun. 03

Die sehr labile Wetterlage bringt meine Planungen für heute ziemlich durcheinander. Bereits am frühen Nachmittag brauen sich dunkle Gewitterwolken zusammen, die einen geplanten Beringungstermin platzen lassen. Ein schweres Unwetter im Raum Gunzenhausen und Weißenburg bindet die Feuerwehrkräfte, so dass eine nicht unbedingt notwendige Aktion selbstverständlich verschoben werden musste. Zum Leidwesen für die Störche in Gunzenhausen brachte der Gewittersturm den Verlust der drei erst vor kurzem geschlüpften Jungstörche, die einfach aus dem Nest geblasen wurden.

Von diesem Schicksalsschlag blieben Pauline und Georg bisher verschont, auch wenn ein starkes Gewitter heute zum wiederholten Male ihr Nest heimsuchte. Doch das Paar bestand die erneute Prüfung mit Bravour.


Achtung! Mein Ganzkörper-Regenschirm tritt in Aktion!

Was sich in den letzten Tagen schon Schritt für Schritt andeutete, wird nun immer stärker sichtbar. Aus den grauen „Mäuschen“ werden mehr und mehr weiße Küken. Bei der Geburt brachten alle vier als Ausgangsausstattung ein weiß/graues erstes Dunenkleid mit. Dieses begleitete sie während der ersten Lebenswoche und wird jetzt nach und nach von einem 2.Dunenkleid, das ein strahlendes Weiß zeigt,  abgelöst. Beim Vergleich mit dem Nesthäkchen ist diese farbliche „Neugestaltung“ am besten zu studieren.


Muntere Gesellen nach dem Regen!

Während die Geschwister schon zum Großteil in ihr neues „Kleid“ gemausert haben, blickt die Nummer 4 noch reichlich grau und leicht „verschmutzt“ aus der Wäsche. War das erste Dunenkleid von der Struktur locker und kurz, erweist sich das neue als länger und dicht. Damit lassen sich Wetterkapriolen ein wenig besser durchstehen. Kommt ein Altvogel zur Ablösung ans Nest, dauert es momentan nur Sekunden, bis sich der Partner auf die Futtersuche macht und das Nest verlässt. Im Regelfall beginnen im Anschluss an die Landung der „Futterquelle“ die Bettelbewegungen der Jungen. Von weich klappernden Geräuschen der beiden Schnabelhälften und einem katzenartigen Miauen begleitet beginnen die Storchenkinder die Hälse hoch zu recken. Ist der Scheitelpunkt des Hochreckens erreicht, fällt der Kopf nach hinten über, das Klappern wird langsamer und bricht ab, bis sich der Vorgang danach möglicherweise einige Male wiederholt. Dieses Betteln ist für Storcheneltern ein Auslösemechanismus das mitgebrachte Futter auszuwürgen. Die Nahrung wird anschließend von den Jungen selbständig aufgenommen und von den Eltern weder gereicht noch zubereitet. Eine weitere „Neuerung“ bahnt sich ebenfalls bereits an und wird in den nächsten Tagen immer deutlicher: Das Wachstum der schwarzen Arm- und Handschwingen sowie der gleichfarbigen Schulterfedern und Arm- und Handdecken bahnt sich an und ist bei Nummer 1 und 2 im Ansatz schon sichtbar. Zarte schwarze Säume der ersten sich aus den Blutkielen schiebenden Schulterfedern und Armschwingen zeichnen sich ab. Beim Nesthäkchen sowie bei Nummer 3 bedarf es in dieser Beziehung noch einer Lupe. Aber die nächsten Tage werden auch hier eine Veränderung bringen.


Bald bekommen wir unsere Konturfedern!

Wer weiter aufmerksam die Lage am Nest verfolgt hat, wird an der Beinfärbung von Georg und Pauline schon auf die Temperaturverhältnisse in Dinkelsbühl geschlossen haben können: Sehr heiß! Deshalb setzten die Genannten ihren Spezialkot zur Kühlung auf die Beine, wenigstens reichte es für eine Weißfärbung von den Zehen bis fast zum Intertarsalgelenk (thermoregulatorisches Beinkoten!).

Meine Feuchtwanger Störche zogen heute am Abend wieder pünktlich in ihrem Nest auf dem Kamin des alten Rathauses ein. Na, es geht doch! Da darf man sich dann von Zeit zu Zeit schon mal eine neue Auszeit nehmen.

06. Jun. 03

 Letzter Schultag vor den Pfingstferien! Damit beginnen für mich zwei Wochen, in denen ich Kraft tanken kann für weitere Taten in Sachen Storchenschutz. Doch wenn Sie, liebe Leser, diese Zeilen genießen dürfen, wird mich die Schule schon wieder eingeholt haben. Was wird sich bis dahin in Dinkelsbühl abgespielt haben? Werden noch vier Junge im Nest sein oder muss der Verlust eines oder mehrerer Storchenkinder beklagt werden? Da unser Webmaster heute am späten Abend in die verdienten Ferien startete, bleibt das Tagebuch für die Dauer des Urlaubs geschlossen und tägliche Aktualisierungen bleiben fortan außen vor. Ich werde am Ball bleiben und auch während der Ferientage das Geschehen, wie gewohnt, beleuchten und kommentieren. Gewitter waren für den heutigen Freitag kein Thema. Es blieb herrlich schön, trocken und warm. Für Pauline und Georg aber bedeutete das reichliche Nass von gestern, dass zumindest bis in die Vormittagsstunden hinein „Regenwurm“ angesagt war.


Achtung! Frühstück!

Als zweites Frühstück brachte Georg um 7 Uhr ein Futterpaket, das ausschließlich aus Regenwürmern bestand.

Regenwurmpaket – rechts vorne abgelegt! Wurmschnäbel!

Derlei Kost bedeutet: Futter in leicht verdaulicher und für alle Altersklassen nutzbarer Weise. Da konnte man auch Küken Nummer vier kräftig zuschlagen sehen und am Ende blieb selbst für Papa noch ein kleiner Rest des Regenwurmkuchens übrig.


 Da haben meine Jungen doch noch
ein paar prächtige Exemplare übrig gelassen!

Was lernen wir aus der geschilderten Fütterung? Regen bringt die gleichnamigen Würmer an oder dicht unter die Erdoberfläche und macht sie damit für Meister Adebar erreichbar. Mit aufsteigender Sonne und damit auch wärmeren Temperaturen zieht sich das Gewürm in tiefere Bodenschichten zurück und wird damit selbst für einen langen Storchenschnabel unerreichbar. Bevor Georg in der frühen Morgenstunde sein mitgebrachtes Futter auswürgen konnte, legt er als kleines Gastgeschenk ein sperriges Pappestück als Sichtblende vor seine Jungenschar.


Jetzt versuchen wir es mal mit einer Sichtblende aus Pappe!

Beim Platzieren erwies sich das Teil jedoch schnell als äußerst porös und brüchig, so dass der Karton in viele kleine Einzelteile zerfiel und bald wieder freie Sicht auf unsere Küken bestand. Der Rest des Tages geriet dann angesichts der Hitze zum ständigen Versuch des Elternpaares, ausreichend und in verschiedensten Sonnenschirm-Stellungen Schatten zu spenden.

Wie hätten Sie´s denn gerne?
Sonnenschirmvariationen!

Wer einmal Junge reglos, mit ausgestrecktem Hals und seitlich verdrehtem Kopf im Nest liegen sieht, muss nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen. Diese „Seitenlage“ wird gerne eingenommen, wenn man – meist nur für Sekunden – einmal komplett abschalten will. Hier lohnt es sich, einige Bildaktualisierungen abzuwarten und auf eine Lageveränderung zu achten.


Komm, wir stellen uns alle mal tot!

Die Ausbildung der kleinen schwarzen Federsäume im Bereich des Flügels ist ein Stückchen besser sichtbar als gestern und selbst Nummer vier - gerade einmal 10 Tage alt – schickt sich an, dieses Merkmal erkennbar zu machen. Eine weitere Körperpartie entwickelt sich in der nun beginnenden Zeit äußerst rasant. Dabei handelt es sich um das Wachstum der hinteren Extremitäten. Die heranwachsenden Jungstörche sitzen nun bereits immer länger im Fersensitz und bald dürfte der erste auch den ersten Stehversuch unternehmen. Man erkennt die Zehen mit dem Tarsus, der sich bis zum Intertarsalgelnk erstreckt. Dieser Bereich der Extremität weist im momentanen Alter eine fleischfarbene Tönung auf, das Schienbein (Tibiotarsus) besitzt eine fast schwärzliche Färbung. Die Füße halten unsere jungen Störche beim Hocken leicht angehoben, so dass die herabhängenden Spitzen der Zehen gerade noch den Nestboden erreichen.

Am Nachmittag ging ich zunächst mit der Feuerwehr meiner Heimatstadt Feuchtwangen auf Beringungstour nach Mosbach. Die drei Jungen erwiesen sich dabei als bestens genährt und man braucht sich um ihr Wohlergehen keine Sorgen mehr zu machen. In dieser Verfassung und im Alter 37 bis 40 Tagen haben sie die kritischen Lebensphasen hinter sich gelassen und müssen erst wieder nach dem Ausfliegen mit unliebsamen Überraschungen kämpfen. Die Differenzen im Körpergewicht der Jungen hielten sich in erfreulich engen Grenzen. So brachte das schwerste Junge genau 3000 g, die beiden kleineren 2930 g und 2740 g auf die Waage. Beide Elternteile beobachteten den Beringungsvorgang vom Dach einer Scheune sowie vom Dach des Kirchenschiffes aus. Der nächste Weg führte mich nach Weiltingen zum dortigen Nest und zugleich zu einer Begegnung mit den freundlichen Kollegen der Dinkelsbühler Wehr. Angeführt von Günter Roedel lief alles wie am Schnürchen und drei Junge konnten auch in diesem Nest mit Ringen der Vogelwarte Radolfzell gekennzeichnet werden. Die dortigen Jungen lagen vom Körpergewicht her gesehen leicht über denen aus Mosbach, waren sie doch auch 1 oder 2 Tage früher geschlüpft. (2820 g, 2940 g bzw. 3210 g). Bei der Witzmannsmühle waren wieder zwei Störche in einer Sulzachwiese auf Nahrungssuche. Ob sich abermals unser Feuchtwanger Paar dahinter versteckt haben könnte? Abends blieb das Nest in meiner Heimatstadt auf alle Fälle ohne einen Übernachtungsgast, während im Schopflocher Storchennest der Schlupf der Jungen nach meinen Berechnungen begonnen haben muss.

07. Jun. 03

Eine neue Hitzeschlacht bahnt sich für Mensch und Tier an. Schon am Morgen lagen die Temperaturen mit deutlich über 20 Grad in für die frühe Tageszeit tropischen Bereichen. Dennoch startete ich mit meiner neuen Beringungsassistentin Felicitas zu einer weiteren Fahrt, diesmal ging es nach Trommetsheim bei Weißenburg. Dort war ein Date mit der Feuerwehr der alten Römerstadt ausgemacht. Pünktlich, wie es nur die Feuerwehr sein kann, fand das kleine Ereignis ohne große Zuschauerbeteiligung statt. Auch diese „Nestbesatzung“ war in den ersten Maitagen geschlüpft und harrte nun doch schon der Beringung. Im Nest erwarteten mich drei gut gewachsene Junge, deren viertes Geschwisterchen vor rund 14 Tagen aus dem Nest geworfen worden war. Bei der Rückfahrt von Trommetsheim um die Mittagszeit nahm die Gewitterstimmung über dem Hesselberg schlagartig zu und bereits eine Stunde später rauschte der Regen über das Frankenland und brachte es innerhalb von 30 Minuten auf immerhin 20 Liter/pro Quadratmeter.


Da bin ich mal wieder als Regenschirm gefragt!

Es blieb Gott sei Dank ein Gewitter der harmlosen Art, denn schon bald lichteten sich die Wolken und der Tag endete ruhig, sonnig und wolkenlos.

Pauline, Georg und ihre vier Kleinen erlebten den Tag wettermäßig genauso. Am vierzehnten Lebenstag unseres Zwillingspärchens gelang dem ersten Jungen sensationell früh der erste Stehversuch. Und weil dieses neue Gefühl offenbar Spaß bereitet hatte, folgten weitere Versuche dieser Art auf dem Fuße. Nicht einmal ungeschickt verhielt sich dabei Küken Nummer 1 oder 2. Zwar noch etwas staksig nutzte das Küken die neue Lebenslage gleich zur Entleerung des Darmes. Dabei hielt es das Gleichgewicht und wurde unterstützt von schlagenden Bewegungen der kleinen Flügelchen. Dieser Ablauf wird in den nächsten Tagen zum Alltag gehören. Der Schnappschuss „Babys erster Schritt“ stammt von 17:46 Uhr und soll als Beleg volle Anerkennung finden.

Hurra! Ich kann stehen!

Während einiger Stunden am Nachmittag hatte ich mehrmals das Glück, Zeuge von Fütterungen zu werden und durch die Schnappschussfunktion wesentliche Beobachtungen für Sie festzuhalten.


Wer etwas zu fressen will, muss sich schon ein wenig vordrängeln!

Fische waren nach dem gestrigen trockenen Tag verständlicherweise oben auf der Speisekarte. Was sich da vor den „Augen“ unserer Kamera abspielte, war schon sehr beachtlich. Mundgerechte Karpfen waren zum ersten Mal im Angebot.

