Storchenkamera
Storchentagebuch 2005
...was bisher geschah
Unterstützt durch
Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!
1905-2005 Rotary internat. 100 Jahre
Teil 3
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10. Apr. 05
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Es bleibt spannend. Unser Weibchen
lässt sich viel Zeit mit der Eiablage, aber dennoch
muss noch keiner an der Fruchtbarkeit der „Neuen“ zweifeln. Gerade
in der Frage, wie viel Zeit von der Ankunft des zweiten Storches bis
zum ersten Ei vergeht, ist die Variationsbreite riesig und
sie reicht von unter einer Woche bis zu mehreren Wochen. Nun sind es
gerade mal 13 Tage und es wird schon demnächst klappen.
Zumindest an unserem Nest ging es in den letzten Jahren etwas
zügiger. Aber wir werden es bestimmt noch erleben. Nach wie vor
fällt mir eines auf: Das Weibchen verbringt weit weniger
Zeit am Nest als sein Gemahl. Manchmal hat man sogar den
Eindruck, die Dame des Hauses meidet das Nest. Hat sie sich doch
einmal für eine mehr oder weniger lange Zeitspanne entschieden zu
bleiben, nutzt er den Freiraum zuerst für den weiteren Ausbau der
Behausung. Ich denke, dass sie sich intensiv auf die anstrengende
Zeit der Eiablage vorbereitet und da bedarf es schon einiger
Energiereserven und damit ein deutliches Mehr an Zeit zur
Futtersuche. Hat „Er“ gerade Innendienst und landet „Sie“ am Nest,
dauert es keine fünf Sekunden, bis es zur Kopulation kommt. Man muss
eben die Gunst der Stunde nutzen, wenn man etwas erreichen will.
Storchentanz am Morgen |
Nein! So geht das nicht! |
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11. Apr.05 |
Nun sind genau zwei Wochen um, seit die Braut
Einzug im Nest hielt. Ein Ei lag bis zum Einbruch der Dämmerung noch
nicht im Nest und das kann man ohne weiteres über die Kamera sehen,
ohne auf den Turm des benachbarten Münsters Sankt Georg zu steigen.
Eierloser Zustand
Dass häufig beide Partner abwechselnd im Nest
liegen – und das auch schon sehr ausdauernd – hängt zweifellos mit
der sich anbahnenden Umstellung der bisherigen
Lebensabläufe auf einen ganz neuen und zumindest für das
Weibchen mit großer Sicherheit erstmaligen Lebensabschnitt zusammen,
nämlich der Brut. Wenn das erste Ei im Nest
liegt, sollten es die Eltern auf keinen Fall über
längere Zeit unbeaufsichtigt lassen. Es geschieht in diesem
Stadium der Brut schon gelegentlich , dass sich beide Partner
trotzdem gleichzeitig vom Nest entfernen, sie sollten das aber nur
für ganz kurze Zeit tun. Hat die Brut einmal begonnen
– gebrütet wird so ab dem zweiten Ei intensiv – sollte es rund um
die Uhr garantiert sein, dass immer ein Storch am Nest
ist. Verlassen die Eltern in dieser Phase dennoch das Nest, muss
etwas Gravierendes vorgefallen sein und es besteht höchste Gefahr
für das Gelege. Auch die Art und Weise, wie sich die
Eltern zum Brüten in der Nestmulde niederlassen,
lässt mit ein wenig Übung erkennen, ob Eier im Nest
sind oder nicht. Man muss diese gar nicht selbst sehen und auch von
der Straße aus lässt sich dies erkennen.
Sind keine Eier im Nest, lassen sich die
Störche ziemlich schnell ins Nest plumpsen. Sie tun dies
nicht sehr vorsichtig und wenn man einmal liegt, dann hat
man auch wenig Veranlassung seine Position unablässig zu verändern.
Befinden sich aber Eier in der Nestmulde,
geschieht dieses Niederlassen ungemein vorsichtig.
Häufig wird die Abwärtsbewegung auf halber Strecke noch einmal
gestoppt und noch eine Runde mit gesenktem Kopf und weit auseinander
gestellten Beinen gedreht. Liegt man endlich, werden beide Flügel
mehrmals rechts und links abwechselnd eng an den Körper gepresst und
danach wieder leicht gelockert. Man hat den Eindruck, als
wolle der brütende Vogel die Eier unter sich in die
richtige Position rollen. Mehrmals in der Stunde erhebt
sich der Diensthabende, schaut aber nicht in der Gegend herum oder
betreibt Gefiederpflege, sondern blickt während dieser Zeit
unablässig in die Nestmulde. Zugleich stochert
er in dieser pausenlos herum, wirft ab und zu mit dem
Schnabel Gras aus dem Nest und verharrt dabei nicht an einem
Ort. Er verändert seine Position, trippelt mit
gesenktem Kopf ein wenig nach links und ein wenig nach rechts
und lässt sich erst wieder nach vielen Sekunden, so wie oben
beschrieben, auf den Eiern nieder.
Heute hat unser Webmaster eine
neue Umfrage gestartet, an der teilzunehmen ich Sie herzlichst
bitten darf. Damit sie es ein wenig leichter mit Ihrer
Entscheidung haben, möchte ich Ihnen einige Angaben aus
wissenschaftlichen Erhebungen zur Gelegegröße bekannt machen.
Ich beziehe mich dabei auf Volume 2, Number 2, August 1998, der
Zeitschrift BWP Update, dem Journal of Birds of the Western
Palaearctic. Dort sind auf S.92 wichtige, vor allem auch neuere
Erhebungen zur Gelegegröße von Weißstörchen angeführt. Demnach
schwankt die Gelegegröße von 1 bis 7 Eiern. In Estland
betrug die durchschnittliche Gelegegröße (n = 46) 3,91 Eier,
in Mecklenburg und der Altmark (n = 199) 3,94,
in Schleswig-Holstein (n = 102) 4,34, in der
Schweiz ( n = 85) 5,02. Im Falle der Schweiz, schreibt
der Verfasser Holger Schulz, müssen die Zahlen unter dem
Gesichtspunkt betrachtet werden, dass sie unter „semi-wild
conditions“ zustande kamen. Ferner kommt in der Arbeit zum Ausdruck,
dass Gelege, die zu einem frühen Termin während der
allgemeinen Brutzeit der Art gezeitigt wurden ( Ende März bis Mitte
April), im Durchschnitt größer sind als solche, die zu einem
späteren Termin vorliegen (Mitte April bis Mitte Mai). Ebenso spielt
das Alter der an der Brut beteiligten Tiere eine wichtige
Rolle. Nach den Daten des Schweizer Storchenvaters Max Bloesch
ergeben sich an Hand des bekannten Alters von 85 Männchen und 85
Weibchen folgende Zahlen. Vierjährige Störche hatten im Mittel 3,7
Eier pro Gelege, bei fünfjährigen betrug diese Zahl schon 4,1, bei
sechs Jahre alten Störchen 4,9 Eier, bei 7-9 Jahre alten 5,0, bei 10
bis 12-jährigen 5,2, bei 13-15-jährigen 5,4 und schließlich bei
16-21-jährigen 5,6 Eier pro Gelege. Sie sehen also, von wie
vielen Faktoren die Gelegegröße abhängig ist und dass
alles seine biologische Bedeutung besitzt. Nun sind Sie schon fast
ein „Gelegeexperte“ und können sicher die Umfrage nach bestem Wissen
und Gewissen beantworten. Ich denke, mit 4 Eiern liegen wir wohl
nicht schlecht (rein statistisch gesehen). Aus eigener Erfahrung
weiß ich aber, dass zum Beispiel die Mosbacher Störchin bereits als
zweijähriges Weibchen 6 Eier legte und mindestens in den zwei
Folgejahren ebenfalls 6. Lassen wir uns einfach überraschen.
Seit heute Nachmittag läuft für alle
Besucher der Stadt und für alle, die über keinen Internetanschluss
verfügen, die Funkübertragung aus dem Storchennest zu einem
Fernsehgerät im Schaufenster der Adler-Apotheke. Wenn
Sie sich einmal – so wie Katharina und Elisabeth und Helga und Peter
und Ulrich und.....- zu einem Besuch in der wunderschönen Stadt
Dinkelsbühl aufraffen können, müssten Sie also auch dort nicht auf
Live-Bilder verzichten. In der genannten Apotheke oder aber auch im
Schaufenster von Helmut Wilflings Modegeschäft können Sie dann
ebenfalls ihre Lieblinge aus nächster Nähe bewundern. Im
Stundenplan unseres Paares gab es heute keine Veränderungen.
Er war länger am Nest als „Sie“. Wenn er sie einmal zu Gesicht
bekam, tat er sofort seine Pflicht und sorgte dafür, dass mögliche
Eier nicht unbefruchtet bleiben. Er tat wieder etwas für den Ausbau
des Nestes, nur kurz ließ das Paar die kommende Kinderstube
unbeaufsichtigt, was einige Dohlen sofort zum Raub von Nistmaterial
nutzten.
Weiter fleißig beim Nestbau! |
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12. Apr. 05 |
Was lange währt, wird endlich gut! Am 15.
Tag nach der Paarbildung war es so weit! Frühaufsteher
entdeckten als erste das Ei mit Nummer 1 im Nest. Thomas
Joas, Ortsvorsitzender der Ortsgruppe Dinkelsbühl im Bund
Naturschutz gehörte sicher zu den ersten, die sich von diesem
Ereignis persönlich ein Bild machen und einen gelungenen
Schnappschuss beilegen konnten.
Kein Zweifel! Das 1.Ei!
Weitere Augenzeugen – Ihr Tagebuchschreiber
eingeschlossen – folgten in den nächsten Minuten und Stunden. Sehr
schön war zu erleben, wie sich die Einträge im Gästebuch
häuften und nach und nach viele Bekannte und Noch-Unbekannte
dort ihre Visitenkarte abgaben. Nach vielen Monaten der Abstinenz
oder Enthaltsamkeit erlebte unser altes Mitteilungsorgan
„Gästebuch“ eine wahre Renaissance, über die ich mich
besonders freute und deren weitere Blüte ich gerne noch ein Weilchen
genießen würde. Also nur Mut und fleißig schreiben! Es
gibt keine Kritik, wenn nicht jeder Beitrag gestochen
formuliert ist oder nur wenig zur Aufklärung bestimmter
wissenschaftlicher Sachverhalte beiträgt. Selbst Andersdenkende sind
in unserem Gästebuch jederzeit willkommen und werden nicht mit
„Idiot“ oder vergleichbaren Titulierungen abgekanzelt. Es gab
vorher – und dies wird im Gästebuch vermutet – mit Sicherheit
kein weiteres Ei. Das heutige ist und bleibt das erste seiner
Art in diesem Jahr in diesem Nest. Man braucht zugegebener
Maßen schon etwas Geduld, bis man einen eher kurzen Blick
auf das Prachtstück werfen kann. Große Mengen lockerer
„Nestbegrünung“ verdecken die meiste Zeit den „Erstling“.
Sicher ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass erneut der
Storchenmann die Hauptzeit am Nest verbringt und
das Ei auch die meiste Zeit bereits bebrütet.
Papa Storch mit dem Prachtstück!
