Storchenkamera
 
Storchentagebuch 2005
...was bisher geschah

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Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!
1905-2005 Rotary internat. 100 Jahre

Teil 13

7. Jul. 05

Ein Eintrag fast im Schnelldurchlauf! Unser Trio ist einen weiteren Tag komplett. Nummer 1 und 2 haben es bis heute auf 19 Lebenstage, Benjamin immerhin auch schon auf deren 17 gebracht. Und wie sie sich in diesen Tagen entwickelt haben!

Der erste Blick im Morgenlicht gilt nach wie vor unserem Benjamin. Ich atme dann schon ein wenig auf, wenn ich ihn – klein, aber fein – zwischen seinen Geschwistern entdecke. So auch am heutigen Morgen. Alles klar! Es gab Futter und alle bekamen ihren Teil ab.


Das Trio!

Wann gibt es Futter?

Als Kompensation für das wechselhafte, insgesamt doch eher kühle Schauerwetter brachte Georg eine Riesenfuhre Gras mit ins Nest, die so umfangreich war, dass der gesamte Nachwuchs kurzzeitig darunter verschwand. 


Bei der kühlen Witterung eine Wolldecke gefällig?

Danach strampelte man sich lieber wieder unter dem Heuhaufen hervor und bevorzugte einen freien Blick auf die Paulskirche im Hintergrund.


Wir brauchen doch noch keine Decke!

Dass Benjamin sogar in der Lage war, an seine Geschwister eine kurze Rede zu halten, soll der letzte Schnappschuss beweisen.


Alle mal herhören!

 
8. Jul. 05

Nun ist es doch passiert, wovor wir in den letzten Tagen alle etwas Angst und womit die meisten von uns auch ein wenig gerechnet hatten. Ich muss gestehen, dass ich natürlich schon länger große Bedenken um die Überlebenschancen unseres tapferen Benjamins hegte, diese aber nicht so offen äußern wollte. Der Zweckoptimismus, den ich damit verband, sollte die Hoffnung in uns bis zuletzt aufrecht erhalten. Benjamin lebt also nicht mehr! Es gibt aber offensichtlich keinen einzigen Augenzeugen, der die Vorgänge des Verschwindens beobachtet hat oder sogar durch einen Schnappschuss belegen könnte. Es muss so gegen 8:35 Uhr gewesen sein. Von Regina erhielt ich zwei Schnappschüsse. Der erste zeigt das Trio noch komplett. Es war genau um 08:34:25 Uhr.


Das letzte Bild mit Benjamin

Auf dem nächsten Schnappschuss, den mir die Seherin zusandte, zeigte die Uhr der Webcam 08:35:50 Uhr und es sind mit großer Sicherheit nur mehr zwei Junge auszumachen.


Benjamin scheint zu fehlen!

Was ist in den knapp 90 Sekunden passiert? In der beigefügten Mail heißt es dazu und dies sind exzellente und sehr treffende Bemerkungen:

„Es tut so weh! Wie die Fotos zeigen, muss sich das Drama zwischen 08:34:25 Uhr und 08:35:50 Uhr ereignet haben. Mir fiel auf, dass der Altvogel sich um diese Zeit ständig zu den Jungen herunterbeugte und mir war schon etwas mulmig in der Magengrube. Deshalb habe ich mich ausgeklinkt nach dem Motto: Nu mach dich mal nicht verrückt!“

Als sich die Beobachterin wieder dem Bild zuwandte war alles schon vorbei. Georg hatte zu dieser Zeit Innendienst im Nest. Ganz eindeutig sind die beiden Beweisfotos allerdings nicht. Wir wissen aus den vergangenen Tagen, dass Benjamin sich oft zwischen seinen Geschwistern versteckt hatte und dann sogar für mehrere Sekunden nicht zu sehen war. Aber unabhängig von der genauen Uhrzeit ist das Unvermeidliche heute passiert und kein Mensch trägt an diesem Tod in irgendeiner Weise die Verantwortung.

Ich habe nach der Schule sofort das Nestgebäude in Dinkelsbühl besucht und alle Punkte, die von außen und vom Dach aus ( ich kletterte bis zum Dachfirst hoch und öffnete das kleine Dachfenster unterhalb des Nestes auf der Rückseite des Hauses) einsehbar sind, genau unter die Lupe genommen. Vor allem blickte ich in alle Dachrinnen und hinter alle hölzernen Schneefangbretter. Nirgends war irgendeine Spur von Benjamin zu entdecken. Die Straße zum Ledermarkt (durch die Webcam betrachtet rechts unten) ist von Helmut Wilflings Modegeschäft gut einsehbar. Die Straße dort ist viel befahren und wenn ein kleiner Storch dort auf das Pflaster aufschlägt, bleibt er ganz bestimmt nicht lange unentdeckt. Aber um die fragliche Zeit und auch danach gab es keinerlei Meldung. Die andere Seite (von der Webcam aus gesehen links) führt in den Innenhof des alten Rathauses. Dort herrschte heute ebenfalls reger Publikumsverkehr. Wegen des am nächsten Wochenende beginnenden großen Heimatfestes, der Kinderzeche, gingen den ganzen Tag über viele Dinkelsbühler Bürger im alten Rathaus ein und aus, um sich aus der dort befindlichen Kleiderkammer die erforderlichen historischen Kostüme aushändigen zu lassen. Dabei müssen alle durch den Innenhof. Doch niemandem ist dort die Leiche eines Jungstorches begegnet. Eine kleine Unsicherheit herrscht noch, doch dazu müsste Schorsch schon sehr viel Schwung geholt  haben und dies halte ich für ausgeschlossen. Es gibt für mich nicht zugängliche Winkel zwischen den Nachbarhäusern. Zumindest einer dieser schmalen Zwischenräume käme als Landepunkt für den abgeworfenen Benjamin in Frage. Dazu müsste er allerdings schon einige Meter weit durch die Luft geflogen sein. Eigentlich unmöglich. Bleibt noch eine weitere Möglichkeit für sein Verschwinden: Schorsch hat ihn aufgefressen. Das wäre die biologisch sinnvollste Verwertung. Liefert ein solches Junge wenigstens noch wichtige Kalorien für den aufziehenden Elternvogel. Doch wenn ich mir die Größe unseres Benjamins am Morgen betrachte, war er zum Fressen schon zu groß!


Noch glücklich vereint!