Wenn ihr nicht mehr fressen könnt, gehören diese Karpfen mir!

Weitere Fische konnte ich nicht bestimmen. Dies wäre aber eine lohnende Aufgabe für einen Fischkenner unter meinen Lesern, der sich die Schnappschüsse einmal unter diesem Aspekt betrachten könnte.

Welcher Fisch verschwindet da im Schnabel?

Im gleichen Zusammenhang wäre noch ein Amphibienkenner mit Arbeit zu bedenken. Denn mit großer Sicherheit glaubte ich eine Wechselkröte unter der mitgebrachten Beute entdecken zu können.


Besonders beliebt scheint die Kröte nicht zu sein!

Verantwortlich für eine so abwechslungsreiche Kost zeichnete in diesem Falle Storchenvater Georg. Neu und in dieser Ausführlichkeit von mir noch nicht beobachtet, war der immer größere Raumanspruch und Platzbedarf der an Gewicht zunehmenden Kinderschar. Es passierte immer wieder, dass eines der Storchenküken teilweise aus dem Bild geriet, entweder weil es sich zum Entleeren des Darmes an den Nestrand begab oder weil es einfach einmal auf Entdeckungsreise gehen wollte.

Der tägliche Blick auf die schwarzen Federsäume ließ auch heute Fortschritte erkennen und Küken Nummer 4 einen weiteren Entwicklungsschritt in dieser Beziehung machen. Sollte sein Durchsetzungswille siegen und er die nächsten Tage überleben? Drücken Sie mit mir beide Daumen. Wenn Pauline und Georg sich auch in nächster Zeit so anstrengen wie bisher, gebe ich die Hoffnung noch nicht auf. Aber vergessen Sie dabei nicht, dass bei meinen bisherigen Beringungen an sieben Nestern nur einmal 4 Junge anzutreffen waren, vier Mal gab es drei und zwei Mal lediglich 2 Junge.

Die auflagenstarke Abendzeitung aus Nürnberg veröffentlichte heute einen weiteren Bericht aus der Feder von Frau Britta Löppner über unsere Kamerastars auf dem Altrathausdach. Dass dabei abermals Werbung für unsere Website betrieben wurde, muss dankend hervorgehoben werden. Wir dürfen uns schon jetzt auf weitere Berichte freuen, in denen über das weitere Geschehen am Nest berichtet wird.

Mein Heimat-Storchenpaar machte sich am Tag durch längere Anwesenheiten bemerkbar, doch konnte ich erstmals nach längerer Zeit keine Abendkontrolle durchführen.

08. Jun. 03

Pfingstsonntag! Für Dinkelsbühl bedeuten die Pfingsttage viel Trubel und ein reges Treiben in den engen Gassen und auf den Plätzen der Altstadt. Da der Lärm auf Gebiete weit unterhalb des Nestes beschränkt bleibt, lässt Pauline und Georg das Ganze ziemlich kalt. Seit Tagen spielt im Leben unserer Familie Plastik in jeder Form keine Rolle mehr. Georg unterließ es seit einiger Zeit, solche Teile seiner Angebeteten mitzubringen. Auch im Außenbereich ihrer Wohnung haben es die Eltern geschafft, wieder reinen Tisch zu machen. Wer sich an die Hoch-Zeit dieser Marotte unseres Georgs erinnern mag, wird diesen Wandel in so kurzer Zeit kaum für möglich gehalten haben. Nummer 4 spielt im Konzert der Großen weiter mit und gibt deshalb auch nach wie vor zu berechtigten Hoffnungen Anlass. Nach einem sonnigen Morgen verdichtete sich die Bewölkung schon am Vormittag und ließ der Sonne danach keine großen Chancen mehr. Pauline und Georg demonstrierten diese Wetterlage schon allein durch ihre von der Sonne unabhängigen Standpunkte im Nest. Da spielte es keine Rolle mehr, ob man der Sonne den Rücken zukehrte. Man hatte freie Wahl und platzierte sich meist in der „Morgenstellung“. So blieben die Jungen häufig halb verdeckt, was aber die Freude an den Beobachtungen nicht trüben konnte. Auch heute kam es zu weiteren Stehversuchen, wobei es nicht ganz ersichtlich wurde, welcher der Jungen sich zu dieser Leistung aufraffen konnte.


Geht ja immer besser!

Eigentlich kommen im Augenblick nur Nummer 1 oder 2 dafür in Frage. Standen gestern – wie berichtet – Fisch und Kröte auf dem Speiseplan, gab es am Nachmittag reine Fleischkost in Form von Mäusen.


Gleich geht es los! Mäuse im Anmarsch!

Was Pauline da bei einer Mahlzeit ins Nest „kotzte“, verdient alle Anerkennung. Teilweise hatte wohl jeder der Jungen eines dieser „Teile“ gleichzeitig im Schnabel und versuchte, die nahrhafte Kost hinunter zu schlingen.

Alles Maus!!!!

Dabei fiel mehrmals eine Maus aus dem Schnabel eines der Jungen, bis sie in die richtige Position gebracht war und mit dem Kopf voran die Speiseröhre hinunter rutschte. Soweit erkennbar und soweit es der 5-Sekunden-Takt hergab, standen den Jungen mindestens 10 der Nager zur Verfügung. Nicht schlecht die Arbeitsteilung unseres Traumpaares: Einer holt Fisch, der andere bringt Fleisch nach Hause. Als die Jungen gegen 21:00 Uhr den Wache haltenden Schorsch wieder um Futter anbettelten, würgte er abermals mehrere fette Mäuse aus, die vom Nachwuchs gierig aufgenommen wurden. Einige Entwicklungsstudien konnten bei günstiger Lage und Stellung der Jungen im Nest angestellt werden. Auf dem folgenden Schnappschuss sieht man in eindrücklicher Weise die unterschiedlichen Entwicklungsstadien der vier Jungen. Diese Stadien sind nicht nur in der divergierenden Größe, sondern ebenso eindringlich auch in der unterschiedlichen Ausprägung der Schulterfedern, Arm- und Handschwingen ersichtlich.


Rückansichten!

Die Ausreißversuche der großen Kleinen in Richtung Nestrand gingen auch heute weiter. Dahinter versteckt sich das Bestreben, Darminhalte gezielt über den Nestrand abzusetzen. Diese angeborene Verhaltensweise – sie wird auch bereits von eben geschlüpften Küken praktiziert – gewährleistet, dass das Nestinnere vor Exkrementen aller Art verschont und somit sauber bleibt.

Das Wandern ist der Störche Lust!
Ich muss mal schnell!
In Zweierreihen
angetreten!
Mama! Wo bist du! – Hier am Nestrand! Ich muss ein paar Zweige richten!

Das den Nestinnenraum umgebende Nistmaterial gerät dagegen häufiger in die „Schusslinie“ des Nachwuchses und nimmt mit fortschreitender Nestlingszeit eine schneeweiße Färbung an. Gerät ein Kotstrahl einmal unbeabsichtigt ins Nest, werden dessen Hinterlassenschaften sofort oder bei der nächsten Ablösung mit Gras, Stroh und ähnlichen „Gaben“ zugedeckt. Inzwischen fällt es den Eltern immer schwerer, ihre Rasselbande bei Regen vollständig mit den Flügeln zu bedecken. Da der Nachwuchs außerdem schon über eine beachtliche Mobilität verfügt, ist lediglich eine kurzzeitige und immer nur teilweise Bedeckung noch möglich.


Mal sehen, ob alle Kinder unter meinen Fittichen Platz finden!

Das abendliche und nächtliche Gewitter sah Pauline im Nest, die sich während der gesamten Zeit immer redlich bemüht zeigte, ihren Nachwuchs einigermaßen bedeckt zu halten. Nach langem Hin und Her gelang es ihr endlich und auch dauerhaft. Man hatte sich arrangiert und sah die Notwendigkeit des Handelns ein. Währenddessen geriet Georg nie ins Blickfeld der Kamera, also dürfte er seinen Einstand auf dem Kamin neben der Videokamera gefunden haben und von trocknen Zeiten träumen. Doch wenn es so bleibt – immer wieder Regen, warme Temperaturen und kein Unwetter – ist die Lage für den Nachwuchs nicht einmal ungünstig.

Beim morgendlichen Kirchgang traf ich einen Storch im Nest auf dem alten Rathaus in Feuchtwangen an. Eine Stunde später gab es nur noch ein leeres Nest zu bewundern. Die Nacht, in der erneut Gewitter über das Land zogen, blieb abermals ohne Storch.

09. Jun. 03

Die nächtlichen Regenfälle brachten zumindest ein kleine Abkühlung und ließen die Sonne bis gegen Mittag hinter Wolken verschwinden. Doch danach setzte sich der Wärmespender erneut voll durch und ließ die Temperaturen, begleitet von einem strammen Wind, abermals nahe an die 25-Grad-Marke steigen. Ich nutzte die leichte Brise, um ausgiebig vom Kranzturm der Stiftskirche in meiner Heimatstadt Feuchtwangen das Geschehen um das Storchennest zu beobachten. Über eine Stunde lang bewunderte ich Nest und Storchenpaar, während im Klostergarten die Schauspieler für die kommende Premiere der Kreuzgangspiele Feuchtwangen am 18. Juni Kurt Wilhelms Komödie „Der Brandner Kaspar und das ewig´ Leben“ probten. Ob die Störche Teile des Stückes auch schon auswendig beherrschen oder lieber dem Kinderstück „Das Dschungelbuch“ oder gar Shakespeares „Sommernachtstraum“ etwas abgewinnen können?

Für Pauline und Georg blieb es heute ein ganz normaler Tag. Da keine Gewittergefahr drohte, konnten sich die Eltern ausschließlich der Nahrungssuche widmen und mussten nicht zusätzlich „Regenschirm“ spielen. „Sonnenschirm“ war dagegen ab Mittag angesagt und das Storchenquartett genoss den Schatten und hielt zwischendurch immer mal Siesta. Gestern hatte ich Georg wegen seiner nicht mehr erfolgten Transporte diverser Plastikteile gelobt. Er schien dies gehört oder gelesen zu haben, denn heute belehrte er mich eines Besseren und fiel in alte Traditionen zurück. Den inneren Nestbereich zierte erneut ein hellbraunes Folienteil.


Duftig arrangiert! Herrliche Folie!

Für mich sind es immer wieder die spannendsten Momente, wenn die Eltern Futtern für ihre Jungen anliefern. Dann sitze ich doch reichlich aufgeregt am Schreibtisch, eine Hand an der Schnappschusstaste und volle Konzentration auf das, was sich in den wenigen Minuten ereignen wird. Die Jungen bilden meist eine weiten Halbkreis im Nest, gehen in den Fersensitz, richten ihre Schnäbel zu einem gedachten gemeinsamen Mittelpunkt aus und erwarten just an dieser Stelle den Schnabel des Elterntieres.


Es gibt etwas zu essen!
Zeigen wir es dem Experten, wie es geht!

Einige Sekunden später – der Mageninhalt ergießt sich an die genannte Stelle – folgen heftige Bewegungen der Jungen, die zum Ziel haben, möglichst viele der Beutetiere zu ergattern. Hier heißt die Devise: Frechheit siegt! Und da sind die älteren und größeren Geschwister immer eine Schnabellänge voraus. Waren bisher die Stehversuche der Zwillinge recht seltene Angelegenheiten, folgen ihnen jetzt alle Küken nach und selbst Nummer 4


Nummer 3 steht! Könnte sogar die 4 sein!

könnte bei einem solchen – leider vergeblichen Versuch – beobachtet werden.

Da sieht die Welt gleich anders aus!

Die von mir am besten beobachtete Fütterung erbrachte einige kapitale Karpfen, die aber offensichtlich von den Jungen wegen Übergröße verschmäht wurden und liegen blieben, bis sie sich der Altstorch einverleibte.

Da waren Papas Augen wieder größer als unsere Aufnahmekapazität!

Eine zweite Fütterung förderte weitere Fischkost zu Tage.


Schau mir in die Augen, Kleines!

Punkt 20 Uhr vollzog sich die vorletzte Ablösung am Nest. Georg strich ab und Pauline begann ihrerseits mit der Fütterung. Möglicherweise bleibt die Dame auch gleich im Nest und Georg sucht sich einen ruhigen Standplatz in der Nähe.

  Fortsetzung der Aktualisierung
10. Jun. 03

Hitze pur über der historischen Altstadt von Dinkelsbühl und damit Schwerstarbeit für Pauline und Georg.


Sonnenschirm extrem!

