Storchenkamera
Storchentagebuch 2008
...was bisher geschah
Unterstützt durch
Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!
Teil 6
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23. Mai 08 |
Die Beringung der Jungstörche an Wörnitz und
Altmühl ging heute in die zweite Runde.
Dabei kam die ausgesprochen liebenswerte
Freiwillige Feuerwehr Dinkelsbühl mit ihrer Drehleiter und ihrem
umsichtigen und gekonnt agierenden Maschinisten und Fahrer Friedrich
Hirsch zum Einsatz. Er löst seit diesem Jahr Günter Rödel ab, der
mich über Jahrzehnte in dieser Funktion an viele Storchennester
herangefahren und dafür viel Freizeit geopfert hat. Aus
Altersgründen musste er im Herbst des vergangenen Jahres aus dem
aktiven Feuerwehrdienst ausscheiden und hat nahtlos einen
Feuerwehrkameraden gefunden, der ihn in gleicher Weise ersetzen
kann.
Unsere erste Dinkelsbühler Gästebuchdame Carola
und ihr aus Hürth ein geflogener Gast Gisela, ebenfalls durch das
Gästebuch bestens bekannt, waren eingeladen, der Feuerwehr und ihrem
Tagebuchschreiber an die Storchennester zu folgen. Unsere erste
Station galt dem Storchennest von Weiltingen an der Wörnitz (rund 10
km südöstlich von Dinkelsbühl gelegen) und seinen etwa 4 Wochen
alten Jungen. Mindestens fünf Junge hatten dort das Licht der Welt
erblickt, ein Junges war vor einiger Zeit tot unter dem das Nest
tragenden Kamin aufgefunden worden.
Als sich die mutige Carola und der Beringer
heute dem Nest näherten, fanden sich immerhin noch vier kräftige
Jungstörche. Der Wache schiebende Storchenpapa umkreiste während der
Zeit unseres Aufenthaltes misstrauisch und scharf die Situation
beobachtend Nest und Leiter und landete unmittelbar nach dem Rückzug
des Feuerwehrfahrzeuges wieder bei seinen Jungen. Die hatten sich
während der kurzen Zeit der Störung am Nest tot gestellt und alles
seelenruhig mit sich geschehen lassen. Ein solches angeborenes,
Akines oder Bewegungslosigkeit genannte Verhalten, hilft jungen
Störchen zu Zeiten einer wirklichen Gefahr durch einen fremden
Artgenossen zu überleben. An einem sich tot stellenden Jungstorch
verliert ein möglicher Angreifer bald das Interesse, so dass er von
ihm ablässt und sich lieber anderen Dingen zuwendet. Ein heftig um
sich schlagender und sich wehrender Jungvogel wird dagegen umso mehr
attackiert und erleidet dann schon mal Verletzungen, die auch seinen
Tod zur Folge haben können.
Fazit für Weiltingen: Die Jungen haben alle
zusammen eine gute Chance in knapp fünf Wochen ihre ersten Flüge an
der Wörnitz zu unternehmen.
Einsatz in Weiltingen
Nur drei Kilometer weiter in östlicher Richtung
gelangte der kleine Fahrzeugkorso nach Wittelshofen. Dort war vor
etwas über einer Woche ebenfalls ein Junges aus dem Nest geworfen
worden und war im Schneefanggitter des Daches unterhalb der
Storchenburg hängen geblieben. Heute durfte ich unter Mitwirkung des
örtlichen Storchenbetreuers Hansjürgen Wölfinger die verbliebenen
drei Jungen beringen. Sie lagen altersmäßig ein wenig über den vier
Jungen des Weiltinger Paares und waren vor einem Monat aus den Eiern
geschlüpft.
Die Feuerwehr am Nest in Wittelshofen
Kurzfristig ergab sich heute sogar noch ein
dritter Feuerwehreinsatz. Diesmal durfte ich auf die Drehleiter der
Freiwilligen Feuerwehr meiner Heimatstadt Feuchtwangen unter ihrem
Kommandanten Holger Frohwieser zurückgreifen. Es ging nach Mosbach
an den Oberlauf der Wörnitz, rund 12 Kilometer nordwestlich von
Dinkelsbühl. Dort waren Ende April sechs Junge geschlüpft, von denen
nach 14 Tagen eines, das Nesthäkchen verschwand. Die erstaunliche
Zahl von 5 Jungen blieb während der dann folgenden Zeit unverändert
erhalten und auch heute, als die Drehleiter sich dem Nest näherte,
fielen sage und schreibe fünf Junge in die schon beschriebene
Akinese.
Das Mosbacher Quintett
Dass bei Anrücken der Drehleiter die Jungen
bereits ohne Aufsicht der Eltern alleine im Nest verharrten,
beweist, dass sie mit rund 30 Tagen ein Alter erreicht hatten, in
dem solches durchaus als normal gelten kann. Während der Aktion am
Nest erschien zunächst das Weibchen, kenntlich am Aluminiumring am
linken Fuß, mit einem Brocken Mist im Schnabel. Es drehte einige
Runden um das Nest, landete schließlich auf einer Nachbarscheune,
ließ das Mitbringsel zur Ausgestaltung des Nestes fallen und landete
unmittelbar nach Abschluss der Aktion wieder im Nest.
Ein erfolgreicher Storchentag für Ihren
Tagebuchschreiber war danach fast zu Ende, doch erst nach der
Chorprobe als Mitglied der Kantorei fand er die Entspannung wieder,
die für die nächsten Aufgaben erforderlich sind.
Schorsch und Nummer 7 absolvierten ihren 30.