Es ist zwar mehr als erstaunlich, was in einen Storchenschlund so alles hineinpasst, aber ein so großer Brocken kann für den Schorsch beim besten Willen nicht machbar sein. Liegt unser Benjamin vielleicht sogar noch im Nest? Große Junge (mehr als drei oder vier Wochen alt) bleiben im Nest liegen. Sie sind einfach zu schwer, um über Bord gezogen zu werden. Die Altvögel werden solche Junge dann mit Nistmaterial überbauen (Gras usw.), bis sie in den Tiefen des Nestes geborgen sind oder sie verwesen eben still und leise neben den oder dem verbleibenden Jungen. Benjamin ist weg! Niemand hat sein Verschwinden gesehen. Er ist aber mit großer Sicherheit von Georg aus dem Nest geworfen worden. Wo er danach abkam, muss im Augenblick offen bleiben. Vielleicht gibt ein Besuch des Münsterturmes nähere Auskunft, denn von dort oben hat man doch noch andere Einblicke in manch verborgenen Winkel.

Diesen Verlust, den wir heute Vormittag hinnehmen mussten, dürfen wir natürlich betrauern. Jedoch sollte niemand dabei vergessen, dass solche Vorgänge das Normalste in der Tierwelt darstellen und diese Verluste auch schon vorkamen, als es noch keine Menschen gab. In fast jedem Storchennest, in dem nicht vier oder fünf Junge zum Ausfliegen kommen, gab und gibt es solche kleinen Tragödien wie in unserem Fall. Und da kommen allein in Bayern bei 100 Brutpaaren geschätzte 200 bis 300 Todesfälle pro Jahr vor. Hochgerechnet auf die 180 000 Storchenpaare weltweit ergibt das eine knappe halbe Million toter Jungstörche pro Jahr!

Machen Sie sich einmal über solche Zahlen ihre Gedanken, dann relativiert sich das tragische Ende von Benjamin schon ein wenig.

Warum werfen so treu sorgende Eltern ihre Jungen einfach ohne Vorwarnung aus dem Nest? Die tun das nicht aus Mordlust, Jux und Tollerei! Da spielt ganz sicher mehr eine Rolle! Gab Benjamin vielleicht nicht mehr die storchentypischen Signale an die Eltern weiter? Konnte er etwas nicht mehr liefern, was für seinen Verbleib im Nest erforderlich war und was seine Geschwister noch bieten können. Sind es vielleicht optische Signale, die dem Altvogel deutlich machen, dass hier ein Fremdkörper im Nest heranwächst? Ein Größenunterschied, der dem „Alten“ vorgaukelt, dass man es in seinem Nest mit zwei verschiedenen Arten von Vögeln zu tun hat? Sind es akustische Signale, die nicht mehr ausdrücken können, dass die Eltern es hier mit einem Storchenküken zu tun haben? Sicher sind die Gründe vielfältig, jedoch steht eines fest: Benjamin wurde nicht mehr als Storch akzeptiert! Dass er nicht so schnell wuchs, dass sich sein Größenunterschied zu den Geschwistern nicht im geringsten verringerte, sind sichere Anzeichen, dass mit ihm etwas nicht „stimmte“. Er musste auf der Strecke bleiben, um ein mögliches besseres Auskommen für seine beiden Geschwister zu ermöglichen. Will man solche Tragödien vermeiden – und nichts ist leichter als das – muss man nur das Ende der Eiablage abwarten, die Eier aus allen Nestern entnehmen (das ergibt in Bayern rund 400 Storcheneier), diese im Tiergarten Nürnberg in einer eigens zu schaffenden Großbrutanlage ausbrüten lassen, die Jungen ebendort in beheizten und klimatisierten Schauanlagen groß ziehen (das steigert den Besucheransturm des Tiergartens um runde 20 Prozent!!) und schließlich im Alter von 8 Wochen in einem Lastwagen, der auch für den Transport von Puten in die Schlachthäuser Verwendung finden kann, in die Südpfalz transportieren. Der Tiergarten eignet sich wenig für ein Auswildern, könnten die Jungen doch ins Löwengehege geraten und von den possierlichen Großkatzen gefressen werden. Außerdem endet am Zoo eine Straßenbahnlinie und der Straßenverkehr bringt zusätzliche Gefährdungen mit sich. Des weiteren fänden die bayrischen Jungstörche in der abgeschiedenen Südpfalz ihre Artgenossen des Nestes vom Zoo Karlsruhe wieder und könnten sich über ihre Erfahrungen mit den lieben Menschen gleich austauschen.

Deshalb: Hände weg von jedem Storchennest während der Jungenaufzucht! Es sei denn man verfolgt, wie bei unseren Haustieren ja hinlänglich bekannt, einen anderen Hintergedanken. Vielleicht sollten wir mal alle Zacherl & Co. auf eine leckere Storchenbrust an Koriander auf Trüffelschaum aufmerksam machen! Ich wette, da gibt es eine ganze Reihe, die sich sofort auf diese Delikatesse stürzen würden.

Ich hoffe, ich muss nicht noch deutlicher werden, um allen militanten Tierschützern klar zu machen, wohin hier verquerte Denkweise führen kann. Oder weiß niemand, dass man dem armen Rehkitz nur aus der Patsche hilft, um es später vor die Flinte zu bekommen? Der Jägersmann füttert doch nicht aus Mitleid mit der Kreatur! Er füttert aus Eigennutz und schießt das Wild daher, gleich wie es ihm gefällt.

Ich wiederhole: Einem verletzten Storch muss geholfen werden und wird auch geholfen. Dazu muss er aber schon bitte sein Nest verlassen haben. Das ist in Ordnung! Das tue ich schon immer und werde es immer tun!

Einem Jungstorch, der sich im Nest in bester Obhut seiner Eltern befindet, die ihrerseits völlig klar im Kopf sind und so handeln, wie es ihnen die Natur vorschreibt, wird nicht geholfen! Warum auch? Wer bestimmt, wann, wie und wieso geholfen werden soll? Nach dem Motto: Heut könnten wir wieder mal helfen! Da gibt es absolut keine Begründung und ich werde mich gegen solche Eingriffe weiter vehement zur Wehr setzen und ich weiß mich in dieser Haltung wahrlich nicht allein.

Betrachten wir also weiter die herrliche Familie auf dem Rathausdach und freuen wir uns an einer nun verlustfreien Jungenaufzucht. Heute fand die lange erwartete, biologisch sinnvolle und durch nichts, außer durch kriminelle Machenschaften, zu verhindernde Reduzierung von einem Trio auf ein leistungsstarkes Duo statt. Nicht mehr und nicht weniger.

Dabei hatte der Tag so hoffnungsfroh begonnen. Es gab überhaupt keine Anzeichen für die bevorstehenden Hiobsbotschaften. Benjamin befand sich inmitten seiner Geschwister und war eben nur ein Stückchen kleiner als die. Dass man in diesen Zeiten hungrig ist, bewiesen Nummer 1 und Nummer 2, in dem sie ihre Hälse so hoch reckten, wie sie nur konnten und damit in Richtung des Schnabels ihrer Eltern zielten.


Aus dem Bild! Wir haben Hunger

Benjamin tat es den Größeren gleich, eben nur ein wenig dezenter und nicht ganz so hoch hinaus.


Benjamin kann es aber auch!