Sie – und da wiederhole ich mich gerne – hat
abermals meist Ausgang und darf sich den Bauch voll schlagen.
Sie wird ja noch einige Male „eimäßig“ in Aktion treten müssen
(siehe Umfrage!). Wer meine gestrigen Ausführungen gelesen
hat, wird sicher die genannten Verhaltensweisen auch am
aktuellen Geschehen bestätigt sehen. Vergessen habe ich
natürlich gestern, dass sich beide Partner beim Brüten in
mehr oder weniger regelmäßigen Abständen ablösen und die
Geschlechter sich hierbei zu gleichen Teilen beteiligen. So ein
bis zwei Stunden dauert eine Schicht am Nest schon.
Längere „Arbeitszeiten“ sind aber auch keine große Seltenheit. Hat
man also frei, kann man sich die nächsten ein bis zwei Stunden zur
freien Verfügung halten. Ab und zu leistet man dann seinem Partner
etwas Gesellschaft am Nest und treibt Gefiederpflege, die längste
Zeit verbringt man jedoch in seinem Nahrungsgebiet, das im
Laufe des Jahres häufig wechselt und nicht mit dem des
Partners übereinstimmen muss.
Der Nestausbau geht weiter
Kaum war das erste Ei im Nest, gab es
auch schon die erste Horrormeldung auf dem Handy Ihres
Tagebuchschreibers. Dass ich während der Schulzeit und während des
Unterrichts Anrufe erhalte, ist schon höchst ungewöhnlich und
erfolgt in der Regel nur, wenn echte Notfälle auftreten. Ein solcher
schien sich ereignet zu haben. Beim Ortsvorsitzenden des Bund
Naturschutz in Dinkelsbühl war eine Meldung der
Polizeistation Dinkelsbühl eingegangen. Am Stauferwall, einer
viel befahrenen Verbindungsstraße von der Altstadt und allen
anderen Richtungen ins Industriegebiet, laufe ein
flugunfähiger Storch. Nachdem Adebar durch die Beamten aus dem
unmittelbaren Gefahrenbereich „Straße“ entfernt worden
war, sahen sie ihre Aufgabe damit als beendet an. Nun meldete man
den Vorfall der nächsten, verantwortlichen Instanz, dem Bund
Naturschutz. Nun ist es bei normalen berufstätigen Bürgern nicht
so ganz leicht von einer Minute auf die andere als Retter in der Not
zu fungieren. Trotzdem gelang es nach mehreren Telefonaten Alban
Baumhartner, den rasenden Reporter der Fränkischen
Landeszeitung, an den Ort des Geschehens zu beordern. Doch ehe das
hilfsbereite Redaktions-Urgestein in Erinnerung an Egon Kisch
am Ort des Geschehens eintraf, erging über unseren Webmaster
Wolfgang Horlacher Entwarnung. Seine Nachricht,
der zweite Storch sei soeben wieder im Nest gelandet, löste in mir
die aufgekommen Spannung und Sorge. Im Inneren hatte ich mir schon
eine ganze Reihe von Szenarien zurecht gelegt, die das
offensichtliche Problem lösen sollten. Da war schon
von Entnahme des Eies und der Hoffnung auf ein Erscheinen
eines neuen Partners die Rede, ebenso bestand die Möglichkeit noch
abzuwarten und vielleicht am nächsten Tag einzugreifen.
Voraussetzung für solche Maßnahmen wäre aber einzig und allein der
Tod oder eine schwere Verletzung des gestrandeten
Storches gewesen. Dies lag aber nun Gott sei Dank nicht mehr vor.
Der im Nest eingetroffene Storch und
offensichtlich der, der die ganze Dramatik verursacht hatte, war das
Männchen des Paares. Er wirkte, so die Beobachter an
den Computermonitoren, etwas zerzaust.
Wie nun unser Storchenmann in diese prekäre
Lage gekommen war, ist nicht mehr zu ermitteln. Augenzeugen des
Vorganges sind nicht bekannt. Ob es zu einer Kollision mit
einem Fahrzeug kam oder ob das Männchen freiwillig an der
„Unfallstelle“ landete, um Nistmaterial aufzunehmen und
unsere Polizisten in Sorge, der Storchenmann könne überfahren
werden, ihn vorsichtig zur Seite geleiteten, bleibt ungewiss.
Vielleicht kam es im Tiefflug zu einem riskanten
Ausweichmanöver, bei dem Meister Adebar die Kontrolle verlor und
eine Notlandung vollführte. Ein kurzer Schockzustand könnte dann die
nachfolgende Rettungsaktion eingeleitet haben. Fest stand allerdings
nach einer Nestinspektion über das Internet, dass der
Bruchpilot zumindest keine äußeren Verletzungen
davongetragen hatte, er flugfähig war und am Nest sofort ein
vollkommen normales Verhalten zeigte. Das bedeutete, dass er
mit seiner Partnerin den Platz tauschte, sich auf das vorhandene Ei
legte und absolut nichts mehr an einen möglichen Unfall erinnerte.
Geben wir uns damit zufrieden, dass die Geschichte für das
junge Glück noch einmal glimpflich abging. Das kleine
Vorkommnis zeigt aber deutlich, dass nicht nur
Freileitungen den Tod von Brutstörchen verursachen
können, sondern in immer stärkerem Maße auch der Straßenverkehr.
Gerade der immense Ausbau von Umgehungsstraßen, der an
Storchenorten gerade die besten Nahrungsgebiete der Störche
tangiert oder durchschneidet, birgt für dort landende oder
wieder startende Großvögel nicht selten eine tödliche Gefahr. Die
hohe Geschwindigkeit, die auf solchen Trassen erreicht wird,
machen das richtige Einschätzen der Entfernung des Fahrzeuges
schwierig. Vor allem die Lastkraftwagen verursachen die
meisten tödlichen Unfälle, in die Störche verwickelt sind.
Die Höhe solcher Fahrzeuge wird oft von Störchen
unterschätzt. Wenn Adebar die Straße niedrig überquert, kann er
einem PKW durch eine schnelle Reaktion noch entkommen, bei einem LKW
mit 3 Metern Höhe fehlen oft die entscheidenden Zentimeter. Machen
Sie sich also um unser Männchen keine Sorgen mehr. Ihm
geht es soweit gut, dass er seine Pflichten weiter erfüllen kann. Ob
er nun wirklich einen Unfall hatte oder nicht, kann nicht mit
Bestimmtheit gesagt werden. Fest steht nur, dass ein Storch in
wenigen hundert Metern Entfernung zum Nest auf der Straße laufend
vorgefunden wurde.
Nachdem das erste Ei gelegt ist, darf man
natürlich mit weiteren Eiern rechnen. Sicher ist das aber
nicht. Die durchschnittliche Eizahl in einem Gelege beträgt so um
die 4. Es können mehr, aber auch weniger sein. Auch Gelege mit nur
einem Ei kommen gelegentlich vor. Nun darf ich Sie noch über einen
weiteren Sachverhalt aufklären, der im Zusammenhang mit der Eiablage
steht. Störche legen im Gegensatz zu den meisten kleineren
Vögeln nicht jeden Tag ein Ei, sondern nur alle zwei Tage.
Dieser Abstand ist ziemlich gesichert, auch wenn mir schon über die
Ablage zweier Eier innerhalb zweier Tage berichtet wurde. Am
Donnerstagmorgen sollte, wenn alles nach Plan läuft, das
zweite Ei im Nest liegen, am Samstag das dritte, am Montag das
vierte, am Mittwoch das fünfte und so weiter. Deshalb ergeht ein
dringender Appell an alle: Donnerstag im Morgengrauen nach dem
zweiten Ei Ausschau halten! |
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13. Apr. 05 |
Der erste Brückentag zwischen der
Ablage des ersten und eines möglichen zweiten Eies. Dass
Störche ihr Gelege frühestens ab dem zweiten Ei so richtig bebrüten,
bestätigt unser Paar in keiner Weise. Von dieser Meinung, die ich
früher in vielen Vorträgen zum besten gegeben habe musste ich mich
allerdings schon vor längerer Zeit verabschieden. Eher die Regel
ist es da schon – so wie es unser Paar vorexerziert - dass auch
schon beim ersten Ei im Nest richtig gebrütet wird.
Ich konnte keine Situation entdecken, in der das Nest einen Moment
unbeaufsichtigt war, sondern im Gegenteil gab es Ablösungen
und danach klassische Abflüge des Storches ins
Nahrungsgebiet, der seine Schicht gerade beendet hatte. Zeiten, in
denen das Paar gemeinsam am Nest beobachtet werden konnte,
hielten sich in engen Grenzen. Auch heute widmete sich der
jeweilige „Dienst-Habende“ intensiv dem Einzelstück im Nest. Wer von
Ihnen Geduld mitgebracht hatte, konnte mit etwas Glück
beim Wenden des Eies oder beim Auflockern und
Zurechtrichten des Nestinnenraumes kurze Blicke auf das Ei
werfen. Bei der nächsten Bildaktualisierung war außer dem
reichlich eingetragenen Polstermaterial dann aber auch schon wieder
das Ende der Fahnenstange erreicht und das Warten ging von vorne
los.
Ein bisschen weniger Polsterung wäre uns auch lieb!
Manche vermuten, dass es im letzten
Jahr mit der Sichtbarkeit der Eier etwas besser
bestellt war. Ich kann diesen Eindruck im Grunde nicht
bestätigen. Auch damals gab es tote Winkel und wenn das
Erstei gerade in diese Zone des Nestes kullert, kann es schon eine
Weile dauern, bis einer der Eigentümer es im Laufe der Zeit beim
Wenden in den sichtbaren Bereich transportiert. Mit fortschreitender
Brutzeit – vor allem dann, wenn das Gelege vollzählig ist – wird
sich die Sichtbarkeit sicher verbessern und häufigere Blicke auf die
Fortpflanzungsprodukte freigeben.
Idylle! |
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14. Apr. 05 |
Das Paar hält sich an die Regel!
Nach Ablage des ersten Eies folgt im Abstand von 48
Stunden das Zweitei. Und so kam es. Auch wenn es mir vor
dem Gang in die Schule nicht mehr gelang, den Blick auf das zweite
Ei zu erhaschen, taten dies erneut andere. Deshalb darf ich Sie,
liebe Leser, abermals bitten, mir im Zweifelsfall besonders
gelungene Schnappschüsse – und da zähle ich gerade die, die
das vermeintlich komplette Gelege zeigen -
per E-Mail
zuzuschicken. Damit bieten Sie die Gewähr, eine umfassende
Dokumentation der Ereignisse zu gewährleisten. Bei Bedarf werde
ich diese ins Tagebuch mit übernehmen. So wie es mit dem
folgenden Schnappschuss geschieht, der abermals von Thomas
Joas, dem Ortsvorsitzenden des Bund Naturschutz, eingesandt
wurde und die beiden Eier in vorzüglicher Weise
abbildet.
Da hätten wir bereits ein 2er-Gelege!
Allerdings trübte auch heute das erneut angewachsene
Polstermaterial freie Blicke in die Nestmulde. Das Männchen
reduzierte heute erstmals seine Präsenz am Nest und überließ
vielfach dem Weibchen die Hausarbeit.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Er tat sich dagegen an der Beschaffung von Nistmaterial aller Art
gütlich, so dass neben dem Innenausbau auch die
„Außenhaut“ einen kräftigen Bauschub erfuhr.