Bruttag und so langsam kann man sich mit dem großen Ereignis
anfreunden. Meine Vorhersage für die Geburt des ersten Kükens lautet
am Tag der Ablage des ersten Eies: 25.5. oder 26.5.!
Warum sich Schorsch & Co. auch heute wieder
reichlich mit Plastikmüll eindeckten, ist wenig plausibel.
Vielleicht wissen Sie von unserer Neugierde in Erwartung ihres
Nachwuchses und wollen uns die Sache etwas erschweren und vielleicht
auch vermiesen? Was sie so alles mit den verschiedenen Plastikteilen
trieben, konnte einen schon fast ein wenig zum Lächeln bringen. Es
gab Momente, in denen nichts mehr von einem Gelege zu sehen war und
bereits im nächsten Augenblick leuchteten wieder drei Eier aus der
Nestmulde und dies nur, weil einer der beiden Brütenden kurz einmal
an einem Teil gezogen und dieses neu platziert hatte. So wird es
auch bleiben, bis alles sich in Wohlgefallen aufgelöst hat, d.h. bis
alle Fremdkörper irgendwo ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Bis
dahin muss sich niemand aufregen, dass deswegen schon wieder ein
Katastrophenfall eintreten könnte. Es war eindeutig der Müll, der
heute die Gemüter erregte, weniger das Brut- und Ablöseverhalten von
Schorsch und Nummer 7.
Einen Schnappschuss will ich aber noch
besonders bewerten. Er zeigt unseren Schorsch mit weit geöffnetem
Schnabel. Dies wird uns in den Sommermonaten sicher noch öfters
beschäftigen und nicht nur bei den Alten, sondern auch bei den zu
erwartenden Jungen. Ein weit geöffneter Schnabel dient bei Vögeln,
ähnlich wie bei Hunden, der Wärmeabgabe durch die Mund- bzw.
Schnabelschleimhaut. Vögel und Hunde verfügen nicht über
Schweißdrüsen und werden durch das Hecheln einen Teil überschüssiger
Wärme los.
Auf der Suche nach den Eiern |
Versteckspiele |
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Hechel..Hechel |
Es geht doch! Weg mit dem Müll! |
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Schorsch wird zugedeckt |
Ein toller Verhau! |
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24. Mai 08 |
Es ist passiert!!! Im Nest auf dem Dach des
alten Rathauses ist am Nachmittag das erste Küken geschlüpft. Ein
solches Ereignis war zuletzt im Jahre 2005, genau am 18. Juni, zu
erleben. (http://www.bn-ansbach.de/storchcam/Chronik_05/chronik2005_10.htm)
Nachdem das erste Ei, das heute sein Geheimnis
preisgab, in der Nacht vom 22. auf den 23. April gelegt wurde,
ergibt sich, wenn man die Legezeit mit Mitternacht annimmt, eine
Gesamtbrutdauer von 31 Tagen und 12 Stunden. Einigen vergrößerten
Schnappschüssen, für die sich unser KaiserPingi verantwortlich
zeichnet, konnte man entnehmen, dass bereits am Morgen gegen 7 Uhr
das Ei an einem Pol aufgebrochen war und sich ein kleiner
Storchenkörper herauszuschälen begann.
In der Vergrößerung ganz deutlich: Küken Nr. 1
beginnt sich aus dem Ei zu schälen.
Sieben Stunden später hatte er sich dann
gänzlich von der ihn bisher schützenden Schale befreit. Küken 1 war
geboren! Ich habe mir nach dem Schlüpfen noch diverse Schnappschüsse
des Vortages vorgenommen, ob auf diesen Hinweise auf den
bevorstehenden Schlüpfvorgang zu erkennen sind. Zu einem ganz
eindeutigen Ergebnis bin ich nicht gekommen, da sehr oft das Gelege
vom Plastikmüll mehr oder weniger zugedeckt war. Ich füge hier aber
dennoch einen Beleg vom 23. Mai um 15 Uhr bei, auf dem in der
Eischale ein deutliches, kreisrundes Loch zu sehen ist.
Schnappschuss von gestern!
Dieses Loch entsteht durch die Arbeit des
Eizahns auf der Oberseite des Oberschnabels nahe der Spitze. Bis
dann von dieser ersten Öffnung weiterführend neue herausgearbeitet
werden und letztlich durch den Druck des kleinen Storches die
Eikappe abspringt, vergehen schon 24 Stunden. Dieser immensen
Anstrengung hat sich unser Kleiner also in den letzten 24 Stunden
unterzogen und befindet sich nun erst richtig auf der Welt. Er ist
nun den äußeren Einflüssen im Bereich des Nestes voll ausgesetzt und
hat sich in einigen Tagen auch noch mit mindestens zwei Geschwistern
herumzuschlagen. Auf Nahrung ist der Jungstorch am ersten Lebenstag
noch nicht angewiesen. Zu sehr zehrt er noch von den
Nahrungsvorräten, die der Eiinhalt bis zum Schluss für ihn
bereitgestellt hat.
Küken 1 hat heute ein Gewicht von 70 bis 75 g
vorzuweisen. Innerhalb der nächsten vier Tage hat es sich bereits
verdoppelt und legt danach weiter eine rasante Entwicklung hin.
Bitte beobachten Sie ab sofort besonders die Fütterungen und
versuchen Sie dabei festzuhalten, welche Beutetiere Schorsch und
Nummer 7 verfüttern und welche Sie anschließend vielleicht wieder
aufnehmen, denn nach jeder Fütterung wird das Nest sauber
hinterlassen. Sie wissen dass in solchen Fällen gilt: Viele Augen
sehen mehr!