Dass Georg bei einer der Ablösungen mit einem halben Wald von Ästen und Zweigen daherkam und beim Einbauen seine Kinderschar mit dem Geäst regelrecht „traktierte“, sei am Rande ebenfalls noch angemerkt.


Aus der Bahn!
Neues Nistmaterial im Anmarsch!

Ihr müsst schon
ein wenig Platz machen, Kinder!

Dann kam die fragliche Minute gegen 8:35 Uhr. Außer Regina war in diesem Augenblick kaum jemand nahe bei den Ereignissen. Von Wendy erfahren wir gegen 9:00 Uhr, dass Benjamin offensichtlich nicht mehr im Nest weilt. Danach ging es Schlag auf Schlag und bis zum Abend kehrte in Gästebuch und Forum kaum noch Ruhe ein. Zu stark gingen die Emotionen mit den Geschehnissen hoch.

 

Es gibt nur eine Frage: Wo ist Benjamin?

Nun müssen wir uns eben mit nur noch zwei Jungen zufrieden geben. Wenn man die Ereignisse seit März betrachtet und Revue passieren lässt, dennoch ein großartiges Ergebnis, mit dem nur die kühnsten Optimisten zu rechnen wagten. Es gab Nachwuchs in unserem Nest, zu einem Zeitpunkt, der schon fast jenseits der Grenze des Machbaren lag. Wir dürfen nun weiter Zeuge sein, wie es Georg und Pauline anstellen, ihre Zwillinge zu flugfähigen Störchen zu entwickeln. Es werden sicher interessante Beobachtungen folgen, die hoffentlich nur positive Reaktionen und Emotionen hervorrufen werden. Ich werde Sie selbstverständlich dabei begleiten und Trost spenden, wenn es erforderlich ist oder mich mit Ihnen freuen, wenn Nummer 1 und Nummer 2 in 8 Wochen das Nest verlassen haben werden.

 
9. Jul. 05

Tag eins nach dem Tod Benjamins. Danke für die lieben Worte zu meinem letzten Tagebucheintrag. Sie wissen, wie viel Zeit und Kraft ich täglich für die Störche einbringe und das, was Sie auf dieser Website erfahren, ist ja nur ein kleiner Teil meiner Arbeit. Der Tod des Nesthäkchens einer Vogelbrut – und manchmal gibt es sogar viele Nesthäkchen – ist in unserem Falle nicht die Schuld von Menschen.

Ich bemühte mich heute über mehrere Stunden und in zweimaligen Versuchen, eine neue Kameraeinstellung zu erreichen. So ganz nach Wunsch ist mir dies nicht gelungen, aber für eine um Nuancen totalere Einstellung hat es dennoch gereicht. Für einige Tage wird es Ihren gehobenen Ansprüchen genügen, ehe unser Duo erneut aus dem Bild gewachsen sein wird. Dann geht es auf ein Neues und die Tücken der Technik werden ihren Teil abermals dazu beitragen. Während der Einstellversuche ergaben sich einige ungewohnte Perspektiven, die ich Ihnen hier kurz zeigen möchte, ohne die Bildschärfe einem kritischen Test unterwerfen zu lassen. Gerade die Bildschärfe war es, die mir heute unter dem Dach des alten Rathauses mächtig zu schaffen machte. Schließlich brach ich den ersten Versuch ab, um es einige Stunden später abermals zu probieren. Danach war ich etwas zufriedener und ließ es beim Status Quo bewenden.

 
Ungewohnte Einblicke in unser Storchennest!

Es gab, obwohl die Trauer über den Verlust eines Kükens erst 24 Stunden her ist, schon wieder lustige und Mut machende Bilder. So stritten sich unsere Großen am frühen Morgen über eine Mauserfeder ihre Eltern.


Die Feder gehört zu Mama!

Ob sie in diesem Moment dachten, etwas Fressbares ergattert zu haben, sei dahingestellt. Da leuchtete später der Kampf um eine Maus schon eher ein, denn dabei ging es sicher um wichtige Kalorien.


Eine Maus für zwei? Das geht schlecht!

Ich glaube nicht, dass die überlebenden Geschwister in irgendeiner Weise nach dem Verlust ihres Familienmitgliedes traumatisiert sind. Solche Empfindungen sollten ausschließlich Vernunft begabten Lebewesen zukommen. Deshalb verhält sich die Familie so, als ob nichts passiert wäre. Ohne Webcam hätte es ja auch von uns keiner mitbekommen und selbst mit einer solchen sind wir nicht genau im Bilde. Also darum brauchen wir uns nun wirklich keine Sorgen zu machen.

Der Tag begann in Dinkelsbühl mit reichlich Nebel! Ob der schlechte „Durchblick“ unseren Schorsch dazu veranlasst haben könnte, auf dem Dachfirst des alten Rathauses zwischenzulanden? Kurz danach sprang er dann doch ins Nest und gab seiner Pauline zu verstehen , dass sie sich gefälligst verduften könne. So sind sie halt, die Störche!


Pauline, jetzt schleich dich endlich!

Unser Duo ist am heutigen Tag genau drei Wochen alt. Für Störche ein ungemein wichtiges Datum, vergleichbar vielleicht mit den ersten Schritten eines Menschenkindes. Nun beginnen endlich die Arm- und Handschwingen mit aller Macht aus den Blutkielen zu wachsen. Ebenso sind die Kiele der Schulterfedern bereits aufgeplatzt und die wachsenden Tragflächen werden den Flügel mit jedem Tag schwerer machen, so dass wir unsere beiden Großen in Zukunft oft mit hängenden Flügeln im Nest überraschen können. Auch beginnt in diesem Alter eine neue Phase im Leben junger Störche: Sie bleiben schon gelegentlich allein im Nest und damit ohne Aufsicht. Auch wenn es in den beiden letzten Tagen schon mal Schnappschüsse zu sehen gab, auf denen unser Trio und nun unser Duo allein zu Hause war, so konnte man am rechten äußersten Bildrand immer noch eine Zehenspitze von Georg und Pauline erkennen (fast immer!). Mit der neuen Bildeinstellung von heute sind an dieser Stelle einige Zentimeter gewonnen worden, so dass sich ein ausgewachsener Storch dort nicht mehr längere Zeit verstecken kann. Und dennoch: Zwischen etwa 20:40 Uhr und 21:49 Uhr, also über eine Stunde war unser Duo garantiert allein im Nest.


Allein zu Hause, aber durchaus entspannt!

Ob allerdings einer der beiden Elternteile vom benachbarten Kamin aus die Szene beobachtete, muss offen bleiben. Dafür spricht allerdings die Tatsache, dass unmittelbar nach Paulines Erscheinen auch Georg im Nest stand.


Da sind Papa und Mama ja schon!