Die gute Nachricht gleich zu Anfang: Küken Nummer 4 lebt nach wie vor und es hat nicht den Anschein, als sollte sich an diesem Zustand so schnell etwas ändern. An dieser Stelle muss ich aber zugeben, dass während der Brut des Jahres 2001 in unserem Nest ein Junges von einem Altvogel abgeworfen wurde, das bis kurz vor seinem Tod ebenfalls keine schlechte Figur abgab. Vom einen auf den anderen Augenblick wurde es mit dem Schnabel ergriffen und in hohem Bogen aus dem Nest befördert. Wer diese dramatischen Augenblicke einmal nachlesen möchte, dem sei das Storchentagebuch des Jahres 2001 und hier Teil 3 wärmstens empfohlen. Die „Tat“ geschah am 15.Tag nach der Geburt des Nesthäkchens. Morgen erreicht übrigens unser diesjähriges Nesthäkchen diesen kritischen (?) Termin. Dass unsere Junge  mächtig wachsen, kann jeder täglich sichtbar erkennen. Aus den grauen „Mäuschen“ (1.Dunenkleid“) sind strahlend weiße Störchlein geworden (2.Dunenkleid). Sie nutzen längst bei ihren Ausflügen während des Tages alle Bereiche des Nestes und geraten dabei auch gelegentlich an den von der Kamera bei der momentanen Einstellung nicht ganz erfassten rechten Nestrand. Ich werde wohl demnächst dieser Tatsache durch die Wahl einer neuen, etwas totaleren Kameraführung Rechnung tragen. Damit opfern wir andererseits die Detailgenauigkeit des jetzigen Bildausschnittes. Mal sehen, wie es mir gelingt, denn ein stufenloses Zoomen ermöglicht die Technik leider nicht, sondern sie gestattet im Grunde nur drei Variationen. Die ganz nahe (so wie im Augenblick), eine mittlere und eine ganz totale, bei der das Nest sehr klein wirkt und die gesamte Kulisse der Altstadt sichtbar wird (diese eignet sich vielleicht für die Zeit nach dem Abzug der Störche im Herbst als Kamerablick). Doch genießen wir einfach weiter und freuen uns an den Super-Aufnahmen und an einem ungetrübten Familienglück. Das Wachstum verschiedenster Körperteile schreitet – wie schon mehrfach angesprochen – mit Macht voran. Der schwarze Schnabel beispielsweise bringt es mittlerweile bei unserem Quartett schon auf die stolze Länge von 5 bis 6 Zentimetern und beim Körpergewicht pendelt man leicht unter bzw. leicht über der 1000-g-Marke. Nicht schlecht, Herr Specht!

Aufstehen aus dem Fersensitz und Stehen auf eigenen Füßen gelingt nun schon mehrere Sekunden lang mühelos. Bei Küken Nummer 4 sind nun an Hand und Arm die Ansätze der Blutkiele als schwarze Spitzen erkennbar.

Man wächst und gedeiht!

Diese „Versorgungszentren“ für das Federwachstum leiten nun auch beim letzten Küken das „Hervorsprießen“ der Konturfedern ein. Hoffentlich kann er diese später auch einmal zweckentsprechend einsetzen. Auffällig beim Vergleich der Beinfärbung von Pauline und Georg war heute die unterschiedliche Weißfärbung der hinteren Extremitäten.


Papa hat seine roten Strümpfe noch an!
Da stellen wir uns doch gleich mal zu zweit ins Nest!

Während Pauline bereits ihr thermoregulatorisches Beinkleid angelegt hatte,


Mama trägt weiße Halbstrümpfe!

konnte man dieses bei Georg noch nicht ausmachen. Er begnügte sich mit einem strahlenden Rot. Bei einer Fütterung durch Mutter gab es für den Nachwuchs zumindest überwiegend Mäuse zu fressen. Diese energiereiche Ernährung bringt den Küken die gewünschten und erforderlichen Kalorien in kompakter Form.


 Für eine Maus hat es doch noch gereicht!

Nicht ganz vergessen wollen wir auch das Neuansiedler-Paar in Feuchtwangen, von dem es nur so viel zu erzählen gibt, dass es immer noch die Stellung hält, wenngleich es tagsüber sehr häufig außer Haus weilt.

11. Jun. 03

Eine nächtliche Fahrt zum Bahnhof nach Würzburg lässt mich schon im Morgengrauen ab 5:30 Uhr das Storchenquartier ins Visier nehmen. Punkt 6:00 Uhr erschien Pauline am Nest und fütterte ihr Jungenquartett ausschließlich mit Regenwurm & Co. Diese Kost deckt natürlich alle Altersstadien unter den Jungen ab und kann von einem frisch geschlüpften ebenso aufgenommen werden wie von einem flugfähigen Jungen. Also hat die Storchenmama die Gunst der frühen Morgenstunde genutzt und die durch die relative Kühle und hohe Luftfeuchtigkeit der Nacht an die Erdoberfläche gekrochenen Würmer erfolgreich erbeutet.

Alles Wurm! Es kreucht und fleucht
und umwickelt alle Schnäbel!

Doch dann geschah etwas Erstaunliches, mit dem ich in diesem Augenblick nicht gerechnet hätte: Pauline flog ab und ließ ihre Jungen allein.


Mama! Komm bitte schnell wieder!
Wir haben Angst!

Die Phase der unbewachten Jungenaufzucht beginnt jedoch so gut wie nie vor Ende der dritten Lebenswoche, also vom 20. Lebenstag aufwärts. Da gab es nur eine Vermutung, weshalb Mama Storch ihre Kleinen im Stich lassen könnte. Sie hatten Durst! Und diese Vermutung bestätigte sich nach wenigen Minuten. Pauline war nicht zur Nahrungssuche gestartet (da wäre sie mit Sicherheit eine Stunde und länger weg geblieben und das tut in einem solch frühen Stadium der Jungenaufzucht auch keine gute Storchenmutter), sondern nur eben mal um die Ecke an einen Wasser führenden Graben geflogen, hatte ein paar tiefe Schlucke Wasser genommen und anschließend  sofort wieder zum Nest zurückgekehrt. Und da landete sie dann auch bald wieder und ließ sofort wie bei einer Wasserleitung aus ihrem Schnabel das köstliche Nass fließen. Vieles ergoss sich auf die Federn der Jungen und brachte schon alleine beim Verdunsten die gewünschte Abkühlung.

Wasser marsch!

Ein paar Tropfen dürften auch direkt an den Endverbraucher gekommen sein, als einige Junge direkt nach dem Schnabel Paulines fassten. Im Normalfall wird bei Störchen der Wasserbedarf durch die mitgebrachte Nahrung gedeckt. Reicht dies nicht ganz aus – wie im beschriebenen Fall – erfolgt ein gezielter Wassertransport durch beide Elternteile. Dies geschieht so schnell mal nebenbei, auch wenn man eigentlich Innendienst schieben müsste und aus diesem Grund das Nest nicht verlassen dürfte. Solche Ausflüge finden dann jedoch ausschließlich in engen Grenzen statt und lassen das Nest in Sichtweite bleiben. Pauline startete – soweit ich es beobachten konnte – um 20:41 Uhr zu einem weiteren Abflug, ohne die Rückkehr Georgs abzuwarten. Nach 9 Minuten flog sie das Nest wieder an. Danach war allerdings weder die Abgabe von Futter noch – wie eigentlich erwartet – das Reichen von flüssiger Nahrung erkennbar. Pauline stellte sich zu ihrem Nachwuchs, als ob nichts geschehen wäre. So blieb der zweite Abflug Paulines an diesem Tag und das gleichzeitige Allein-Lassen des Jungenquartetts etwas rätselhaft. Macht nichts! Wenig später erschien Georg und brachte Futter. Wie sich die Ration zusammensetzte blieb angesichts der hohen Aktivität der Jungen unsichtbar. Ihre heftigen Bewegungen und ihre große Gier gaben keinen Blicke auf die mitgebrachte Beute frei.


Heutiges Bild zur Entwicklung des Quartetts!

Der Abend stand für mich erneut im Zeichen einer Beringungsfahrt. Diesmal ging es nach Ornbau an der Altmühl, einer kleinen Stadt mit einem schönen Storchennest auf dem Barockkamin eines Hauses aus eben dieser Zeit. Die drei Jungen hatten ein Alter von gut vier Wochen und waren bei meinem Besuch bereits allein und ohne elterliche Begleitung im Nest. Von der gesamten Aktion bekamen Vater und Mutter Storch nichts mit. Ein Elternteil erschien erst lange nach Abschluss meines Einsatzes zum Füttern und flog danach sofort wieder ab. Drei Junge befinden sich zur Zeit im Nest. Ich erfuhr aus mehreren Quellen, dass insgesamt in diesem Jahr vier Junge abgeworfen wurden. Das würde gleichzeitig siebenfachen Nachwuchs bedeuten. Nun sind diese Zahlen nicht ganz von der Hand zu weisen, aber Doppelzählungen toter Junge halte ich in diesem Falle für eher wahrscheinlich. So verhält es sich häufig: Nicht auf alle Festsstellungen kann man sich verlassen. Viele gehören ins Reich der Fabel, sind nur vom Hörensagen übernommen, aus zweiter Hand gegeben und leicht verändert an dritte Personen erzählt worden. So bleibt als verwertbare Aussage lediglich eine Tatsache übrig: Es wurde(n) Junge(s) aus dem Nest geworfen. Den drei Verbliebenen geht es – soweit beurteilbar – gut und sie besitzen große Chancen, auch in vier Wochen das Nest zu verlassen.

Ein weiterer Vorfall an einem Storchennest, diesmal in Gerhardshofen bei Neustadt/Aisch rund 100 Fahrtkilometer von Dinkelsbühl entfernt, erregte heute die Gemüter. Unsere Tageszeitung – die Fränkische Landeszeitung -  berichtete in großer Aufmachung und auch über dpa wurde die Geschichte bundesweit verbreitet. Dies ist nun noch nichts Besonderes, erregen Störche doch in weiten Kreisen der Bevölkerung hohes Interesse und davon profitieren Naturschützer, also auch wir, in nicht geringem Umfang. (FLZ Artikel 1, FLZ Artikel 2) Es ist für Storchenexperten, wie im vorliegenden Fall, nicht immer einfach unter dem Druck der Öffentlichkeit und unter enormem Zeitdruck, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Hier wäre es ratsam, bevor man in die Presse geht, in Ruhe unter sich zu verhandeln und Entscheidungen anzubahnen. Erst in zweiter Instanz sollte dann die breite Öffentlichkeit hinzugezogen werden. Aber hier möchte ich keine Vorschriften machen, sondern nur meine Denkweise darstellen, die weit weg von den Geschehnissen natürlich ruhiger und entspannter vonstatten gehen kann. Warum aber in Gerhardshofen sogleich in so massiver und blinden Aktionismus zeigenden Weise eingegriffen wurde, ist mir schon etwas unverständlich. Das Unglück geschah zu einem Zeitpunkt, zu dem die vier Jungen des Nestes schon so weit entwickelt waren, dass sie von den Altstörchen nicht mehr bewacht und geschützt wurden, d. h. die Jungen befanden sich in einer Phase, in der sie von beiden Eltern alleine im Nest gelassen werden. Dies ist meines Erachtens eine ganz wichtige Feststellung, die das weitere Eingreifen entscheidend beeinflussen muss. In einem ähnlichen Fall (der eine Altstorch verunglückte lediglich an einem Strommasten tödlich) in Wittelshofen waren zum Zeitpunkt des Todes vier dreiwöchige Junge im Nest. Bei einer am folgenden Tag durchgeführten Nestkontrolle, der Altstorch hatte erst nach 24 Stunden den Horst erstmals verlassen, wurde lediglich das Nesthäkchen entnommen und einen weiteren Tag später zu zwei gleichaltrigen Jungen in ein Nachbarnest gesetzt. Diese Einhorstung klappte ebenso wie das alleinige Aufziehen der drei Geschwister durch den Alleinerzieher im Unglücksnest. Eine ähnliche Vorgehensweise hätte ich mir für das Gerhardshöfener Nest ebenfalls gewünscht. Nun füttert man von der Feuerwehrdrehleiter aus und setzt den Altstorch dadurch unnötig unter zusätzlichen Stress. Mein Vorschlag hätte gelautet. Wir helfen dem Storch bei der Futtersuche durch täglich mehrmaliges Mähen von Streifen in die Wiesenlandschaft um das Nest. Jeder Mäheinsatz und dieser sollte möglichst im 1-Kilometer-Radius um das Nest stattfinden, schafft für den Storch natürliche Nahrungsressourcen, derer er sich auch sonst sofort bedient. Kaum ist ein Traktor bei der Arbeit, ist der Storch schon da. Also Landwirte! An die Storchenfront! Mäht eure Flächen einmal so, wie ihr es eigentlich immer tun solltet! Morgens und abends einige Streifen quer durch die Wiese. Am nächsten Tag weitere Streifen. Machen das mehrere Wiesenbesitzer in den nächsten drei Wochen ebenso, erübrigen sich Auseinandersetzungen des verbliebenen Storchs mit einem Stopfpräparat und das Schnäbeln in einer Plastikwanne. Und den Jungen blieben wenigstens die Eintagsküken erspart. Die gibt es eben doch nur auf dem Weg zum Hausschwein. Also liebe Gerhardshöfener Freunde! Euer Einsatz ist fraglos anerkennenswert und ich weiß aus persönlichen Begegnungen, dass Ihr es gut mit den Störchen meint und nie eine böse Absicht dahinter steckte. Da Ihr auch meine Einstellung kennt, habe ich für mich nach einer anderen Lösung gesucht und diese hier dargestellt. Es geht – bitte versteht dies – nicht um die Frage, wer Recht hat. Denn ich mag nicht beurteilen, ob mein Handeln richtig oder richtiger gewesen wäre. Nur vertrete ich einen anderen Ansatzpunkt in der Frage des Storchen- und/oder Naturschutzes. Nicht mehr und nicht weniger! Also bitte keinen neuen Glaubenskrieg entfachen! Nur bin ich in diesen Fragen ein gebranntes Kind und ereignen sich neue Katastrophen, kommen Altlasten in mir hoch, denen ich auf schriftlichem Wege begegnen und die ich in dieser Weise verarbeiten muss. Die im Bericht der Zeitung genannten Frauen und Männer verdienen – und hier stimme ich mit dem Verfasser voll überein – Anerkennung.  