Schorsch und Nummer 7 haben zur Begrüßung des
neuen Ehrenbürgers alles schön dekoriert. Ein weißes „Tischtuch“ war
vom frühen Morgen an um die Nestmulde herum platziert und sollte
wohl als Willkommensgruß gedacht sein.
Geburtsvorbereitungen
Gegen Abend zu gab es schließlich deutliche
Hinweise, dass sich auch Küken Nummer 2 anschickt, die schützende
Eischale zu durchbrechen. Ein deutliches, kreisrundes Loch tat sich
am nächsten Ei auf und lässt das zweite Küken im Verlauf des
morgigen Tages erwarten.
Da wird der nächste Coup vorbereitet
Was passiert mit der leeren Eischale? Sie blieb
zunächst neben Küken Nr. 1 liegen. Schnabelbewegungen des Altstorchs
veränderten ihre Lage immer wieder, dabei wurde sie mehr und mehr
zerdrückt. In den meisten Fällen nimmt sie schließlich einer der
Elternvögel auf, frisst sie (damit alles einer Verwertung zugeführt
wird) oder - im schlechteren Falle - wirft er sie einfach über Bord.
Eine kleine Bilderfolge soll das Großereignis
noch ein wenig aus der Normalität herausheben.
Erste Animation mit Küken Nr. 1
Alles Gute!!
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25. Mai 08 |
Die Sache mit dem Müll hat sich mit dem
heutigen Tag deutlich entspannt! Einige gesammelte Teile sind aus
dem Blickfeld der Kamera verschwunden und neue sind nicht dazu
gekommen. So bleibt ein bescheidener Rest im äußeren Bereich der
Nestmulde, der nun wirklich niemanden mehr behindert oder
einschränkt. Eine Gefahr für Leib und Leben des kleinen Kükens
bestand aber zu keiner Zeit. Aus der Perspektive der Kamera sieht
manches schlimmer aus als es ist, denn die Dreidimensionalität des
Nestes wird durch die Optik nicht so sehr verdeutlicht. In
Wirklichkeit ist der Platz in der Nestmulde größer und wird nur
durch die Kamera und ihre Teleeinstellung „verdichtet“. Ich muss
aber zugeben, dass ich auch ein wenig erschrocken war und ich mir
Sorgen machte, dass Sie sich in diesem Moment aufregen und um das
Küken bangen.
Sehr viel deutlicher entwickelten sich heute
die Geschehnisse im Nest von Vetschau. Dort kam es zum Tod von zwei
acht bis zehn Tage alten Jungen. Eines der Küken wurde von einem
Altvogel – noch lebend – gepackt, geschüttelt und schließlich
aufgefressen, das zweite muss wohl über Bord geworfen worden sein.
Leider konnte ich mir im Forum von Vetschau die langen Diskussionen
nicht alle durchlesen, so dass ich hier letztlich nur auf
Vermutungen angewiesen bin. Vom Verspeisen des einen Jungen liegen
eindeutige Bildbelege vor.
Die Geschehnisse in Vetschau nehmen ihren Lauf
Ebenfalls ohne Zweifel leben jetzt nur noch
zwei Junge und nicht wie vor den Ereignissen vier. Hier wurden viele
mehr oder weniger mit der Natur vertraute Mitmenschen mehr oder
weniger geschockt und für viele sind solche Geschehnisse nicht
verständlich. Dazu ist zu sagen, dass Ähnliches fast in jedem Nest
des Weißstorchs in jedem Jahr passiert. Aus vier oder fünf Eiern
eines Geleges werden nun nicht automatisch auch vier oder fünf
kräftige Junge, die dann auch noch gesund und munter ausfliegen und
zum Schluss glücklich und zufrieden ins Winterquartier streben. Wie
ich Ihnen schon oft erzählt habe, liegen die durchschnittlichen
Jungenzahlen bei „meinen“ Störchen, das sind etwa 30 Paare an den
Flüssen Altmühl und Wörnitz, um den Wert 2! Das können in guten
Jahren auch mal Werte sein, die an die 3 herankommen, in schlechten
allerdings (und das passiert in der Mehrzahl der Jahre) liegen diese
Werte sogar unter 2. Wenn man nun von der Zahl der gelegten Eier
ausgeht, bringt es meine Teilpopulation der Störche (30 Paare) auf
120 Eier im Jahr. Viele Paare legen 5 Eier, viele Paare legen vier
Eier, einige Paare legen 3 Eier (so wie Schorsch und Nummer 7) und
weniger (es gibt auch Paare, die kein Gelege produzieren!) und
einige Paare legen sogar sechs Eier (wie in Markt Schwaben und in
Mosbach). Ein Durchschnittswert von vier Eiern pro Gelege ist sicher
nicht zu hoch gegriffen. Aus diesen 120 Eiern schlüpfen mindestens
110 Junge. Unbefruchtete Eier sind bei Störchen sehr selten und bei
30 Paaren sind 10 eine eher hohe Zahl. Also sollten – wenn keine
Verluste auftreten – aus diesen 110 zum Schlupf gekommenen Eiern
meiner Population von 30 Paaren rein rechnerisch 110 Junge zum
Ausfliegen kommen. In meiner Modellrechnung wäre dies so zu
erwarten. Vielleicht passiert solches in 1000 Jahren einmal? Aber es
ist höchst unwahrscheinlich! Statt dessen erreichen im
Jahresdurchschnitt aber nur 60 Junge das Ausfliegealter, manchmal
(im letzten Jahr) weniger als 30, ganz selten mehr als 60
(vielleicht in diesem Jahr). Was passiert denn dann mit den