Dies blieb aber nur für eine Minute so, dann verschwand der Mann umgehend wieder, wahrscheinlich erneut auf den Kamin. Pauline muss, wie es sich für Störche gehört, als Mama die Nachtschicht schieben. Nun ist es für mein Empfinden schon etwas ungewöhnlich, dass beide Eltern ihren Nachwuchs mit gerade mal 21 Tagen schon alleine lassen. Im Lehrbuch wird diese Zeitspanne schon auch angegeben, aber es war doch nur für eine Stunde und das kann man ja gerade noch durchgehen lassen. Dass es an einem erhöhten Futterbedarf der Jungen liegt und deshalb Pauline und Georg gleichzeitig auf Nahrungssuche gehen müssen, wäre ein Grund für das alleine Lassen. Doch als Pauline erschien, nahmen die Jungen keinerlei Notiz von ihrer Mama, bettelten nicht einmal und machten insgesamt einen mehr als satten Eindruck.

Wenn bei einer Fütterung einer der großen Brocken verabreicht wird, hält dieser 50 Gramm-Apparat sicher länger als eine Stunde vor und damit kann bei der nächsten Fütterung schon mal „tote Hose“ herrschen.


Nummer 1 mit dickem Hals!

Nummer 1 und 2 haben jetzt aber auch ein Alter erreicht, in dem die Gewichtszunahme pro Tag schon fast dramatische Dimensionen annimmt. Jeder des Duos bringt es im Augenblick auf ein Gewicht von knapp 1500 Gramm. Man wird nun jeden Tag etwa 150 bis 200 Gramm schwerer, Dies wiederum bedeutet, dass für eine solche Gewichtszunahme eine tägliche Futtermenge nötig ist, die dreimal so groß ist. Somit vertilgt unser Duo pro Kopf im Augenblick rund ein Pfund täglich. Eine unglaubliche Futtermenge, die etwa 1000 Regenwürmern und etwa 25 Feldmäusen gleichzusetzen ist. Bei zwei Jungen dürfen Sie diese Zahlen verdoppeln. Und nebenbei sei noch erwähnt, dass Georg und Pauline für sich noch einmal die gleiche Futtermenge benötigen.


Mit den Wölfen heulen!

Den schönsten Eindruck von der unterschiedlichen Größe unserer beiden Jungen vermittelt der nachfolgende Schnappschuss.


Sind sie nicht goldig?

Da gibt es eigentlich wenig zu mäkeln. Sehr viel fehlt unserer Nummer 2 nicht mehr! Dramatisch ist der Unterschied auf keinen Fall. Die schwarzen Federsäume an den Flügeln unterscheiden sich nur unwesentlich, auch die Länge des Armes beträgt bei Nummer 1 nur ein kleines Stückchen mehr. An der Schulter beginnen die Federn ebenso zu sprießen wie an Arm und Hand. Es geht also los und der große Futterbedarf ist damit natürlich auch zu erklären.


Das Federwachstum hat eingesetzt!

Am Schluss sollen ihnen noch zwei Schnappschüsse über den schmerzlichen Tod unseres Benjamins hinweghelfen.


Die glückliche Familie

Grabgesang der Geschwister
 
10. Jul. 05

Es gibt Neues von Benjamin! Ich erhielt heute eine Mail mit den letzten Schnappschüssen unseres unglücklichen Nesthäkchens. Der fleißige Seher mit dem Usernamen „wobbel“ hat offensichtlich die letzten Sekunden im Leben Benjamins eingefangen. Nach „wobbels“ Aufzeichnungen müssen hiermit meine Einlassungen zum Tagebucheintrag vom 8. Juli ein wenig revidiert werden. Es war nicht um 8:35 Uhr, als Benjamin aus dem Nest verschwand, sondern erst um 8:50 Uhr. Die Abläufe danach decken sich allerdings mit den geäußerten Vermutungen. Auf dem ersten Schnappschuss sehen wir das Trio in friedlicher Eintracht im Nest versammelt. Benjamin, der Jüngste, wird wieder in trefflicher Weise von seinen älteren Geschwistern eingerahmt. Am äußersten rechten Bildrand erkennt man gerade noch zwei Zehenspitzen von Papa Georg.

Fünf Sekunden später beugt sich Georg von seinem Platz aus zielsicher in die Mitte des Nestes und berührt mit der Schnabelspitze den Scheitel Benjamins.

Weitere fünf Sekunden später sehen wir Benjamin am obersten Bildrand hängen, in einer Höhe, die er aus eigener Kraft nie erreichen könnte. Georg Schnabelspitze ist nicht mehr sichtbar, aber sie ist es, die den unglückseligen Benjamin in die Höhe gezogen hat. Der Körper hat keinen Bodenkontakt mehr, die Körperstreckung des Jungen bewiest dies außerdem.

Erneut nur fünf Sekunden später sehen wir Benjamins Platz verwaist und Georg steht am Nestrand und beugt sich deutlich sichtbar auf die Seite zum Ledermarkt hinunter. Fiel Benjamin also doch auf diese Dachseite hinunter? Gesehen, geschweige denn gefunden, hat ihn danach niemand mehr.

Dank „wobbel“ sind wir den dramatischen Geschehnissen des 8. Juli schon ein bisschen weiter auf die Schliche gekommen. Ich appelliere dennoch an alle fleißigen „Schnappser“, ob nicht doch der eine oder andere verborgene Schätze zu Hause aufbewahrt, die vielleicht die Abläufe an diesem Freitagvormittag zwischen 8:30 Uhr und 9:00 Uhr aufhellen könnten.

Bei mir gab es überraschend am Vormittag einen kurzfristig anberaumten Beringungseinsatz. Die Freiwillige Feuerwehr Bechhofen, um deren Hilfe ich nachgesucht hatte, erklärte sich am Sonntagvormittag bereit, die Drehleiter in Merkendorf, Landkreis Ansbach zum Einsatz zu bringen. Ich musste deshalb meinen sonntäglichen Gottesdienstbesuch, der mich heute als Lektor in Anspruch genommen hatte, etwas abkürzen, um rechtzeitig in Merkendorf zu sein.


Die Drehleiter steht bereit!

Das Wetter hätte schöner sein können, doch wenn sich schon Störche nicht über das Wetter beklagen, mit welchem Recht sollte ich es dann tun? Auch in dieser malerischen Stadt zwischen Ansbach und Gunzenhausen gibt es seit dem letzten Jahr wieder ein besetztes Storchennest. Nachdem dort 2004 ein zweijähriges Männchen mit einem 24 Jahren Weibchen gebrütet hatte, war ich natürlich auf die Zusammensetzung des Paares in diesem Jahr sehr gespannt. Aus früheren Besuchen des Nestes wusste ich bereits, dass das Männchen unberingt war, also in diesem Jahr auf jeden Fall ein Wechsel stattgefunden hatte. Das Weibchen konnte ich noch nicht kontrollieren. Als sich die Drehleiter der Feuerwehr langsam dem Nest näherte, flog das unberingte Männchen ab und landet auf dem Dach einer benachbarten Scheune.