„Er“ in seinem Element!
Beim stehenden Vogel ist es nun wahrlich keine
Schwierigkeit, Männchen und Weibchen auseinander zu
halten. Als versierte Leser wissen Sie, dass „Sie“ über dem
Intertarsalgelenk (für Nicht-Wissenschaftler sieht dieses Gelenk aus
wie das Knie des Vogels) am rechten Bein einen Ring der Vogelwarte
Helgoland trägt, am linken Bein an gleicher Stelle einen schmäleren
Ring des Zoos in Rheine. Aber selbst beim liegenden Weibchen lassen
sich Besonderheiten herausfiltern: Einmal wirkt ihr gesamtes weißes
Federkleid ein wenig vergilbt, es hat nicht ganz das strahlende Weiß
seines Partners. Und am auffälligsten ist, dass sich, wenn sie im
Nest liegt und vom Betrachter aus nach rechts blickt (für
Eingeweihte also Richtung Münster Sankt Georg!), auf der rechten
Halsseite beginnend über den Hinterkopf bis in Höhe des
Auges ein dunkelgrauer Streifen zieht. Dies bedeutet
sicher nichts Schlimmes, mag aber zur Unterscheidung im Moment ein
wenig hilfreich sein. Als Fazit bleibt: Es sind zwei Eier im
Nest. Er baut an Außen- und Inneneinrichtung. Es wird konsequent
gebrütet. Das Nest bleibt keine Sekunde unbesetzt. Ablösungen
erfolgen. Die Familie ist gegen 20 Uhr oder kurz danach zur
Übernachtung vereint. Spätestes Eintreffen des zweiten Storchs
am 10. April um 20 Uhr 22. Wer also um diese Jahreszeit sicher
beide Störche im Nest beobachten will, soll sich in etwa die
Zeit der einsetzenden Dämmerung freihalten. Störche fliegen
ab einer gewissen Luxzahl nicht mehr freiwillig in der Gegend herum.
Bei Vollmond und in Gefahrensituationen verlassen sie jedoch
gelegentlich auch bei Dunkelheit das Nest. Dies sollte im Augenblick
aber nicht vorkommen. Merke! Beide Störche sind, wenn es dunkel wird
und ist immer im Nest. Später, wenn Junge im Nest sind, verbringt
gerne einer die Nacht auf einem Gebäude oder einem anderen erhöhten
Punkt in der Nähe. Sind die Jungen schon groß, verfahren beide nach
dieser Devise. Aber davon gibt es sicher, wenn es so weit ist, noch
ausführlich zu berichten. |
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15. Apr. 05 |
Nicht nur das herrliche Wetter lässt die
Stimmung in mir steigen, auch die Vorgänge am
Nest können dafür verantwortlich sein. So beobachtete
ich ein harmonisches Paar, das alles so tat wie es
nach Lehrbuch auch vorgesehen ist. Der Schreck vom 13.
April ist verflogen und von möglichen „Unfallfolgen“ unseres
tapferen Männchens ist und war nichts zu spüren.
Morgenlicht leuchtet
Das Weibchen zeigt seine Ringe |
Vorsichtiges Wenden der Eier |
Ein Gang durch die verschiedenen
Storchenwebcams soll heute eine kleine Zwischenbilanz
vorlegen. Die Ankunft des ersten Storches im Nest in
Vetschau konnte verkündet werden. Es hat lange gedauert, aber
solche Ankunftszeiten sind für Ostzieher keineswegs
ungewöhnlich und erst durch die Einblicke in andere
Kameranester, die vor allem auf dem Gebiet der Westzieher zu finden
sind, werden viele Freunde schnell verwöhnt. Freuen wir uns
doch über jeden besetzten Horst und genießen die Vorgänge
in aller Ruhe und Gelassenheit.
Das „Kamera-Trio“ aus der Pfalz (http://www.pfalzstorch.de/index.html)
verkündet schon seit Wochen „volles Haus“. In allen drei
Nestern wird auf großen Gelegen gebrütet. In zwei
Nestern in Bornheim wird jeweils ein Fünfergelege bebrütet,
im benachbarten Rieschweiler-Mühlbach sogar eines mit sechs
Eiern. Ich darf sie an unsere Umfrage erinnern, Die
meisten Abstimmer waren bisher nicht sehr mutig. Rund 70%
entschieden sich für eine Gelegegröße von 3 oder 4 Eiern bei
unserem Weibchen. Das ist auch genug! Ich sehe schon die Bilder und
höre die Aufschreie vieler Storchengucker, wenn in der Pfalz
das große Sterben beginnt und aus den 16 Eiern in den
Kameranestern weniger als 16 Junge ausfliegen. Man wird natürlich
durch kräftiges Zufüttern – die Zuchtstationen sind ja zu Füßen der
Nester vorhanden (Storchenscheune) – das Schlimmste verhindern, aber
dennoch wird es zu Todesfällen kommen, es sei denn, man entnimmt
in jedem Fall das komplette Gelege aus den Nestern und
brütet die Eier in einem Brutapparat aus uns zieht die
Jungen von Hand auf (Haustierhaltung!).
In diesem Zusammenhang, und damit komme ich bei
meinem Rundgang ins schöne Frankenland, kam mir ein
Schnappschuss aus Erlangen (http://www.steinbach-braeu.de/webcam/webcam.htm)
in die Hände. Das Bild muss als echt gelungen bezeichnet werden
und entstand zur besten Kamerazeit an diesem Nest, am späten
Nachmittag. Sie finden den Schnappschuss im Archiv der Webcam unter
http://jabaru.dyndns.org/pics/archiv/2005/04/15/.index6.html.
Schon seit Wochen hat sich auf dem Kamin der Steinbach-Bräu
in der Universitätsstadt ein Storchenpaar eingefunden. Doch heute
tauchte just zur genannten Zeit der Korb einer
Feuerwehrdrehleiter am Nest auf. Ungewöhnlich, dachte ich mir!
Zum Beringen der Jungen ist es doch entschieden zu früh! Alle
anderen Aktionen an besetzten Storchennestern sind laut
Naturschutzrecht strengstens verboten, es sei denn es kommt zum
Verlust eines Brutstorches. Doch da erkannte ich meinen alten Freund
Michael Zimmermann in voller Größe. Was hatte er wohl
vor? Was waren die Gründe für seinen spontanen Feuerwehreinsatz?
Nach zwei Minuten war der Spuk wieder vorbei und statt des
Storchenschützers wurde man eines leibhaftigen, allerdings
verstörten Storches gewahr. Wird sich das Rätsel lösen lassen? Wird
jemand diesen Eintrag an Zimmermanns Sprachrohre weiter leiten? War
der Storchenschützer vielleicht gar auf einer kleinen
Feuerwehr-Rundreise? Wurden mögliche Eier entfernt? Sie sehen,
welche Gedanken sich Ihr Tagebuchschreiber macht? Man fiebert
eben auch an anderen Nestern mit und zu dieser Zeit ganz ohne
Regen hätte ich wahrlich nicht mit dem Erscheinen einer großen
Leitfigur in Sachen Storchenschutz gerechnet. Also bitte eine
kurze Erklärung zu diesem Geschehen, so wie auf unserer Website
seit 4 Jahren jedes Detail angesprochen und jede Besonderheit am
Nest ausführlich behandelt und diskutiert wird. Wir wollen doch
nicht, dass andere Personen – vielleicht zum Zwecke des
Fotografierens – mögliche Bruten aufs Spiel setzen (dazu gibt es
leider auch schon Beispiele!).
In Höchstadt (http://www.storchennest-hoechstadt.de/Live-Cam/live-cam.html)
bahnt sich auch Kurioses an! Die beiden Partner des dortigen
Paares haben inzwischen 4 Eier gelegt, sich aber den Luxus
erlaubt, das Nest des Vorjahres komplett zu
übernehmen und außer einer minimalen Auflage an Altgras auf
jeglichen Nestbau zu verzichten. Unerfahrenheit? Liegt
die Ursache in der Herkunft der Störche? Beide sind beringt. Sie
sehen: Auch an diesem Nest wird eine Chance vertan, die treuen Seher
über die Hintergründe des merkwürdigen Verhaltens aufzuklären. Für
eine erfolgreiche Brut besteht auf Grund der Beobachtung höchste
Gefahr. Es wäre zu schön, wenn es trotz des ungewöhnlichen
Verhaltens Nachwuchs groß würde.
In Isny (http://www.isny.tv)
haben die beiden Störche auch die Unbilden der Witterung gut
überstanden, doch wird es den Störchen nur dann gelingen, Junge groß
zu ziehen, wenn die sich Regenmengen und Kaltlufteinbrüche
nicht allzu dramatisch entwickeln. Die extreme Höhenlage des
Brutortes mit 700 Metern über dem Meeresspiegel, bedeutet einen
Pionierstandort für diese Vogelart und kann jederzeit wieder
aufgegeben werden. Aber da in Isny ja im Sommer und im
Winter auch gefüttert wird, wird es schon irgendwie
klappen.
Schauen wir nach Freistadt in
Oberösterreich (http://www.elektro-pachner.at/seiten/storch-bild.html).
Da hat sich die Dame „Laura“ wohl endgültig verabschiedet und ihren
gepolsterten und gewärmten Wohnsitz verlassen. Vielleicht genießt
sie an anderem Ort die Freiheit und natürliches Futter oder sie ist
einfach aus Gram über so viel Tierliebe eines natürlichen Todes
gestorben.
Kommen wir nach Karlruhe (http://www.karlsruhe.de/Zoo/Webcam/index.php).
Das dortige Nest auf dem Verwaltungsgebäude des Zoos ist wieder
besetzt und das Paar hat mit einem Fünfergelege seine Pflicht
voll erfüllt. Gefressen wird häufig im Zoo und wenn man die Jungen
einigermaßen durchgefüttert hat, kommt wieder der böse Mann und holt
die Jungen aus dem Nest, damit sie nicht beim Ausfliegen von den
Autos überfahren werden (unter dem Nest führt eine Straße vorbei!).
Dann kommen sie in die Pfalz und dürfen die dortigen Verhältnisse
kennen lernen Bornheim!).
Der Zoo in Görlitz (http://www.tierpark-goerlitz.de/webcam.htm) meldete
vor ein paar Tagen ebenfalls die Ankunft des ersten Kamerastorches.
Seitdem hat sich nichts mehr getan. Der Einzelgänger ward nicht mehr
gesehen.
Und schließlich blicke ich für den ersten Teil
meines Rundganges noch nach Warmenau (http://www.wolfsburg.de/verwaltung/buergerdienste/umweltamt/storchencam),
einem Ortsteil der Stadt Wolfsburg. Das dortige Paar bebrütet zur
Zeit 4 Eier. |
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16. Apr. 05 |
Alles läuft wie geschmiert! Pünktlich zu
Tagesbeginn präsentiert unsere Paar Ei Nummer 3! Als
Beleg sollen die folgenden Schnappschüsse herhalten, für
deren Entstehung entweder unverschämt viel Glück oder aber sehr viel
Geduld nötig war. Die Fülle des Polstermaterial lässt nur
gelegentlich einen ungetrübten Blick auf das Gelege zu.