fehlenden Jungen? Sie enden schlicht und einfach so, wie man es in
Darany/Ungarn, gestern in Vetschau, morgen in..., im letzten Jahr in
weiten Teilen Frankens erlebt hat. Erlebt heißt in diesem Falle: Wie
man es durch die Kamera miterleben darf, kann und muss! Dies
passiert aber genauso in den 170.000 Nestern, die von keiner Kamera
beäugt werden und kein Hahn kräht danach. Die Öffentlichkeit, die
mit den Einblicken ins Nest gewonnen wird, ist meistens den
Ereignissen nicht gewachsen, sie hat nicht die Haltung, die es
braucht, Geschehnisse um das Leben eines Wildtieres mit der nötigen
Distanz und Distanziertheit zu betrachten. Dies soll kein Vorwurf
gegen Tierliebe und Anteilnahme um das Wohlergehen eines Tieres
sein, ich möchte aber erreichen, dass meine Leser zumindest den
Versuch wagen, den Todeskampf eines Tieres oder das langsame Sterben
eines Lebewesens anders zu erleben als Tod und Krankheit eines
Mitmenschen oder eines Familienangehörigen oder eines geliebten
Haustieres. In mir vermitteln sterbende oder tote Störche ebenfalls
unendliche Trauer und Mitgefühl, jedoch muss ich respektieren, dass
Storcheneltern und andere Tiereltern Geschehnisse um ihre Jungen
besser beurteilen und einzuschätzen vermögen als der beste Tierarzt
oder Naturfreund. Wenn Junge gefressen oder aus dem Nest geworfen
werden, darf ich doch nicht das Tier verdammen, das solches tut,
handelt es doch nicht verstandesmäßig, sondern ausschließlich vom
Instinkt geleitet. Kranke oder sterbende Junge verhalten sich anders
als gesunde Junge. Dies erkennt ein Elterntier doch eher als ein aus
der Ferne beobachtender Mensch. Das Fressen seines eigenen Jungen
ist dabei die beste Lösung. Denn als zusätzlicher Energielieferant
hat der Körper wenigstens noch eine sinnvolle Verwendung gefunden.
Dass ein zweites Küken nicht erst zwei Tage
nach dem ersten Küken auf die Welt kommt, war mir eigentlich schon
vorher klar. Dass dies aber schon nach 30 Tagen und 18 Stunden
Brutzeit passiert, ist doch eine kurze Erwähnung wert.
Dass sich der Müll deutlich reduziert hatte,
habe ich bereits erzählt. Immer wenn Papa oder Mama Storch sich von
ihrem Erstling und den verbliebenen Eiern erhoben, reckte der kleine
Racker seine Kopf munter in die Höhe und versteckte sich keinesfalls
unter dem eingetragenen Unrat. Wie sehr die Eltern ihren Nachwuchs
umsorgten, zeigten auch die ersten sicheren Fütterungen, die während
des Tages durch Schorsch und Nummer 6 erfolgten. Paul aus dem
Gästebuch fragte bei mir an, ob denn Schorsch so in der Lage sein
wird, die entsprechende Beute für die Kleinen zu besorgen. Sein im
Bereich der Bruchstelle wild zerklüfteter Schnabel könne beim
Erbeuten kleiner und kleinster Nahrungstiere einfach überfordert
sein. Dies ist sicher gut möglich, hat Schorsch doch durch seinen
Unfall die Pinzettenstruktur der Schnabelspitze komplett verloren.
Insekten, ja selbst sich windende Regenwürmer oder glitschige Egel
sind von Schorschs Schnabel nur schwer zu erbeuten. Ist Schorsch
dann mehr der Mann für das Grobe? Ich denke, dass er da weniger
Probleme bekommen wird und für größere Säuger und Fische die
angeborene Technik sicher umsetzen kann. Also doch Probleme bei der
Jungenaufzucht? Ich möchte ein wenig beruhigen! Erstens können wir
ja maximal nur drei Junge erwarten, wobei wir nicht sicher sein
können, ob auch alle drei die ersten Lebenswochen überstehen. Ob im
Falle des Ablebens eines Jungen dann Schorsch die Schuld tragen
muss, wird nicht nachzuweisen sein, für mich ist er stets schuldlos.
Schorsch hat ja eine Partnerin und das ist gut
so. Wenn Schorsch teilweise bei der Nahrungsbeschaffung ausfällt,
wird seine Partnerin für ihn in die Bresche springen. Sie tut das
nicht aus Überzeugung, sondern wenn die Jungen hungrig sind, wird
zunächst gebettelt. Dies löst den Fütterungsinstinkt aus und das
bedeutet Futter auswürgen. Ist kein oder das falsche Futter da, geht
die Bettelei weiter. Diese Bettelei veranlasst den Partner
entsprechend zu reagieren und der hat dann eben Mehrarbeit zu
leisten. Eine kleine Spekulation: Der Futterbedarf ist in den ersten
Tagen noch nicht so immens. Die Jungen brauchen kleine Beutetiere
(Regenwürmer, Insekten, Egel...). Schorsch fällt weitgehend dabei
aus. Nummer 7 trägt die Hauptlast. Drei Junge alleine zu füttern,
schafft ein einzelner Storch locker, wenn man zu zweit ist, geht das
erst recht. Nach zwei Wochen Mehrarbeit kommt nun Schorsch ins
Spiel. Ein Großteil seiner Beute (Mäuse, große Fische..) ist jetzt
für die Kleinen zu bewältigen, sie müssen nicht mehr ewig betten,
bis etwas kommt, nun sind sie endgültig über den Berg!
