Storchenkamera
 
Storchentagebuch 2005
...was bisher geschah

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Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!
1905-2005 Rotary internat. 100 Jahre

Teil 3

10. Apr. 05

Es bleibt spannend. Unser Weibchen lässt sich viel Zeit mit der Eiablage, aber dennoch muss noch keiner an der Fruchtbarkeit der „Neuen“ zweifeln. Gerade in der Frage, wie viel Zeit von der Ankunft des zweiten Storches bis zum ersten Ei vergeht, ist die Variationsbreite riesig und sie reicht von unter einer Woche bis zu mehreren Wochen. Nun sind es gerade mal 13 Tage und es wird schon demnächst klappen. Zumindest an unserem Nest ging es in den letzten Jahren etwas zügiger. Aber wir werden es bestimmt noch erleben. Nach wie vor fällt mir eines auf: Das Weibchen verbringt weit weniger Zeit am Nest als sein Gemahl. Manchmal hat man sogar den Eindruck, die Dame des Hauses meidet das Nest. Hat sie sich doch einmal für eine mehr oder weniger lange Zeitspanne entschieden zu bleiben, nutzt er den Freiraum zuerst für den weiteren Ausbau der Behausung. Ich denke, dass sie sich intensiv auf die anstrengende Zeit der Eiablage vorbereitet und da bedarf es schon einiger Energiereserven und damit ein deutliches Mehr an Zeit zur Futtersuche. Hat „Er“ gerade Innendienst und landet „Sie“ am Nest, dauert es keine fünf Sekunden, bis es zur Kopulation kommt. Man muss eben die Gunst der Stunde nutzen, wenn man etwas erreichen will.


Storchentanz am Morgen

Nein! So geht das nicht!
 
11. Apr.05

Nun sind genau zwei Wochen um, seit die Braut Einzug im Nest hielt. Ein Ei lag bis zum Einbruch der Dämmerung noch nicht im Nest und das kann man ohne weiteres über die Kamera sehen, ohne auf den Turm des benachbarten Münsters Sankt Georg zu steigen.


Eierloser Zustand

Dass häufig beide Partner abwechselnd im Nest liegen – und das auch schon sehr ausdauernd – hängt zweifellos mit der sich anbahnenden Umstellung der bisherigen Lebensabläufe auf einen ganz neuen und zumindest für das Weibchen mit großer Sicherheit erstmaligen Lebensabschnitt zusammen, nämlich der Brut. Wenn das erste Ei im Nest liegt, sollten es die Eltern auf keinen Fall über längere Zeit unbeaufsichtigt lassen. Es geschieht in diesem Stadium der Brut schon gelegentlich , dass sich beide Partner trotzdem gleichzeitig vom Nest entfernen, sie sollten das aber nur für ganz kurze Zeit tun. Hat die Brut einmal begonnen – gebrütet wird so ab dem zweiten Ei intensiv – sollte es rund um die Uhr garantiert sein, dass immer ein Storch am Nest ist. Verlassen die Eltern in dieser Phase dennoch das Nest, muss etwas Gravierendes vorgefallen sein und es besteht höchste Gefahr für das Gelege. Auch die Art und Weise, wie sich die Eltern zum Brüten in der Nestmulde niederlassen, lässt mit ein wenig Übung erkennen, ob Eier im Nest sind oder nicht. Man muss diese gar nicht selbst sehen und auch von der Straße aus lässt sich dies erkennen.

Sind keine Eier im Nest, lassen sich die Störche ziemlich schnell ins Nest plumpsen. Sie tun dies nicht sehr vorsichtig und wenn man einmal liegt, dann hat man auch wenig Veranlassung seine Position unablässig zu verändern. Befinden sich aber Eier in der Nestmulde, geschieht dieses Niederlassen ungemein vorsichtig. Häufig wird die Abwärtsbewegung auf halber Strecke noch einmal gestoppt und noch eine Runde mit gesenktem Kopf und weit auseinander gestellten Beinen gedreht. Liegt man endlich, werden beide Flügel mehrmals rechts und links abwechselnd eng an den Körper gepresst und danach wieder leicht gelockert. Man hat den Eindruck, als wolle der brütende Vogel die Eier unter sich in die richtige Position rollen. Mehrmals in der Stunde erhebt sich der Diensthabende, schaut aber nicht in der Gegend herum oder betreibt Gefiederpflege, sondern blickt während dieser Zeit unablässig in die Nestmulde. Zugleich stochert er in dieser pausenlos herum, wirft ab und zu mit dem Schnabel Gras aus dem Nest und verharrt dabei nicht an einem Ort. Er verändert seine Position, trippelt mit gesenktem Kopf ein wenig nach links und ein wenig nach rechts und lässt sich erst wieder nach vielen Sekunden, so wie oben beschrieben, auf den Eiern nieder.

Heute hat unser Webmaster eine neue Umfrage gestartet, an der teilzunehmen ich Sie herzlichst bitten darf. Damit sie es ein wenig leichter mit Ihrer Entscheidung haben, möchte ich Ihnen einige Angaben aus wissenschaftlichen Erhebungen zur Gelegegröße bekannt machen. Ich beziehe mich dabei auf Volume 2, Number 2, August 1998, der Zeitschrift BWP Update, dem Journal of Birds of the Western Palaearctic. Dort sind auf S.92 wichtige, vor allem auch neuere Erhebungen zur Gelegegröße von Weißstörchen angeführt. Demnach schwankt die Gelegegröße von 1 bis 7 Eiern. In Estland betrug die durchschnittliche Gelegegröße (n = 46) 3,91 Eier, in Mecklenburg und der Altmark (n = 199) 3,94, in Schleswig-Holstein (n = 102) 4,34, in der Schweiz ( n = 85) 5,02. Im Falle der Schweiz, schreibt der Verfasser Holger Schulz, müssen die Zahlen unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass sie unter „semi-wild conditions“ zustande kamen. Ferner kommt in der Arbeit zum Ausdruck, dass Gelege, die zu einem frühen Termin während der allgemeinen Brutzeit der Art gezeitigt wurden ( Ende März bis Mitte April), im Durchschnitt größer sind als solche, die zu einem späteren Termin vorliegen (Mitte April bis Mitte Mai). Ebenso spielt das Alter der an der Brut beteiligten Tiere eine wichtige Rolle. Nach den Daten des Schweizer Storchenvaters Max Bloesch ergeben sich an Hand des bekannten Alters von 85 Männchen und 85 Weibchen folgende Zahlen. Vierjährige Störche hatten im Mittel 3,7 Eier pro Gelege, bei fünfjährigen betrug diese Zahl schon 4,1, bei sechs Jahre alten Störchen 4,9 Eier, bei 7-9 Jahre alten 5,0, bei 10 bis 12-jährigen 5,2, bei 13-15-jährigen 5,4 und schließlich bei 16-21-jährigen 5,6 Eier pro Gelege. Sie sehen also, von wie vielen Faktoren die Gelegegröße abhängig ist und dass alles seine biologische Bedeutung besitzt. Nun sind Sie schon fast ein „Gelegeexperte“ und können sicher die Umfrage nach bestem Wissen und Gewissen beantworten. Ich denke, mit 4 Eiern liegen wir wohl nicht schlecht (rein statistisch gesehen). Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass zum Beispiel die Mosbacher Störchin bereits als zweijähriges Weibchen 6 Eier legte und mindestens in den zwei Folgejahren ebenfalls 6. Lassen wir uns einfach überraschen.

Seit heute Nachmittag läuft für alle Besucher der Stadt und für alle, die über keinen Internetanschluss verfügen, die Funkübertragung aus dem Storchennest zu einem Fernsehgerät im Schaufenster der Adler-Apotheke. Wenn Sie sich einmal – so wie Katharina und Elisabeth und Helga und Peter und Ulrich und.....- zu einem Besuch in der wunderschönen Stadt Dinkelsbühl aufraffen können, müssten Sie also auch dort nicht auf Live-Bilder verzichten. In der genannten Apotheke oder aber auch im Schaufenster von Helmut Wilflings Modegeschäft können Sie dann ebenfalls ihre Lieblinge aus nächster Nähe bewundern. Im Stundenplan unseres Paares gab es heute keine Veränderungen. Er war länger am Nest als „Sie“. Wenn er sie einmal zu Gesicht bekam, tat er sofort seine Pflicht und sorgte dafür, dass mögliche Eier nicht unbefruchtet bleiben. Er tat wieder etwas für den Ausbau des Nestes, nur kurz ließ das Paar die kommende Kinderstube unbeaufsichtigt, was einige Dohlen sofort zum Raub von Nistmaterial nutzten.


Weiter fleißig beim Nestbau!

 
12. Apr. 05

Was lange währt, wird endlich gut! Am 15. Tag nach der Paarbildung war es so weit! Frühaufsteher entdeckten als erste das Ei mit Nummer 1 im Nest. Thomas Joas, Ortsvorsitzender der Ortsgruppe Dinkelsbühl im Bund Naturschutz gehörte sicher zu den ersten, die sich von diesem Ereignis persönlich ein Bild machen und einen gelungenen Schnappschuss beilegen konnten.


Kein Zweifel! Das 1.Ei!

Weitere Augenzeugen – Ihr Tagebuchschreiber eingeschlossen – folgten in den nächsten Minuten und Stunden. Sehr schön war zu erleben, wie sich die Einträge im Gästebuch häuften und nach und nach viele Bekannte und Noch-Unbekannte dort ihre Visitenkarte abgaben. Nach vielen Monaten der Abstinenz oder Enthaltsamkeit erlebte unser altes Mitteilungsorgan „Gästebuch“ eine wahre Renaissance, über die ich mich besonders freute und deren weitere Blüte ich gerne noch ein Weilchen genießen würde. Also nur Mut und fleißig schreiben! Es gibt keine Kritik, wenn nicht jeder Beitrag gestochen formuliert ist oder nur wenig zur Aufklärung bestimmter wissenschaftlicher Sachverhalte beiträgt. Selbst Andersdenkende sind in unserem Gästebuch jederzeit willkommen und werden nicht mit „Idiot“ oder vergleichbaren Titulierungen abgekanzelt. Es gab vorher – und dies wird im Gästebuch vermutet – mit Sicherheit kein weiteres Ei. Das heutige ist und bleibt das erste seiner Art in diesem Jahr in diesem Nest. Man braucht zugegebener Maßen schon etwas Geduld, bis man einen eher kurzen Blick auf das Prachtstück werfen kann. Große Mengen lockerer „Nestbegrünung“ verdecken die meiste Zeit den „Erstling“. Sicher ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass erneut der Storchenmann die Hauptzeit am Nest verbringt und das Ei auch die meiste Zeit bereits bebrütet.


Papa Storch mit dem Prachtstück!