Kein Zweifel! Es sind drei Eier!
Auch der Samstag entwickelte sich zu
einem strahlenden Tag, der viel Wärme brachte und ein
weiches Licht über Nest und Stadt legte. Das Paar löste sich
beim Brüten wie gewohnt ab und Papa Storch nutzte jede
Gelegenheit – meist sofort nach der Landung seines Weibchens am Nest
– zu einer schnellen, nichts desto trotz aber gekonnten
Kopula. Doch als ich mit beginnender Dämmerung abermals
meinen Schreibtisch als Beobachtungsposten bezog, wurde ich
lange auf die Folter gespannt. Obwohl es schon fast
Nacht war, war kein zweiter Storch am Nest erschienen.
Wie ich Ihnen vor kurzem schon ausführlich geschildert habe,
verbringen Störche die Nächte vor der Brut, während
der Brut und bei Beginn der Jungenaufzucht gemeinsam im Nest.
Später und in Ausnahmefällen kommt es dann aber schon vor, dass
einer oder beide Partner in der Nacht auf einem erhöhten Schlafplatz
(Gebäude) zubringen. Es wurde immer dunkler und in mir kamen
die schlimmsten Befürchtungen hoch. Immer noch war der zweite
Storch nicht eingetroffen. Immer wieder verglich ich den Grad der
Dunkelheit bei mir zu Hause mit dem Bild des Dinkelsbühler
Storchennestes. Immer unwahrscheinlicher erschien es mir, dass ein
Storch bei diesen Lichtverhältnissen noch sein Nest ansteuern
könnte. Als ich die Hoffnung auf sein Erscheinen
aufgegeben hatte, brach für mich eine große Welt
zusammen. Warum sollte uns auch diesmal schwerer Kummer nicht
erspart bleiben? War dem verschollenen Storch etwas
zugestoßen? Ich ergriff den letzten Strohhalm und
erhoffte mir von einer schnellen Fahrt nach Dinkelsbühl doch noch
eine Wende des sich anbahnenden Dramas. Es war mir wegen der
schlechten Lichtverhältnisse nicht gelungen, zu erkennen, ob
es das Weibchen oder das Männchen war, das jetzt vermisst
wurde. Vielleicht sitzt er oder sie, von der Kamera nicht
erfasst, auf einem Gebäude in der Nähe des alten
Rathauses. Fünfzehn Minuten später hatte ich den Platz an der
Bleiche in der Wörnitzstadt erreicht. Von dort hat man einen
guten Blick auf Rathaus und benachbarte Dächer. Da sah
ich doch tatsächlich etwas Weißes im Scheinwerferlicht
aufleuchten. Ich dachte schon, dass ich erlöst sei und mir keine
Sorgen mehr zu machen brauchte, denn das Leuchten kam direkt
vom Kamin hinter dem Nest. Also doch! Da sitzt der vermisste
Schlingel! Um ganz sicher zu gehen, fuhr ich noch in die Altstadt
und hielt am alten Rathaus ein weiteres Mal an. Ich hatte
mich aus der Ferne täuschen lassen! Ich hatte es mir so
sehr gewünscht und erhofft! Doch das Leuchten ging nur vom
Metallgehäuse der Kamera aus! Vom Vermissten keine Spur,
auch nicht in der Umgebung des Nestes. Nun wurde es mir immer
klarer! Einer war nicht zurückgekehrt und wird nicht mehr
zurückkehren. Was aber war wohl passiert? Nach dem
Schreck vom Donnerstag mit der Turbulenz um unser Männchen kam mir
natürlich sofort erneut ein Unfall im Straßenverkehr
in den Sinn. Aber hätte man da nicht jemanden verständigt, so dass
auch an mich eine Meldung ergangen wäre? Der letzte Schnappschuss,
der in meinen Aufzeichnungen das Paar komplett zeigt,
entstand am frühen Nachmittag um 14:09 Uhr.
Der letzte Schnappschuss??
Danach gibt es keine Bildbelege
und ich kann auch sonst nicht sagen, ob später noch beide Störche im
Nest gesehen wurden. Folglich liegt der Zeitpunkt des
Verschwindens nach 14:09 Uhr. Auch ein Stromtod käme in
Frage, doch sind mir solche Meldungen von erwachsenen Störchen in
den letzten Jahren nur selten begegnet. Man muss aber auch diese
Möglichkeit ins Kalkül ziehen. Das Spektrum reicht aber noch viel
weiter und so dachte ich im ersten Augenblick auch an eine
Vergiftung, an Abschuss oder einen Tod, der durch
Witterungseinflüsse hervorgerufen wurde. Doch bei klarem Himmel und
kein Gewitter weit und breit? Hat sich der Storch irgendwo
verfangen, ist er in eine Falle getreten und kämpft er jetzt
um sein Überleben? Dass Störche ihren Partner während der Eiablage
sitzen lassen, halte ich dagegen für höchst unwahrscheinlich, man
muss aber auch diese Möglichkeit im Auge behalten, denn nach den
Erfahrungen des vergangenen Jahres kann auch ein solcher
Vorfall nicht ganz ausgeschlossen werden. Damals gab es aber mit den
Kämpfen und dem Verlust des Geleges einen
erklärbaren Anlass. Ein solcher fehlt aber im vorliegenden Fall. Ich
hatte nach meiner Rückkehr nach Feuchtwangen keine Lust, noch irgend
etwas zu unternehmen. Reichlich sprachlos und entsetzt, hoffte ich
immer noch auf eine glückliche Wende. |
|
17. Apr. 05 |
Selten habe ich meinen PC mit so viel
Unbehagen hochgefahren wie an diesem Sonntagmorgen. Als das
Nest in der Morgensonne erschien, sah ich zunächst das
gewohnte Bild. Ein Storch lag im Nest und
brütete. Ich weiß nicht, wem von Ihnen da irgend etwas
aufgefallen wäre, wenn Ihr Tagebuchschreiber nicht schon am
Abend vorher seine Beobachtung vom verlorenen Storch
im Gästebuch veröffentlicht hätte. Wenn es schon bei laufender
Kamera kaum bemerkt wird, wenn ein Storch verschwindet, wer
bemerkt dann schon ohne Kameraeinblick etwas von den Vorfällen.
Selbst erfahrene Horstbetreuer sind da nicht selten
überfordert und bemerken Auffälliges erst dann, wenn schon
einige Tage verstrichen sind oder sie bemerken es überhaupt nicht.
Ob es Sie tröstet, wenn ich behaupte, dass an zahlreichen Nestern
solches wie bei uns passiert, ohne dass irgend jemand die kleinste
Notiz davon nimmt. Es heißt dann später nur, dass das Paar keinen
Bruterfolg hatte. Und wer achtet von all den fleißigen Männern
und Frauen schon darauf, ob einer der Störche beringt
ist? Und wer unterzieht sich letztlich der Knochenarbeit,
einen Ring abzulesen? Davon gibt es in Deutschland nur ganz
wenige, die das konsequent betreiben und somit viel zur Aufklärung
noch offener Fragen im Storchenschutz beitragen. Ich wartete
an diesem Morgen also gespannt, bis sich unser
Storch zum Wenden der Eier erheben würde. Nach wenigen
Minuten tat er es. Er trug keinen Ring!
Papa ist allein zu Hause!
Also ist es das Weibchen, das in
der vergangenen Nacht nicht mehr am Nest
aufgetaucht war, denn sonst müsste der Storch im Nest an beiden
Beinen einen Ring tragen. Als ich dies ermittelt hatte, begab ich
mich abermals nach Dinkelsbühl, um nach der Störchin zu
suchen. Ich dachte sofort an die Ereignisse des letzten Jahres,
als „Sie“ ebenfalls Hals über Kopf verschwand und erst heuer wieder
8 Kilometer vom Vorjahresnest entfernt als Brutstorch abermals
auftauchte. Da es sich bei unserer diesjährigen Storchenfrau
ebenso wie im letzten Jahr um einen im Zoo geborenen Storch
handelte, hoffte ich, bei meiner Suche keine Spur zu
finden und ein ähnliches Verhalten, wie bereits einmal
erlebt, zu erwarten. Dass ich mir dabei das „schreckliche“ Wort
Zoogewächs für einen Storch, der im Zoo geboren und aufgewachsen
ist, anmaßte, führte schließlich zu üblen Beschimpfungen
einiger weniger Besucher unserer Website. Für sie bedeutet
eben ein in einem Käfig eingesperrter, mit artfremdem
Futter gepeinigter und am Fliegen durch Beschneiden der
Armschwingen gehinderter Brutstorch das höchste Glück
auf Erden. Ich habe dazu im Gästebuch noch keinen Protestschrei
derer gehört, die sich jetzt über mein „Zoogewächs“ aufregen, wenn
der Tierpfleger mit einer Gartenschere alljährlich den
armen Störchen durchs Gefieder pflügt. Und hat man mal
zuviel von den üblen Störchen (selbst das Geld für die
Eintagsküken will man sparen!), dann werden sie als Tauschvieh
gehandelt. Da wechselt schon mal ein bedauernswerter Storch
von einem Freizeitpark oder wie die Dinger sonst noch heißen in
einen anderen. Der Betreiber erhält für ein Dutzend Störche im
Gegenzug möglicherweise einen Springbock. Der Phantasie sind da
keine Grenzen gesetzt. Und wenn das mit dem Tauschen einmal
nicht klappt, werden solche bedauernswerten Zoogewächse
einfach an die immer hungrigen Löwen verfüttert. Da kann die Devise
wirklich nur heißen: Freiheit für alle Zoostörche! Die
Eltern unserer vermissten Lady werden weiterhin am
Fliegen gehindert, mit artfremdem Futter gefüttert und regelmäßig
mit der Heckenschere zurecht gestutzt. Und da finden sich
doch im Ernst immer noch Personen, die diesen Unfug
sogar noch unterstützen und dem Tagebuchschreiber
Verachtung der Kreatur vorwerfen. Wer einen Storchenpflegling in
einen Zoo einliefert, muss immer damit rechnen, dass man
Schindluder mit ihm treibt. Er wird halt nach der Gesundung
nicht mehr freigelassen und nur noch als Schauobjekt oder – und das
lässt sich dann immer schlecht nachprüfen – als Tauschobjekt
missbraucht. Da heißt es, wenn man nachfragt: Er war doch sehr
schwer verletzt und musste eingeschläfert werden. In Wirklichkeit
fristet er eben einige hundert Kilometer entfernt ein Dasein wie
oben beschrieben, begründet vielleicht später eine Familie und hat
sogar reichlich Nachwuchs. Statt Zoogewächs müsste man zu solchen
Nachkommen lieber noch „arme Schweine“ sagen. Jeder
Zoostorch, der an einem der Nester auftaucht, ist
einer zuviel! Wie gehofft, fand ich keine Spur. Ich suchte von
Lehengütingen bis Dieterstetten, an den Weihergebieten um Tiefweg
und Neustädtlein ebenso wie an den Teichen im Westen der Stadt. War
sie mit einem Auto kollidiert? Unwahrscheinlich! Das
hätte man gemeldet Und Laster – von denen geht die größere Gefahr
aus – fahren am Wochenende kaum. Leitungsanflug oder Stromtod?