So könnte es laufen. Aber wir haben uns in
Schorsch schon einige Male getäuscht und sind jedes Mal positiv
überrascht worden. Warum nicht auch dieses Mal? Auch wenn man die
einzelnen Futtergaben nur schwer ausmachen oder gar identifizieren
kann, bitte ich Sie doch weiterhin, darauf besonders zu achten und
Bildbelege zu sammeln.
Zurück ins Nest, denn da tat sich erneut
Großartiges und ich habe eingangs schon kurz darauf hingewiesen.
Nach 30 Bruttagen und weiteren 18 Stunden kämpfte sich heute kurz
nach 19 Uhr Küken Nummer 2 aus der Eischale. Bereits Stunden vorher
konnte man zusehen, wie das Loch in Ei Nummer 2 ständig größer
wurde., bis es dann zur Absprengung des Deckels im Ei kam und Küken
Nummer 2 endgültig geboren war.
Während mehrerer Fütterungen am heutigen tag
gelangen verschiedenen Schnapsern bereits schöne Belege. Es gab auf
alle Fälle reichlich „Kleinkram“ von sehr dunkler, fast schwarzer
Farbe, der zweimal sogar auf dem Plastikteil im Nest wie auf einer
Tischdecke serviert wurde. Nach kurzer Zeit war die Decke wieder
sauber, das Küken Nummer 1 hatte gut gegessen. Einige Male konnte
man „Fischiges“ als Nahrung ausmachen, die allerdings nicht von den
Kleinen verspeist, sondern nach dem Auswürgen von den Alten wieder
gefressen wurden. Ich vermute mal, dass es sich in zwei Fällen um
kleine Weißfische gehandelt hat, in einem weiteren Fall vielleicht
um einen kleinen Hecht. Allerdings lege ich für diese Identifikation
meine Hand nicht ins Feuer. Wer die Bilder betrachtet und ein Kenner
von Fischen ist, darf mich gerne in meiner Anschauung (und auch
sonst) korrigieren.
Nun sind es schon zwei kleine Störche und wenn
mich nicht alles täuscht werden Morgen Drillinge den Anblick unseres
Nestes verschönern.
Bitte sagen Sie es allen, die Sie kennen und
lieben weiter, dass es nun in Dinkelsbühl echt gute Beobachtungen zu
machen und dass es reichlich Informationen zu erhalten gibt. Deshalb
bedeutet es für alle Storchenfreunde und erst recht für alle
Storchenfans, unbedingt auch auf unserer Seite vorbeizuschauen.
Bilder in dieser Qualität und mit dieser kurzen Bildfolge gibt es so
gut wie nicht, Informationen in dieser Qualität und Dichte ganz
sicher im weiten Netz überhaupt nicht.
Guten Morgen, Küken Nummer 1 |
Deutliches Loch in Ei Nummer 2 |
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Weißfische als Nahrung? |
Egel auf der Tischdecke? |
Vielleicht ein Hecht?
Küken Nummer 2
Wenn Sie die
Tagebucheinträge der letzten Tage noch nachlesen wollen, blättern
Sie bitte zurück auf Teil 5. |
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26. Mai 08 |
Küken Nummer 2 durfte heute den ersten
Sonnenaufgang erleben, sich das erste Mal mit Geschwisterchen Nummer
1 um die besten Nahrungsbrocken streiten und sehenden Auges die
Nestumgebung erkunden. Dass dieser letzte Punkt noch sehr
eingeschränkt zu gelten hat, versteht sich von selbst. Ins Auge
fielen der neuen Nummer 2, dass sich immer noch Plastikreste in
ihrer unmittelbaren Umgebung auftürmen und dass sehr oft während des
Tages ein sehr langes rotes Ding, das einmal etwas deformiert
aussieht, ein anderes Mal vorne spitz zuläuft, sich vorsichtig in
seine Nähe bewegt und es zärtlich berührt. Mehrmals täglich
entströmen diesem auffälligen Organ große und weniger große
Nahrungsbrocken, von denen Nummer 2 instinktiv weiß, dass diese zum
Überleben wichtig sind. Deshalb nimmt sie alle Kraft zusammen,
einige von diesen Teilen in den Schnabel zu bekommen und unter
manchmal großer Anstrengung hinabzuwürgen.
Dies muss es stets in Konkurrenz mit Nummer 1
versuchen, doch heute hat es schon mal ganz gut damit geklappt.
Nicht nur Schorsch, sondern auch Nummer 7 konnten dabei ertappt
werden, dass sie nicht jeweils die entsprechende Beutetiergröße für
ihre Jungen parat hatten. Wie sollten sie auch? Als nicht mit
Vernunft begabte Wesen sammeln sie bei der Nahrungssuche eben alles
auf, was entweder leicht zu erbeuten oder in großer Stückzahl
vorhanden ist. Wählerisch darf man als Storch nicht sein. Wer sich
darauf einlässt, erleidet sicher schnell Schiffbruch! Also nimmt man
mal alles mit und sortiert dann eben im Nest noch einmal aus. Das
wäre so die Nummer sicher!
Irgendwie werden Schorsch und Nummer 7 die
hungrigen Schnäbel schon stopfen. Einigkeit macht stark! Bitte diese
Aussage aber nicht politisch zu verstehen!
Das Loch im Ei Nummer 3 deutet stark darauf
hin, dass sich hier in allernächster Zeit wieder Erfreuliches tun
wird. Wir bleiben auf jeden Fall dabei und Sie doch auch?