12. Jun. 03 Wegen der ungewöhnlichen Hitze ist im Hause Ziegler Entspannung angesagt. Wenig Bewegung und nur im äußersten Notfall aus dem Haus beherzige ich heute penibel genau. Büroarbeiten und gleichzeitig mit einem Auge nach Pauline und Georg schielen, ist nun keine so schlechte Alternative. Doch die Storchenfamilie scheint im Moment auch nur das Nötigste an Bewegung zu realisieren.


Tägliches Bulletin über den Gesundheitszustand:
Alle vier Junge wohlauf!

So gab es einen recht langweiligen Tag ohne besondere Vorkommnisse. Nur zur Regel entwickeln sich wegen der Temperaturverhältnisse die kurzen Abflüge zum Wasserholen und damit das kurzfristige Allein-Lassen der Jungen.
 
Mama ist weg! Was hast du bestellt?
Bei mir war es ein Wasser!
Ich will zuerst..
Nein, ich war der erste!

Während eines solchen Fluges kam es heute einmal zu einer Begegnung der besonderen Art. Kurz nachdem Pauline mit Wasser im Nest gelandet war und dies an die schon wartenden Jungen verteilt hatte, erschien auch Georg am Nest.


Pauline, da hattest du die gleiche Idee wie ich!

Er hatte wohl bei seinem kurz vorher erfolgten Abflug die gleiche Idee verfolgt und war nicht zur Nahrungssuche aufgebrochen, sondern ebenfalls zur Tränke abgeflogen. Diese Parallelität der Gedanken führte dann zu der grotesken Situation, dass beide Altstörche gleichzeitig an ihre Jungen Getränke verteilten. In diese Phase der Jungenaufzucht ereignet sich ein solcher Doppelschlag ganz selten und auch dann, wenn beide Altstörche getrennt auf Futtersuche gehen, finden gleichzeitige Fütterungen am Nest durch beide Altstörche so gut wie nie statt. Mir gelangen derartige Beobachtungen bisher nur ganz wenige Male.


So gehört sich das mit einer Fütterung!

Der Nachmittag brachte heute schließlich mit 34 Grad die höchsten Temperaturen des Jahres und vielerorts purzelten Rekorde für einen 12. Juni seit es Aufzeichnungen über die Temperaturen gibt.


Mama, ist dein Thermostat kaputt?
Wir haben 34 Grad und du deckst uns zu!

Die Gewitterstimmung in den frühen Abendstunden entlud sich lediglich in einigen Tropfen Regen. Dies reichte jedoch aus, um bei Pauline, sie hatte gerade „Nestdienst“, den Regenschirm aufzuspannen. Ihre Versuche, die vier doch schon großen Jungen komplett zu bedecken, wirkten anfangs grotesk und deuteten auf ein erfolgloses Unterfangen hin, doch nach wenigen Minuten hatte sich Groß und Klein arrangiert und außer einer unnormalen Wölbung an Paulines Hinterteil passten schließlich alle unter den Natur-Regenschirm.
 
Viel Regen wird es nicht geben, aber sicherheitshalber
nehme ich euch schon mal unter meine Fittiche!

13. Jun. 03

So langsam schließt sich für unser Jungenquartett die dritte Lebenswoche. Was ich nicht für möglich gehalten habe, ist schon eingetroffen. Alle Jungen haben bis heute überlebt und dies trotz des immer wieder zu Beginn des Schlüpfens vermuteten Nahrungsmangels infolge der großen Trockenheit.

Schaut, Papa baut gerade einen
grünen Zweig mit Blättern ein!
Wir sind noch
alle da!

Hier hat ihr Experte aber die Rechnung ohne die Eltern gemacht. Die sind eben doch findiger und bestens auf diese Situation eingestellt. Mit Sicherheit ist die herrschende Wetterlage allemal besser als eine kühle und regenreiche Witterungsperiode in der Zeit der Jungenaufzucht. Man kann es halt nicht jedem Recht machen. Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum – wie in Vetschau geschehen – ein wenige Tage altes Küken an Nahrungsmangel verenden sollte, braucht es doch in diesem Alter bei weniger als 100 g Lebendgewicht deutlich weniger als 100 g an Nahrung. War aber die richtige Nahrungsgröße vorhanden? Was macht ein kleines Küken mit einem Maulwurf, einem großen Fisch oder anderen zu umfangreichen Brocken? In solchen Fällen spielen ganz gewiss mehrere Faktoren zusammen. Wer denkt von all den Experten auch an die Eltern? An ihre Fitness? Können manche Störche überhaupt mit vielen Jungen zurecht kommen? Sind sie dieser Aufgabe gewachsen? Vom Alter oder von der persönlichen Konstitution her? Fragen über Fragen, die manches Eingreifen des Menschen von dieser Sicht aus in Frage stellen. Pauline und Georg hatten bisher das Glück – und die Beobachtungen über die Webcam bestätigten dies eindrücklich – in jeder Phase der Jungenaufzucht die entsprechende Beute bereit zu halten. So gab es Regenwurm, wenn diese Beutegröße gefragt war oder entsprechend Fisch, Kröte und Maus, wenn es schnell mal galt, einen Kalorienstoß zu verabreichen. War es einfach Glück, das den Eltern in dieser Beziehung hold war oder stellen beide ein erfahrenes Brutpaar dar, das in langjähriger Zweisamkeit gelernt hat, mit schwierigen Situationen klar zu kommen. Eine sichere Aussage kann nicht angestellt werden, aber von beiden Möglichkeiten können Teile sicher zutreffen.


Kaum ist Mama da, fliegt Papa auch schon ab!

Seit einigen Tagen wünschte ich mir gelegentlich einen etwas totaleren Bildausschnitt in unser Kameranest. Gelegentlich rutschten Jungen oder Eltern schon einmal aus dem Bild. Darüber habe ich mich kürzlich schon in aller Ausführlichkeit ausgelassen. Heute nun führte ich diesen kleinen Eingriff durch und hoffe, dass er Ihren Wünschen entspricht.


Hallo, Freunde! Nun sieht man uns wieder ganz!

Komisch, wie klein dadurch die Jungen zunächst wieder geworden sind, wenn man sie fast drei Wochen so nah betrachten konnte. Aber man gewöhnt sich an alles, so dass nach kurzer Zeit das neue Bild im Auge haftet.

Wir sind nun plötzlich ein ganzes Stück kleiner geworden!

Es bleibt zumindest nach wie vor alles erkennbar. Deshalb sah man auch, was Rudi da um die Mittagszeit erneut an Müll angeschleppt hatte. Wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich da um eine schwarze Tasche oder große schwarze Plastiktüte, an der ein deutlich sichtbarer Haltegriff auffällt. War er damit gar beim Einkaufen und uns will er weiß machen, er habe alles selbst erbeutet? Oder macht sich Georg damit von Zeit zu Zeit auf den Weg ins Büro?


Papa, was machst du mit der Aktentasche?

Man sollte den Vorgang weiter verfolgen, um eine Klärung des Geschehens zu erreichen. Die Sonne versteckte sich heute von Zeit zu Zeit hinter dickeren Wolken und immer wieder sah es nach Regen oder Gewittern aus. Doch alles blieb ruhig und mit knapp unter 30 Grad lagen die Temperaturen um über 5 Grad niedriger als gestern. Prompt sank auch der zusätzliche Wasserbedarf unserer Jungen, so dass Sonderausflüge zum Getränkeeinkauf nicht stattfinden mussten. Leider ohne Schnappschuss-Beleg blieb das kurze, einbeinige Stehen eines Jungstorches (Nummer 1 oder Nummer 2). Zweifellos bedeutet dies eine glanzvolle Balanceleistung und das in einem Alter von gerade mal 19 Tagen.

Die Storchen-Groteske in Gerhardshofen geht weiter und hat bereits viele Fernsehstationen auf den Plan gerufen. Der verbliebene Storchenmann findet keine Ruhe mehr, wird ständig durch umtriebige Reporter und Fütterer in seiner eigentlichen Aufgabe, Nahrung herbeizuschaffen, behindert und zusätzlich pausenlos gestresst. Lesen Sie den heutigen Bericht in der Zeitung und machen Sie sich ein eigenes Bild, welch seltsame Blüten Tierliebe treiben kann. Und doch spiegelt all dies nur das weit verbreitete Tier- und Naturverständnis weiter Kreise der Bevölkerung wieder, die Wildtiere mit ihren Muschis und Mausis auf dem Sofa gleich setzen und eine identische Behandlung zum Beispiel auch den Störchen angedeihen lassen wollen. Wenn sich wenigstens einige meine Leser von einer solchen Einstellung verabschieden, wären meine Gedanken und Einlassungen nicht ganz umsonst geschrieben. Doch hier ist noch eine ganze Menge Überzeugungsarbeit zu leisten, bis menschliche Denkart nicht mehr auf tierisches Verhalten durchschlägt. Wenn Eltern ihre Kinder quälen, vergewaltigen, halb tot schlagen und total vernachlässigen, ist die Aufregung in der Bevölkerung äußerst zurückhaltend, nein, im Wissen um solche Vorfälle wird sogar häufig geschwiegen. Verunglückt ein Storch – um nur ein Beispiel zu nennen – entsteht ein ungeahnter Aufruhr und eine ganze Armada von Hilfe Leistenden tritt auf den Plan. Doch reichlich pervers, unsere Gesellschaft! Und ich will mich dabei ebenfalls nicht ausnehmen. Ich versuche nur, Ihnen die Verhältnismäßigkeit der Mittel ein wenig zu verdeutlichen. Man muss nicht alle Tiere um jeden Preis retten, nur weil es technisch oder medizinisch machbar ist. Aber da geraten wir schon wieder in einen anderen Themenkomplex. Würde man in Gerhardshofen ähnlich handeln, wenn keine Feuerwehrdrehleiter zur Verfügung stünde? Wer wäre bereit die Fütterung freihändig von einer auf den Dachfirst gestellten Leiter zu übernehmen? Also bewahren Sie Augenmaß, auch wenn man sich dabei unbeliebt machen muss! (FLZ Artikel)

Von meinem Heimatpaar gibt es derzeit wenig zu vermelden. Seit Tagen habe ich keine Sichtbeobachtung mehr tätigen können, doch lag dies überwiegend daran, dass ich in der Nacht keine Kontrollfahrt mehr unternommen habe. Zuletzt konnte ich die beiden am Montag unweit Feuchtwangen auf Nahrungssuche sichten. Bei einer negativen Feststellung blieb es auch heute. Das Nest auf dem Kamin des alten Rathauses zeigte sich nachts verlassen.

  2. Fortsetzung der Aktualisierung
14. Jun. 03

Endlich wieder Storchensichtung in Feuchtwangen! Das Paar, das sich in den letzten drei Tagen rar gemacht hatte, steht heute wieder im Mittelpunkt des Interesses auf dem Feuchtwanger Marktplatz. Beide Störche halten sich während mehrerer Stunden am Vormittag im Nest auf, so als ob nichts geschehen wäre.

Für Pauline und Georg galt es heute abermals, ein schweres Gewitter zu überstehen. Wie die Storchenmutter die Situation meisterte, verdient erneut hohe Anerkennung. Während einer Stunde zwischen 17 und 18 Uhr schien in Dinkelsbühl die Welt unterzugehen. Es wurde finster, der Regen peitschte, das Nest erzitterte in seinen Grundfesten, so sehr wurde es vom Wind durchgeschüttelt.

Jetzt gilt es das Unwetter gut zu überstehen!

Einige Male glaubte ich am rechten Nestrand eine Bewegung nach oben und kurz darauf wieder nach unten erkannt zu haben. Aber das gut verflochtene Ast- und Zweigmaterial hielt dem Wind stand. Nur an der der Kamera abgewandten Nestseite war nach dem Unwetter etwas Unordnung zu erkennen und einige Zweige hatte sich gelöst und zeigten nun senkrecht nach oben.


Da muss ich schnell wieder für Ordnung sorgen!

Während der ganzen Zeit lag der Altvogel ohne Unterbrechung auf seinen Jungen und versuchte, sie komplett zu bedecken. Ein schwieriges Unterfangen bei so viel Storch, doch bis auf den einen oder anderen vorwitzigen Kopf war das gesamte Jungenquartett perfekt zugedeckt. Nachdem die Gewitterfront abgezogen war, schüttelte Pauline einige Male ihr durchnässtes Gefieder aus, um sich gleich darauf mit größter Vorsicht abermals – diesmal zum Trocknen - über die Jungen zu legen.

Pauline schüttelt sich trocken... ...und trocknet so ihre Jungen

So muss man es eben machen. Da braucht es keine Feuerwehr, die bei Gewitterregen ausrückt, um kleine Junge zu bergen oder anderen Schnickschnack zu machen. Vor den Gewittern musste unser fürsorgliches Paar die eine oder andere heiße Phase hinter sich bringen.

Wieder mal die Sonnenschirmstellung!

Georg vollführte dabei eine klassische Art der Durstbewältigung. Kaum hatte er seinen Nachwuchs gefüttert,


Bitte zum Mittagessen!

ließ er Nest und Junge für genau zwei Minuten allein.


Jetzt bringt Papa gleich wieder Wasser!