Halte ich ebenfalls für ziemlich unwahrscheinlich. Kaum einem
Altstorch passiert so eine Geschichte und außerdem sind die
gefährlichen Stellen alle abgesichert. Falle und Vergiftung?
Sicher wären diese Möglichkeiten echte Unglücksfälle, aber eine
Bisamfalle kann schon ein Bein schwer verletzen
und es gibt auch noch gefährlichere Fallentypen. Vergiftung?
Vor 9 Jahren lag schon mal ein toter Brutstorch aus Dinkelsbühl in
einer Wiese. Todesursache unbekannt. Vor 28 Jahren ertrank
ein Storch am Stadtrand von Dinkelsbühl, nachdem er sich in einem
Weihergebiet beim Beutestoß in einem Netz verfing, das den Teich
gegen ungebetene Gäste absichern sollte. Fest steht zum
gegenwärtigen Zeitpunkt, dass einer der Dinkelsbühler Brutstörche –
eben das besagte Weibchen aus dem Zoo Rheine – überfällig ist. Dass
es in einem Zoo geboren wurde, ist noch nicht strafbar und dafür
kann man die Unglückliche natürlich nicht haftbar machen. Jedoch
soll nicht verschwiegen werden, dass eine Zoohaltung – und
die ist erforderlich, wenn man Nachwuchs erzielen will – für die
Kreatur Storch und für alle anderen Insassen
„menschenunwürdig“ ist. Nun kenne ich meine Pappenheimer (es
sind nicht die vielen Tausend Besucher der Website und die nach
Tausenden zählenden Leser des Tagebuches, sondern eine kleine Gruppe
von Jüngerinnen eines Gurus), die wie Hyänen mit Schaum vor dem
Mund auf diese Situation gewartet haben und sich ins Fäustchen
gelacht haben, als sie von unserem Unglück hörten. Die Entrüstung
war aufgesetzt und verlogen. Die Tiefschläge in unserem
Gästebuch offenbarten endlich einmal ihre Gesinnung
und ihr nur auf Streit ausgerichtetes Getöse. Aber noch viel
stärker verliefen die Entgleisungen in anderen
Gästebüchern, wohin sich die Jüngerschar verzieht und intern weiter
Unrat verbreitet, wenn sie sich bei uns so richtig ausgekotzt hat.
Umgekehrt findet eine solche Verunglimpfung auf fremdem Terrain
nicht statt. Ich gestehe, dass ich dem Druck beinahe
erlegen wäre. Aber der Großteil der Schreiber hat mich
dann doch wieder zurückkehren lassen zu meiner Linie, die ich
nach wie vor – im Einklang mit allen Naturschutzverbänden –
vertrete.
Wie geht es also weiter:
1. Der Storchenmann handelt nicht
vernunftgesteuert und meint vielleicht: „Wo bleibt meine Gemahlin
denn? Ist ihr vielleicht etwas passiert? Was soll ich mit den Eiern
machen?" Was jetzt abläuft ist ein angeborener
Verhaltensmechanismus, der lautet: Im Nest liegen Eier. Da musst
du so lange deinen Brutpflegetrieb ausüben, bis die Ablösung kommt.
Also wird das Programm abgespult, nur mit der einen Ausnahme, dass
keine Ablösung kommt. Dies weiß aber Papa Storch im Gegensatz zu uns
leider nicht. Er harrt also aus.
2. Nach einer individuell sicher
unterschiedlich langen Zeitspanne meldet das Gehirn des Brüters:
Ich bekomme Hunger. Diese Meldung kollidiert nun mit der
Information „Brut“. Beide Meldungen kämpfen nun so lange
miteinander, bis schließlich der Hunger die Brutmeldung besiegt hat.
Der Storchenmann verlässt zum ersten Mal das Nest.
Zuerst wird er nur kurze Zeit unterwegs sein, dann aber auch
länger. Energiereserven müssen wieder aufgefrischt werden.
Dass Störche auch 14 Tage ohne Fressen und Trinken auskommen,
habe ich schon öfters im Tagebuch beschrieben. Heute sind es mal
24 Stunden und das ist mit Sicherheit überhaupt kein Problem.
Fazit: Papa Storch ist nicht in Lebensgefahr!
3. Was machen wir mit Mama Storch? Der
ist im Moment nicht zu helfen. Finden wir sie lebend, wird
alles getan, ihr zu helfen und ihr die beste Pflege
zukommen zu lassen.
4. Was passiert mit den Eiern? Und hier
hatte ich kurzfristig die einzigen Bedenken und hatte auch schon die
Feuerwehr angerufen, aber nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, kam
ich wieder zur Besinnung. So lange Papa die Eier bebrütet,
entwickeln sich in ihnen die winzigen Embryonen weiter. Beim
ersten Ei nach 4 Tagen Brut ist dieser etwas größer, beim zweiten
und dritten Ei kann man den Embryo noch vernachlässigen, dennoch
befindet sich in jedem Ei bereits Leben. Bleibt die Situation
so wie sie ist, sind die Eier und mit ihnen potentielle Störche dem
Tode geweiht. Erste Möglichkeit: Sofort mit der Feuerwehr die
Eier evakuieren, in einen Brutschrank legen,
ausbrüten lassen, die Jungen einige Wochen von Hand aufziehen
und danach in verschiedene Nester mit gleichaltrigen Jungen
geben. Hört sich an wie ein Kochrezept, hat auch einiges mit
einem solchen gemeinsam. Ich beteiligte mich in meinen jungen Jahren
auch an solchen Spielereien. Im Gegensatz zu ewig Gestrigen,
die ihren Spieltrieb immer noch nicht bewältigt haben. Da heißt es
dann vollmundig, dass solches Gebaren bei verantwortungsvollen
Storchenbetreuern landauf, landab als
Selbstverständlichkeit praktiziert wird. Hört! Hört! Landauf,
landab, fein gesagt! Wenn es sich bei unserem Gelege um die letzten
Eier einer Vogelart handeln würde, wären solche Praktiken zu
vertreten. Bei unserem Storch dagegen, der mit weit über 500.000
lebenden Individuen und steigender Tendenz in keiner Weise in
seiner Existenz bedroht ist, sind diese Spielereien
vollkommen überflüssig. Die Eier in unserem Nest
werden also nicht in einem dubiosen Brutschrank landen, um
dann anderen Eltern untergeschoben zu werden. Diese Unterlassung
nehme ich gerne in Kauf und ich stehe auch dazu. So lange ein
Staat hunderttausendfache Abtreibungen menschlicher
Embryonen in weit fortgeschrittenerem Embryonalstadium zulässt
und das Geschrei relativ unterkühlt bleibt, stellt
meine „Tat“, drei Frischeier zu opfern, eine kleinen Schiss
in der großen Storchenwelt dar. Walküren an die Front! Wo bleibt die
Anzeige gegen den Tagebuchschreiber? Da lobt doch manche noch eher
ihre Bekannte, die gerade im dritten Monat abgetrieben hat!
5. Was passiert, wenn Papa Storch das Nest
verlässt, um sich Nahrung zu beschaffen? Diese Gedankenspiele sollen
im nächsten Eintrag behandelt werden.
Als kleinen Gruß füge ich noch zwei
Schnappschüsse unseres Einzelkämpfers bei, die unsere Verbundenheit
mit seinen triebgesteuerten Verhaltensweisen zeigen soll.
Stretching nach langem Liegen
Ein
Dauerzustand! |
|
18. Apr. 05 |
Er wartet und wartet! Nun hat der
Storchenmann gute 48 Stunden im Nest ausgeharrt, ohne
einmal abzufliegen.
Warten
auf Godot? |
Das Auflockern der
Nestmulde gehört dazu! |
Das ist schon eine starke Leistung und
zeigt, wie stark der Bruttrieb über alle anderen angeborenen
Verhaltensweisen dominiert. Wenn er, wie bereits schon
angedeutet, dennoch einmal vom Nest fliegt, beginnt für Nest und
Storchenmann eine neue Situation zu greifen. Er wird seine
Brutstätte zumindest für kurze Zeit preisgeben und sie
damit möglichen Konkurrenten anbieten. Ob es zu einer
Neuverpaarung mit einem anderen Weibchen kommt, ob sich ein
komplett neues Paar etabliert, ob er den Sommer über als
Solist verbleibt, ob er ganz verschwindet und das Nest
den Rest der Zeit leer steht, werden Sie sicher mit eigenen Augen
sehen. Im Augenblick ist jede der genannten Möglichkeiten
denkbar.
Martin Grund von der Aktion
PfalzStorch hat Ihnen im Gästebuch ja schon von seinem
Telefonat, das er mit mir geführt hat, erzählt und seine
Sicht in Sachen Storchenschutz dargestellt. Dass ich eine
falsche Information (siehe Eintrag vom
15.04.05) an Sie weiter gegeben habe, ist bedauerlich, hat
aber wenigstens als kleinen Nebeneffekt die Denkweise der
Aktion "PfalzStorch" einem größeren Publikum bekannt gemacht. So
haben wir wenigstens erfahren, dass sich diese Gruppe von
kompetenten Storchenschützern vorbehaltlos gegen jede
Fütterung von Weißstörchen zu jeder Jahreszeit ausspricht. Wenn
es zu einem Sterben von Jungen im Nest kommt, wird niemand
eingreifen und durch Zufütterungen helfen. Bleibt zu
hoffen, dass dies unter dem immensen Druck der
Internetgemeinde auch so durchgeführt wird.
Dass auch die Aktion Pfalzstorch mit Kritik
aus den eigenen Reihen zu kämpfen hat, dokumentiert eine
Veröffentlichung von Kai-Michael Thomsen vom
Michael-Otto-Institut im NABU mit Sitz in Bergenhusen, der sich
vehement gegen das seit 1997 laufende
Wiederansiedlungsprojekt in der Pfalz ausspricht, da schon
länger laufende, ähnliche Projekte dieser Art vor Beginn der
Aktionen in der Pfalz bereits kritisch beurteilt und zu
diesem Zeitpunkt allesamt beendet waren. Thomsen schreibt
weiter, dass auf Grund einer unscharfen Abgrenzung von
Projektstörchen und Wildstörchen einerseits und der
Zufütterung von einzelnen Paaren andererseits eine Bewertung des
Reproduktionserfolges der Wiederansiedelungspopulation kaum
aussagefähig ist. Da das Projekt auf der Lockwirkung von
gefangen gehaltenen Störchen beruht, müssen diese Störche
natürlich gefüttert werden. Also so ganz ohne Fütterung
kommt man zumindest teilweise bei den Aktivisten in der
Pfalz auch nicht aus. Aber wenigstens an den beiden
Kameranestern in Bornheim wird es keine Fummelei geben! Danke, Herr
Grund!