Sie – und da wiederhole ich mich gerne – hat abermals meist Ausgang und darf sich den Bauch voll schlagen. Sie wird ja noch einige Male „eimäßig“ in Aktion treten müssen (siehe Umfrage!). Wer meine gestrigen Ausführungen gelesen hat, wird sicher die genannten Verhaltensweisen auch am aktuellen Geschehen bestätigt sehen. Vergessen habe ich natürlich gestern, dass sich beide Partner beim Brüten in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen ablösen und die Geschlechter sich hierbei zu gleichen Teilen beteiligen. So ein bis zwei Stunden dauert eine Schicht am Nest schon. Längere „Arbeitszeiten“ sind aber auch keine große Seltenheit. Hat man also frei, kann man sich die nächsten ein bis zwei Stunden zur freien Verfügung halten. Ab und zu leistet man dann seinem Partner etwas Gesellschaft am Nest und treibt Gefiederpflege, die längste Zeit verbringt man jedoch in seinem Nahrungsgebiet, das im Laufe des Jahres häufig wechselt und nicht mit dem des Partners übereinstimmen muss.


Der Nestausbau geht weiter

Kaum war das erste Ei im Nest, gab es auch schon die erste Horrormeldung auf dem Handy Ihres Tagebuchschreibers. Dass ich während der Schulzeit und während des Unterrichts Anrufe erhalte, ist schon höchst ungewöhnlich und erfolgt in der Regel nur, wenn echte Notfälle auftreten. Ein solcher schien sich ereignet zu haben. Beim Ortsvorsitzenden des Bund Naturschutz in Dinkelsbühl war eine Meldung der Polizeistation Dinkelsbühl eingegangen. Am Stauferwall, einer viel befahrenen Verbindungsstraße von der Altstadt und allen anderen Richtungen ins Industriegebiet, laufe ein flugunfähiger Storch. Nachdem Adebar durch die Beamten aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich „Straße“ entfernt worden war, sahen sie ihre Aufgabe damit als beendet an. Nun meldete man den Vorfall der nächsten, verantwortlichen Instanz, dem Bund Naturschutz. Nun ist es bei normalen berufstätigen Bürgern nicht so ganz leicht von einer Minute auf die andere als Retter in der Not zu fungieren. Trotzdem gelang es nach mehreren Telefonaten Alban Baumhartner, den rasenden Reporter der Fränkischen Landeszeitung, an den Ort des Geschehens zu beordern. Doch ehe das hilfsbereite Redaktions-Urgestein in Erinnerung an Egon Kisch am Ort des Geschehens eintraf, erging über unseren Webmaster Wolfgang Horlacher Entwarnung. Seine Nachricht, der zweite Storch sei soeben wieder im Nest gelandet, löste in mir die aufgekommen Spannung und Sorge. Im Inneren hatte ich mir schon eine ganze Reihe von Szenarien zurecht gelegt, die das offensichtliche Problem lösen sollten. Da war schon von Entnahme des Eies und der Hoffnung auf ein Erscheinen eines neuen Partners die Rede, ebenso bestand die Möglichkeit noch abzuwarten und vielleicht am nächsten Tag einzugreifen. Voraussetzung für solche Maßnahmen wäre aber einzig und allein der Tod oder eine schwere Verletzung des gestrandeten Storches gewesen. Dies lag aber nun Gott sei Dank nicht mehr vor.

Der im Nest eingetroffene Storch und offensichtlich der, der die ganze Dramatik verursacht hatte, war das Männchen des Paares. Er wirkte, so die Beobachter an den Computermonitoren, etwas zerzaust.

Wie nun unser Storchenmann in diese prekäre Lage gekommen war, ist nicht mehr zu ermitteln. Augenzeugen des Vorganges sind nicht bekannt. Ob es zu einer Kollision mit einem Fahrzeug kam oder ob das Männchen freiwillig an der „Unfallstelle“ landete, um Nistmaterial aufzunehmen und unsere Polizisten in Sorge, der Storchenmann könne überfahren werden, ihn vorsichtig zur Seite geleiteten, bleibt ungewiss. Vielleicht kam es im Tiefflug zu einem riskanten Ausweichmanöver, bei dem Meister Adebar die Kontrolle verlor und eine Notlandung vollführte. Ein kurzer Schockzustand könnte dann die nachfolgende Rettungsaktion eingeleitet haben. Fest stand allerdings nach einer Nestinspektion über das Internet, dass der Bruchpilot zumindest keine äußeren Verletzungen davongetragen hatte, er flugfähig war und am Nest sofort ein vollkommen normales Verhalten zeigte. Das bedeutete, dass er mit seiner Partnerin den Platz tauschte, sich auf das vorhandene Ei legte und absolut nichts mehr an einen möglichen Unfall erinnerte. Geben wir uns damit zufrieden, dass die Geschichte für das junge Glück noch einmal glimpflich abging. Das kleine Vorkommnis zeigt aber deutlich, dass nicht nur Freileitungen den Tod von Brutstörchen verursachen können, sondern in immer stärkerem Maße auch der Straßenverkehr. Gerade der immense Ausbau von Umgehungsstraßen, der an Storchenorten gerade die besten Nahrungsgebiete der Störche tangiert oder durchschneidet, birgt für dort landende oder wieder startende Großvögel nicht selten eine tödliche Gefahr. Die hohe Geschwindigkeit, die auf solchen Trassen erreicht wird, machen das richtige Einschätzen der Entfernung des Fahrzeuges schwierig. Vor allem die Lastkraftwagen verursachen die meisten tödlichen Unfälle, in die Störche verwickelt sind. Die Höhe solcher Fahrzeuge wird oft von Störchen unterschätzt. Wenn Adebar die Straße niedrig überquert, kann er einem PKW durch eine schnelle Reaktion noch entkommen, bei einem LKW mit 3 Metern Höhe fehlen oft die entscheidenden Zentimeter. Machen Sie sich also um unser Männchen keine Sorgen mehr. Ihm geht es soweit gut, dass er seine Pflichten weiter erfüllen kann. Ob er nun wirklich einen Unfall hatte oder nicht, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Fest steht nur, dass ein Storch in wenigen hundert Metern Entfernung zum Nest auf der Straße laufend vorgefunden wurde.

Nachdem das erste Ei gelegt ist, darf man natürlich mit weiteren Eiern rechnen. Sicher ist das aber nicht. Die durchschnittliche Eizahl in einem Gelege beträgt so um die 4. Es können mehr, aber auch weniger sein. Auch Gelege mit nur einem Ei kommen gelegentlich vor. Nun darf ich Sie noch über einen weiteren Sachverhalt aufklären, der im Zusammenhang mit der Eiablage steht. Störche legen im Gegensatz zu den meisten kleineren Vögeln nicht jeden Tag ein Ei, sondern nur alle zwei Tage. Dieser Abstand ist ziemlich gesichert, auch wenn mir schon über die Ablage zweier Eier innerhalb zweier Tage berichtet wurde. Am Donnerstagmorgen sollte, wenn alles nach Plan läuft, das zweite Ei im Nest liegen, am Samstag das dritte, am Montag das vierte, am Mittwoch das fünfte und so weiter. Deshalb ergeht ein dringender Appell an alle: Donnerstag im Morgengrauen nach dem zweiten Ei Ausschau halten!

 
13. Apr. 05

Der erste Brückentag zwischen der Ablage des ersten und eines möglichen zweiten Eies. Dass Störche ihr Gelege frühestens ab dem zweiten Ei so richtig bebrüten, bestätigt unser Paar in keiner Weise. Von dieser Meinung, die ich früher in vielen Vorträgen zum besten gegeben habe musste ich mich allerdings schon vor längerer Zeit verabschieden. Eher die Regel ist es da schon – so wie es unser Paar vorexerziert - dass auch schon beim ersten Ei im Nest richtig gebrütet wird. Ich konnte keine Situation entdecken, in der das Nest einen Moment unbeaufsichtigt war, sondern im Gegenteil gab es Ablösungen und danach klassische Abflüge des Storches ins Nahrungsgebiet, der seine Schicht gerade beendet hatte. Zeiten, in denen das Paar gemeinsam am Nest beobachtet werden konnte, hielten sich in engen Grenzen. Auch heute widmete sich der jeweilige „Dienst-Habende“ intensiv dem Einzelstück im Nest. Wer von Ihnen Geduld mitgebracht hatte, konnte mit etwas Glück beim Wenden des Eies oder beim Auflockern und Zurechtrichten des Nestinnenraumes kurze Blicke auf das Ei werfen. Bei der nächsten Bildaktualisierung war außer dem reichlich eingetragenen Polstermaterial dann aber auch schon wieder das Ende der Fahnenstange erreicht und das Warten ging von vorne los.


Ein bisschen weniger Polsterung wäre uns auch lieb!

Manche vermuten, dass es im letzten Jahr mit der Sichtbarkeit der Eier etwas besser bestellt war. Ich kann diesen Eindruck im Grunde nicht bestätigen. Auch damals gab es tote Winkel und wenn das Erstei gerade in diese Zone des Nestes kullert, kann es schon eine Weile dauern, bis einer der Eigentümer es im Laufe der Zeit beim Wenden in den sichtbaren Bereich transportiert. Mit fortschreitender Brutzeit – vor allem dann, wenn das Gelege vollzählig ist – wird sich die Sichtbarkeit sicher verbessern und häufigere Blicke auf die Fortpflanzungsprodukte freigeben.


Idylle!

 
14. Apr. 05 Das Paar hält sich an die Regel! Nach Ablage des ersten Eies folgt im Abstand von 48 Stunden das Zweitei. Und so kam es. Auch wenn es mir vor dem Gang in die Schule nicht mehr gelang, den Blick auf das zweite Ei zu erhaschen, taten dies erneut andere. Deshalb darf ich Sie, liebe Leser, abermals bitten, mir im Zweifelsfall besonders gelungene Schnappschüsse – und da zähle ich gerade die, die das vermeintlich komplette Gelege zeigen - per E-Mail zuzuschicken. Damit bieten Sie die Gewähr, eine umfassende Dokumentation der Ereignisse zu gewährleisten. Bei Bedarf werde ich diese ins Tagebuch mit übernehmen. So wie es mit dem folgenden Schnappschuss geschieht, der abermals von Thomas Joas, dem Ortsvorsitzenden des Bund Naturschutz, eingesandt wurde und die beiden Eier in vorzüglicher Weise abbildet.


Da hätten wir bereits ein 2er-Gelege!

Allerdings trübte auch heute das erneut angewachsene Polstermaterial freie Blicke in die Nestmulde. Das Männchen reduzierte heute erstmals seine Präsenz am Nest und überließ vielfach dem Weibchen die Hausarbeit.


Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste

Er tat sich dagegen an der Beschaffung von Nistmaterial aller Art gütlich, so dass neben dem Innenausbau auch die „Außenhaut“ einen kräftigen Bauschub erfuhr.