Wo er in dieser kurzen Zeit gewesen war, zeigte er dann kurz nach der Landung, als er einen kleinen Wasserstrahl über seine Jungen laufen und ihnen damit eine wohltuende Abkühlung zu Teil werden ließ.

15. Jun. 03

In den frühen Morgenstunden feierten unsere erstgeschlüpften Zwillinge in alle Stille Geburtstag. Zu dieser Zeit wurden beide genau drei Wochen alt.


Wo wollt ihr denn alle hin?
Ihr müsst zur Geburtstagsfeier!

Damit beginnt für sie, ebenso wie für ihre ein bzw. zwei Tage jüngeren Geschwisterchen, die Zeit des stärksten Wachstums und des größten Futterbedarfs. Die 22 Arm- und 11 Handschwingen an jedem Storchenflügel werden nun mit Macht aus den Blutkielen schieben und unsere Jungen immer mehr dem Aussehen ihrer Eltern gleich kommen lassen. Bis zum Ausfliegen werden die Arm- und Handschwingen aneinander gelegt eine unglaubliche Länge von 20 Metern - für beide Flügel gerechnet – erreichen. Dass dabei für die längsten Handschwingen – sie erreichen fast 50 Zentimeter – pro Tag sogar mehr als 1 Zentimeter Längenzuwachs erforderlich ist, unterstreicht die enorme Wachstumsgeschwindigkeit. Beim Blick ins Nest erleben wir die Jungen meist im so genannten Fersensitz. Kopf und Brust sind dabei vom Nestboden abgehoben. Vom Flügel erkennt man in dieser Position den langen Armteil, während die kürzere Hand im Handgelenk abgewinkelt wird und teilweise unter dem Arm zu liegen kommt. Stehen die Jungen und versuchen sie sich mit schlagenden Flügeln im Gleichgewicht zu halten, kommt die Hand zum Vorschein. Dieser Teil des Flügels trägt am Schluss die längsten Federn und dieser Teil ist es dann auch, der durch das Federwachstum ungemein an Gewicht gewinnt. So fällt es den Jungen bald ungemein schwer, ihr Hand immer schön angewinkelt zu halten, immer öfters rutscht sie nach unten und wird dann vorübergehend gut sichtbar.


Auf dieser Aufnahme von gestern sieht man
die Blutkiele der Hand bläulich schimmern.

Kurz nach 13 Uhr erlebten wir heute beide Elternteile gemeinsam für mindestens 10 Minuten am Nest. Die Nestpräsenz beider Altstörche hatte eine einfache Erklärung: Mindestens ein fremder Storch war im Luftraum über dem Nest erschienen und auch in dieser Situation funktionierte unser Paar. Noch ehe der Eindringling sich dem Nest  gefährlich nähern konnte, hatte auch Georg neben seiner Pauline Platz gefunden und so genügten einige Klapperstrophen und einige Drohgebärden, um den Artgenossen auf Distanz zu halten. Während der gesamten Zeit der Bedrohung zeigte unser Jungenquartett eine ebenfalls eindrucksvolle Vorstellung, die das angeborene Verhaltensschema für solche Fälle vorsieht. Nummer 1 bis Nummer 4 fielen in den Zustand der Bewegungslosigkeit, sie stellten sich tot. Merken Sie sich, dass der Name Kino vom griechischen „kinere“, sich bewegen, kommt (denn dort bewegen sich Bilder und man sieht einen Film, würden sich die Bilder nicht bewegen, wäre es auch ziemlich langweilig). Mit diesem Wissen verstehen Sie den Fachbegriff der „Akinese“ besser, den die Jungen bei Erscheinen einer Gefahr an den Tag legen und der so viel bedeutet wie „Sich-nicht-bewegen“.


Schnell, Akinese! Papa und Mama
sind aber ganz schön aufgeregt!

Dies erhöht ihre Chancen erheblich, von einem möglichen Aggressor in Ruhe gelassen und vielleicht verschont zu werden. Allzu große Gegenwehr würde im Ernstfall das Aggressionspotential eines Feindes erhöhen und dadurch auch die Überlebenschancen verringern. In menschlicher Obhut aufwachsende Jungstörche verlieren mit der Zeit der Aufzucht diese Verhaltensweise und fallen bei Erscheinen eines Feindes – und dies kann auch der Mensch sein – nicht mehr in Akinese.


Entwarnung!
Es darf wieder gekuschelt werden!

Seit dem gestrigen Unwetter ziert unsere Nachwuchsstörche ein gelblich bräunlicher Streifen, der von der Brust über den Bauch verläuft. In diesem Bereich ist die Befiederung im Augenblick sehr lückig oder es finden sich dort sogar einige nackte Hautstellen. Durch die gestrigen Regenfälle wurde der Nestinnenraum kurzfristig weich und färbte die Körperpartie, die die engste Auflagefläche mit diesem Nestteil besitzt, in der angesprochenen Weise und Farbe. Keine Angst! Bis zum Ausfliegen hat sich dieser Farbtupfer jedoch längst wieder verflüchtigt. So schließt das Tagebuch für den heutigen Sonntag mit wenig Action, jedoch für Pauline, Georg und ihre Kinder weiterhin sehr erfolgreich. Mit jedem Tag, den die Jungen zu viert überleben, steigt auch die Möglichkeit, dass man zusammen das Ausfliegealter erreicht.


1.Reihe liegend, 2.Reihe stehend!

Feuchtwangen erlebte auch an diesem schönen Sonntag seine Störche wie in besten Tagen. Beide hielten heute wieder über Stunden das Kaminnest besetzt. Wo sie zur Zeit die Nächte verbringen, kann ich nach wie vor nicht ermitteln. Im Nest standen bis gegen 23 Uhr keine Störche.

PS! Dank Ulrich konnte meine Vermutung über das Auftauchen von Fremdstörchen heute gegen 13 Uhr bestätigt werden. Als er – wie im Gästebuch unter Nr. 4220 geschrieben – zur angegebenen Zeit das Nest live beobachtete, sah er das Paar im Nest (so wie wir) und über dem Nest kreisten zwei Fremde, die allerdings keine bösen Absichten hegten.

16. Jun. 03

Um 10 Uhr konnte das Feuchtwanger Storchenpaar erneut im Nest auf dem Kamin des alten Rathauses gesichtet werden. Also lassen sie sich nur nachts an einem anderen Ort nieder oder ihr Tagebuchschreiber sollte einmal eine Kontrolle nach Mitternacht durchführen. Bei den momentanen „Vollmond-Verhältnissen“ wäre eine Anflug des Nestes um diese späte Stunde durchaus denkbar, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich. Um 23 Uhr konnten auch heute keine Störche im Kaminnest gesichtet werden.

Am Vormittag startete ich zu einer kleinen Storchenfahrt an den Oberlauf der Altmühl. In Leutershausen leben von mindestens vier geschlüpften Jungen noch zwei. Sie haben ein Alter von über vier Wochen erreicht und damit gute Chancen, die nächsten Wochen ebenfalls unbeschadet zu überstehen. Im 10 Kilometer entfernten Herrieden sind ebenfalls Junge geschlüpft. Ich entdecke nach längerer Beobachtungsdauer mindestens zwei knapp 14 Tage alte Junge. Zwischen beiden Orten bekam ich noch einen Besuchsstorch auf dem Nest in Neunstetten zu Gesicht. Das Männchen, das einen Ring trägt, ist mir seit vielen Jahren bekannt. Es hat auch schon in Neunstetten erfolgreich gebrütet. In diesem Jahr ist es nur sporadisch am alten Nest und wechselt – wie im Vorjahr – gerne an die Autobahnraststätte. Dort befindet sich ebenfalls ein Nest auf der Werbeanlage der Tankstelle.

Bei Pauline und Georg im Nest auf dem alten Rathaus in Dinkelsbühl läuft alles seinen gewohnten Gang. Die Eltern „funktionieren“ vorzüglich und die vier Jungen gedeihen nach wie vor ausgezeichnet.


Weiter so, meine Kleinen!

Es sind keinerlei sichtbare Anzeichen einer Schwäche oder Anomalie zu erkennen. Aber solche Anzeichen gibt es ja – wie Ihnen bekannt sein dürfte – so und so nur ganz selten. Also dürfen weiter die Daumen gedrückt werden, damit der positive Trend erhalten bleibt.

Mama, bei der Hitze brauchst du
uns doch nicht mehr zu hudern!
Es wird schwierig! Ich krieg
euch nicht mehr unter die Flügel!

Die Eltern ließen ihre Jungen auch am heutigen Tag mehrmals alleine, um bei den hohen Tagestemperaturen, die wieder nahe an die 30 Grad kletterten, ausreichend Flüssigkeit einzufliegen.


Ohne Eltern ist Akinese angesagt!

Doch die Zeiten, in denen elterlicher Schutz und Schirm fehlen, verlängern sich mit jedem Tag. Heute gegen Abend waren es schon satte 24 Minuten (von 19:47 Uhr bis 20:11 Uhr). Nach der Landung gab es für die Jungen überraschenderweise weder feste noch flüssige Nahrung zu konsumieren. Georg zeigte sich  wieder am Nest, zog ein Bein an und gab sich total entspannt. Das Jungenvolk „erwachte“ aus seiner Akinese und gefiel sich in entspanntem Spiel. Mal hierhin rutschen, mal dorthin rutschen! Gebettelt wurde in der Tat auch nicht, also hatte man auch keinen Hunger und ließ Georg in Ruhe. Mit Sicherheit reagieren die Eltern in dieser frühen Phase (das Nesthäkchen ist noch keine drei Wochen alt) auf den erhöhten Nahrungsbedarf und nutzen auch einmal kurze Abflüge, um ausschließlich an sich zu denken.


Das Beobachten von Papa macht Spaß!

Unerwartet verabschiedete sich um 21:14 Uhr auch Pauline von ihren Jungen und ließ sie allein. Diesmal währte die Vakanz sage und schreibe bis 22:04 Uhr, also genau 50 Minuten lang. Als die Mama endlich wieder erschien, gab es zur Belohnung für das lange Ruhigsein eine Extraportion Futter.


Mal sehen, was es heute zum Abendessen gibt?

Stellen wir uns in den nächsten Tagen darauf ein, dass die „unbewachte Jungenaufzucht“ früher einsetzt als erwartet, aber bei vier Jungen sollten wir diesen Umstand nicht allein als Anzeichen einer sich verschlechternden Nahrungssituation sehen. Das Stehen entwickelt sich längstens zur Gewohnheit bei allen Jungen, wenn auch die Älteren hier noch gewisse Vorteile an den Tag legen.

17. Jun. 03

 Es ist soweit! Die Phase der unbewachten Jungenaufzucht hat mit Macht begonnen. Pauline und Georg haben sich eindeutig schon sehr früh für diese neue wichtige Überlebensstrategie entschieden.

Von da müssen Papa oder
Mama doch bald kommen!...
...oder kommen sie
doch eher von da!

Am 11. Juni waren die Jungen zum ersten Mal für einige Minuten allein und seitdem steigerten sich diese Augenblicke täglich in ihrer Häufigkeit und zeitlichen Ausdehnung. Das Wetter stimmt, die Jungen sind heute alle drei Wochen alt oder älter (das Nesthäkchen feiert heute seinen dreiwöchigen Geburtstag!) und der Nahrungsbedarf wird immer größer. Was bleibt den Eltern da schon an Wahlmöglichkeiten? Ich denke keine! Es heißt nun, keine Minute unnütz vergeuden mit Schattenspenden oder anderen Kinkerlitzchen! Nahrungssuche ist angesagt und zwar rund um die Uhr und dazu auch noch zu zweit im Doppelpack. Durch die etwas weitere Kameraposition gehen leider Details bei der Nahrungsübergabe an die Jungen verloren. Man kann nun die Art der Beute nur noch schwer ausmachen, aber bei einer Fütterung waren mit Sicherheit wieder Mäuse auf dem Speiseplan. Da es nun bereits seit drei Tagen nicht mehr geregnet hat, sieht es mit den Regenwürmern natürlich sehr schlecht aus. Von 8:30 Uhr bis 12:00 Uhr – das sind 210 Minuten – waren die Jungen sage und schreibe 174 Minuten allein oder anders ausgedrückt lediglich 36 Minuten „bewacht“. Pauline und Georg halten sich also echt ran und haben erkannt, wie wichtig jetzt ihr Einsatz bei der Nahrungsbeschaffung ist. Dieses Strickmuster behielten unsere Eltern während des gesamten Tages bei.

Jetzt haben wir uns
mal in der Mitte
versammelt!
Wenn Papa verschwindet
schlägt er mit den Flügeln!
Das kann ich auch!
Schau, da hinten kommt
gleich Mama
angesegelt!

Nun muss man schon etwas Glück haben, will man Pauline oder Georg für längere Zeit im Nest stehen sehen. So schnell ändern sich die Zeiten! Etwa alle Stunde erschien einer der Altvögel zur Fütterung. Das sind für Pauline und Georg im Schnitt alle zwei Stunden ein Anflug ans Nest. In den Nachmittagsstunden stieg dieser zeitliche Rahmen auf 90 Minuten respektive drei Stunden an. Kaum war eine Fütterung vorbei – und die dauerten rund zwei Minuten – flogen Pauline oder Georg auch schon wieder ab. Beide wollten wohl damit zum Ausdruck bringen, dass sie keine Zeit zu verlieren hätten und möglichst schnell in den Nahrungsgebieten zurück sein wollten. Kürzlich traf ich bei einer Autofahrt nach Dinkelsbühl unmittelbar neben der Bundesstraße B25 und der still gelegten Bahnstrecke Dombühl – Nördlingen einen der Dinkelsbühler Altstörche in Höhe der Abzweigung zur Froschmühle bei der Nahrungssuche an. Er stand in einer frisch gemähten und komplett abgeräumten Wiese.