Im zweiten strittigen Punkt
schrieb ich im Tagebuch, dass die Jungstörche aus dem
Nest im Zoo von Karlsruhe nach dem Aushorsten nach Bornheim
verbracht wurden. Sie wurden jedoch nicht nach Bornheim, sondern an
einen anderen Ort in der Pfalz verbracht. Ich bitte, mir auch
diese Ungenauigkeit zu entschuldigen, am Umstand ändert dies
allerdings nichts. |
|
19.Apr. 05 |
Hätte ich vorhersagen sollen, wie lange
der Storchenmann seinem Bruttrieb treu bleibt, hätte ich wohl
als Obergrenze auf 72 Stunden getippt. Die Westzieher
unter den Störchen und die, die bis Westafrika ins
Winterquartier fliegen, müssen zweimal im Jahr einen Flug
über ausgesprochene Wüstengebiete zurücklegen. Während dieser
an die 2000 km langen Strecke ist es nichts Ungewöhnliches,
dass sie eine Woche ohne jegliche Nahrungsaufnahme
auskommen müssen. Und dies unter ungleich schwereren Bedingungen
mit der Bewältigung von 300 bis 400 Kilometern Flug täglich.
Da verbraucht unser Dauerbrüter viel weniger Energie und kann es
damit möglicherweise – wenn er will – noch länger aushalten. Zurück
zu den 72 Stunden! Diese Zeitspanne ist mit dem heutigen
Tag aber bereits verstrichen und er hat – ich habe keine
anders lautenden Meinungen gehört – sein Nest augenscheinlich
noch nicht verlassen. Leider verlockt das miserable Wetter
auch einen Storch mit Partnerin nur ungern zum Fliegen.
Außerdem bedeutet es für „Ihn“, angesichts der
unterdurchschnittlichen Temperaturen verstärkt auf „Eikontakt“
zu gehen. Die Phasen, in denen er sich vom Gelege erhebt, um
die Eier zu wenden, sind sehr selten geworden. Dies
dokumentiert auch die konstant gleiche Liegeposition, die er
nun schon den zweiten Tag über beibehält. Sicher kostet die Devise
„so wenig Bewegung wie möglich“ auch am wenigsten Kraftreserven. So
wird sichergestellt, dass die Anwesenheitsdauer am Nest ohne
Ablösung auf ein Maximum ansteigen kann.
Die Gründe für unsere Linie in
dieser traurigen Situation sind ja sicher ausführlich
diskutiert. Ich muss sie nicht noch einmal durchkauen. Stellen
Sie sich einfach vor, es gäbe an diesem Nest – wie auch an
99,999% aller anderen Storchennester – keine Kamera. Unser
Storchenmann würde genau das gleiche tun wie im Augenblick.
Wahrscheinlich hätte auch niemand bislang vom Verschwinden des
Weibchens Notiz genommen oder es noch gar nicht bemerkt.
Wie unser Storchenmann im weiteren
Verlauf des Dramas handelt, vollzieht er aus völlig freien
Stückchen. Keine böse Umwelt, kein äußerer Einfluss, keine bösen
Storchenschützer, keine guten Storchenschützer werden in sein
Instinktverhalten eingreifen. Von „Frau Storch“ fehlt
weiter jede Spur. Kein Bürger hat etwas über den möglichen
Verbleib mitgeteilt. Von keiner Stelle kam Nachricht über einen tot
oder verletzt gefundenen Storch. So muss ich alle, die auf eine
Nachricht gewartet haben, weiter im Unklaren lassen. Niemand
weiß zur Stunde etwas über das „Wo“ und „Wie“ und „Warum“.
Man muss und kann nicht alles wissen.
Aus gut unterrichteter Quelle wurde ja schon
kolportiert, dass Ihr Tagebuchschreiber etwas mit dem
Verschwinden zu tun haben könnte. Diese Möglichkeit darf
natürlich auch nicht ausgeschlossen werden. Bei all dem Unsinn
begeht unser Storchenmann vielleicht eines Tages noch
Selbstmord und stürzt sich – obwohl in Unkenntnis über
viele abstruse Beschimpfungen und Verleumdungen - vom
Altrathausnest. Ein ehrenvolles Begräbnis in der
Wörnitzaue wäre ihm dann aber sicher.
Pudelnass |
Alles noch da! |
Die vierte Nacht allein! |
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20. Apr. 05 |
War das Wetter gestern schon sehr
schlecht, so gab es heute während des ganzen Tages
noch eine Steigerung. Keine 10 Grad Höchsttemperatur, dazu
Dauerregen mit mehr als 20 Litern Niederschlag auf den Quadratmeter.
Da schaut jeder Storch erbärmlich aus, ob er nun eine Partnerin hat
oder nicht. Unserer machte da in dieser Beziehung keine Ausnahme.
Wer da unterstellen wollte, dass sein langes Warten
mit diesem Zustand in irgendeinem Zusammenhang stehen
könnte, muss als Scharlatan gelten und verfolgt keine anderen
Ziele als ein Naturschutzprojekt auf übelste Weise in Misskredit zu
bringen. So lange ich über keine anderen Informationen verfüge, muss
ich nun von einem 96 Stunden-Brut-Marathon berichten, den das
Storchenmännchen ins Nest gelegt hat. Ohne eine einzige Pause konnte
es die Eier über 4 Tage lang alleine konsequent
bebrüten. Einigen aufmerksamen Sehern ist aufgefallen, dass sich
am Spätnachmittag – der Regen hatte etwas nachgelassen - im
Verhalten des Vogels eine radikale Änderung zu
vollziehen schien. Lag er zuvor noch über Stunden scheinbar reglos
im Nest, schien sich nun wieder Leben in ihm zu regen. Seit Tagen
zeigte er nicht so viel Aktivität wie nun in wenigen Minuten.
In kurzen Abständen erhob er sich vom Nest, pflegte erstmals
auch sein Gefieder wieder, wendete sorgsam die drei Eier und machte
einen durchaus munteren Eindruck. Zum Abflug konnte er sich noch
nicht entschließen. So zog die fünfte Nacht herauf, in der
Herr Adebar allein zu Hause war.
|
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21. Apr. 05 |
Ein prächtiges Wetter! Sonnenschein,
aber recht frisch! Der im Augenblick verhinderte Storchenpapa
führte sein aktives Verhalten der gestrigen Abendstunden auch
heute fort. Nichts mehr von Langeweile und Dauerbrut! Auch
unterscheidet er sich im Sonnenlicht in keiner Weise
von voll gefressenen Artgenossen.
|
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Noch läuft
das angeborene Verhalten ab!
|
Sehr aktiv
heute
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Aber ein wenig kümmere ich mich noch um das Gelege! |
Die Diät, die er im Augenblick
konsequent durchhält, wird keine Dauerschäden hervorrufen.
Menschen mit Helfer-Syndromen mögen dies anders sehen und die
eine oder andere Träne verdrücken. Ich bitte alle aber
dringendst, sich schon jetzt auf viel grausamere Bilder
einzustellen, wenn in den Kameranestern das Schlüpfen und die
Aufzucht der Jungen beginnt. Da wünschte man sich doch eher
in die Zeiten zurück, in denen die Kamerabilder
gewisse Unschärfen offenbarten und man somit genaue
Details erschreckender Storchendramen verdecken konnte.
Heute ist die Bildqualität brillant und von gnadenloser
Offenheit. Mal sehen, welche Reaktionen da noch zu
hören sein werden. Das soll es aber dann zu diesem Thema gewesen
ein. Die „innere Unruhe“ des Männchens steigerte sich während
des Tages immer mehr und gegen 17 Uhr war es schließlich so
weit. Der erste Abflug unseres Marathon-Brüters war
erfolgt.
Das Nest ist nach fünf Tagen erstmals verlassen!
Wie hoch allerdings die Bindung zum Nest
immer noch war, bewies die Tatsache, dass er schon nach wenigen
Sekunden erneut im Nest stand. Das bedeutete, dass er einfach
nur mal eine Runde gedreht hatte. Nach etwa 120 Stunden, das
sind 5 Tage, hatte der Brutpflegemechanismus gegen den
einsetzenden Hunger verloren. Auch während der restlichen
Abendstunden kam es zu mehreren Abflügen, die sich
zeitlich gesehen aber auf höchstens eine halbe Stunde
beliefen. Ein Anfang ist also gemacht und um das Leben des
Storchenpapas braucht sich wahrlich keiner Sorgen machen.
Das stand auch während der Warterei zu keiner Zeit zur Debatte.
Angeborene Verhaltensweisen dienen doch einer Tierart nicht dazu,
dass sie sich selbst auslöscht! Hundertfacher Storchentod in
Deutschland wäre somit vorprogrammiert! Denn dass einer der
Partner durch einen Unglücksfall nicht mehr zum Nest
zurückkehrt, passiert viel öfter als man zu hoffen
glaubt. Durch das gesehene Verhalten wird aber auch sicher
gestellt, dass bei einem vorübergehenden Ausfall eines
Partners der Verbliebene das Gelege doch einige
Tage alleine betreuen kann. Da ich die Möglichkeit der
Rückkehr für unser Storchenweibchen schon am ersten Tag
ausgeschlossen habe, war eine Betreuung der drei Eier durch
das verbliebene Männchen schon bald kein Thema mehr. 32 bis 34
Tage allein zu brüten und sich zugleich mit Nahrung zu
versorgen, ist ausgeschlossen. Am Anfang, als das Männchen noch
ununterbrochen auf dem Gelege saß, konnte er den Eiern die
notwendige Wärmezufuhr liefern, doch mit jedem längeren Ausflug
kühlen die Eier aus, die Embryonalentwicklung wird
unterbrochen, der Embryo stirbt im Ei. Es besteht nur eine
Möglichkeit, um auch in diesem Jahr Junge im Nest erleben zu können.
Es muss eine Neuverpaarung stattfinden. Entweder der Witwer
beteiligt sich selbst daran oder es ergibt sich eine vollkommen
neue Konstellation und ein komplett neues Paar etabliert
sich im Nest auf dem alten Rathaus. Unser Storchenmann wird aber die
Eier nicht selbst aus dem Nest werfen, denn ein Gelege, an dem er
selbst beteiligt war, ist für jeden Storch tabu. Ebenfalls eine gute
Einrichtung der Natur, denn sonst wäre in jedem Falle die Brut
gefährdet. Diese Aufgabe erledigen stets die anderen.
Kommt es also zu einer neuen Konstellation am Nest, wird der jeweils
neue Storch oder das neue Paar als eine der ersten „Amtshandlungen“
die drei Eier aus dem Nest werfen. Fremdes Erbgut wird nicht
toleriert, es wird Platz gemacht für die eigenen Gene.
Natürlich wäre es ein Kinderspiel gewesen, die Eier zu entfernen, in
einen Brutschrank zu geben, ausbrüten zu lassen, die Jungen – wenn
denn welche geschlüpft wären – nach einigen Wochen in verschiedene
andere Nester zu geben, in denen sich Junge im entsprechenden Alter
befinden... Ich erinnere mich, so etwas schon oft im Zusammenhang
mit der Zucht und mit dem Transport von Haustieren gehört zu haben.