 
„Er“ in seinem Element!

Beim stehenden Vogel ist es nun wahrlich keine Schwierigkeit, Männchen und Weibchen auseinander zu halten. Als versierte Leser wissen Sie, dass „Sie“ über dem Intertarsalgelenk (für Nicht-Wissenschaftler sieht dieses Gelenk aus wie das Knie des Vogels) am rechten Bein einen Ring der Vogelwarte Helgoland trägt, am linken Bein an gleicher Stelle einen schmäleren Ring des Zoos in Rheine. Aber selbst beim liegenden Weibchen lassen sich Besonderheiten herausfiltern: Einmal wirkt ihr gesamtes weißes Federkleid ein wenig vergilbt, es hat nicht ganz das strahlende Weiß seines Partners. Und am auffälligsten ist, dass sich, wenn sie im Nest liegt und vom Betrachter aus nach rechts blickt (für Eingeweihte also Richtung Münster Sankt Georg!), auf der rechten Halsseite beginnend über den Hinterkopf  bis in Höhe des Auges ein dunkelgrauer Streifen zieht. Dies bedeutet sicher nichts Schlimmes, mag aber zur Unterscheidung im Moment ein wenig hilfreich sein. Als Fazit bleibt: Es sind zwei Eier im Nest. Er baut an Außen- und Inneneinrichtung. Es wird konsequent gebrütet. Das Nest bleibt keine Sekunde unbesetzt. Ablösungen erfolgen. Die Familie ist gegen 20 Uhr oder kurz danach zur Übernachtung vereint. Spätestes Eintreffen des zweiten Storchs am 10. April um 20 Uhr 22. Wer also um diese Jahreszeit sicher beide Störche im Nest beobachten will, soll sich in etwa die Zeit der einsetzenden Dämmerung freihalten. Störche fliegen ab einer gewissen Luxzahl nicht mehr freiwillig in der Gegend herum. Bei Vollmond und in Gefahrensituationen verlassen sie jedoch gelegentlich auch bei Dunkelheit das Nest. Dies sollte im Augenblick aber nicht vorkommen. Merke! Beide Störche sind, wenn es dunkel wird und ist immer im Nest. Später, wenn Junge im Nest sind, verbringt gerne einer die Nacht auf einem Gebäude oder einem anderen erhöhten Punkt in der Nähe. Sind die Jungen schon groß, verfahren beide nach dieser Devise. Aber davon gibt es sicher, wenn es so weit ist, noch ausführlich zu berichten.

 
15. Apr. 05

Nicht nur das herrliche Wetter lässt die Stimmung in mir steigen, auch die Vorgänge am Nest können dafür verantwortlich sein. So beobachtete ich ein harmonisches Paar, das alles so tat wie es nach Lehrbuch auch vorgesehen ist. Der Schreck vom 13. April ist verflogen und von möglichen „Unfallfolgen“ unseres tapferen Männchens ist und war nichts zu spüren.


Morgenlicht leuchtet


Das Weibchen zeigt seine Ringe

Vorsichtiges Wenden der Eier

Ein Gang durch die verschiedenen Storchenwebcams soll heute eine kleine Zwischenbilanz vorlegen. Die Ankunft des ersten Storches im Nest in Vetschau konnte verkündet werden. Es hat lange gedauert, aber solche Ankunftszeiten sind für Ostzieher keineswegs ungewöhnlich und erst durch die Einblicke in andere Kameranester, die vor allem auf dem Gebiet der Westzieher zu finden sind, werden viele Freunde schnell verwöhnt. Freuen wir uns doch über jeden besetzten Horst und genießen die Vorgänge in aller Ruhe und Gelassenheit.

Das „Kamera-Trio“ aus der Pfalz (http://www.pfalzstorch.de/index.html) verkündet schon seit Wochen „volles Haus“. In allen drei Nestern wird auf  großen Gelegen gebrütet. In zwei Nestern in Bornheim wird jeweils ein Fünfergelege bebrütet, im benachbarten Rieschweiler-Mühlbach sogar eines mit sechs Eiern. Ich darf sie an unsere Umfrage erinnern, Die meisten Abstimmer waren bisher nicht sehr mutig. Rund 70% entschieden sich für eine Gelegegröße von 3 oder 4 Eiern bei unserem Weibchen. Das ist auch genug! Ich sehe schon die Bilder und höre die Aufschreie vieler Storchengucker, wenn in der Pfalz das große Sterben beginnt und aus den 16 Eiern in den Kameranestern weniger als 16 Junge ausfliegen. Man wird natürlich durch kräftiges Zufüttern – die Zuchtstationen sind ja zu Füßen der Nester vorhanden (Storchenscheune) – das Schlimmste verhindern, aber dennoch wird es zu Todesfällen kommen, es sei denn, man entnimmt in jedem Fall das komplette Gelege aus den Nestern und brütet die Eier in einem Brutapparat aus uns zieht die Jungen von Hand auf (Haustierhaltung!).

In diesem Zusammenhang, und damit komme ich bei meinem Rundgang ins schöne Frankenland, kam mir ein Schnappschuss aus Erlangen (http://www.steinbach-braeu.de/webcam/webcam.htm) in die Hände. Das Bild muss als echt gelungen bezeichnet werden und entstand zur besten Kamerazeit an diesem Nest, am späten Nachmittag. Sie finden den Schnappschuss im Archiv der Webcam unter http://jabaru.dyndns.org/pics/archiv/2005/04/15/.index6.html. Schon seit Wochen hat sich auf dem Kamin der Steinbach-Bräu in der Universitätsstadt ein Storchenpaar eingefunden. Doch heute tauchte just zur genannten Zeit der Korb einer Feuerwehrdrehleiter am Nest auf. Ungewöhnlich, dachte ich mir! Zum Beringen der Jungen ist es doch entschieden zu früh! Alle anderen Aktionen an besetzten Storchennestern sind laut Naturschutzrecht strengstens verboten, es sei denn es kommt zum Verlust eines Brutstorches. Doch da erkannte ich meinen alten Freund Michael Zimmermann in voller Größe. Was hatte er wohl vor? Was waren die Gründe für seinen spontanen Feuerwehreinsatz? Nach zwei Minuten war der Spuk wieder vorbei und statt des Storchenschützers wurde man eines leibhaftigen, allerdings verstörten Storches gewahr. Wird sich das Rätsel lösen lassen? Wird jemand diesen Eintrag an Zimmermanns Sprachrohre weiter leiten? War der Storchenschützer vielleicht gar auf einer kleinen Feuerwehr-Rundreise? Wurden mögliche Eier entfernt? Sie sehen, welche Gedanken sich Ihr Tagebuchschreiber macht? Man fiebert eben auch an anderen Nestern mit und zu dieser Zeit ganz ohne Regen hätte ich wahrlich nicht mit dem Erscheinen einer großen Leitfigur in Sachen Storchenschutz gerechnet. Also bitte eine kurze Erklärung zu diesem Geschehen, so wie auf unserer Website seit 4 Jahren jedes Detail angesprochen und jede Besonderheit am Nest ausführlich behandelt und diskutiert wird.  Wir wollen doch nicht, dass andere Personen – vielleicht zum Zwecke des Fotografierens – mögliche Bruten aufs Spiel setzen (dazu gibt es leider auch schon Beispiele!).

In Höchstadt (http://www.storchennest-hoechstadt.de/Live-Cam/live-cam.html) bahnt sich  auch Kurioses an! Die beiden Partner des dortigen Paares haben inzwischen 4 Eier gelegt, sich aber den Luxus erlaubt, das Nest des Vorjahres komplett zu übernehmen und außer einer minimalen Auflage an Altgras auf jeglichen Nestbau zu verzichten. Unerfahrenheit? Liegt die Ursache in der Herkunft der Störche? Beide sind beringt. Sie sehen: Auch an diesem Nest wird eine Chance vertan, die treuen Seher über die Hintergründe des merkwürdigen Verhaltens aufzuklären. Für eine erfolgreiche Brut besteht auf Grund der Beobachtung höchste Gefahr. Es wäre zu schön, wenn es trotz des ungewöhnlichen Verhaltens Nachwuchs groß würde.

In Isny (http://www.isny.tv) haben die beiden Störche auch die Unbilden der Witterung gut überstanden, doch wird es den Störchen nur dann gelingen, Junge groß zu ziehen, wenn die sich Regenmengen und Kaltlufteinbrüche nicht allzu dramatisch entwickeln. Die extreme Höhenlage des Brutortes mit 700 Metern über dem Meeresspiegel, bedeutet einen Pionierstandort für diese Vogelart und kann jederzeit wieder aufgegeben werden. Aber da in Isny ja im Sommer und im Winter auch gefüttert wird, wird es schon irgendwie klappen.

Schauen wir nach Freistadt in Oberösterreich (http://www.elektro-pachner.at/seiten/storch-bild.html). Da hat sich die Dame „Laura“ wohl endgültig verabschiedet und ihren gepolsterten und gewärmten Wohnsitz verlassen. Vielleicht genießt sie an anderem Ort die Freiheit und natürliches Futter oder sie ist einfach aus Gram über so viel Tierliebe eines natürlichen Todes gestorben.

Kommen wir nach Karlruhe (http://www.karlsruhe.de/Zoo/Webcam/index.php). Das dortige Nest auf dem Verwaltungsgebäude des Zoos ist wieder besetzt und das Paar hat mit einem Fünfergelege seine Pflicht voll erfüllt. Gefressen wird häufig im Zoo und wenn man die Jungen einigermaßen durchgefüttert hat, kommt wieder der böse Mann und holt die Jungen aus dem Nest, damit sie nicht beim Ausfliegen von den Autos überfahren werden (unter dem Nest führt eine Straße vorbei!). Dann kommen sie in die Pfalz und dürfen die dortigen Verhältnisse kennen lernen Bornheim!).

Der Zoo in Görlitz (http://www.tierpark-goerlitz.de/webcam.htm) meldete vor ein paar Tagen ebenfalls die Ankunft des ersten Kamerastorches. Seitdem hat sich nichts mehr getan. Der Einzelgänger ward nicht mehr gesehen.

Und schließlich blicke ich für den ersten Teil meines Rundganges noch nach Warmenau (http://www.wolfsburg.de/verwaltung/buergerdienste/umweltamt/storchencam), einem Ortsteil der Stadt Wolfsburg. Das dortige Paar bebrütet zur Zeit 4 Eier.

 
16. Apr. 05

Alles läuft wie geschmiert! Pünktlich zu Tagesbeginn präsentiert unsere Paar Ei Nummer 3! Als Beleg sollen die folgenden Schnappschüsse herhalten, für deren Entstehung entweder unverschämt viel Glück oder aber sehr viel Geduld nötig war. Die Fülle des Polstermaterial lässt nur gelegentlich einen ungetrübten Blick auf das Gelege zu.