Bei den heutigen Fütterungen habe ich einige Male meine Unterscheidungsmerkmale von Pauline und Georg überprüft und verfeinert. Es besteht nach wie vor ein deutlicher Unterschied in der Färbung der Beine. Bei Georg leuchtet das Rot selbst in einem schlechten Licht heller als Paulines mehr bräunlich/rote „Stelzen“. Dass die Beinlänge ebenfalls bei Georg ein längeres Maß erfordert, habe ich schon einige Male angesprochen.

Pauline am Nest:
Hat gut geschmeckt!
Nun ist Georg
an der Reihe!

So konnte man deutlich – diese Kriterien kennend und anwendend – Pauline um 21:15 Uhr zu einer Fütterung erscheinen sehen. Unmittelbar darauf flog sie ab, stand für etwa zwei Minuten auf dem Dachfirst des alten Rathauses und strich dann zur Nahrungssuche ab. Als Georg 20 Minuten später im Nest landete, war er erneut nicht bereit, Futter an die Jungen abzugeben. Er stellte sich stattdessen gelangweilt an den Nestrand, zog ein Bein an und tat so, als ob er als Alibi seine Nachkommen bewachen wollte. Diese ihrerseits schienen auch keinen Appetit zu entwickeln, sondern legten sich ruhig mit seitlich verdrehtem Kopf in die flache Nestmulde. Die letzten Beobachtungen lassen mich zu dem Schluss kommen, dass Pauline im Bereich der Nahrungsbeschaffung den weitaus größeren Anteil trägt als Georg.


Mama, was hast du denn Gutes mitgebracht?

Ist ja auch ganz normal und auf den menschlichen Bereich übertragen nur zu verständlich. Er – Georg – hat das Nest in fast alleiniger Arbeit von Null auf Hundert gebracht, dafür darf nun sie – Pauline – einen größeren Part bei der Jungenaufzucht leisten.


Jetzt ist aber mal Georg an der Reihe!)

Reichlich im Dunkeln blieb das Verhalten unserer Storchenbesatzung in der Nacht. Denn ab 22 Uhr gingen abermals Gewitter über der Stadt und dem Land nieder. Doch außer einem heftigen Regen blieb es ohne weitere negative Begleitumstände.

18. Jun. 03

Auch für unser Jungenquartett verliefen die heftigen Regenfälle der Nacht ohne schlimme Folgen.


Hunger haben wir immer!

Wie sollten sie auch solche nach sich ziehen? Nummer 1 bis Nummer 4 sowie sämtliche Artgenossen haben es im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte (und diese dauert nun schon rund 150 Millionen Jahre) mit ganz anderen Wetterkapriolen zu tun gehabt und haben sich letztlich mit Erfolg durchgesetzt. Papa Georg stand heute am Morgen für lange Zeit im Nest neben seinen Jungen.


Wann werden unsere Handschwingen
auch so groß wie die von Papa?

Sollte die Nahrungssituation auf Grund des Regens deutlich besser sein als in den vergangenen Tagen und er deshalb mehr Muße zum Faulenzen haben? Nach kurzem Abflug erschien Schorsch schon wieder bei seinen Jungen, doch Futter hatte er erneut nicht dabei. Da lass ich lieber meine Pauline ran! Soll die sich doch mit unseren Kindern abmühen. Sie war es ja, die unbedingt vier haben wollte! Schorsch, sei bitte nicht gleich so beleidigt! Du wirst auch noch dringend gebraucht! Glaub es Deinem Storchenexperten! Doch für heute konnten beide Eltern immer wieder mal kurz oder lang verschnaufen und nach der nächtlichen Abkühlung musste man auch nicht mehr so viel schwitzen. Kein Wunder bei gerade mal 22 Grad Höchsttemperatur! Dass unser Nesthäkchen den größeren Geschwistern weiter mit Macht nacheifert, darf uns schon ein bisschen stolz machen.

Papa, zähl mal! Wie viele sind wir? Richtig! Wir sind zu viert!

Deutlich zeigt sich das Wachstum der schwarzen Schulterfedern, an deren Länge man gut die verschiedenen Altersstadien herauslesen kann. Ebenso verbreitern sich die schwarzen Säume an Hand und Arm mit jedem Tag mehr. Wenn man nach längerer Zeit einen Blick auf verschiedene, von Hand aufgezogenen Jungstörche wirft und deren Gewichtsentwicklung mit der unseres Quartetts gleichsetzt, ergeben sich folgende Werte. Mit 24 Tagen bringen es unsere Zwillinge demnach auf ein Körpergewicht von knapp über vier Pfund, bei den Geschwistern liegt es leicht darunter. Der schwarze Schnabel hat es mittlerweile auf rund 8 Zentimeter gebracht. Wer sich in den letzten Tagen nach Müll im Nest gesehnt hatte, wurde heute endlich mal wieder zufrieden gestellt. Unser Schorsch entschied sich für einige weiße Folieteile und als Farbkontrast auch für ein „kleines Schwarzes“.

Unser Schorsch fällt doch hin und wieder in alte Gewohnheiten zurück!

Die letzte Fütterung des Abends, von der ihr Tagebuchschreiber etwas mitbekam, erfolgte kurz nach 22 Uhr. Recht viel später geht es auch im Hinblick darauf, dass wir bald den längsten Tag des Jahres erreicht haben, nicht mehr. Sollte es einmal knapp mit der Zeit werden, füttern Störche auch schon mal später und nutzen dazu auch das spärliche Licht des Mondes aus, aber so weit muss es ja nicht kommen. Mancher wird sich schon gefragt haben, wie es mit vier erwachsenen Jungen im relativ kleinen Storchennest zugehen wird. Ich wage dazu ebenfalls keine Prognose abzugeben, aber eng wird es auf alle Fälle. Die Eltern werden außer bei Fütterungen nicht mehr am Nest zu sehen sein und das Jungenquartett muss sich halt „absprechen“, wer wann etwas macht. Alle vier gleichzeitig Flügel spreizen, im Nest springen, Dehnübungen machen und so weiter, wird nicht möglich sein. Da muss man eben zusammenrücken und das wird auch in irgendeiner Weise so geschehen. Auf spannende Wochen darf man aber schon jetzt gespannt sein. 

  3. Fortsetzung der Aktualisierung - wir sind wieder auf dem Laufenden!
19. Jun. 03

 Feiertag und vielleicht auch Brückentag für viele, um in ein verlängertes Wochenende zu starten. Die Abkühlung hat sich heute fortgesetzt und gibt allen die Gelegenheit wieder durchzuschnaufen, die Zimmer zu durchlüften und sich auf den angekündigten neuen Sommerstart vorzubereiten. Auch bei unserer Storchenfamilie hat sich die kühlere Witterung durchgesetzt und der böige Wind (dieser brachte ja schließlich die Abkühlung) hat sämtliche Folienteile, die Georg gestern mühsam eingetragen hatte, komplett aus dem Nest geweht.


Hoffentlich bringt Papa nicht wieder seinen Müll mit!

So ist der Lauf der Zeit! Nichts ist ewig, alles ist vergänglich. Die Sonne machte sich wirklich rar, nur gegen Abend verbreitete sie ein wunderschön weiches Licht auf Nest und Storchenfamilie. Heute konnte man ein völlig anderes Bild beobachten als an den vergangenen beiden tagen. Georg und Pauline hielten doch die meiste Zeit Wache bei ihren Kindern. Wenn nicht im Nest direkt, gaben sie ihre Aufwartung auf dem Dachfirst des Nestgebäudes.

Hier auf dem Dach habe ich
meine Ruhe!
Die Kleinen können schon
ganz schön nerven!

Dies allein mit der entspannteren Nahrungssituation erklären zu wollen, erscheint mir zu einfach. Mit großer Sicherheit erschienen an diesem Tag mehrmals fremde Störche über dem Storchendomizil. Einmal schien die Bedrohung so intensiv zu sein, dass der  wachhabende Storch nach intensivem Klappern und massiven Drohgebärden sich schützend mit ausgebreiteten Flügeln über die Jungen legte. Über die Webcam war allerdings der Fortgang der Aktion nicht zu verfolgen. Vor dem Auge der Kamera konnte man keinen Angreifer erkennen. Die häufigen An- und Abflüge in den frühen Nachmittagstunden lassen im Zusammenspiel mit den genannten Verhaltensauffälligkeiten auf eine Gefahr aus der Luft schließen.


Georg lässt sich reichlich unmotiviert ins Nest fallen!

Im Wissen um diese Bedrohung entschlossen sich die beiden Eltern schließlich zu einer längeren Nestpräsenz als erwartet. Die Fütterungen im 5-Sekunden-Takt ergeben bei der augenblicklichen Fressgeschwindigkeit unseres Jungenquartetts kaum noch Blicke auf mögliche Beutetiere. Die Gier nach Nahrung ist so groß, dass das mitgebrachte Futter schon vor Erreichen des Nestbodens von den Jungen geschnappt und hinuntergewürgt wird. So richten sich vier Schnäbel und vier Augenpaare wie gebannt auf den sich senkenden Schnabel von Georg und Pauline.


Kollektiver Brechreiz?!

Wenn diese mit dem Würgen beginnen, steigert sich die Konzentration unterstrichen von heftigen Flügelbewegungen und gezielte Stöße mit den Schnäbeln lassen die Nahrung ohne richtigen Stopp von einem Schnabel in den anderen gleiten. Trotzdem: Mit Glück gelingen trotzdem noch einzelne Nachweise über die Zusammensetzung der Nahrung. Alles, was mir unter die Augen kam, sah sehr stark nach Maus aus.


Die Maus gehört mir!

Da die Jungen nach wie vor wachsen und sich entwickeln, habe ich keine Angst, dass sie Hunger leiden müssen. Selbst für unser Nesthäkchen fällt immer etwas ab und lässt es mit den anderen Schritt halten. Auf nachfolgendem Schnappschuss erkennt man am linken Jungen (es ist die Nummer 4!) sehr schön die Entwicklung der schwarzen Schulterfedern, die im Verhältnis zur späteren Größe schon am weitesten gesprossen sind und die auch als erste schwarze Spitzen aus dem sonst schneeweißen Dunenkleid hervorlugten. Der nächste Flügelabschnitt des selben Jungen verkörpert den Arm, an dem insgesamt 22 schwarze Armschwingen einmal Platz finden müssen. Bisher sind davon nur kümmerliche Ansätze zu erkennen. Wenden wir uns nun dem Jungen rechts vorne zu (es könnte Nummer 1 sein!). Auf alle Fälle zeigt dieser Jungstorch in der Entwicklung seiner Armbefiederung deutliche Vorteile gegenüber Nummer 1. Waagrecht abstehend – einem spitzen Sporn gleichend – sehen wir die Hand,

die auf dem nächsten Schnappschuss noch deutlicher hervortritt. Bläulich schimmern hier die Blutkiele, aus denen heraus die 11 zukünftigen Handschwingen ihre Wachstumsphase mit Macht begonnen haben. Das Scharnier, das die Hand unter dem Arm „verschwinden“ lassen kann, heißt übrigens – dreimal dürfen Sie raten – Handgelenk.

Achten sie also weiterhin auf diese interessanten Details und sie kommen von unseren Bildern nicht mehr los. Auf dem dritten Schnappschuss lässt sich alles noch einmal kurz erklären: Die Schulterfedern stehen in die Luft (sie sprießen dort, wo der Flügel am Rumpf ansitzt), es folgt der lange Arm und schließlich die kürzere, bläulich schimmernde, helle Hand.

So senkt sich eine weitere Nacht über eine Storchenfamilie, die alles bisher mit Glanz und Gloria überstanden hat. 

20. Jun. 03

Hurra! Unser Webmaster ist wieder da! Nach seinem wohlverdienten Urlaub meldet sich Wolfgang Horlacher zurück und setzt als erste „Amtshandlung“ den ersten Nachtrag des „Ferientagebuches“ ins Netz. Das Wetter erleichterte ihm diese Arbeit, denn zu diesem Zeitpunkt ergossen sich kräftige Niederschläge über Dinkelsbühl und das Nest samt seiner „Besatzung“.


So ein Sauwetter und kein Regenschirm!

Was so schlecht begann, endete zum Nachmittag und Abend mit Sonnenschein und einem sehr kräftigen Wind und einer weiteren traurigen Nachricht aus Oettingen, einem Ort an der Wörnitz im Landkreis Donau-Ries. Dort hatte Ihr Tagebuchschreiber am 4. Juni die beiden Jungstörche (vier waren geschlüpft) beringt. Ein Anruf brachte die wenig schöne Botschaft, dass einer der beiden, heute etwa knapp 7 Wochen alten Jungen aus dem Nest gestürzt, über das Dach abgerutscht und im Schneefanggitter hängen geblieben sei. Von dort wurde er mit kompliziert gebrochenen Beinen geborgen, tierärztlich versorgt, aber wegen der Aussichtslosigkeit einer Heilungschance leider eingeschläfert. Was zu dem Absturz geführt hat, kann keiner sagen. Der heftige Wind könnte als Auslöser in Frage kommen, indem er den Flügel schlagenden Jungstorch erfasste und dieser sich nicht mehr auf den Nestboden zurückbewegen konnte. Ungewollter, frühzeitiger Abflug!? Dies passiert zwar normalerweise nicht, aber bei Störchen ist nicht, fast nichts unmöglich. Tatsache ist, dass ein Jungstorch weniger zum Ausfliegen kommt und es wird mit Sicherheit nicht der einzige bleiben.