Da werden Gänse- und Hühnerküken (Haustiere!!) im Brutschrank
erbrütet, deren Küken – wenn verwertbar – in Legebatterien als
bedauernswerte Geschöpfe geknechtet oder gleich zu Fischmehl
verarbeitet. Da werden Schweine von A nach B gefahren und wenn sie
dann groß und stark sind, bringt man sie von B nach C. Soll es
Störchen auch so gehen? Richtig! Geschlachtet werden unsere
Lieblinge noch nicht, aber wer weiß? Wenn sie sich als schmackhafter
erweisen als berichtet wird, dann könnte man doch alle
Storchenjungen rechtzeitig aus dem Nest nehmen...! Aber denken Sie
bitte selbst weiter. |
|
22. Apr. 05 |
Eine neue Hiobsbotschaft überschattet den
Tag! 20 Kilometer von Dinkelsbühl entfernt wird seit Tagen
ein verletzter, flugunfähiger Storch beobachtet. Heute erfuhr ich
davon. Da sich ihr Tagebuchschreiber in solchen Fällen
sofort um eine Überprüfung der Lage und eine eventuelle
Überbringung in eine Pflegestation einsetzt, fuhr
er umgehend an den Ort. Auch wenn einige von Ihnen noch hofften, es
würde sich um die verlorene Storchenfrau aus Dinkelsbühl
handeln, muss ich Sie enttäuschen. Ich näherte mich nämlich
dem beschriebenen Exemplar am Rande eines etwa 1 ha großen
Fischweihers. Die Niederschläge der vergangenen Tage hatten die
angrenzenden Wiesenbereiche kräftig unter Wasser gesetzt. Das
Nahrungsangebot an dieser Stelle schien auch ausgezeichnet.
Ich versuchte zuerst, den Abstand zwischen mir und dem Objekt
der Begierde zu verkürzen, was mir mit schnellen Schritten
zunächst auch gelang. Der Storch trug am rechten
Bein über den Zehen einen Aluring! Damit war sofort klar, dass
es nicht die Frau unseres Männchens sein
konnte. Da Störche während der Brutzeit bevorzugt innerhalb eines
5-Kilometer-Radius um das Nest auf Nahrungssuche gehen, sind
20 Kilometer mehr als utopisch. In seltenen Fällen
fliegen Störche über diese Distanz hinaus. So beobachtete ich einmal
– und dies kommt bestimmt regelmäßig vor – das Frauenauracher
Storchenweibchen, ehemals Insasse des Zoos in
Nürnberg und seitdem am Brutplatz überwinternd und dort
reichlich mit Winterfutter versorgt werdend – während der
Jungenaufzucht am Ententeich des genannten Zoos
zur Zeit der Fütterung. Das sind genau 18 Kilometer
Luftlinie, Eine unglaubliche Entfernung, die sich für
Adebar nur rechnet, wenn am Zielort – wie geschehen –
mühelos Futter gebunkert und sofort der Rückflug angetreten
werden kann. Sage noch einmal einer etwas gegen Zoostörche. Das sind
ungemein findige und schlaue „Gesellen“, so wie die
Vogelart „Weißstorch“ als solche zu den großen
Opportunisten in der Vogelwelt zu zählen ist, die sich in
kürzester Zeit auf veränderte Umweltbedingungen einstellt
und die Gunst der Stunde nutzt. So gab es in Franken bereits zu
Anfang des vergangenen Jahrhunderts weniger Störche als momentan.
Das Geschrei, der Mensch greife in die Natur ein, deshalb
müsse man beim Storch ebenfalls auf Teufel komm raus eingreifen, ist
eine jämmerliche Schutzbehauptung. Trotz sich rapide
verschlechternder Umweltbedingungen hat sich der Storchenbestand
in Bayern seit Mitte der 80er Jahre verdoppelt, in
Frankreich verzehnfacht, in Spanien bei hohen Ausgangszahlen
verdoppelt, in Portugal verdreifacht......!
Als klar war, dass es sich am Weiher bei
Bechhofen nicht um unser Weibchen handelte, lief ich weitere
Schritte in Richtung des vermeintlichen Pflegefalls. Leicht
hinkend beschleunigte auch Meister Adebar seine Schritte. Doch näher
als 20 Meter ließ er mich nicht heran. Ohne echten
Anlauf nutzte er die herrschenden Windverhältnisse und
flog mühelos davon. In immer engeren Schrauben stieg er über mir
in den blauen Himmel und war bald nur noch als kleiner Punkt
erkennbar. „Lieber einmal umsonst an einen Ort gerufen werden,
als einmal zu wenig“, dachte ich mir und zog erleichtert von
dannen.
In Dinkelsbühl entwickelte der
Einzelkämpfer unterdessen schon fast wieder ein
Normalprogramm. Nach frostiger Nacht überzog eine dünne
Raureifschicht das Nest.
Eingefroren? Der Raureif zeichnet ein malerisches Bild!
Das Interesse für das Gelege ließ während des
Tages weiter nach. Die Eier wurden nur noch sporadisch
gewendet, die Standpausen dauerten immer länger und
die Ausflüge zogen sich mehr und mehr in die Länge.
Auch brachte er von seinen Nahrungsflügen bereits
Nistmaterial mit.
Fleißig, fleißig! Alles wie gewohnt!
Er verhielt sich schon fast so, als ob er mit
der Brut abgeschlossen hätte und sich schon für
neue Gefühle bereit machte. Um die Mittagszeit kreiste
ein fremder oder neuer Storch über dem Nest,
entsprechend auch das Drohverhalten unseres Witwers.
Ich denke, es besteht noch eine gute Chance für eine neue Brut. Bis
in die erste Maiwoche hinein könnte es noch klappen. „Mein“
spätester Brutbeginn, also der Beginn der Eiablage war der
21. Mai. Wir dürfen hoffen und sollten guten Mutes sein. |
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23. Apr. 05 |
Neuer Tag und neues Glück? Auf Wunsch der Seher und auch auf
eigenen Wunsch wählte ich heute einen neuen Bildausschnitt,
da mit nachlassendem Bruttrieb unser Storchenmann wieder verstärkt
eine stehende Position im Nest einzunehmen pflegt. Nur ist es
am Wochenende nicht gerade leicht, einen Schlüssel für das alte
Rathaus zu ergattern. Mit Hilfe von Helmut Wilfling, ungezählten
Telefonaten und zwei Stunden Knochenarbeit gelang es, die begehrten
Objekte in Empfang zu nehmen und eine zumindest zufrieden stellende
Lösung zu finden. Die Kamera ist an einer Eisenstange fest
verschraubt, so dass man am Neigungswinkel nichts verändern kann.
Lediglich mit Hilfe des Zooms kann man einen näheren oder einen
weiteren Blick ins Nest werfen. Leider sind die Zoomeinstellungen
nicht stufenlos wählbar, sondern nur in Sprüngen möglich. Deshalb
braucht man schon etwas Glück, dass nach Betätigen eines
Kippschalters der richtige Ausschnitt zustande kommt. Also so mit
Millimeterarbeit ist da leider nichts. Ich denke mit dem
gefundenen Angebot sollten alle momentan zufrieden sein.
Der neue Blick!
Im Nest spielten sich derweil erfreuliche Dinge ab.
Der Storchenmann verlässt seine Behausung, so wie er
es in den Zeiten vor Eintreffen seiner ersten Partnerin getan hatte.
Das mit dem Brüten gerät mehr und mehr in den Hintergrund.
Wie in alten Zeiten!
Er legt sich zwar immer wieder ins Nest, aber nicht des Brütens
wegen. Als die Storchenburg einmal leer stand, näherte sich eine der
Dohlen des benachbarten Münsters, beäugte die drei
Eier des Geleges und verschwand gleich darauf wieder.
Ein
Nesträuber? |
Die Eier sind einige Nummern
zu groß für mich! |
Dabei gebärdete sie sich für kurze Augeblicke als mögliche
Nesträuberin. Da Dohlen aber nicht gerade zu den ausgeprägtesten
Eierräubern zählen, entschied sich die Besucherin für einen
schnellen Rückzug. Am Verhalten des Wieder-Single konnte man
häufig auf dicke Luft über dem Nest schließen.
Luftalarm mit Federverlust
Drohgebärden und Drohklappern waren ein beredtes
Zeugnis für Luftverkehr. Bei meinem Besuch der Stadt am
Vormittag traf ich 5 Kilometer entfernt an der Wörnitz bei
Schopfloch auf einen Storch, der vielleicht an allem Schuld war. Im
Gästebuch erregte während des Tages etwas Weißes im Bereich
der Nestmulde manches Aufsehen. Dabei handelte es sich
um Federn aus dem Brustgefieder, die der Wind mal da,
mal dorthin blies. Kaleigh fragt im Gästebuch, ob Störche
schwimmen können? Für diese Art der Fortbewegung sind sie
nicht gerade gut ausgestattet. Störche meiden
deshalb tiefes Wasser. Die Grenze ist dann erreicht, wenn
ihnen das kühle Nass buchstäblich bis zum Bauche steht, also
wenn die Federn nass werden. Geraten Störche beim Waten aus
„Versehen“ in tieferes Wasser, sind sie aber dennoch in der Lage,
Flügel schlagend und Wasser tretend ein Stückchen
voranzukommen und somit das rettende Ufer wieder zu erreichen.
Beim Flug über größere Wasserstraßen ereignen sich dagegen
häufiger tödliche Unfälle. Machen sich Störche bei
Gegenwind an die Überquerung der Straße von Gibraltar,
kommt es nicht selten dazu, dass einige entkräftet ins
Wasser stürzen, eine Weile in der beschriebenen Weise über
Wasser bleiben, ermüden und schließlich ertrinken. Als
Störche in Südfrankreich auf oben offenen Wassertürmen
übernachteten, glitten sie beim Drängeln um den besten Schlafplatz
aus, rutschten von der Turmkante ins Wasser, konnten
aber nicht mehr die wenigen Meter zurück auf die Umrandung. Bis die
Rettung eintraf, waren einige bereits ertrunken, ihre Kräfte
erschöpft. |
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24. Apr. 05 |
Der heutige Tag ist schnell
zusammengefasst! Im Mittelpunkt standen nicht die
Ereignisse im Nest, sondern die musikalischen Ambitionen der
Familie Ziegler. Auch wenn einige Leser diesen Einschub für
unpassend halten, möchte ich Ihnen doch hin und wieder meine
ansonsten anonyme Person etwas näher bringen. Ich bin
ganz und gar kein Unmensch! Es gibt nämlich ein
zweites Hobby, das mich nach schweren Stunden mit Tagebuch,
Störchen und Kritikern immer wieder aufrichtet und die nötige Kraft
gibt. Jetzt bitte nicht denken: Dieser Selbstdarsteller! Ich
glaube, ich hätte fünf Jahre Tagebuch und Begleitung der
Webcamaktion des Bund Naturschutz nie und nimmer
durchgestanden, ohne zwischendurch auch etwas abschalten
zu können. Für Sie da zu sein in guten wie in bösen Tagen,
geschieht ausschließlich ehrenamtlich und ohne einen
einzigen Cent oder Pfennig jemals erhalten oder gefordert zu
haben. Außerdem gehöre ich dem Bund Naturschutz auch nicht
als Mitglied an. Das heißt aber nicht, dass ich dessen Ziele
nicht vertrete. Im Gegenteil: Die Nicht-Mitgliedschaft macht
mich ungebundener in meiner Arbeit. Alle Zieglers, und
damit komme ich wieder an den Ausgangspunkt zurück, sind in der
Lage, anständige Musik zu machen. Zugegeben. Meine Frau und
ich nur zum Hausgebrauch. Die drei Kinder aber schon
wesentlich öffentlicher. Zu einer Stunde der Kirchenmusik
hatte die Feuchtwanger Kirchengemeinde eingeladen und rund 350
Zuhörer kamen zu einem Trompetenkonzert von Guiseppe Torelli
mit „Trompetersohn“ Tobias sowie zu einer Bachkantate mit „Gesangssolistintochter“
Felicitas.