Mal
durchzählen |
Ein Ei hab ich noch!
Also nichts wie drauf! |
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Ein Loch ist im Ei(mer) |
Vorwitzig, vorwitzig |
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Schorsch mit einer Maus |
Auch zu groß für die Jungen |
Dieser Fisch hat auch nicht gepasst! |
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27. Mai 08 |
Der Morgen brachte die Bestätigung! In der
Nacht zwischen 21 Uhr und 5 Uhr war Küken Nummer 3 geschlüpft und
hatte das bisherige Duo zum Trio erweitert. Schorsch und Nummer 7
hatten damit ihre erste Aufgabe zu einem erfolgreichen Abschluss
gebracht und drei befruchtete Eier jeweils etwas über 30 Tage
bebrütet.
Dabei verkürzten sich diese Zeiten von einem Ei
zum nächsten. Beim ersten Ei lag die Brutdauer (auch schon ein Wert,
der zu den kürzeren gerechnet werden muss!) bei 31 Tagen und 18
Stunden, beim zweiten bei 30 Tagen und 18 Stunden und beim dritten
nur noch bei genau 30 Tagen. Die Abweichungen liegen in einem
Toleranzbereich von wenigen Stunden! Also bei glatten 30 Tagen hatte
es unser Benjamin nun doch sehr eilig und das ist auch gut so, denn
unser Dreiergespann liegt nun altersmäßig viel enger zusammen, als
es die rein empirische Forschung erwarten ließ. So hat auch Ihr
Tagebuchschreiber in den 40 Jahren mit engeren Kontakten zu
Weißstörchen lernen und erfahren müssen, dass das, was er einmal für
richtig erachtete, eines Tages neu geschrieben und neu interpretiert
werden muss. Das fing beim Reifealter der Störche an, setzte sich
über eine inzwischen vollkommen andere Zugstrategie fort und findet
seit Jahren eine Entsprechung, dass auch die Brutdauer neu gefasst
werden muss. Denn 33 und 34 Tage dauert es wohl nie mehr, dass ein
Storchenpaar ein einzelnes Ei bebrütet. Bei Küken Nummer 3 waren es
exakt 30! Also über 10 Prozent weniger und dies ist schon erheblich.
Welch positiven Auswirkungen die schnellere Entwicklung der
Embryonen mit wachsender Gelegegröße mit sich bringt, sieht man
bereits an unserem Trio. Statt der möglichen Altersdifferenz von 4
Tagen oder 96 Stunden, hat sie sich in unserem Fall auf nur noch
etwa 58 Stunden reduziert. Mit dieser Reduzierung erhöhen sich die
Überlebenschancen eines Nesthäkchens ganz gewaltig, denn der
Vorsprung des Erstgeborenen kann fast halbiert werden. Bei einem
Fünfergelege – und solche Beobachtungen gibt es – sinkt die
Brutdauer für das zuletzt gelegte Ei – sogar auf nur noch 29 Tage.
Hier haben viele Storchenkameras sicher ganz wesentlich dazu
beigetragen, dass man neue Erkenntnisse gewonnen und Zusammenhänge
erkannt hat. Ob diese Daten zur Brutdauer allerdings – ähnlich wie
andere Faktoren im Leben des Weißstorchs – eine neue Entwicklung
sind, die mit dem Reifealter, anderen Zugstrategien usw. in
Verbindung stehen, also genetisch fixiert und somit auch ein Beitrag
zur Optimierung des Überlebens einer Vogelart darstellen, kann ich
nicht beweisen, will es aber auch nicht gänzlich ausschließen.
Creutz (1988) schreibt in seinem Buch „Der
Weiss-Storch“, erschienen als Band 375 in der Reihe „Die Neue
Brehm-Bücherei“ erwähnt eine Brutdauer von meist 32 Tagen und
verweist aus die von Max Bloesch in der Schweiz vorwiegend an
Gefangenschaftsvögeln gewonnenen Erkenntnisse. Im ersten Band des
Handbuches der Vögel Mitteleuropas aus dem Jahr 1966 wird für den
Weißstorch eine Brutdauer von 33 (nach Siewert) oder 34 Tagen (nach
Skovgaard) angegeben. Da diese genannten Herren in den 30er Jahren
des vorigen Jahrhunderts aktiv waren, gehen die ermittelten Werte
auch in diese Zeit zurück. In einem Update des großen Werkes „Birds
of the Western Palaearctic“ aus dem Jahre 1998 steht unter dem
Stichwort „Incubation“: „32 (29-34) days. One egg
of replacemant clutch in captivity hatched after 26 days (Gebauer
1988)……”
Gefangenschaftsvögel – und das zeigen alle
Untersuchungen – haben noch einmal kürzere Brutdauern als Wildvögel.
Geben wir uns nun mit den Tatsachen zufrieden und freuen uns, dass
das Trio auf der Welt ist und da spielt es letztlich keine Rolle, ob
dies nach 30 oder 32 Tagen geschieht. Unsere Nummer 3 hat sich also
ab heute den harten Lebensbedingungen zu stellen. Bei Schorsch
müssen wir – so viel ich gesehen habe – keine Sorgen haben, dass er
seiner Aufgabe nicht gewachsen ist und nur „falsches Futter“ bei
seinen Jungen abliefert. Er ist sicher der Partner, der mehr
„Großformatiges“ heranschleppt, aber immer wieder tauchen bei den
Schnappschüssen wurmartige, dunkelfarbene Gebilde auf, die mir sehr
nach Regenwurm und Egel aussehen und sicher auch von den neuen
Erdenbürgern bewältigt werden können und auch schon bewältigt
wurden. Bei Nummer 7 scheint mir und anderen die Vorauswahl draußen
im Nahrungsgebiet schon ein wenig gezielter vorgenommen zu werden,
denn bei ihren Fütterungen bleibt kaum etwas zur „Nachsorge“ im Nest
zurück.