 
Kein Zweifel! Es sind drei Eier!

Auch der Samstag entwickelte sich zu einem strahlenden Tag, der viel Wärme brachte und ein weiches Licht über Nest und Stadt legte. Das Paar löste sich beim Brüten wie gewohnt ab und Papa Storch nutzte jede Gelegenheit – meist sofort nach der Landung seines Weibchens am Nest – zu einer schnellen, nichts desto trotz aber gekonnten Kopula. Doch als ich mit beginnender Dämmerung abermals meinen Schreibtisch als Beobachtungsposten bezog, wurde ich lange auf die Folter gespannt. Obwohl es schon fast Nacht war, war kein zweiter Storch am Nest erschienen. Wie ich Ihnen vor kurzem schon ausführlich geschildert habe, verbringen Störche die Nächte vor der Brut, während der Brut und bei Beginn der Jungenaufzucht gemeinsam im Nest. Später und in Ausnahmefällen kommt es dann aber schon vor, dass einer oder beide Partner in der Nacht auf einem erhöhten Schlafplatz (Gebäude) zubringen. Es wurde immer dunkler und in mir kamen die schlimmsten Befürchtungen hoch. Immer noch war der zweite Storch nicht eingetroffen. Immer wieder verglich ich den Grad der Dunkelheit bei mir zu Hause mit dem Bild des Dinkelsbühler Storchennestes. Immer unwahrscheinlicher erschien es mir, dass ein Storch bei diesen Lichtverhältnissen noch sein Nest ansteuern könnte. Als ich die Hoffnung auf sein Erscheinen aufgegeben hatte, brach für mich eine große Welt zusammen. Warum sollte uns auch diesmal schwerer Kummer nicht erspart bleiben? War dem verschollenen Storch etwas zugestoßen? Ich ergriff den letzten Strohhalm und erhoffte mir von einer schnellen Fahrt nach Dinkelsbühl doch noch eine Wende des sich anbahnenden Dramas. Es war mir wegen der schlechten Lichtverhältnisse nicht gelungen, zu erkennen, ob es das Weibchen oder das Männchen war, das jetzt vermisst wurde. Vielleicht sitzt er oder sie, von der Kamera nicht erfasst, auf einem Gebäude in der Nähe des alten Rathauses. Fünfzehn Minuten später hatte ich den Platz an der Bleiche in der Wörnitzstadt erreicht. Von dort hat man einen guten Blick auf Rathaus und benachbarte Dächer. Da sah ich doch tatsächlich etwas Weißes im Scheinwerferlicht aufleuchten. Ich dachte schon, dass ich erlöst sei und mir keine Sorgen mehr zu machen brauchte, denn das Leuchten kam direkt vom Kamin hinter dem Nest. Also doch! Da sitzt der vermisste Schlingel! Um ganz sicher zu gehen, fuhr ich noch in die Altstadt und hielt am alten Rathaus ein weiteres Mal an. Ich hatte mich aus der Ferne täuschen lassen! Ich hatte es mir so sehr gewünscht und erhofft! Doch das Leuchten ging nur vom Metallgehäuse der Kamera aus! Vom Vermissten keine Spur, auch nicht in der Umgebung des Nestes. Nun wurde es mir immer klarer! Einer war nicht zurückgekehrt und wird nicht mehr zurückkehren. Was aber war wohl passiert? Nach dem Schreck vom Donnerstag mit der Turbulenz um unser Männchen kam mir natürlich sofort erneut ein Unfall im Straßenverkehr in den Sinn. Aber hätte man da nicht jemanden verständigt, so dass auch an mich eine Meldung ergangen wäre? Der letzte Schnappschuss, der in meinen Aufzeichnungen das Paar komplett zeigt, entstand am frühen Nachmittag um 14:09 Uhr.


Der letzte Schnappschuss??

Danach gibt es keine Bildbelege und ich kann auch sonst nicht sagen, ob später noch beide Störche im Nest gesehen wurden. Folglich liegt der Zeitpunkt des Verschwindens nach 14:09 Uhr. Auch ein Stromtod käme in Frage, doch sind mir solche Meldungen von erwachsenen Störchen in den letzten Jahren nur selten begegnet. Man muss aber auch diese Möglichkeit ins Kalkül ziehen. Das Spektrum reicht aber noch viel weiter und so dachte ich im ersten Augenblick auch an eine Vergiftung, an Abschuss oder einen Tod, der durch Witterungseinflüsse hervorgerufen wurde. Doch bei klarem Himmel und kein Gewitter weit und breit? Hat sich der Storch irgendwo verfangen, ist er in eine Falle getreten und kämpft er jetzt um sein Überleben? Dass Störche ihren Partner während der Eiablage sitzen lassen, halte ich dagegen für höchst unwahrscheinlich, man muss aber auch diese Möglichkeit im Auge behalten, denn nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres kann auch ein solcher Vorfall nicht ganz ausgeschlossen werden. Damals gab es aber mit den Kämpfen und dem Verlust des Geleges einen erklärbaren Anlass. Ein solcher fehlt aber im vorliegenden Fall. Ich hatte nach meiner Rückkehr nach Feuchtwangen keine Lust, noch irgend etwas zu unternehmen. Reichlich sprachlos und entsetzt, hoffte ich immer noch auf eine glückliche Wende.

 
17. Apr. 05

Selten habe ich meinen PC mit so viel Unbehagen hochgefahren wie an diesem Sonntagmorgen. Als das Nest in der Morgensonne erschien, sah ich zunächst das gewohnte Bild. Ein Storch lag im Nest und brütete. Ich weiß nicht, wem von Ihnen da irgend etwas aufgefallen wäre, wenn Ihr Tagebuchschreiber nicht schon am Abend vorher seine Beobachtung vom verlorenen Storch im Gästebuch veröffentlicht hätte. Wenn es schon bei laufender Kamera kaum bemerkt wird, wenn ein Storch verschwindet, wer bemerkt dann schon ohne Kameraeinblick etwas von den Vorfällen. Selbst erfahrene Horstbetreuer sind da nicht selten überfordert und bemerken Auffälliges erst dann, wenn schon einige Tage verstrichen sind oder sie bemerken es überhaupt nicht. Ob es Sie tröstet, wenn ich behaupte, dass an zahlreichen Nestern solches wie bei uns passiert, ohne dass irgend jemand die kleinste Notiz davon nimmt. Es heißt dann später nur, dass das Paar keinen Bruterfolg hatte. Und wer achtet von all den fleißigen Männern und Frauen schon darauf, ob einer der Störche beringt ist? Und wer unterzieht sich letztlich der Knochenarbeit, einen Ring abzulesen? Davon gibt es in Deutschland nur ganz wenige, die das konsequent betreiben und somit viel zur Aufklärung noch offener Fragen im Storchenschutz beitragen. Ich wartete an diesem Morgen also gespannt, bis sich unser Storch zum Wenden der Eier erheben würde. Nach wenigen Minuten tat er es. Er trug keinen Ring!


Papa ist allein zu Hause!

Also ist es das Weibchen, das in der vergangenen Nacht nicht mehr am Nest aufgetaucht war, denn sonst müsste der Storch im Nest an beiden Beinen einen Ring tragen. Als ich dies ermittelt hatte, begab ich mich abermals nach Dinkelsbühl, um nach der Störchin zu suchen. Ich dachte sofort an die Ereignisse des letzten Jahres, als „Sie“ ebenfalls Hals über Kopf verschwand und erst heuer wieder 8 Kilometer vom Vorjahresnest entfernt als Brutstorch abermals auftauchte. Da es sich bei unserer diesjährigen Storchenfrau ebenso wie im letzten Jahr um einen im Zoo geborenen Storch handelte, hoffte ich, bei meiner Suche keine Spur zu finden und ein ähnliches Verhalten, wie bereits einmal erlebt, zu erwarten. Dass ich mir dabei das „schreckliche“ Wort Zoogewächs für einen Storch, der im Zoo geboren und aufgewachsen ist, anmaßte, führte schließlich zu üblen Beschimpfungen einiger weniger Besucher unserer Website. Für sie bedeutet eben ein in einem Käfig eingesperrter, mit artfremdem Futter gepeinigter und am Fliegen durch Beschneiden der Armschwingen gehinderter Brutstorch das höchste Glück auf Erden. Ich habe dazu im Gästebuch noch keinen Protestschrei derer gehört, die sich jetzt über mein „Zoogewächs“ aufregen, wenn der Tierpfleger mit einer Gartenschere alljährlich den armen Störchen durchs Gefieder pflügt. Und hat man mal zuviel von den üblen Störchen (selbst das Geld für die Eintagsküken will man sparen!), dann werden sie als Tauschvieh gehandelt. Da wechselt schon mal ein bedauernswerter Storch von einem Freizeitpark oder wie die Dinger sonst noch heißen in einen anderen. Der Betreiber erhält für ein Dutzend Störche im Gegenzug möglicherweise einen Springbock. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Und wenn das mit dem Tauschen einmal nicht klappt, werden solche bedauernswerten Zoogewächse einfach an die immer hungrigen Löwen verfüttert. Da kann die Devise wirklich nur heißen: Freiheit für alle Zoostörche! Die Eltern unserer vermissten Lady werden weiterhin am Fliegen gehindert, mit artfremdem Futter gefüttert und regelmäßig mit der Heckenschere zurecht gestutzt. Und da finden sich doch im Ernst immer noch Personen, die diesen Unfug sogar noch unterstützen und dem Tagebuchschreiber Verachtung der Kreatur vorwerfen. Wer einen Storchenpflegling in einen Zoo einliefert, muss immer damit rechnen, dass man Schindluder mit ihm treibt. Er wird halt nach der Gesundung nicht mehr  freigelassen und nur noch als Schauobjekt oder – und das lässt sich dann immer schlecht nachprüfen – als Tauschobjekt missbraucht. Da heißt es, wenn man nachfragt: Er war doch sehr schwer verletzt und musste eingeschläfert werden. In Wirklichkeit fristet er eben einige hundert Kilometer entfernt ein Dasein wie oben beschrieben, begründet vielleicht später eine Familie und hat sogar reichlich Nachwuchs. Statt Zoogewächs müsste man zu solchen Nachkommen lieber noch „arme Schweine“ sagen. Jeder Zoostorch, der an einem der Nester auftaucht, ist einer zuviel! Wie gehofft, fand ich keine Spur. Ich suchte von Lehengütingen bis Dieterstetten, an den Weihergebieten um Tiefweg und Neustädtlein ebenso wie an den Teichen im Westen der Stadt. War sie mit einem Auto kollidiert? Unwahrscheinlich! Das hätte man gemeldet Und Laster – von denen geht die größere Gefahr aus – fahren am Wochenende kaum. Leitungsanflug oder Stromtod? Halte ich ebenfalls für ziemlich unwahrscheinlich. Kaum einem Altstorch passiert so eine Geschichte und außerdem sind die gefährlichen Stellen alle abgesichert. Falle und Vergiftung? Sicher wären diese Möglichkeiten echte Unglücksfälle, aber eine Bisamfalle kann schon ein Bein schwer verletzen und es gibt auch noch gefährlichere Fallentypen. Vergiftung? Vor 9 Jahren lag schon mal ein toter Brutstorch aus Dinkelsbühl in einer Wiese. Todesursache unbekannt. Vor 28 Jahren ertrank ein Storch am Stadtrand von Dinkelsbühl, nachdem er sich in einem Weihergebiet beim Beutestoß in einem Netz verfing, das den Teich gegen ungebetene Gäste absichern sollte. Fest steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass einer der Dinkelsbühler Brutstörche – eben das besagte Weibchen aus dem Zoo Rheine – überfällig ist. Dass es in einem Zoo geboren wurde, ist noch nicht strafbar und dafür kann man die Unglückliche natürlich nicht haftbar machen. Jedoch soll nicht verschwiegen werden, dass eine Zoohaltung – und die ist erforderlich, wenn man Nachwuchs erzielen will – für die Kreatur Storch und für alle anderen Insassen „menschenunwürdig“ ist. Nun kenne ich meine Pappenheimer (es sind nicht die vielen Tausend Besucher der Website und die nach Tausenden zählenden Leser des Tagebuches, sondern eine kleine Gruppe von Jüngerinnen eines Gurus),  die wie Hyänen mit Schaum vor dem Mund auf diese Situation gewartet haben und sich ins Fäustchen gelacht haben, als sie von unserem Unglück hörten. Die Entrüstung war aufgesetzt und verlogen. Die Tiefschläge in unserem Gästebuch offenbarten endlich einmal ihre Gesinnung und ihr nur auf Streit ausgerichtetes Getöse. Aber noch viel stärker verliefen die Entgleisungen in anderen Gästebüchern, wohin sich die Jüngerschar verzieht und intern weiter Unrat verbreitet, wenn sie sich bei uns so richtig ausgekotzt hat. Umgekehrt findet eine solche Verunglimpfung auf fremdem Terrain nicht statt. Ich gestehe, dass ich dem Druck beinahe erlegen wäre. Aber der Großteil der Schreiber hat mich dann doch wieder zurückkehren lassen zu meiner Linie, die ich nach wie vor – im Einklang mit allen Naturschutzverbänden – vertrete.