Derweil ließ unser Witwer sein Gelege
wieder häufig im Stich, er gewann zunehmend Abstand zum Nest
und orientierte sich auch das eine oder andere Mal in die
Luft, um von dort nicht überrascht zu werden oder vielleicht
doch eher eine neue Gefährtin zu ergattern. Mal sehen, welche Lösung
eintritt?
S
Morgendlicher Hausputz
Feind in Sicht? |
Bereit zum Abflug! |
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25. Apr. 05 |
Vor Schulbeginn erreichte mich eine
Meldung, mit der ich, wenn ich ehrlich bin, nicht mehr
gerechnet hatte. Ein Storch war gegen 7:30 Uhr tot
entdeckt worden. Die Nachricht kam vom Leiter der
Kläranlage der Stadt Dinkelsbühl. Diese Einrichtung zur
Klärung der Abwässer der Stadt liegt nur etwa einen Kilometer vom
Nest entfernt. Wenn sich da ein Storch aufgehalten
hatte, dann konnte es eigentlich nur einer der
Dinkelsbühler Störche sein und da blieb nur unser
Weibchen übrig! Gegen 14 Uhr stand ich auf dem Gelände
der Kläranlage.
Unglücksort von Norden |
Unglücksort von Süden |
Es ist wie die anderen Einrichtungen dieser Art
gegen unbefugte Besucher mit einem Zaun komplett
abgesichert. Heute am Morgen bereiteten Arbeiter einer
mobilen Schlammentwässerungsfirma das Absaugen des
Klärschlammes aus dem Schlammbeet der Kläranlage vor.
Diese letzte Stufe des Klärprozesses findet in einem etwa
1500 m² großen Betonbecken statt, in dem sich der nicht
mehr abbaubare Schlamm absetzt. Da dieser Schlamm
nicht unerhebliche Anteile Wasser enthält, bildet sich auf
dieser Schlammschicht, die zu Beginn der Absaugarbeiten etwa
1,50 m dick war, jeweils eine etwa 20 cm tiefe Wasserschicht.
Kaum hatten die Arbeiter die Pumpen angeworfen und den
Absaugschlauch ins Becken gelassen, stoppte die
Pumpe, weil sämtliche Sicherungen herausgesprungen waren.
Dies passiert in der Regel dann, wenn große Fremdkörper im
Schlamm vorhanden sind und das Rohr der Pumpe
verstopfen. Da dies für die Arbeiter keinen Ausnahmefall
darstellte, zogen sie das Rohr aus dem Schlammbeet heraus und hatten
schnell die Ursache für den Motorstopp erkannt. In der
Öffnung des Rohres hatte sich ein Tierkadaver
verkeilt, der einen weiteren Durchfluss des Schlamms nicht
mehr gewährleistete. Es war ein Storch oder besser
gesagt die beklagenswerten Reste eines solchen. Aus ähnlichen
Becken wurden nach Aussage der Schlammentwässerungsfirma schon
häufiger Tierkadaver gezogen. Hunde, Katzen und Füchse
sagten sich an diesen Gefahrenpunkten schon häufiger „Gute Nacht“.
Auch im Dinkelsbühler Schlammbeet! Nun stand ich am Unglücksort
und musste mir schon die eine oder andere Träne verstohlen
aus den Augen wischen. Die Schlamm-Entsorger hatten die
verbliebenen Teile unseres Weibchens am Beckenrand „ausgelegt“
und ich konnte sie mir in aller Ruhe betrachten.
Teilstorch 1 |
Teilstorch 2 |
Aus dem Klumpen Fleisch und Federn ragte
wie ein Mahnmal ein rotes Storchenbein heraus. Über dem
Intertarsalgelenk des linken Beins leuchtete, vom Klärschlamm
befreit, der schmale Zooring.
Der Ringbeweis!
Das rechte Bein mit dem großen
Ring der Vogelwarte Helgoland war abgetrennt und nicht
mehr auffindbar, ebenso waren Kopf und große Teile des
Halses durch den Ansaugdruck abgerissen und alles längst
in der Schlammpresse unwiederbringlich verschwunden.
Die Flügel waren ebenfalls abgerissen und bildeten den
Hauptbestandteil eines zweiten Schlammklumpens.
Kein Zweifel! Den Ring als Beweisstück für die
endgültige Identität entfernte ich zum Schluss noch vom
Restkörper und bat den Leiter des Klärwerkes die übrigen Teile zu
entsorgen. Damit endete ein junges Storchenleben überaus
dramatisch.
Das grausame Gesamtbild
Ich versuche nun, die Abläufe, die dem
Tod vorausgingen, zu rekonstruieren. Am späten Nachmittag
oder am frühen Abend des 16. April 2005, spätestens so
gegen 20 Uhr, befand sich unsere Störchin auf der
Nahrungssuche im Bereich der Kläranlage am
südlichen Stadtrand von Dinkelsbühl. Dieser Bereich ist für
die „schnelle Mahlzeit“ bestens geeignet und es lohnt sich, auch mal
schnell vor dem Dunkelwerden dort vorbei zu schauen. So tat es unser
Weibchen an diesem Tag auch. Dabei schien sie das im Landeanflug
auf die Wörnitzwiesen das feucht schimmernde Schlammbeet
der Kläranlage entdeckt zu haben. Um diese Zeit des
Wochenendes herrschte auf dem Gelände Ruhe und keine
Störung war zu erwarten. Die Fläche mochte der unglücklichen
Storchenfrau einen nahrungsreichen, noch nicht
komplett bespannten Weiher vorgespiegelt haben, so wie
es um diese Zeit in der Gegend um Dinkelsbühl häufiger anzutreffen
ist. Es ist ferner anzunehmen, dass die Storchenfrau
direkt im Schlammbeet landete und nicht vom Ufer aus drei
Meter in die Tiefe glitt, umgibt doch ein massives Geländer
die gesamte Anlage, so dass ein Storch nicht unter der
Absperrung durchzuschlüpfen vermag. Kaum hatte die Störchin
die Landung vollzogen, kämpfte sie bereits um ihr Leben.
Statt einen festen Untergrund zu erwarten, geriet sie sofort
in den wie Treibsand wirkenden 1,50 Meter tiefen
Schlamm, der sie gnadenlos festhielt und mit jedem
Flügelschlag, der sie eigentlich aus der zähen Masse hätte befreien
sollen, geriet sie immer tiefer in den Höllendschlund.
Obwohl ein viel befahrener und begangener Rad- und Fußweg
unmittelbar am Schlammbeet vorbeiführt, bemerkte keiner der
potentiellen Passanten etwas vom sich abzeichnenden Todeskampf
des Storches. Vielleicht war auch die bereits hereinbrechende
Dämmerung Schuld und keiner der Vorbeikommenden hatte auf
Grund der Lichtverhältnisse eine Chance, den lautlosen Tod
zu verhindern. Durch die heftige Gegenwehr der Störchin in
der stinkenden, schwarzen Brühe dürfte ihr Gefieder
bald nicht mehr von der Farbe des zähen Breies zu unterscheiden
gewesen sein. Danach wurde es dunkel und der
Überlebenskampf näherte sich seinem Ende. Mit den
letzten Flügelschlägen und erlahmender Kraft versank
sie immer mehr unter der dünnen Wasseroberfläche und wurde
schließlich ganz in den Faulschlamm hineingezogen. Am
nächsten Morgen hatte sich die Landestelle der
Störchin längst wieder geschlossen und nichts deutete mehr
auf einen kürzlich stattgefundenen Todeskampf hin. Als ich am
nächsten Morgen meine Suchaktion startete, parkte ich
mein Auto unter anderem auch auf dem zur Kläranlage
gehörenden kleinen Parkplatz. Zu diesem Zeitpunkt war ich
gerade mal 20 Meter vom „Grab“ der Störchin entfernt. Aber
niemand hatte eine Chance, die Katastrophe
abzuwenden. Ich hoffe, dass ich niemanden mit meiner
drastischen Schilderung der Ereignisse allzu sehr vor den
Kopf gestoßen habe. Als meine Leser erwarten sie von mir –
und das ist ein Prinzip unserer Website – dass Sie über alles
aufgeklärt werden, auch wenn es manchmal weniger angenehm
ist. Und dies war sicher heute der Fall. Wir müssen nun nach der
Klärung des Falles nicht weiter im Dunkeln tappen und wissen die
Störchin im siebten Storchenhimmel. Wenn es zu einer
neuen Partnerschaft kommt, geschieht dies bestimmt mit voller
Zustimmung der tapferen, jedoch vergeblich kämpfenden
Storchenamazone.
Unser Solist hält nach wie vor am
Nest fest. Das Interesse am Gelege hat er aber nun
fast komplett verloren und man hat den Eindruck,
dass er die ganze Sache sehr neutral sieht. Dieses Kapitel
ist für ihn vorerst mal abgeschlossen.
Dieses Bild gibt es
jetzt öfters! |
Also auf zu neuen Taten! Katharina
konnte einen schönen Schnappschuss beisteuern, der „Ihn“ auf
Abwegen zeigt.
Auf Abwegen?
Oder war es vielleicht schon ein neuer
Interessent?
Abendliche Rückkehr!
Wir kennen diese vorsichtigen
Annäherungsversuche schon aus früheren Jahren. Es lohnt sich also
weiter, intensiv durch unser Storchenangebot zu
surfen und auch frühere Tagebuchjahrgänge intensiv zu
lesen. Ihr Tagebuchschreiber legt Ihnen kostenlos das
umfangreichste Kompendium, das je im Internet über Störche
geschrieben wurde, zum Nulltarif vor. Wer mich widerlegt,
bekommt einen wertvollen Buchpreis überreicht. |
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Noch zwei kleine Hinweise in eigener Sache:
- Da wir auch immer wieder Rückmeldungen von Kindern und
Pädagogen bekommen, die unsere Website mit Interesse und
Freude verfolgen, möchten wir auch auf die verschiedenen Angebote
des Bund Naturschutz für Kinder und Jugendliche hinweisen.
Informationen und Programme für den Landkreis Ansbach
finden Sie hier:
Kinderzeit
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Der Bund-Naturschutz interessiert sich natürlich nicht
nur für Störche, sondern, wie sie sicher unseren übergeordneten
Seiten schon entnommen haben, unter anderem für den Biber. Ganz
aktuell zum Anhören und Download
Das Biberlied als
MP3
in fränkischer Mundart gesungen von der Gruppe
Herrenholz
Weitergehende
Informationen zum Biber finden Sie hier.
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Auch in der storchenlosen Winterzeit sind weitere
Spenden
eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum
Erhalt der Webcam und zur Sicherung
des
Lebensraumes unserer Störche. |
Thomas Ziegler
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