Noch einen kurzen Moment, dann fliegt das Männchen ab!

Von dort beobachtete es dann, wie Ihr Tagebuchschreiber das einzige im Nest befindliche Junge beringte. Auch wenn es hier, wie in Dinkelsbühl, noch zu einer sehr späten Brut gekommen war, hatte das Merkendorfer Storchenjunge immerhin eine knappe Woche mehr auf dem Buckel.


Das knapp vierwöchige Junge in Merkendorf!


So sehen die Störche ihre Stadt!

Außerdem befand sich noch ein unbefruchtetes Storchenei im Nest und im Schneefanggitter des Nestgebäudes entdeckte ich die Reste eines vor etwa zwei Wochen abgeworfenen Jungen. So befanden sich anfangs, ebenso wie in Dinkelsbühl,  mindestens drei Eier im Nest, aus denen sich nun ein Junges wohl gut entwickeln dürfte. Vom ersehnten Weibchen zeigte sich auch bei meinem heutigen Besuch keine Spur, so dass mir somit mindestens eine weitere Fahrt zur Kontrolle der Verhältnisse bevorsteht.

Ich habe das Storchenei einmal für Sie fotografiert und als Vergleich ein frisches Hühnerei daneben gelegt. Dabei fällt auf, dass die Eier von Nestflüchtern vergleichsweise riesig sind im Vergleich zur Körpergröße und zum Körpergewicht des Weibchens. Das wird auch schnell verständlich, schlüpfen doch aus diesen großen Eiern schon mehr oder weniger selbständige Junge, die bereits laufen, selbständig Futter suchen und ihren Eltern folgen. Eier von Nesthockern (Storch) sind im Vergleich zum Körpergewicht des Weibchens relativ leicht und klein. Aus ihnen schlüpfen Junge, die noch nichts selbst können, also relativ unterentwickelt sind. Die Aufzucht bis zur Selbständigkeit dauert bei solchen Eiern sehr lange. Ein Storchenei wiegt bei einem Gewicht des Weibchens von 3500 bis 4000 Gramm im Durchschnitt 110 Gramm, das entspricht etwa 3,4 % des Körpergewichtes. Bei Nestflüchtern (zahlreichen Limikolen) kann dieses Verhältnis weit über 10% betragen. 


Storchenei und Hühnerei – ein Vergleich!
  

Während des Tages setzten sich die Phasen des Alleinseins fort. Unsere Zwillinge mussten zwar immer nur kurz und für wenige Minuten ohne Papa oder Mama auskommen, aber es gab solche Phasen.

 
Alleine im Nest

Schorsch verband eine solche Kurzabstinenz mit der Beschaffung von Nistmaterial in Gestalt von Ästen und Zweigen. Somit konnte die gesamte Nestumrandung weiter zulegen, so dass unser Nest ungemein an Substanz gewonnen hat. Am linken Nestrand beginnen die neuen Zweige bereits das Dach eines Nachbarhauses zuzudecken und auch der hintere Rand des Nestes hat rein optisch die Dachrinne des Kirchenschiffes der Paulskirche erreicht. Diese Entwicklung hätte man zu Beginn der Brutzeit in diesem Ausmaß nicht bedacht.


Das Nest am 29. Mai...

...und heute!

Das Wetter war heute geprägt von mächtigen, kurzen Regengüssen, die einhergingen mit heftigen Gewittern. So verliefen die Nachmittagsstunden reichlich turbulent und Schorsch und Pauline hatten reichlich Mühe, ihren schon stattlichen Nachwuchs unter ihre Fittiche zu bekommen. Während des stärksten Regens ließen sich die Eltern dann doch auf ihren Jungen nieder, wobei jene die Flügel extrem anwinkelten, um einen zeltartigen Überbau zu bewerkstelligen. Sonst beließen es die „Alten“ bei einer gekonnten Beschirmung, wobei die Rücken- und Schwanzpartie als Kombination aus Regenschirm und Dachrinne fungierten. Einen Regenschutz garantierte diese Haltung allemal.


Ein Gewitter zieht auf!

Während des stärksten Regens
   

Regenpause und pudelnass

Hudern extrem!

Dazwischen gab es zum Glück immer wieder einmal kurze Regenpausen, so dass die Familie ein wenig abtrocknete.

In der Entwicklung der schwarzen Federsäume am Flügel sowie an der Schulter ergaben sich weitere Fortschritte. Die später einmal längsten Schulterfedern und großen Oberarmdecken geben jetzt schon der Oberseite unserer Jungen einen schwarzen Farbtupfer.


Siesta in der Nachmittagssonne

Wann gibt es Futter?

An Hand und Arm sieht man manchmal (vor allem im nassen Zustand wie nach den Gewitterregen) die bläulichen Blutkiele immer deutlicher hervortreten und an deren Ende auch die ersten Arm- und Handschwingen allmählich zart sprießen.

Das Stehen wird immer perfekter. Man sieht nun deutlich die Zweifarbigkeit der jugendliche Beine. Wie ein Halbstrumpf überzieht ein gelblicher Farbton die Zehen bis zum Bereich unterhalb des Intertarsalgelenkes. Darüber ist alles blaugrau.


Freier Stand!

Die Fütterungen bleiben spannende Augenblicke im Leben unserer Storchenfamilie. Auch wenn es wegen des 5-Sekunden-Bildtaktes und der ungemeinen Schnelligkeit des Fressvorganges nur wenig zu sehen gibt, lässt sich doch das eine oder andere Beutetier erkennen. Unsere beiden Jungen können es manchmal überhaupt nicht erwarten, bis der Futter bringende Altstorch seine Beutetiere mit tief gesenktem Kopf und Hals in das Nestinnere erbricht. Vielmehr sieht man unsere Nummer 1 und 2 begierig ihre Schnäbel in den Schnabel von Papa oder Mama einführen, um ja als erster in den Besitz der begehrten Nahrung zu kommen. Da passiert es schon, dass die Futterübergabe von Schnabel zu Schnabel erfolgen kann.


Fliegender Wechsel! Bald gibt es Futter

Nummer 2 mit fetter Beute

Die Nacht begann abermals mit einigen Regengüssen. So zog es Schorsch erneut vor, nicht zuletzt wegen des immer geringeren Platzangebotes im Nest, auf dem Kamin einzuschweben und von dort aus der Distanz seine Bewachungsaufgaben zu erfüllen. Als er eintraf, wurde er von Pauline mit einer kurzen Klapperstrophe begrüßt.


Gute Nacht, Schorsch!

 
11. Jul. 05

Die Gewitter und Regenfälle der Nacht haben der Sonne Platz gemacht. Es blieb deshalb heute, von den Morgenstunden abgesehen, auch trocken und mit fast 25 Grad konnten schon wieder annähernd sommerliche Werte erreicht werden. Für den Rest der Woche wird sich die Wetterlage weiter stabilisieren und der Hochsommer seine Visitenkarte abgeben.