Den ersten Wolkenbruch ohne elterliche „Bedeckung“ musste unser Quartett heute überstehen. Es schüttete teilweise wie aus Kübeln und weder Georg noch Pauline sahen sich in irgendeiner Weise zum Halten eines Regenschirmes befugt. Die Jungen managten die Lage ganz allein und das nicht schlecht. Mit dem Sprießen der Federn, die sie auch während des ersten Lebensjahres tragen, gewinnen sie täglich ein mehr an eigener „Sonnen- und Regentoleranz“. Trotzdem war es beeindruckend, wie sie sich dennoch gegenseitig zu schützen versuchten.


Wir können es auch ohne Mama und Papa!

Da deckten die größeren die kleineren Geschwister zu, so dass ein richtiges Knäuel entstand, bei dem man nicht mehr wusste und erkennen konnte, ob überhaupt mehr als zwei Junge im Nest liegen. Selbst bei diesem Hundewetter ließ es sich Pauline nicht nehmen, zur Essensausgabe zu erscheinen.

 Meine nassen Mäuschen! Ich habe Futter mitgebracht!

Statt wenigstens danach noch ein Weilchen zu bleiben und den einen oder anderen Trockenversuch zu unternehmen, verzog sie sich kurz auf den Dachfirst und verschwand schließlich endgültig im Regen.


Im Nest gibt es einfach zu wenig Platz!
Da bleib ich lieber auf dem Dach!

In den Stunden danach – die Sonne ließ sich sogar wieder sehen – wurden aus den pitschnassen Mäuschen wie von selbst strahlend weiße Storchenkinder.

Unsere vier Tenöre auf dem steinigen Weg zu trockenen Storchenkindern

Sie hatten es also geschafft und haben bewiesen, das sie Mama und Papa nun nur noch zur Essensausgabe benötigen. Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur „Storch-Werdung“ war gelungen.


Quartetto furioso

Seit heute Abend steht es fest: Die vier Tenöre werden in der nächsten Woche beringt. Am kommenden Dienstag, den 24. Juni 2003 um 18 Uhr, wird sich Ihr Tagebuchschreiber mit Hilfe der Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Dinkelsbühl dieser Aufgabe unterziehen. Sichern Sie sich zu dieser Zeit schon einmal einen Platz vor einem Computer mit Internetzugang, verschieben Sie alle weiteren Tätigkeiten an diesem Tag auf einen anderen Zeitpunkt. Die Aktion - es gibt ja einiges zu tun – wird etwa eine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Dabei wird Ihr Storchenexperte zusammen mit seinem Sohn Tobias als Assistenten neben der Beringung mit den neuen ELSA-Ringen der Vogelwarte Radolfzell noch eine ganze Reihe weiterer Messungen vornehmen, die im Rahmen eines deutsch-polnischen Forschungsprogramms vorgesehen sind. Für die Erhebung dieser Daten eignet sich das Dinkelsbühler Nest in vorzüglicher Weise, da das Alter der Jungen auf die Minute genau bekannt ist und dieses Wissen ist die Voraussetzung für die Qualität der Messungen. In den nächsten Tagebucheinträgen werde ich auf die Einzelheiten noch näher eingehen, um Sie auf den nächsten Dienstag gut vorzubereiten.

So nebenbei laufen an den anderen Nestern die Beringungen weiter. Heute konnte ich in Wassertrüdingen vier Junge beringen, ein sehr erfreuliches Ereignis! 

21. Jun. 03

Sommeranfang! Dem Tag angepasst zeigte sich auch das Wetter. Wie so oft in den vergangenen Wochen strahlte eine makellose Sonne vom Himmel, es blieb trocken und mit deutlich unter 25 Grad zur Abwechslung auch angenehm „kühl“. Wenn man den Wetterbericht der nächsten beiden Tage betrachtet, kann einem schon wieder Angst und Bange werden und dies vor allem wegen der angekündigten Gefahr vor schweren Unwettern.

Bald kommt Besuch
zu euch!
Wer steht, kann nächste
Woche beringt werden!
Nun sind es ja
gleich drei!

Heute setzte ich meine Beringungsreise durch Westmittelfranken fort. In Leutershausen am Oberlauf der Altmühl konnten zwei knapp 4 Wochen alte Junge gekennzeichnet und einige

wichtige Messdaten erhoben werden. Die Mutter der beiden Halberwachsenen verbrachte die beiden vergangenen Winter, ohne Schaden zu nehmen, in ihrer Brutheimat. Da es sich bei ihr um einen Abkömmling der Wiedereinbürgerungsversuche im Elsass handelt, ist diese Verhaltensweise nicht überraschend. Mit nun 19 Jahren gehört sie auf alle Fälle zu den ältesten Brutstörchen in Bayern. Ursprünglich waren auch in diesem Nest vier Junge geschlüpft. Zwei wurden vor Wochen bereits tot aus dem Nest geworfen.

Wenn unsere Dinkelsbühler Jungen am Dienstag von Ihrem Tagebuchschreiber am Nest besucht werden, werde ich nach dem Anbringen der schwarzen ELSA-Ringe die Jungen wiegen. Ich setze sie dabei für den Wiegevorgang in einen geflochtenen Korb, der den Körpermaßen der Störche angepasst ist und ermittle mit einer auf 5 Gramm genauen Digitalwaage die Gewichte. Machen das in Deutschland an ausgesuchten Horsten andere Beringer ebenso und in Polen in mehreren Vergleichsgebieten weitere Beringer in ähnlicher Weise, sollte es mit dem Material aus mehreren Jahren möglich sein, zu bestimmten Altersklassen (in Frage kommen hier Junge zwischen 20 und vielleicht 40 Tagen, weil in dieser Zeitspanne das Anbringen der Ringe erfolgt) exakte Gewichte zu ermitteln. Voraussetzung sollte aber in jedem Fall die genaue Kenntnis der Geburtstermine der Jungen sein. Liegen nun Daten aus deutschen Brutgebieten und aus polnischen Brutgebieten vor, können Vergleiche der Gewichte mit gleichaltrigen Jungen aus beiden Ländern möglicherweise eine bessere Konditionierung polnischer Störche ergeben. Auf alle Fälle lassen sich durch solche Gewichtsvergleiche Aussagen über die Nahrungssituation im Lebensraum einzelner Teilpopulationen unserer Störche geben. In die gleiche Richtung zielen andere Messdaten, die ich am Dienstag an unserem Quartett vornehmen werde. Alle haben zum Ziel, in dem angesprochenen deutsch-polnischen Projekt Parameter zu ermitteln, die die Konditionierung der Jungen in Abhängigkeit zu ihrem Lebensraum sichtbar werden lassen. Mit Hilfe dieser Daten ließe sich danach ein Ideallebensraum ermitteln (hier sind die Jungen in einem Alter von 32 Tagen zum Beispiel signifikant schwerer als in allen anderen Bereichen der Untersuchungsgebiete), nach dem dann Biotopmanagement-Maßnahmen in schlechteren Lebensräumen eingeleitet werden könnten. Solche weiteren Messreihen beziehen sich zum Beispiel auf die Ermittlung der Flügellänge. Gerade hier sind durch Nahrungsmangel begründete Verzögerungen im Wachstum der Handschwingen ein wichtiges Kriterium für die Qualität des Lebensraumes. So hatte im vergangenen Jahr ein Mosbacher Jungstorch in dieser Beziehung enorme Rückstände, die ihn sogar am „normalen“ Abzug im September hinderten und ihn zu einem Winterstorch werden ließen. Schließlich werde ich auch noch die Schnabellänge vom distalen Ende des Nasenloches bis zur Schnabelspitze messen. Vielleicht lassen sich nach Abschluss der Forschungen in diesem Punkt geschlechtsspezifische Unterschiede ermitteln, die eine Unterscheidung in Männchen oder Weibchen schon im Nestlingsalter möglich machen. Es fällt nämlich bei manchen Jungen schon beim bloßen Augenschein auf, dass sie kürzere Schnäbel haben als gleichschwere oder gleichaltrige Junge.

Es wurde im Gästebuch die Frage gestellt, wie lange die Jungen im Nest bleiben? Wahrscheinlich dachte der Fragesteller an das Alter, zu dem der erste Ausflug vom Nest stattfindet. War es mit der Brutdauer noch relativ einfach - auch wenn uns unsere Viererbande hier doch einige Male überrascht hat - ein enges zeitliches Fenster von 31-34 Tagen auszuloben, ist dies bei der Nestlingsdauer wesentlich schwieriger. So um die 60 Tage dauert es in den meisten Fällen, bis das erste Junge das Nest für Sekunden oder auch Minuten verlässt. Dies geschieht nie bei allen Jungen gleichzeitig, sondern bei – wie in unserem Fall – vier Jungen zieht sich der gesamte Prozess über viele Tage hin. Die Nestlingzeit ist weiterhin vom Nahrungsangebot, von der Anzahl der Jungen sowie von vielen anderen Faktoren abhängig, so dass die Spanne bis zum Ausfliegen bei einzelnen Jungen auch gut und gerne 75 Tage dauern kann. So können Sie sich ein wenig orientieren und schon vorab ein wenig in die Zukunft blicken, bis wann solche Ausflüge zu erwarten sind. Wenn wir den günstigsten Fall von etwa zwei Monaten annehmen, käme es in der letzten Juliwoche zu diesem Großereignis. Richten Sie also Ihr Augenmerk vom 21. bis 27. Juli besonders auf das erste Abfliegen eines Jungen vom Nest. Aber nicht vergessen! Die Bandbreite, wann damit zu rechnen ist, erstreckt sich in diesem Fall über Wochen.

Eine weitere Frage sei noch kurz einer Klärung zugeführt: Haben Störche Geschmacksnerven?  Das Geschmacksorgan ist bei Vögeln nur schwach entwickelt. Geschmacksknospen befinden sich vor allem in Schleimhäuten auf dem weichen Gaumen und auf den hinteren Teilen der Zunge. Im Vergleich zu Säugern haben Vögel nur relativ wenige dieser Sinnesorgane (Geschmacksknospen). Während der Mensch bis zu 9000, Ratten bis zu 17000, Knorpelfische bis zu 100000 vorweisen können, sind es bei daraufhin untersuchten Vögeln 24 (Blaumeise) bis 400 (Sittiche), also viel, viel weniger. Die letzten Zahlen zeigen auch, dass ein sehr unterschiedliches Schmeckvermögen vorliegt, so dass generelle Aussagen nicht möglich sind. Von größerer Bedeutung als der Geschmackseindruck dürfte bei der Nahrungswahl und der Nahrungskontrolle von Pauline und Georg die Information über Härte, Oberflächenbeschaffenheit und Form der Nahrung sein. Diese Informationen werden von den Tastkörperchen an den Schnabelrändern geliefert. So spielen sicher taktile Reize und damit ein Erfühlen der Beute die entscheidende Rolle bei der Wahl eines Beutetieres. So zog ein junger Storch, den ich einmal einige Tage in Pflege hatte, von den zur Wahl stehenden Nahrungstieren Fische eindeutig vor. An zweiter Stelle folgten Labormäuse und erst dann nahm er auch Eintagsküken. Alles andere – Schnecken zum Beispiel – fraß er überhaupt nicht. Schon allein am Jagdverhalten erkennt man, worauf ein Storch spitz ist. Ist er auf Mäuse aus, spielt es keine Rolle, wie diese schmecken. Da er ja sämtliche Beute eh unzerkaut und unzerkleinert verschluckt, spielt der Geschmack so und so keine Rolle. Hauptsache er fängt in einer bestimmten Zeitspanne genug Beute, um sich und andere satt zu bekommen. Als reiner Opportunist sind es dann solche Tiere, die im Augenblick besonders häufig im Lebensraum vorkommen, die besonders leicht zu erjagen sind oder auf die sich der betreffende Storch spezialisiert hat. So gibt es unter den Störche ausgesprochene Mäusejäger, Fischfresser oder Amphibienfreunde. Fazit: Der Geschmack spielt keine Rolle, nur die Effektivität zählt. Hauptsache satt, ganz egal, wie es schmeckt! Doch sehr vernünftig!

Es gab aber auch noch Pauline, Georg und Familie an diesem Tag. Dass sich unser Nesthäkchen immer bessere Chancen erarbeitet, als Nummer 4 auch das Nest lebend zu verlassen, kann mit Freude vermeldet werden. Dafür kann es nun selbst nichts, aber Vater und Mutter in Gestalt Georgs und Paulines zeigen, wie wichtig ein funktionierendes Brutpaar ist. Dass jede Fütterung mittlerweile ein aggressives Drängeln um die beste Ausgangsposition an der Futterquelle, sprich Schnabel, darstellt, kann nicht mehr übersehen werden.


Drängeln erlaubt!

Aus den kurz vorher so unschuldig dreinblickenden Jungen werden bei Erscheinen eines Elterntieres und kurz vor dem Auswürgen der Beute wahre Furien.