Dies kann aber einfach auch nur Zufall sein und
muss für die weitere Entwicklung der Jungen nichts bedeuten.
Sehen wir deshalb in dieser Beziehung gelassne
in die Zukunft. Ein Größenunterschied ist bei den ersten Aufnahmen
des Trios logischerweise zu sehen, denn nach einem bzw. gut zwei
Tagen Leben sieht man den Unterschied dennoch. Es bleiben aber noch
gut 9 bis 10 Wochen, diesen Unterschied auszugleichen oder doch
weiter zu vergrößern.
Für 5:34 Uhr liegt das erste Belegfoto unseres
Trios vor.
Das erste Bild mit Dreien!
Der Kleinste hatte es geschafft. Sicherlich
geschah dies schon früher, allerdings hüllte dazu die Dunkelheit
ihren Mantel des Schweigens über das Geschehen. Um 6:49 Uhr – Nummer
7 hielt gerade Wache – nahm die Storchenmutter die leere Eischale
von Küken Nummer 3 auf und verspeiste sie. Die beiden folgenden
Bildbelege zeigen das Geschehen. Es lagen genau 7 Sekunden zwischen
den beiden Schnappschüssen und die Schale war danach nicht mehr im
Bilde.
Eine Eischale verschwindet
Das nächste Bild zeige ich als Beweis, dass es
auch Schorsch vermag, kleine Beutetiere zu fangen und anschließend
als Futter im Nest auszuwürgen.
Das adäquate Futter!
In den nächsten Wochen wird uns eine weitere
angeborene Verhaltensweise der „Alten“ beschäftigen. Ich spreche von
der Notwendigkeit, Schatten zu spenden. Bei frisch geschlüpften
Jungen, die noch einen erheblichen Wärmebedarf haben, ist diese
Stellung mit dem Rücken zur Sonne und mit vom Körper abgespreizten
Flügeln (zwecks Vergrößerung der zu beschattenden Fläche) noch nicht
so besonders wichtig. Doch jetzt, wo bereits alle Eier ausgebrütet
sind, ist das Wärmen zum Zwecke des Brütens nicht mehr nötig und bei
der momentanen Hitze – heute wurden erstmals bei uns 30 Grad im
Schatten erreicht – gibt und gab es immer wieder längere Pausen, in
denen Schorsch und Nummer 7 es vorzogen, lieber zu stehen und
Schatten zu spenden als die Jungen zusätzlich mit Wärme zu
versorgen. Die Anteile werden beim Wachsen der Jungen immer mehr in
Richtung „Bewachen im Stehen“ verschoben und sind ausschließlich von
der herrschenden Außentemperatur abhängig. Bei lediglich 10 Grad
würden wir unsere Kleinen nur beim Füttern zu Gesicht bekommen und
den Rest des Tages würden sie unter den Fittichen ihrer Eltern
gänzlich verschwinden. So hat alles in der Natur seinen Sinn und
geschieht völlig automatisch und ohne dass man den Eltern dafür
irgendwelche Hilfestellungen geben müsste.
Der Schattenspender
Auch im Liegen winkeln Störche, die Junge unter
der Haube haben ihre Flügel seitlich deutlich ab. Dies ist ebenfalls
ein sicherer Hinweis auf Junge im Nest. Wenn dann noch einer der
Kleinen vorwitzig seinen Kopf zwischen Körper und Flügel
hindurchstreckt, ergeben sich höchst amüsante Bilder.
Der Vorwitzige
An was Schorsch hier zu schlucken hatte,
beweist ein letzter Schnappschuss aus dem Dinkelsbühler Nest für
heute.
Zu
groß für die Jungen
Geprägt war mein restlicher Tag von einer
ausgiebigen Beringungsfahrt und zusätzlicher Alterskontrolle an
vielen Storchennestern entlang von Wörnitz und Altmühl. Ich gehe nur
auf wesentliche Punkte ein und erspare mit aus Zeitgründen eine
genauere Berichterstattung. Seit Jahren pflege ich ein fast
freundschaftliches Miteinander mit dem Kommandanten der Freiwilligen
Feuerwehr Oettingen Thomas Fink. Ihm und seinem Maschinisten sei
auch einmal von dieser Stelle für seinen selbstlosen Einsatz
herzlichst gedankt.
Das Objekt der Begierde
Wir trafen uns am Nachmittag unter dem
Storchennest von Rudelstetten im Ries. Ein eingespieltes Team
beringte die drei knapp vier Wochen alten Jungstörche in kürzester
Zeit. Während der wenigen Minuten wurden wir vom Storchenmann, der
auf einem nahen Silo gelandet war, neugierig beäugt. Ein viertes
Küken, das dem Ei noch entsprungen war, war schon vor vielen Tagen
verschwunden.
Das Rudelstetter Trio
Nun ging es der Wörnitz entlang flussaufwärts
und der nächste Halt wurde in Munningen eingelegt. Die drei Jungen
im dortigen Nest auf einem Wohnhauskamin neben der Kirche mit dem
schiefen Turm waren bereits deutlich größer und damit auch älter als
ihre Artgenossen in Rudelstetten. Als Schlüpftermin errechnete ich
auf Grund der Erfahrungswerte den 20. April Damit gehörten die
Munninger in die Reihe der Storchenpaare, die ihre Brut heuer extrem
früh begonnen hatten.