Trotz der schweren Gewittergüsse blieb es im Nest trocken. Keine Pfütze und kein Hochwasser konnten festgestellt werden, wie es oft von anderen Nestern beschrieben wird, um dort unerlaubte Eingriffe vorzunehmen. Einzig der Nestboden wurde etwas nass und das eingetragenen Gras begann seinen Gärprozess, so dass das schneeweiße Federkleid des Duos an Brust und Bauch gelblichbraune Farbtupfer bekam. Mit dem Abtrocknen verflüchtigte sich die Verfärbung wieder und das strahlende Weiß kam mehr und mehr zum Vorschein.

 
Zwei Dreckspatzen!

Wie gut die Ernährungslage sein muss, bewiesen die zahllosen Exkretionen der beiden Jungen und stets wandte man sich dabei konsequent dem Nestrand zu, um ja nichts von seiner flüssigen Fracht ins Nestinnere abzugeben.

 
Reinlichkeit wird groß geschrieben. Der Dreck geht über Bord!
 

Ein Novum darf ich meinem heutigen Eintrag beifügen: Gleichzeitiges, freihändiges Stehen beider Jungen. Was im Moment noch eine kleine Sensation darstellt, wird in wenigen Tagen schon der Normalfall sein.


Doppel-Stand!

Fütterungen passierten zahlreich und machten aus den doch süßen Jungstörchen für Augenblicke wilde Berserker, die in rücksichtsloser Weise nach allem stießen und schnappten, was in weitestem Umfang fressbar schien. Hatte die Altvögel die Fütterungen beendet, kehrte schlagartig wieder Ruhe ein und aus den Wilden wurden schnell wieder kleine Schmusekätzchen.


Wildes Futtergerangel!

Die abendliche Prozedur der Rückkehr zum Nest hat inzwischen eine neue Dimension erreicht. Ein gemeinsames Übernachten findet schon seit Tagen nicht mehr statt. Das heißt, dass der Schorsch seine Nächte auf einem Kamin des alten Rathauses verbringt. Mama Pauline hat jeweils die Nachtschicht übernommen und an diese Regel hält sie sich bisher auch. Dennoch kommt es bis kurz nach 22 Uhr immer noch zu kurzen Besuchen des Storchenmannes am und im Nest.


Nun verschwinde ich auf meinen Kamin, Pauline!

Er verabschiedet sich allerdings danach schon nach wenigen Augenblicken und entschwindet an seinen Übernachtungsplatz. Sicherlich sind der verhältnismäßig geringe Platz im Nest sowie die damit in Verbindung stehende größere Unruhe der Jungen die Hauptursache. Es werden auch noch Tage kommen, an denen auch Pauline ihren Platz im Nest räumen und sich einen ruhigeren Schlafplatz suchen wird.


Winke, winke, bis morgen!

 
12. Jul. 05

Von der Wetterfront gibt es weiter nur Erfreuliches zu vermelden. Die Regenfälle haben (fast) aufgehört. Lediglich ein kleiner Regenschauer am Nachmittag in Verbindung mit einem kurzen Gewitter brachte noch etwas Nass von oben. Unser Duo wächst! Und wie! Es ist herrlich mit anzuschauen, wie sich die schwarzen Federsäume jeden Tag ein bisschen weiter ausbreiten und wie schwer es den beiden Jungen jetzt schon fällt, Hand und Arm immer schön angelegt zu halten.


Ich bekomme bald Muskelkater!

Nun beginnt auch bald die Zeit, in der die unter dem weißen Dunenkleid sprießenden Konturfedern allmählich die flauschigen und flaumigen Pelzdunen verdrängen. Also schon jetzt immer mal ein Auge auf die übrigen Körperpartien richten und schauen, ob sich dort im Gefieder eine Veränderung abzeichnet. Obwohl die Jungen und die Alten bei jeder Darmentleerung an den Nestrand treten und die Ausscheidungsprodukte über Bord geben, passiert es immer wieder und auch immer öfters, dass ein Teil des Strahls schon mal den Nestrand streift. Das ist ganz normal und darf auch sein! Dieser Teil des Nestes, der ausschließlich aus Ästen und Zweigen besteht, wird ja nicht zum Aufenthalt benutzt. Aber achten Sie darauf, in welchem Umfang sich dort die Farbe Weiß breit macht. Wenn wir noch ein paar Tage warten, sollte die Nestumrandung durchgängig eine weiße Markierung tragen. Ein sicheres Zeichen, dass die Jungen eine funktionierende Verdauung vorweisen können. Noch viel deutlicher als am Nestrand zeichnet sich die Farbe Weiß unterhalb des Nestes auf dem Dach des alten Rathauses ab. Je länger die Jungen bereits im Nest sind und je größer sie werden umso weißer werden die Dachziegel. Häufig nimmt dies Bekalkung den gesamten Bereich des Daches bis fast zur Dachrinne ein. Und bei manch steilen Dächern müssen sich Passanten, die am Nestgebäude vorbeigehen, vor den Überraschungen aus der Luft in acht nehmen. Mich traf bei einer Beringung einmal ein Strahl dicht über dem Auge. Nur durch schnelles Auswaschen mit Wasser konnte eine Augenverletzung verhindert werden. Der ammoniakhaltige Kot ist von sehr aggressiver und teilweise auch von ätzender Konsistenz.

Georg brachte als kleine Morgengabe bei einer Ablösung frisches Grün mit und platzierte es über seine Jungen, die die Sache gelassen nahmen und das Grünzeug nach einer Weile einfach abschüttelten.


Frisch gemäht, Kinder!

Mama Pauline wurde bei einem Abflug ertappt, wie sie nicht die Nahrungsgründe aufsuchte, sondern schnurstracks dem Kamin zustrebte.

 
Hubschrauber in Aktion!

Während normale Abflüge vom Nest immer zuerst nach unten führen, das heißt der abfliegende Storch lässt sich einfach vom Nestrand nach unten fallen und erreicht dann durch die zunehmende Geschwindigkeit den für einen Streckenflug benötigten Auftrieb, konnte bei Pauline beobachtet werden, wie sie nach oben abhob, Dieses Flugmanöver ist nun nicht gerade häufig zu beobachten, sollte aber unter Einsatz einiger schneller Flügelschläge den gewünschten Effekt gezeitigt haben. Pauline hüpfte mehr die 5 Meter zu ihrem Ruheplatz auf dem Kamin neben der Kamera, über die Sie die Bilder vom Nest empfangen. Dass die Jungen auch heute wieder alleine im Nest zu sehen waren, lässt sich nicht leugnen.


Schau, da drüben ist Papa und passt auf!