Wie geht es also weiter:

1. Der Storchenmann handelt nicht vernunftgesteuert und meint vielleicht: „Wo bleibt meine Gemahlin denn? Ist ihr vielleicht etwas passiert? Was soll ich mit den Eiern machen?" Was jetzt abläuft ist ein angeborener Verhaltensmechanismus, der lautet: Im Nest liegen Eier. Da musst du so lange deinen Brutpflegetrieb ausüben, bis die Ablösung kommt. Also wird das Programm abgespult, nur mit der einen Ausnahme, dass keine Ablösung kommt. Dies weiß aber Papa Storch im Gegensatz zu uns leider nicht. Er harrt also aus.

2. Nach einer individuell sicher unterschiedlich langen Zeitspanne meldet das Gehirn des Brüters: Ich bekomme Hunger. Diese Meldung kollidiert nun mit der Information „Brut“. Beide Meldungen kämpfen nun so lange miteinander, bis schließlich der Hunger die Brutmeldung besiegt hat. Der Storchenmann verlässt zum ersten Mal das Nest. Zuerst wird er nur kurze Zeit unterwegs sein, dann aber auch länger. Energiereserven müssen wieder aufgefrischt werden. Dass Störche auch 14 Tage ohne Fressen und Trinken auskommen, habe ich schon öfters im Tagebuch beschrieben. Heute sind es mal 24 Stunden und das ist mit Sicherheit überhaupt kein Problem. Fazit: Papa Storch ist nicht in Lebensgefahr!

3. Was machen wir mit Mama Storch? Der ist im Moment nicht zu helfen. Finden wir sie lebend, wird alles getan, ihr zu helfen und ihr die beste Pflege zukommen zu lassen.

4. Was passiert mit den Eiern? Und hier hatte ich kurzfristig die einzigen Bedenken und hatte auch schon die Feuerwehr angerufen, aber nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, kam ich wieder zur Besinnung. So lange Papa die Eier bebrütet, entwickeln sich in ihnen die winzigen Embryonen weiter. Beim ersten Ei nach 4 Tagen Brut ist dieser etwas größer, beim zweiten und dritten Ei kann man den Embryo noch vernachlässigen, dennoch befindet sich in jedem Ei bereits Leben. Bleibt die Situation so wie sie ist, sind die Eier und mit ihnen potentielle Störche dem Tode geweiht. Erste Möglichkeit: Sofort mit der Feuerwehr die Eier evakuieren, in einen Brutschrank legen, ausbrüten lassen, die Jungen einige Wochen von Hand aufziehen und danach in verschiedene Nester mit gleichaltrigen Jungen geben. Hört sich an wie ein Kochrezept, hat auch einiges mit einem solchen gemeinsam. Ich beteiligte mich in meinen jungen Jahren auch an solchen Spielereien. Im Gegensatz zu ewig Gestrigen, die ihren Spieltrieb immer noch nicht bewältigt haben. Da heißt es dann vollmundig, dass solches Gebaren bei verantwortungsvollen Storchenbetreuern landauf, landab als Selbstverständlichkeit praktiziert wird. Hört! Hört! Landauf, landab, fein gesagt! Wenn es sich bei unserem Gelege um die letzten Eier einer Vogelart handeln würde, wären solche Praktiken zu vertreten. Bei unserem Storch dagegen, der mit weit über 500.000 lebenden Individuen und steigender Tendenz in keiner Weise in seiner Existenz bedroht ist, sind diese Spielereien vollkommen überflüssig. Die Eier in unserem Nest werden also nicht in einem dubiosen Brutschrank landen, um dann anderen Eltern untergeschoben zu werden. Diese Unterlassung nehme ich gerne in Kauf und ich stehe auch dazu. So lange ein Staat hunderttausendfache Abtreibungen menschlicher Embryonen in weit fortgeschrittenerem Embryonalstadium zulässt und das Geschrei relativ unterkühlt bleibt, stellt meine „Tat“, drei Frischeier zu opfern, eine kleinen Schiss in der großen Storchenwelt dar. Walküren an die Front! Wo bleibt die Anzeige gegen den Tagebuchschreiber? Da lobt doch manche noch eher ihre Bekannte, die gerade im dritten Monat abgetrieben hat!

5. Was passiert, wenn Papa Storch das Nest verlässt, um sich Nahrung zu beschaffen? Diese Gedankenspiele sollen im nächsten Eintrag behandelt werden.

Als kleinen Gruß füge ich noch zwei Schnappschüsse unseres Einzelkämpfers bei, die unsere Verbundenheit mit seinen triebgesteuerten Verhaltensweisen zeigen soll.


Stretching nach langem Liegen


Ein Dauerzustand!

 
18. Apr. 05

Er wartet und wartet! Nun hat der Storchenmann gute 48 Stunden im Nest ausgeharrt, ohne einmal abzufliegen.


Warten
auf Godot?

Das Auflockern der
Nestmulde gehört dazu!

Das ist schon eine starke Leistung und zeigt, wie stark der Bruttrieb über alle anderen angeborenen Verhaltensweisen dominiert. Wenn er, wie bereits schon angedeutet, dennoch einmal vom Nest fliegt, beginnt für Nest und Storchenmann eine neue Situation zu greifen. Er wird seine Brutstätte zumindest für kurze Zeit preisgeben und sie damit möglichen Konkurrenten anbieten. Ob es zu einer Neuverpaarung mit einem anderen Weibchen kommt, ob sich ein komplett neues Paar etabliert, ob er den Sommer über als Solist verbleibt, ob er ganz verschwindet und das Nest den Rest der Zeit leer steht, werden Sie sicher mit eigenen Augen sehen. Im Augenblick ist jede der genannten Möglichkeiten denkbar.

Martin Grund von der Aktion PfalzStorch hat Ihnen im Gästebuch ja schon von seinem Telefonat, das er mit mir geführt hat, erzählt und seine Sicht in Sachen Storchenschutz dargestellt. Dass ich eine falsche Information (siehe Eintrag vom 15.04.05) an Sie weiter gegeben habe, ist bedauerlich, hat aber wenigstens als kleinen Nebeneffekt die Denkweise der Aktion "PfalzStorch" einem größeren Publikum bekannt gemacht. So haben wir wenigstens erfahren, dass sich diese Gruppe von kompetenten Storchenschützern vorbehaltlos gegen jede Fütterung von Weißstörchen zu jeder Jahreszeit ausspricht. Wenn es zu einem Sterben von Jungen im Nest kommt, wird niemand eingreifen und durch Zufütterungen helfen. Bleibt zu hoffen, dass dies unter dem immensen Druck der Internetgemeinde auch so durchgeführt wird.

Dass auch die Aktion Pfalzstorch mit Kritik aus den eigenen Reihen zu kämpfen hat, dokumentiert eine Veröffentlichung von Kai-Michael Thomsen vom Michael-Otto-Institut im NABU mit Sitz in Bergenhusen, der sich vehement gegen das seit 1997 laufende Wiederansiedlungsprojekt in der Pfalz ausspricht, da schon länger laufende, ähnliche  Projekte dieser Art vor Beginn der Aktionen in der Pfalz bereits kritisch beurteilt und zu diesem Zeitpunkt allesamt beendet waren. Thomsen schreibt weiter, dass auf Grund einer unscharfen Abgrenzung von Projektstörchen und Wildstörchen einerseits und der Zufütterung von einzelnen Paaren andererseits eine Bewertung des Reproduktionserfolges der Wiederansiedelungspopulation kaum aussagefähig ist. Da das Projekt auf der Lockwirkung von gefangen gehaltenen Störchen beruht, müssen diese Störche natürlich gefüttert werden. Also so ganz ohne Fütterung kommt man zumindest teilweise bei den Aktivisten in der Pfalz auch nicht aus. Aber wenigstens an den beiden Kameranestern in Bornheim wird es keine Fummelei geben! Danke, Herr Grund!

Im zweiten strittigen Punkt schrieb ich im Tagebuch, dass die Jungstörche aus dem Nest im Zoo von Karlsruhe nach dem Aushorsten  nach Bornheim verbracht wurden. Sie wurden jedoch nicht nach Bornheim, sondern an einen anderen Ort in der Pfalz verbracht. Ich bitte, mir auch diese Ungenauigkeit zu entschuldigen, am Umstand ändert dies allerdings nichts.