Auf los geht’s los!

Nun wird gedrängelt und mächtig gequietscht und miaut, bis Papa oder Mama die Beute preisgibt.


Leben in der Bude! Es geht hoch her!

Hat einer der Jungen einen großen Brocken ergattert, dreht er sich schon einmal für Augenblicke zur Seite, um nicht Gefahr zu laufen, zum Beispiel die im Schnabel befindliche Maus an eines seiner Geschwisterchen zu verlieren, denn Mund- oder besser Schnabelraub ist bei jungen Störchen an der Tagesordnung.


Der Brocken gehört mir!, sagt das Junge ganz rechts.

Hier gilt also die Devise: Alles, was man ergattert hat, schnell hinunter schlucken, sonst läuft man Gefahr, dass man bestohlen wird. Die Phasen, in denen man einen Altstorch längere Zeit am Nest beobachten konnte, kamen wieder häufiger vor. Ich sehe es als Zeichen, dass man mit der Nahrungsbeschaffung ganz gut klar kommt.

22. Jun. 03

Am frühen Nachmittag begrüße ich mein Feuchtwanger Storchenpaar auf dem Kamin des alten Rathauses meiner Heimatstadt. Es sind wieder einige Tage vergangen seit meiner letzten Sichtung. Aber mit Beginn der Schule nach den Pfingstferien am morgigen Montag wird es von meiner Arbeitsstelle wieder leichter möglich sein, einen Blick zum Nest zu werfen.

In Dinkelsbühl genießt die Viererbande die warme Sonne, die die Temperaturen am Nachmittag doch nahe an die 30 Grad drückt.

 Durch diese hohle
Gasse
muss er kommen!
In
Zweierreihe
marsch!
Vierstimmiges Quartett,
der Dirigent muss
natürlich stehen!

Ab und zu leisten es sich die Eltern nach den Fütterungen, für wenige Minuten Schatten zu spenden und den Jungen dadurch etwas Kühlung zu verschaffen. Die Rangelei bei der Essensausgabe hat an Intensität in nichts nachgelassen.


Bei den langen roten Beinen
müsste es mal wieder Papa sein!

Auf alle Fälle gibt es weiter kalorienreiche Kost, denn alle würgten nur große Brocken hinunter und mussten sich nicht mit vielen kleineren Beutestücken herumschlagen. Mehrmals konnte man als Bestätigung dafür Junge mit Mäusen im Schnabel ertappen.

Futter im Anmarsch und wieder gibt es für die Runde Mäuse!

Möglicherweise besteht die gesamte Nahrung im Augenblick aus diesen Nagern, denen die Trockenheit natürlich sehr zu Gute kommt. Georg wurde abermals beim Transport eines – zugegeben sehr kleinen – Plastikteiles erwischt und für die Nachwelt auf Bild festgehalten.


Erwischt!

Heute begeht unser Zwillingspärchen den nächsten Geburtstag. Beide werden vier Wochen alt. Ihre Geschwister erreichen dieses Alter morgen bzw. am Beringungstag. Dies bedeutet im Moment auch etwa Halbzeit des Nestlingsdaseins, jedoch schon weit mehr als Halbzeit, was die Gewichtszunahme betrifft. Im Augenblick und ich gehe einmal vom nächsten Dienstag aus, haben die Zwillinge ein Gewicht zwischen fünf und sechs Pfund erreicht, die beiden kleineren liegen leicht unter dieser Marke. In vier Wochen – zum Zeitpunkt des Ausfliegens -ist das Gesamtgewicht nur wenig höher und liegt knapp über sechs Pfund. Das bedeutet, dass die zweite Halbzeit des Heranwachsens in das Längenwachstum aller Körperteile gelegt wird, das Gewicht also nur verlagert wird. So werden viele Kalorien beim Wachstum des Großgefieders verbraten, ebenso verändert sich die Proportion des Körpers, ohne dass dieser deshalb schwerer wird. Die Beinlänge legt deutlich zu, aber am markantesten ist und bleibt das Wachsen der Schwingen und diese suggerieren dann einen größeren Vogel, der er in Wirklichkeit gar nicht ist.

23. Jun. 03

Ein kleiner Nachtrag soll den gestrigen Tag noch abrunden. Die letzte Fütterung und gleichzeitig auch das erste Zusammentreffen von Georg und Pauline gemeinsam am Nest seit Tagen ereignete sich um 22:25 Uhr. Danach blieb ein Storch (wahrscheinlich Pauline) im Nest, der andere (Georg) verzog sich ziemlich sicher auf den Kamin neben die Webcam.


Grüß dich, Pauline! Lange nicht mehr gesehen!


Dramatische Ereignisse begleiteten den heutigen Tag.


Noch herrscht Ruhe! Niemand ahnt Böses!
Georg ruht auf dem Dachfirst.

Um die Mittagszeit ereignete sich schier Unglaubliches. Nach den Mitteilungen, die mich erreichten, versuche ich das Geschehen kurz zu rekapitulieren bzw. zu rekonstruieren. Mitten in die mittägliche Stille – es war genau 11:56 Uhr – platzte eine Bombe. Als ein Storch bei den alleine im Nest befindlichen Jungen auftauchte, dachten alle, Pauline oder Georg seien erschienen und würden nun Futter auswürgen, so wie es in den letzten Wochen guter Brauch und die Regel war. Doch nichts dergleichen geschah! Der Atem schien allen zu stocken, als dieser Storch urplötzlich auf die Jungen einhackte.


Bitte aufhören!
Wir haben dir doch nichts getan!!

Auf einen der Jungen hatte es der Adebar besonders abgesehen. Wie zum Schutz - diesen Eindruck konnte man zumindest gewinnen – breitete dieser besonders attackierte Jungstorch seine Flügel über den anderen Geschwistern aus. Manche bangten schon um das Leben des tapferen Streiters. Allzu heftig waren die Stöße, die da ausgeteilt wurden und die Federn stieben ließen. Das Quartett reagierte jedoch von Anfang an in der einzig richtigen Weise! Es machte sich ganz flach, rührte sich kein bisschen und gab dem Angreifer zu verstehen, dass man vielleicht schon tot sei und er deshalb von ihnen ablassen solle.


So wie es uns zwei Junge im Vordergrund zeigen,
sieht die echte Akinese aus.

Doch warum sollten Georg oder Pauline in dieser unverständlichen Weise handeln? Der Brutpflegetrieb kann doch nicht plötzlich in dieser Weise umschlagen? Warum sollten solche Aggressionen aufkochen, für die es keine biologische Notwendigkeit mehr gibt? Ein mir eingeschickter Schnappschuss brachte dann die Wende. Kein zweiter zeigte nämlich die beschriebene Situation. Man sieht deutlich einen anderen Storch. Schon vom gesamten Habitus fällt dabei sofort seine hochgewachsene und unheimlich schlanke Gestalt auf. Man spürt regelrecht, wie sich dieser Storch heimlich eingeschlichen hat, er wirkt nervös wie auf der Flucht, man glaubt fast, dass er sich der Boshaftigkeit seines Tuns voll bewusst ist. Nun denke ich selbst schon in menschlichen Kategorien, wo diese Denkart den Geschehnissen in keiner Weise gerecht wird und bei unserer Betrachtung auch völlig unangepasst ist. Kein böser Storch war hier am Werk, sondern einer, der vielleicht Brut oder Gelege an anderer Stelle verloren hat, überhaupt keinen Brutversuch unternommen hat und für eine Brut noch gar nicht reif ist. Diese Störche fliegen durchaus in bester Absicht ein vorhandenes Nest an, um es für sich zu erobern. Da spielt es keine Rolle, ob dieses Nest Eier oder Junge enthält. Gelingt es, im auserwählten Nest Fuß zu fassen, wird versucht, den Inhalt auszuräumen. Bei kleinen Jungen oder einem Gelege gelingt dies in der Regel in wenigen Augenblicken. Bei unserem Quartett kam der Angreifer schon wegen des enormen Gewichtes der Jungen nicht so zum Zuge. Aber Verletzungenauch tödliche – können solche Schnabelhiebe durchaus nach sich ziehen. Solche Störer tauchen immer wieder auf, zu Beginn der Brutzeit häufiger als im jetzigen Stadium, doch zu verhindern sind solche Angriffe nie. Wer anderes behauptet oder nach Vorschlägen sucht, solche Attacken auszuschließen, ist wohl endgültig in die Reihe der Fantasten und Quertreiber zu stellen. Da hilft dann nur eine Rundum-Bewachung aller 170.000 Storchennester weltweit mit einem stets griffbereiten und geladenen Gewehr, 170.000 sichere Schützen, die ihre Arbeit meist in dicht bebauten Wohngebieten zu erledigen hätten. Die Verluste unter der Wohnbevölkerung wären ungleich höher zu veranschlagen als die Rettung einzelner Jungstörche, wenn überhaupt einer gerettet werden könnte. Also bitte Hände weg von solchen hoffentlich nicht Ernst gemeinten Vorschlägen. Wenden wir uns nach diesem Exkurs wieder dem Schnappschuss unseres Herrn Heitmann zu. Wer diesen (den Schnappschuss) genauer mustert und der Einsender hat dies in seiner Mail auch schon beschrieben, war der Störenfried rechts über den Zehen beringt und damit auch der Beweis für die Unschuld Paulines und Georgs erbracht (die beiden tragen nun wirklich keinen Ring und sie wurden auch in der Zwischenzeit nicht markiert!) Die Art des Ringes (flach mit Verschluss) lässt mich in Richtung eines Zoo-Storches tippen, doch reichen die Beweise dafür bei weitem nicht aus. Der Fremdstorch bearbeitete die Jungen etwa fünf Minuten lang und stand danach noch eine kurze Zeit untätig am Nestrand. Ob er danach selbst abflog oder von einem Altstorch unseres Paares in die Flucht geschlagen wurde, ist bisher nicht bekannt. Über die Folgen der Attacken lässt sich abschließend natürlich auch noch kein Bild fertigen. Fest steht nur, dass die Schnabelhiebe bei mindestens einem Jungen zu blutenden Wunden im Rückenbereich und seitlich am Kopf geführt haben.

Junges rechts mit deutlich
sichtbarer kreisrunder
Wunde am Rücken
Blutfleck im
Rückengefieder des
vorderen Jungen
Und noch einmal
Spuren der
Attacken!

Die Blutungen müssen aber schnell wieder zum Stillstand gekommen sein, denn die Braunfärbung der betroffenen Federpartien lassen angetrocknetes Blut vermuten. Da nach einer knappen halben Stunde auch das ramponierte Junge wieder munter war und wohl in dieser Zeit unter Schock stand, ist davon auszugehen, dass keiner der Jungstörche eine lebensbedrohliche Verletzung aufzuweisen hat. Alle vier haben mehrmals bei Fütterungen im Anschluss an die unangenehme Begegnung mit dem fremden Storch tüchtig zugeschlagen, sich völlig normal verhalten, sie standen alle vier einträchtig im Nest, sie lagen alle vier in der Storchenwohnung und sie schlugen alle fleißig mit den Flügeln.


Alles läuft wieder normal!
Keine Anzeichen einer schweren Verletzung erkennbar!

Ein Eingreifen am Nest verbot sich da von selbst, zumal morgen eh ein Besuch vorgesehen ist und bei dieser Gelegenheit selbstverständlich auch auf die möglichen Verletzungen geachtet wird. Also drücken Sie auch in diesem Fall ein wenig die Daumen, dass ich mit meiner Einschätzung recht behalte und die Viererbande ihr Abenteuer gesund überstanden hat. Leider konnten die meisten von uns – mich eingeschlossen – lediglich die Situation nach den Angriffen beobachten und Schnappschüsse davon erzielen. Dass zu der Zeit immer noch dicke Luft über dem Nest herrschte, beweisen die Bilder zur Genüge und dies noch weit über eine Stunde nach dem Mordversuch. Da wurde gedroht, geklappert und sich groß gemacht – ein sicheres Indiz dafür, dass ein oder mehrere Fremde immer noch im Luftraum über Dinkelsbühl weilten.

Weiter Luftalarm über Dinkelsbühl! Jetzt sind aber
die Altvögel zur Stelle und kein Angreifer hat eine Chance.

Doch eben die wenigen Minuten der Nicht-Aufmerksamkeit genügten dem Fremden um die Mittagszeit, seine Attacke zu vollführen. Anschließend hatte man den Eindruck, dass Pauline extra lang bei den Jungen stand und sie erst abflog, als feststand, dass Georg die Gefahrenquelle aus der näheren Umgebung des Nestes verjagt hatte. Übrigens: Das am meisten verletzte Junge war nicht das Nesthäkchen, sondern eines des Zwillingspärchens.


Ein versöhnliches Bild am Abend.
Die Viererbande steht komplett im Nest!

Am Abend um 21:56 Uhr kam wieder beide Altstörche im Nest bei der letzten Fütterung zusammen. Für kurze Augenblicke gab es dann eine Sechsergruppe zu bestaunen, ehe das Elternpaar sich trennte und einer – sicher Georg – auf den Dachfirst rückte, also in unmittelbarer Nestnähe seine Schlafposition bezog.


Gut, dass der aufregende Tag endlich vorbei ist!

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Inzwischen sind weitere Spenden eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum Erhalt der Webcam und zur Sicherung des Lebensraumes unserer Störche.

Thomas Ziegler

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