Ob sie sich dann aber jeweils völlig außer jeglicher Kontrolle durch die Eltern befanden, ist nicht sicher. Ich vermute stark, dass sie jetzt noch meistens dabei aus allernächster Nähe vom Kamin aus beobachtet werden. Später geschieht dies nicht mehr und der Nachwuchs ist völlig auf sich allein gestellt. Papa und Mama sind dabei möglicherweise mehrere Kilometer vom Nest entfernt.

Fütterungen ereigneten sich erneut in einem Wahnsinnstempo.


Ich habe etwas erwischt!

Bis Georg oder Pauline richtig gewürgt hatten, war das Futter bereits in den Schlünden der Jungen verschwunden. Im 5-Sekunden-Takt räumten Nummer 1 und 2 das Nest wieder sauber auf. Es fällt weiter auf, dass die Alten nach der Fütterung keine Nahrungstiere mehr aufnehmen. Das bedeutet, dass der Nachwuchs alles, was die Eltern von sich geben, fressen und kein Rest mehr übrig bleibt. Keine Sorge! Schorsch und Pauline geben nicht immer gleich alles preis, sondern behalten eine Reserve stets für sich. Und dennoch konnte man wieder den Streit um eine Maus beobachten. Beide hatten die Maus am jeweils gegenüberliegenden Ende gepackt und wollten sie im wahrsten Sinne des Wortes teilen. Dazu kam es natürlich nicht, sondern wie im Leben häufig zu beobachten, setzte sich der Stärkere durch.


Gib her!
Die gehört mir!

Konni verdanken wir einen wohl einmaligen Schnappschuss. Welche wahnsinnige Übung hier ein Junges vollführt, muss mit dem Attribut Extraklasse bezeichnet werden.


Extreme–Yoga!

Den Abend verbrachte Pauline wieder allein bei ihren Jungen.

Zum Schluss ei mir noch ein Hinweis in eigener Sache gestattet. Damit Sie schon jetzt ein wenig planen können, möchte ich den Beringungstermin für unser Duo bekannt geben. Dies wird voraussichtlich am kommenden Donnerstag, dem 21. Juli um 15 Uhr geschehen.

 
13. Jul. 05

Das Wetter nimmt erneut vollen Kurs auf Sommer! Heute konnten Mensch und Tier bereits wieder das Schwitzen erproben und bei beiden hat es auch auf Anhieb geklappt- das mit dem Schwitzen.

Unsere Nummer 1 präsentierte einen Flügel in seiner ganzen augenblicklichen Schönheit, so dass dieser Schnappschuss wieder einmal für einen kleinen Exkurs in Sachen Gefiederkunde herhalten muss.


Kleine Gefiederkunde!

Das Gewicht der vielen wachsenden Federn lässt den Flügel schon einmal bis zum Nestboden herabhängen. Dort, wo der Flügel aufliegt, befindet sich die Hand des Vogels. Dort sind, wie am gesamten Flügel, die wie Hülsen aussehenden Blutkiele zu sehen, aus denen die schwarzen Handschwingen herauswachsen. Etwa nach einem Drittel der gesamten Flügellänge zeichnet sich ein kleiner Knick im Flügel ab. Dort endet die Hand und der Arm beginnt. Der Arm ist ungefähr doppelt so lang wie die Hand und trägt 22 Armschwingen. Diese bilden den schwarzen Federsaum, der an der Schulter endet. Dort sehen Sie die bisher längsten schwarzen Federn sprießen, die Schulterfedern. Kehren wir zum Flügel und in den Bereich der Hand zurück. Auf halber Strecken zum Vorderrand des Flügels zeichnet sich, wie mit dem Lineal gezogen, eine zweite Orientierungslinie ab. Auch dort beginnen ganz vereinzelt schwarze Federspitzchen zu erscheinen. Diese werden sich in den nächsten Wochen zu Oberarmdecken entwickeln und neben Arm-, Handschwingen und Schulterfedern das schwarze Federpaket der Störche bilden. Dort, wo neue Federn wachsen, wird das zweite Dunenkleid abgedrängt und verschwindet mehr und mehr. Ein weiteres Zentrum des Federwachstums hätte ich fast vergessen. Auch dort tut sich etwas. Ich meine den Schwanz. Auch dort haben sich bereits größere Bereiche der Pelzdunen abgelöst und den sprießenden Schwanzfedern Platz gemacht.

Wunderschön präsentiert unser Großer auch seine immer kräftiger werdenden Beine, die im Durchmesser kaum noch hinter denen der Eltern zurückstehen. Einzig an der Länge muss noch kräftig gearbeitet werden. Zu sehen ist auch die gelbliche bis fleischfarbene Färbung, die von den Zehen bis knapp zum Intertarsalgelenk reicht.

Im Verlauf des Tages durfte das Duo erneut alleine zu Hause sein


Mama und Papa haben es aber wieder eilig!

und am Abend sah man die gesamte Familie mehrmals für kurze Zeit komplett im Nest, ehe man sich wieder auf die schon öfters bewährte Arbeitsteilung einließ und die Nacht getrennt verbrachte. Sie im Nest und er auf dem Kamin.

 
Alle fünf zusammen!

 
14. Jul. 05

Sie wachsen und wachsen...! Schön anzusehen und nichts deutet darauf hin, dass Gefahr für das Leben eines unserer Zwillinge besteht. Apropos Spätbruten! Wenn sich ein Paar noch am 16. Mai zum Beginn der Eiablage entschließt, sind von vorneherein große Nachwuchszahlen auszuschließen. Ein Storchenpaar geht dabei ein großes Risiko ein. Im Falle von vier Jungen beispielsweise dauert es fraglos länger, die Brut bis zur Flugfähigkeit zu bringen, als wenn es nur ein oder zwei Junge zu versorgen gilt. Bei einem so späten Termin kollidiert das Brutgeschehen schon mit dem Beginn des Wegzuges Ende August. Will man nun überhaupt kein Risiko eingehen, müsste man auf eine Brut verzichten. Dies wäre aber biologisch erst die zweitbeste Entscheidung, denn eine Tierart versucht zunächst alles, um sich fortzupflanzen. Also geht man doch noch ans Werk. Man tut dies aber in einem Zwiespalt, der eine Brut zwar einleitet, dies aber nur mit gebremstem Schaum durchführen lässt. Geht man die Statistiken dieser Storchenwelt einmal durch, erfährt man sehr schnell, dass die Jungenzahlen solcher Spätbruten - dazu rechnen alle, bei denen erst im Mai die Paarbildung erfolgte – hoch signifikant niedriger liegen als bei allen anderen Bruten. In diesem Jahr gab es beispielsweise allein im westlichen Mittelfranken eine ganze Reihe später Brutbeginne. Meine heutige vorletzte Beringungsreise soll Ihnen dies dokumentieren helfen.