 
19.Apr. 05

Hätte ich vorhersagen sollen, wie lange der Storchenmann seinem Bruttrieb treu bleibt, hätte ich wohl als Obergrenze auf 72 Stunden getippt. Die Westzieher unter den Störchen und die, die bis Westafrika ins Winterquartier fliegen, müssen zweimal im Jahr einen Flug über ausgesprochene Wüstengebiete zurücklegen. Während dieser an die 2000 km langen Strecke ist es nichts Ungewöhnliches, dass sie eine Woche ohne jegliche Nahrungsaufnahme auskommen müssen. Und dies unter ungleich schwereren Bedingungen mit der Bewältigung von 300 bis 400 Kilometern Flug täglich. Da verbraucht unser Dauerbrüter viel weniger Energie und kann es damit möglicherweise – wenn er will – noch länger aushalten. Zurück zu den 72 Stunden! Diese Zeitspanne ist mit dem heutigen Tag aber bereits verstrichen und er hat – ich habe keine anders lautenden Meinungen gehört – sein Nest augenscheinlich noch nicht verlassen. Leider verlockt das miserable Wetter auch einen Storch mit  Partnerin nur ungern zum Fliegen. Außerdem bedeutet es für „Ihn“, angesichts der unterdurchschnittlichen Temperaturen verstärkt auf „Eikontakt“ zu gehen. Die Phasen, in denen er sich vom Gelege erhebt, um die Eier zu wenden, sind sehr selten geworden. Dies dokumentiert auch die konstant gleiche Liegeposition, die er nun schon den zweiten Tag über beibehält. Sicher kostet die Devise „so wenig Bewegung wie möglich“ auch am wenigsten Kraftreserven. So wird sichergestellt, dass die Anwesenheitsdauer am Nest ohne Ablösung auf ein Maximum ansteigen kann.

Die Gründe für unsere Linie in dieser traurigen Situation sind ja sicher ausführlich diskutiert. Ich muss sie nicht noch einmal durchkauen. Stellen Sie sich einfach vor, es gäbe an diesem Nest – wie auch an 99,999% aller anderen Storchennester – keine Kamera. Unser Storchenmann würde genau das gleiche tun wie im Augenblick. Wahrscheinlich hätte auch niemand bislang vom Verschwinden des Weibchens Notiz genommen oder es noch gar nicht bemerkt.

Wie unser Storchenmann im weiteren Verlauf des Dramas handelt, vollzieht er aus völlig freien Stückchen. Keine böse Umwelt, kein äußerer Einfluss, keine bösen Storchenschützer, keine guten Storchenschützer werden in sein Instinktverhalten eingreifen. Von „Frau Storch“ fehlt weiter jede Spur. Kein Bürger hat etwas über den möglichen Verbleib mitgeteilt. Von keiner Stelle kam Nachricht über einen tot oder verletzt gefundenen Storch. So muss ich alle, die auf eine Nachricht gewartet haben, weiter im Unklaren lassen. Niemand weiß zur Stunde etwas über das „Wo“ und „Wie“ und „Warum“. Man muss und kann nicht alles wissen.

Aus gut unterrichteter Quelle wurde ja schon kolportiert, dass Ihr Tagebuchschreiber etwas mit dem Verschwinden zu tun haben könnte. Diese Möglichkeit darf natürlich auch nicht ausgeschlossen werden. Bei all dem Unsinn begeht unser Storchenmann vielleicht eines Tages noch Selbstmord und stürzt sich – obwohl in Unkenntnis über viele abstruse Beschimpfungen und Verleumdungen - vom Altrathausnest. Ein ehrenvolles Begräbnis in der Wörnitzaue wäre ihm dann aber sicher.


Pudelnass 

Alles noch da!


Die vierte Nacht allein!

 
20. Apr. 05

War das Wetter gestern schon sehr schlecht, so gab es heute während des ganzen Tages noch eine Steigerung. Keine 10 Grad Höchsttemperatur, dazu Dauerregen mit mehr als 20 Litern Niederschlag auf den Quadratmeter. Da schaut jeder Storch erbärmlich aus, ob er nun eine Partnerin hat oder nicht. Unserer machte da in dieser Beziehung keine Ausnahme. Wer da unterstellen wollte, dass sein langes Warten mit diesem Zustand in irgendeinem Zusammenhang stehen könnte, muss als Scharlatan gelten und verfolgt keine anderen Ziele als ein Naturschutzprojekt auf übelste Weise in Misskredit zu bringen. So lange ich über keine anderen Informationen verfüge, muss ich nun von einem 96 Stunden-Brut-Marathon berichten, den das Storchenmännchen ins Nest gelegt hat. Ohne eine einzige Pause konnte es die Eier über 4 Tage lang alleine konsequent bebrüten. Einigen aufmerksamen Sehern ist aufgefallen, dass sich am Spätnachmittag – der Regen hatte etwas nachgelassen -  im Verhalten des Vogels eine radikale Änderung zu vollziehen schien. Lag er zuvor noch über Stunden scheinbar reglos im Nest, schien sich nun wieder Leben in ihm zu regen. Seit Tagen zeigte er nicht so viel Aktivität wie nun in wenigen Minuten. In kurzen Abständen erhob er sich vom Nest, pflegte erstmals auch sein Gefieder wieder, wendete sorgsam die drei Eier und machte einen durchaus munteren Eindruck. Zum Abflug konnte er sich noch nicht entschließen. So zog die fünfte Nacht herauf, in der Herr Adebar allein zu Hause war.

 

 
21. Apr. 05

Ein prächtiges Wetter! Sonnenschein, aber recht frisch! Der im Augenblick verhinderte Storchenpapa führte sein aktives Verhalten der gestrigen Abendstunden auch heute fort. Nichts mehr von Langeweile und Dauerbrut! Auch unterscheidet er sich im Sonnenlicht in keiner Weise von voll gefressenen Artgenossen.

Noch läuft das angeborene Verhalten ab!
 
Sehr aktiv heute
 

Aber ein wenig kümmere ich mich noch um das Gelege!

Die Diät, die er im Augenblick konsequent durchhält, wird keine Dauerschäden hervorrufen. Menschen mit Helfer-Syndromen mögen dies anders sehen und die eine oder andere Träne verdrücken. Ich bitte alle aber dringendst, sich schon jetzt auf viel grausamere Bilder einzustellen, wenn in den Kameranestern das Schlüpfen und die Aufzucht der Jungen beginnt. Da wünschte man sich doch eher in die Zeiten zurück, in denen die Kamerabilder gewisse Unschärfen offenbarten und man somit genaue Details erschreckender Storchendramen verdecken konnte. Heute ist die Bildqualität brillant und von gnadenloser Offenheit. Mal sehen, welche Reaktionen da noch zu hören sein werden. Das soll es aber dann zu diesem Thema gewesen ein. Die „innere Unruhe“ des Männchens steigerte sich während des Tages immer mehr und gegen 17 Uhr war es schließlich so weit. Der erste Abflug unseres Marathon-Brüters war erfolgt.


Das Nest ist nach fünf Tagen erstmals verlassen!

Wie hoch allerdings die Bindung zum Nest immer noch war, bewies die Tatsache, dass er schon nach wenigen Sekunden erneut im Nest stand. Das bedeutete, dass er einfach nur mal eine Runde gedreht hatte. Nach etwa 120 Stunden, das sind 5 Tage, hatte der Brutpflegemechanismus gegen den einsetzenden Hunger verloren. Auch während der restlichen Abendstunden kam es zu mehreren Abflügen, die sich zeitlich gesehen aber auf höchstens eine halbe Stunde beliefen. Ein Anfang ist also gemacht und um das Leben des Storchenpapas braucht sich wahrlich keiner Sorgen machen. Das stand auch während der Warterei zu keiner Zeit zur Debatte. Angeborene Verhaltensweisen dienen doch einer Tierart nicht dazu, dass sie sich selbst auslöscht! Hundertfacher Storchentod in Deutschland wäre somit vorprogrammiert! Denn dass einer der Partner durch einen Unglücksfall nicht mehr zum Nest zurückkehrt, passiert viel öfter als man zu hoffen glaubt. Durch das gesehene Verhalten wird aber auch sicher gestellt, dass bei einem vorübergehenden Ausfall eines Partners der Verbliebene das Gelege doch einige Tage alleine betreuen kann. Da ich die Möglichkeit der Rückkehr für unser Storchenweibchen schon am ersten Tag ausgeschlossen habe, war eine Betreuung der drei Eier durch das verbliebene Männchen schon bald kein Thema mehr. 32 bis 34 Tage allein zu brüten und sich zugleich mit Nahrung zu versorgen, ist ausgeschlossen. Am Anfang, als das Männchen noch ununterbrochen auf dem Gelege saß, konnte er den Eiern die notwendige Wärmezufuhr liefern, doch mit jedem längeren Ausflug kühlen die Eier aus, die Embryonalentwicklung wird unterbrochen, der Embryo stirbt im Ei. Es besteht nur eine Möglichkeit, um auch in diesem Jahr Junge im Nest erleben zu können. Es muss eine Neuverpaarung stattfinden. Entweder der Witwer beteiligt sich selbst daran oder es ergibt sich eine vollkommen neue Konstellation und ein komplett neues Paar etabliert sich im Nest auf dem alten Rathaus. Unser Storchenmann wird aber die Eier nicht selbst aus dem Nest werfen, denn ein Gelege, an dem er selbst beteiligt war, ist für jeden Storch tabu. Ebenfalls eine gute Einrichtung der Natur, denn sonst wäre in jedem Falle die Brut gefährdet. Diese Aufgabe erledigen stets die anderen. Kommt es also zu einer neuen Konstellation am Nest, wird der jeweils neue Storch oder das neue Paar als eine der ersten „Amtshandlungen“ die drei Eier aus dem Nest werfen. Fremdes Erbgut wird nicht toleriert, es wird Platz gemacht für die eigenen Gene. Natürlich wäre es ein Kinderspiel gewesen, die Eier zu entfernen, in einen Brutschrank zu geben, ausbrüten zu lassen, die Jungen – wenn denn welche geschlüpft wären – nach einigen Wochen in verschiedene andere Nester zu geben, in denen sich Junge im entsprechenden Alter befinden... Ich erinnere mich, so etwas schon oft im Zusammenhang mit der Zucht und mit dem Transport von Haustieren gehört zu haben. Da werden Gänse- und Hühnerküken (Haustiere!!) im Brutschrank erbrütet, deren Küken – wenn verwertbar – in Legebatterien als bedauernswerte Geschöpfe geknechtet oder gleich zu Fischmehl verarbeitet. Da werden Schweine von A nach B gefahren und wenn sie dann groß und stark sind, bringt man sie von B nach C. Soll es Störchen auch so gehen? Richtig! Geschlachtet werden unsere Lieblinge noch nicht, aber wer weiß? Wenn sie sich als schmackhafter erweisen als berichtet wird, dann könnte man doch alle Storchenjungen rechtzeitig aus dem Nest nehmen...! Aber denken Sie bitte selbst weiter.