Ich fuhr von meiner Heimatstadt Feuchtwangen zunächst nach Gunzenhausen. In der Stadt selbst hatte sich nach Kämpfen mit dem Verlust des Geleges Ende April ein neues Paar etabliert, das sich gegen eine Brut entschied und somit einen ruhigen Sommer verleben durfte. Man legte und bebrütete zwar eine ganze Weile ein einsames Ei, brach aber dann die Brut ab und machte frei. Heute konnte man die beiden auf den großflächig gemähten Wiesen vor der Stadt beobachten. In ihrer Gesellschaft befanden sich Tausende von Staren und mindestens 300 Dohlen, die alle die freie Sicht auf den Boden zur Nahrungssuche nutzten. In Sichtweite zum Storchennest von Gunzenhausen hat sich in diesem Jahr im nur 2 Kilometer entfernten Ortsteil Aha auf dem Pfarrhaus Anfang Mai ein Storchenpaar eingefunden. Nachdem dort die letzte erfolgreiche Brut bereits vor nunmehr 34 Jahren, nämlich 1971, stattgefunden hatte, war es schon ein bemerkenswertes Ereignis, dass es nun wieder so weit war.


Wir kommen...


Dann fliege ich eben doch ab!

Ob es mit dem Pfarrerwechsel im Herbst 2004 zusammenhing, konnte nicht abschließend ermittelt werden. Auf alle Fälle freute sich die Pfarrerfamilie, dass sich Leben in Gestalt der Störche im Mai einstellte. Als Ihr Tagebuchschreiber mit der Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Gunzenhausen das Nest erklomm, präsentierten sich ihm zwei Junge, im Alter ein kleines Stückchen weiter als ihre Dinkelsbühler Artgenossen. Der Kleinere hing dabei doch noch deutlich hinter seinem älteren Geschwisterchen zurück, doch sollte er nicht in Gefahr sein. Den Nestboden bedeckten zahlreiche Gewölle, die durch ihre ziegelrote Färbung einen hohen Chitin- und damit Insektenanteil erkennen ließen.


Das Duo von Aha

Eine genauere Untersuchung bestätigte dann diesen ersten Eindruck. Zahllose Flügeldecken von Laufkäfern und andere Insektenteile „leuchteten“ aus den Speiballen hervor. 34 Jahre lagen also zwischen dieser und der letzten Brut und in diesen Jahren gab es viele Versuche, den Storch wieder nach Aha zu bringen. Dabei war auch Ihr Tagebuchschreiber maßgeblich beteiligt. Dass man die Hoffnung dabei nie aufgeben darf, beweist nun diese Wiederbesiedelung in eindeutiger Weise.

Weiter ging es zur nächsten Spätbrut nach Gundelsheim, rund 10 Kilometer von Gunzenhausen entfernt. Auch dort kam es am 1. Mai zu Kämpfen. Das neue Paar vertrieb das bereits anwesende, Eier wurden abgeworfen und eine neue Brut begann. Etwa zur gleichen Zeit wie in Dinkelsbühl schlüpfte in Gundelsheim das einzige Junge Bei der Beringung lief alles wie am Schnürchen und die zahlreich versammelten Kinder des Ortes durften Zeuge des Geschehens werden.


Die ungewöhnliche Horstanlage in Gundelsheim


Immerhin gibt es auch dort Nachwuchs!

Kaum war die Drehleiter eingefahren – und dies war bisher bei allen Beringungen der Fall – kehrten die Wache schiebenden Störche zum Nest zurück. Das war es an Wörnitz und Altmühl für dieses Jahr! Die Beringungsarbeit ist damit fast abgeschlossen. Bleiben nur noch die beiden Dinkelsbühler Jungen, für die der kommende Donnerstag, 21. Juli, um 15 Uhr eingeplant ist. Zähle ich die Jungen noch dazu, konnte ich in diesem Jahr zusammen 47 Junge in 17 Nestern beringen. Weitere 8 Paare blieben wegen Kämpfen oder anderer Ereignisse ohne Nachwuchs oder verloren diesen. Sieht man sich die „normalen“ Bruten einmal an, kommt bei diesen 11 Paaren auf insgesamt 38 Junge, was einem Durchschnittswert von 3,45 Jungen pro Paar entspricht. Bei den sechs späteren oder spätesten Bruten ergibt sich an 6 Orten nur noch eine Jungenzahl von insgesamt 9 Jungen, also gerade mal 1,5 Junge pro Paar. Sie sehen, wie gravierend die Unterschiede sind und wie sie biologisch bewertet werden müssen. Jeder Eingriff und jede Fummelei kämen hier einer Vergewaltigung der Altstörche gleich, die zu etwas gezwungen werden würden, für das sie gar nicht bereit sind und bereit sein wollen.

Die Zeiten, in denen unser Dinkelsbühler Duo schon allein ist, vergrößern sich weiter. Wie beschrieben, können die Eltern dabei aber in der Nähe sein und die Nestumgebung durchaus im Auge haben.

 

Die geringe Nestgröße mag Ursache sein, wenn die Altvögel schon so frühzeitig aus dem Neste weichen. Mit einer geringeren Erreichbarkeit von Nahrung bringe ich dieses Verhalten nicht in Zusammenhang. Georg ließ es sich erneut nicht nehmen, den Ausbau des Nestrandes weiter voranzutreiben. Er schleppte manches Prachtstück herbei.


Hey, Papa!
Streng dich doch bitte wegen uns nicht so an

Die Hitze tat ein Übriges. Pauline und Gemahl beginnen ihre weiße Beinfärbung anzulegen. Sie wissen als fundierte Leser meines Tagesbuches schon längst, was dies bedeutet: In Dinkelsbühl ist der Sommer ausgebrochen. Oder an der Beinfärbung der Störche kann man erkennen, wie das Wetter vor Ort ist. Da Störche nun mal keine Schweißdrüsen besitzen, verschaffen sie sich durch das Bekoten der Beine mit einem dünnflüssigen Spezialkot eine kurzfristige Verdunstungskälte. Diese entzieht dem Körper Wärme, wodurch sich die Angelegenheit schon mal gelohnt hat.


Man beginnt, wieder ein weißes Beinkleid zu tragen!

Die weiße Farbe der Zweige am Nestrand dient allerdings keinem bestimmten Zweck, sondern zeigt, dass bei mancher Darmentleerung die Treffsicherheit und der ausgeübte Druck nicht ganz der Norm entsprechen. 

Und zum Schluss für heute gab es ein wenig Aufregung um einen dicken Hals eines unserer Jungen. Ganz klar stammt diese ziemliche Ausbuchtung von einem mächtigen Brocken. Doch wenn es ihn schon einmal abgeschluckt hat, besteht nicht mehr die Gefahr des Erstickens. 


Da hat einer aber einen
Brocken verschluckt!

Hierher!
Ich bin hungrig
 
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    Informationen und Programme für den Landkreis Ansbach finden Sie hier:

Kinderzeit

 

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Thomas Ziegler

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