 
22. Apr. 05

Eine neue Hiobsbotschaft überschattet den Tag! 20 Kilometer von Dinkelsbühl entfernt wird seit Tagen ein verletzter, flugunfähiger Storch beobachtet. Heute erfuhr ich davon. Da sich ihr Tagebuchschreiber in solchen Fällen sofort um eine Überprüfung der Lage und eine eventuelle Überbringung in eine Pflegestation einsetzt, fuhr er umgehend an den Ort. Auch wenn einige von Ihnen noch hofften, es würde sich um die verlorene Storchenfrau aus Dinkelsbühl handeln, muss ich Sie enttäuschen. Ich näherte mich nämlich dem beschriebenen Exemplar am Rande eines etwa 1 ha großen Fischweihers. Die Niederschläge der vergangenen Tage hatten die angrenzenden Wiesenbereiche kräftig unter Wasser gesetzt. Das Nahrungsangebot an dieser Stelle schien auch ausgezeichnet. Ich versuchte zuerst, den Abstand zwischen mir und dem Objekt der Begierde zu verkürzen, was mir mit schnellen Schritten zunächst auch gelang. Der Storch trug am rechten Bein über den Zehen einen Aluring! Damit war sofort klar, dass es nicht die Frau unseres Männchens sein konnte. Da Störche während der Brutzeit bevorzugt innerhalb eines 5-Kilometer-Radius um das Nest auf Nahrungssuche gehen, sind 20 Kilometer mehr als utopisch. In seltenen Fällen fliegen Störche über diese Distanz hinaus. So beobachtete ich einmal – und dies kommt bestimmt regelmäßig vor – das Frauenauracher Storchenweibchen, ehemals Insasse des Zoos in Nürnberg und seitdem am Brutplatz überwinternd und dort reichlich mit Winterfutter versorgt werdend – während der Jungenaufzucht am Ententeich des genannten Zoos zur Zeit der Fütterung. Das sind genau 18 Kilometer Luftlinie, Eine unglaubliche Entfernung, die sich für Adebar nur rechnet, wenn am Zielort – wie geschehen – mühelos Futter gebunkert und sofort der Rückflug angetreten werden kann. Sage noch einmal einer etwas gegen Zoostörche. Das sind ungemein findige und schlaue „Gesellen“, so wie die Vogelart „Weißstorch“ als solche zu den großen Opportunisten in der Vogelwelt zu zählen ist, die sich in kürzester Zeit auf veränderte Umweltbedingungen einstellt und die Gunst der Stunde nutzt. So gab es in Franken bereits zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts weniger Störche als momentan. Das Geschrei, der Mensch greife in die Natur ein, deshalb müsse man beim Storch ebenfalls auf Teufel komm raus eingreifen, ist eine jämmerliche Schutzbehauptung. Trotz sich rapide verschlechternder Umweltbedingungen hat sich der Storchenbestand in Bayern seit Mitte der 80er Jahre verdoppelt, in Frankreich verzehnfacht, in Spanien bei hohen Ausgangszahlen verdoppelt, in Portugal verdreifacht......! 

Als klar war, dass es sich am Weiher bei Bechhofen nicht um unser Weibchen handelte, lief ich weitere Schritte in Richtung des vermeintlichen Pflegefalls. Leicht hinkend beschleunigte auch Meister Adebar seine Schritte. Doch näher als 20 Meter ließ er mich nicht heran. Ohne echten Anlauf nutzte er die herrschenden Windverhältnisse und flog mühelos davon. In immer engeren Schrauben stieg er über mir in den blauen Himmel und war bald nur noch als kleiner Punkt erkennbar. „Lieber einmal umsonst an einen Ort gerufen werden, als einmal zu wenig“, dachte ich mir und zog erleichtert von dannen.

In Dinkelsbühl entwickelte der Einzelkämpfer unterdessen schon fast wieder ein Normalprogramm. Nach frostiger Nacht überzog eine dünne Raureifschicht das Nest.

 
Eingefroren? Der Raureif zeichnet ein malerisches Bild!

Das Interesse für das Gelege ließ während des Tages weiter nach. Die Eier wurden nur noch sporadisch gewendet, die Standpausen dauerten immer länger und die Ausflüge zogen sich mehr und mehr in die Länge. Auch brachte er von seinen Nahrungsflügen bereits Nistmaterial mit.

 
Fleißig, fleißig! Alles wie gewohnt!

Er verhielt sich schon fast so, als ob er mit der Brut abgeschlossen hätte und sich schon für neue Gefühle bereit machte. Um die Mittagszeit kreiste ein fremder oder neuer Storch über dem Nest, entsprechend auch das Drohverhalten unseres Witwers. Ich denke, es besteht noch eine gute Chance für eine neue Brut. Bis in die erste Maiwoche hinein könnte es noch klappen. „Mein“ spätester Brutbeginn, also der Beginn der Eiablage war der 21. Mai. Wir dürfen hoffen und sollten guten Mutes sein.

 
23. Apr. 05 Neuer Tag und neues Glück? Auf Wunsch der Seher und auch auf eigenen Wunsch wählte ich heute einen neuen Bildausschnitt, da mit nachlassendem Bruttrieb unser Storchenmann wieder verstärkt eine stehende Position im Nest einzunehmen pflegt. Nur ist es am Wochenende nicht gerade leicht, einen Schlüssel für das alte Rathaus zu ergattern. Mit Hilfe von Helmut Wilfling, ungezählten Telefonaten und zwei Stunden Knochenarbeit gelang es, die begehrten Objekte in Empfang zu nehmen und eine zumindest zufrieden stellende Lösung zu finden. Die Kamera ist an einer Eisenstange fest verschraubt, so dass man am Neigungswinkel nichts verändern kann. Lediglich mit Hilfe des Zooms kann man einen näheren oder einen weiteren Blick ins Nest werfen. Leider sind die Zoomeinstellungen nicht stufenlos wählbar, sondern nur in Sprüngen möglich. Deshalb braucht man schon etwas Glück, dass nach Betätigen eines Kippschalters der richtige Ausschnitt zustande kommt. Also so mit Millimeterarbeit ist da leider nichts. Ich denke mit dem gefundenen Angebot sollten alle momentan zufrieden sein.


Der neue Blick!

Im Nest spielten sich derweil erfreuliche Dinge ab. Der Storchenmann verlässt seine Behausung, so wie er es in den Zeiten vor Eintreffen seiner ersten Partnerin getan hatte. Das mit dem Brüten gerät mehr und mehr in den Hintergrund.


Wie in alten Zeiten!

Er legt sich zwar immer wieder ins Nest, aber nicht des Brütens wegen. Als die Storchenburg einmal leer stand, näherte sich eine der Dohlen des benachbarten Münsters, beäugte die drei Eier des Geleges und verschwand gleich darauf wieder.


Ein
Nesträuber?

Die Eier sind einige Nummern
zu groß für mich!

Dabei gebärdete sie sich für kurze Augeblicke als mögliche Nesträuberin. Da Dohlen aber nicht gerade zu den ausgeprägtesten Eierräubern zählen, entschied sich die Besucherin für einen schnellen Rückzug. Am Verhalten des Wieder-Single konnte man häufig auf dicke Luft über dem Nest schließen.


Luftalarm mit Federverlust

Drohgebärden und Drohklappern waren ein beredtes Zeugnis für Luftverkehr. Bei meinem Besuch der Stadt am Vormittag traf ich 5 Kilometer entfernt an der Wörnitz bei Schopfloch auf einen Storch, der vielleicht an allem Schuld war. Im Gästebuch erregte während des Tages etwas Weißes im Bereich der Nestmulde manches Aufsehen. Dabei handelte es sich um Federn aus dem Brustgefieder, die der Wind mal da, mal dorthin blies. Kaleigh fragt im Gästebuch, ob Störche schwimmen können? Für diese Art der Fortbewegung sind sie nicht gerade gut ausgestattet. Störche meiden deshalb tiefes Wasser. Die Grenze ist dann erreicht, wenn ihnen das kühle Nass buchstäblich bis zum Bauche steht, also wenn die Federn nass werden. Geraten Störche beim Waten aus „Versehen“ in tieferes Wasser, sind sie aber dennoch in der Lage, Flügel schlagend und Wasser tretend ein Stückchen voranzukommen und somit das rettende Ufer wieder zu erreichen. Beim Flug über größere Wasserstraßen ereignen sich dagegen häufiger tödliche Unfälle. Machen sich Störche bei Gegenwind an die Überquerung der Straße von Gibraltar, kommt es nicht selten dazu, dass einige entkräftet ins Wasser stürzen, eine Weile in der beschriebenen Weise über Wasser bleiben, ermüden und schließlich ertrinken. Als Störche in Südfrankreich auf oben offenen Wassertürmen übernachteten, glitten sie beim Drängeln um den besten Schlafplatz aus, rutschten von der Turmkante ins Wasser, konnten aber nicht mehr die wenigen Meter zurück auf die Umrandung. Bis die Rettung eintraf, waren einige bereits ertrunken, ihre Kräfte erschöpft.

 
24. Apr. 05

Der heutige Tag ist schnell zusammengefasst! Im Mittelpunkt standen nicht die Ereignisse im Nest, sondern die musikalischen Ambitionen der Familie Ziegler. Auch wenn einige Leser diesen Einschub für unpassend halten, möchte ich Ihnen doch hin und wieder meine ansonsten anonyme Person etwas näher bringen. Ich bin ganz und gar kein Unmensch! Es gibt nämlich ein zweites Hobby, das mich nach schweren Stunden mit Tagebuch, Störchen und Kritikern immer wieder aufrichtet und die nötige Kraft gibt. Jetzt bitte nicht denken: Dieser Selbstdarsteller! Ich glaube, ich hätte fünf Jahre Tagebuch und Begleitung der Webcamaktion des Bund Naturschutz nie und nimmer durchgestanden, ohne zwischendurch auch etwas abschalten zu können. Für Sie da zu sein in guten wie in bösen Tagen, geschieht ausschließlich ehrenamtlich und ohne einen einzigen Cent oder Pfennig jemals erhalten oder gefordert zu haben. Außerdem gehöre ich dem Bund Naturschutz auch nicht als Mitglied an. Das heißt aber nicht, dass ich dessen Ziele nicht vertrete. Im Gegenteil: Die Nicht-Mitgliedschaft macht mich ungebundener in meiner Arbeit. Alle Zieglers, und damit komme ich wieder an den Ausgangspunkt zurück, sind in der Lage, anständige Musik zu machen. Zugegeben. Meine Frau und ich nur zum Hausgebrauch. Die drei Kinder aber schon wesentlich öffentlicher. Zu einer Stunde der Kirchenmusik hatte die Feuchtwanger Kirchengemeinde eingeladen und rund 350 Zuhörer kamen zu einem Trompetenkonzert von Guiseppe Torelli mit „Trompetersohn“ Tobias sowie zu einer Bachkantate mit „Gesangssolistintochter“ Felicitas.

Derweil ließ unser Witwer sein Gelege wieder häufig im Stich, er gewann zunehmend Abstand zum Nest und orientierte sich auch das eine oder andere Mal in die Luft, um von dort nicht überrascht zu werden oder vielleicht doch eher eine neue Gefährtin zu ergattern. Mal sehen, welche Lösung eintritt? S


Morgendlicher Hausputz 


Feind in Sicht?

Bereit zum Abflug!
 
25. Apr. 05

Vor Schulbeginn erreichte mich eine Meldung, mit der ich, wenn ich ehrlich bin, nicht mehr gerechnet hatte. Ein Storch war gegen 7:30 Uhr tot entdeckt worden. Die Nachricht kam vom Leiter der Kläranlage der Stadt Dinkelsbühl. Diese Einrichtung zur Klärung der Abwässer der Stadt liegt nur etwa einen Kilometer vom Nest entfernt. Wenn sich da ein Storch aufgehalten hatte, dann konnte es eigentlich nur einer der Dinkelsbühler Störche sein und da blieb nur unser Weibchen übrig! Gegen 14 Uhr stand ich auf dem Gelände der Kläranlage.


Unglücksort von Norden

Unglücksort von Süden

Es ist wie die anderen Einrichtungen dieser Art gegen unbefugte Besucher mit einem Zaun komplett abgesichert. Heute am Morgen bereiteten Arbeiter einer mobilen Schlammentwässerungsfirma das Absaugen des Klärschlammes aus dem Schlammbeet der Kläranlage vor. Diese letzte Stufe des Klärprozesses findet in einem etwa 1500 m² großen Betonbecken statt, in dem sich der nicht mehr abbaubare Schlamm absetzt. Da dieser Schlamm nicht unerhebliche Anteile Wasser enthält, bildet sich auf dieser Schlammschicht, die zu Beginn der Absaugarbeiten etwa 1,50 m dick war, jeweils eine etwa 20 cm tiefe Wasserschicht. Kaum hatten die Arbeiter die Pumpen angeworfen und den Absaugschlauch ins Becken gelassen, stoppte die Pumpe, weil sämtliche Sicherungen herausgesprungen waren. Dies passiert in der Regel dann, wenn große Fremdkörper im Schlamm vorhanden sind und das Rohr der Pumpe verstopfen. Da dies für die Arbeiter keinen Ausnahmefall darstellte, zogen sie das Rohr aus dem Schlammbeet heraus und hatten schnell die Ursache für den Motorstopp erkannt. In der Öffnung des Rohres hatte sich ein Tierkadaver verkeilt, der einen weiteren Durchfluss des Schlamms nicht mehr gewährleistete. Es war ein Storch oder besser gesagt die beklagenswerten Reste eines solchen. Aus ähnlichen Becken wurden nach Aussage  der Schlammentwässerungsfirma schon häufiger Tierkadaver gezogen. Hunde, Katzen und Füchse sagten sich an diesen Gefahrenpunkten schon häufiger „Gute Nacht“. Auch im Dinkelsbühler Schlammbeet! Nun stand ich am Unglücksort und musste mir schon die eine oder andere Träne verstohlen aus den Augen wischen. Die Schlamm-Entsorger hatten die verbliebenen Teile unseres Weibchens am Beckenrand „ausgelegt“ und ich konnte sie mir in aller Ruhe betrachten.


Teilstorch 1

Teilstorch 2

Aus dem Klumpen Fleisch und Federn ragte wie ein Mahnmal ein rotes Storchenbein heraus. Über dem Intertarsalgelenk des linken Beins leuchtete, vom Klärschlamm befreit, der schmale Zooring.


Der Ringbeweis!

Das rechte Bein mit dem großen Ring der Vogelwarte Helgoland war abgetrennt und nicht mehr auffindbar, ebenso waren Kopf und große Teile des Halses durch den Ansaugdruck abgerissen und alles längst in der Schlammpresse unwiederbringlich verschwunden. Die Flügel waren ebenfalls abgerissen und bildeten den Hauptbestandteil eines zweiten Schlammklumpens. Kein Zweifel! Den Ring als Beweisstück für die endgültige Identität entfernte ich zum Schluss noch vom Restkörper und bat den Leiter des Klärwerkes die übrigen Teile zu entsorgen. Damit endete ein junges Storchenleben überaus dramatisch.


Das grausame Gesamtbild

Ich versuche nun, die Abläufe, die dem Tod vorausgingen, zu rekonstruieren.  Am späten Nachmittag oder am frühen Abend des 16. April 2005, spätestens so gegen 20 Uhr, befand sich unsere Störchin auf der Nahrungssuche im Bereich der Kläranlage am südlichen Stadtrand von Dinkelsbühl. Dieser Bereich ist für die „schnelle Mahlzeit“ bestens geeignet und es lohnt sich, auch mal schnell vor dem Dunkelwerden dort vorbei zu schauen. So tat es unser Weibchen an diesem Tag auch. Dabei schien sie das im Landeanflug auf die Wörnitzwiesen das feucht schimmernde Schlammbeet der Kläranlage entdeckt zu haben. Um diese Zeit des Wochenendes herrschte auf dem Gelände Ruhe und keine Störung war zu erwarten. Die Fläche mochte der unglücklichen Storchenfrau einen nahrungsreichen, noch nicht komplett bespannten Weiher vorgespiegelt haben, so wie es um diese Zeit in der Gegend um Dinkelsbühl häufiger anzutreffen ist. Es ist ferner anzunehmen, dass die Storchenfrau direkt im Schlammbeet landete und nicht vom Ufer aus drei Meter in die Tiefe glitt, umgibt doch ein massives Geländer die gesamte Anlage, so dass ein Storch nicht unter der Absperrung durchzuschlüpfen vermag. Kaum hatte die Störchin die Landung vollzogen, kämpfte sie bereits um ihr Leben. Statt einen festen Untergrund zu erwarten, geriet sie sofort in den wie Treibsand wirkenden 1,50 Meter tiefen Schlamm, der sie gnadenlos festhielt und mit jedem Flügelschlag, der sie eigentlich aus der zähen Masse hätte befreien sollen, geriet sie immer tiefer in den Höllendschlund. Obwohl ein viel befahrener und begangener Rad- und Fußweg unmittelbar am Schlammbeet vorbeiführt, bemerkte keiner der potentiellen Passanten etwas vom sich abzeichnenden Todeskampf des Storches. Vielleicht war auch die bereits hereinbrechende Dämmerung Schuld und keiner der Vorbeikommenden hatte auf Grund der Lichtverhältnisse eine Chance, den lautlosen Tod zu verhindern. Durch die heftige Gegenwehr der Störchin in der stinkenden, schwarzen Brühe dürfte ihr Gefieder bald nicht mehr von der Farbe des zähen Breies zu unterscheiden gewesen sein. Danach wurde es dunkel und der Überlebenskampf näherte sich seinem Ende. Mit den letzten Flügelschlägen und erlahmender Kraft versank sie immer mehr unter der dünnen Wasseroberfläche und wurde schließlich ganz in den Faulschlamm hineingezogen. Am nächsten Morgen hatte sich die Landestelle der Störchin längst wieder geschlossen und nichts deutete mehr auf einen kürzlich stattgefundenen Todeskampf hin. Als ich am nächsten Morgen meine Suchaktion startete, parkte ich mein Auto unter anderem auch auf dem zur Kläranlage gehörenden kleinen Parkplatz. Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade mal 20 Meter vom „Grab“ der Störchin entfernt. Aber niemand hatte eine Chance, die Katastrophe abzuwenden. Ich hoffe, dass ich niemanden mit meiner drastischen Schilderung der Ereignisse allzu sehr vor den Kopf gestoßen habe. Als meine Leser erwarten sie von mir – und das ist ein Prinzip unserer Website – dass Sie über alles aufgeklärt werden, auch wenn es manchmal weniger angenehm ist. Und dies war sicher heute der Fall. Wir müssen nun nach der Klärung des Falles nicht weiter im Dunkeln tappen und wissen die Störchin im siebten Storchenhimmel. Wenn es zu einer neuen Partnerschaft kommt, geschieht dies bestimmt mit voller Zustimmung der tapferen, jedoch vergeblich kämpfenden Storchenamazone.

Unser Solist hält nach wie vor am Nest fest. Das Interesse am Gelege hat er aber nun fast komplett verloren und man hat den Eindruck, dass er die ganze Sache sehr neutral sieht. Dieses Kapitel ist für ihn vorerst mal abgeschlossen.


Dieses Bild gibt es jetzt öfters!

Also auf zu neuen Taten! Katharina konnte einen schönen Schnappschuss beisteuern, der „Ihn“ auf Abwegen zeigt.


Auf Abwegen?

Oder war es vielleicht schon ein neuer Interessent?


Abendliche Rückkehr!

Wir kennen diese vorsichtigen Annäherungsversuche schon aus früheren Jahren. Es lohnt sich also weiter, intensiv durch unser Storchenangebot zu surfen und auch frühere Tagebuchjahrgänge intensiv zu lesen. Ihr Tagebuchschreiber legt Ihnen kostenlos das umfangreichste Kompendium, das je im Internet über Störche geschrieben wurde, zum Nulltarif vor. Wer mich widerlegt, bekommt einen wertvollen Buchpreis überreicht.

 
 

Noch zwei  kleine Hinweise in eigener Sache:

  • Da wir auch immer wieder Rückmeldungen von Kindern und Pädagogen bekommen, die unsere Website mit Interesse und Freude verfolgen, möchten wir auch auf die verschiedenen Angebote des Bund Naturschutz für Kinder und Jugendliche hinweisen.
    Informationen und Programme für den Landkreis Ansbach finden Sie hier:

Kinderzeit


  • Der Bund-Naturschutz interessiert sich natürlich nicht nur für Störche, sondern, wie sie sicher unseren übergeordneten Seiten schon entnommen haben, unter anderem für den Biber. Ganz aktuell zum Anhören und Download

Das Biberlied als MP3

in fränkischer Mundart gesungen von der Gruppe
Herrenholz

Weitergehende Informationen zum Biber finden Sie hier.

 

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Auch in der storchenlosen Winterzeit sind weitere Spenden eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum Erhalt der Webcam und zur Sicherung des Lebensraumes unserer Störche.

Thomas Ziegler

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