In Munningen
Viel Zeit blieb nicht, um ins benachbarte
Altmühltal zu wechseln und mein Treffen mit der Freiwilligen
Feuerwehr von Gunzenhausen nicht zu verpassen. Für Erich Liefländer,
den dortigen Kommandanten gilt das Gleiche, was ich oben über Thomas
Fink gesagt hatte. Für meine Anliegen hat er immer ein offenes Ohr
und die Gegend um Gunzenhausen gehört zu den storchenreichsten
Bayerns, so dass auf seine Feuerwehr immer gleich mehrere Einsätze
in Sachen Storchenberingung zukommen. Dennoch murrt er nie, teil
seine Leute stets verantwortungsbewusst ein und nimmt aus seiner
Begeisterung für die gute Sache häufig auch persönlich an den
Aktionen teil. So auch heute gegen Abend. Auf dem Plan stand der
schwierigste aller meiner Einsätze, nämlich die Markierung der
Jungstörche auf dem Kirchturm im Muhrer Ortsteil Neuenmuhr. Obwohl
es die Drehleiter auf satte 30 Meter bringt, ist sie eigentlich für
die geplante Maßnahme zu kurz. Es fehlt einfach ein Meter. So ist
das richtige Anfahren das A und O der Aktion und das dauert eben
seine Zeit. Aber die Mühe sollte sich lohnen.
Die Leiter stoppte genau an der Stelle, dass
die Augen des Tagebuchschreibers mit der Höhe des Nestrandes
übereinstimmten. Mehr war mit 30 Metern nicht zu erreichen.
Nun ist es in einem solchen Falle von Vorteil,
wenn der Beringer sehr groß ist, sehr lange Arme hat und außerdem
einen hölzernen Spazierstock mitführt. Mit viel Geduld „angelte“
sich ihr Tagebuchschreiber die vier gut vier Wochen alten Jungen mit
Hilfe des Griffes des mitgeführten Spazierstockes. Man brauchte
diesen nur im Fersengelenk der liegenden Jungen einzuhaken und
konnte so die fehlenden knapp zwei Meter überbrücken. Am Ende trugen
alle den kleidsamen Ring der Vogelwarte Radolfzell.
In Neuenmuhr in charmanter Begleitung
Nach dieser echt schwierigen Übung, die mit
ungezählten, vom stacheligen Nistmaterial verursachten Kratzern an
den Oberarmen ihres Tagebuchschreibers begleitet waren (er trug
kürzärmelige Kleidung!), zog die kleine Karawane weiter an der
Altmühl entlang nach Windsfeld. Dort wurden wir bereits von vielen
Kindern und von Frau Kleemann, Besitzerin des Storchennestes und
ihres Zeichens Gastwirtin in Windsfeld, erwartet. Dennoch wurde die
Aktion keine Volksbelustigung, denn in dieser Frage legt Ihr
Tagebuchschreiber wert auf eine seriöse und zielorientierte
Beringungsarbeit.
Frau Kleemann bei ihren Störchen
Auch hier gab es erfreuliche vier Jungstörche,
deren Schlupf sicher so um den 20. April liegen musste und die damit
zu den größten in ganz Bayern zu rechnen waren. Ein unbefruchtetes
Ei wurde dem Nest entnommen und diente nach Abschluss des
Feuerwehreinsatzes der rührigen Gastwirtin als Anschauungsmaterial
für die zahlreichen anwesenden Jugendlichen. Ich zog danach noch
zwei Stunden an der Altmühl aufwärts und konnte dabei feststellen,
dass in den meisten Nestern ebenfalls schon kleine Junge auf ihre
große Stunde warten, die etwa ab Mitte
Juni auf sie zukommen wird. In nur drei Fällen
(Wilburgstetten, Löpsingen und Ornbau) wird es im Jahre 2008 keinen
Nachwuchs geben. Eine Einschränkung muss ich noch machen: Wenn alles
auch weiterhin so glatt verläuft wie bisher!! |
|
28. Mai 08 | Der
frühe Abend stand erneut unter dem Zeichen eines Beringungstermines.
Noch nie in den vielen Jahren meiner Tätigkeit als ehrenamtlicher
Mitarbeiter der Vogelwarte Radolfzell gab es im Mai bereits so viele
Einsätze wie in diesem Jahr. Schon allein an diesem Punkt lässt sich
erkennen, in welch dramatischer Weise sich der Brutbeginn vieler
Storchenpaare auf die Mitte des Monats März vorverlegt hat. Solche
Termine gehörten noch vor 20 bis 30 Jahren zu den Ausnahmen, nein, sie
gab es nicht. Mit dem heutigen Tag sind es dagegen an Altmühl und
Wörnitz bereits 10 Storchennester, in denen es Junge gibt, die bereits
vor vier Wochen und mehr aus den Eiern geschlüpft sind. Bei geschätzten
30 Paaren mit Jungen ergibt dies immerhin ein Drittel des
Gesamtbestandes. Mit 37 beringten Jungstörchen aus 10 Nestern lässt
sich bislang ein Durchschnittswert von 3,7 Jungen pro Nest ermitteln,
ein Traumwert, der selbst im Wissen, dass sich dieser Wert im Laufe der
nächsten Wochen noch verringert, großartig zu nennen ist und mit neuen
Rekorden rechnen lässt. Heute gab es ein Stelldichein mit der
Freiwilligen Feuerwehr aus Herrieden. Auf dem Gebiet dieser Gemeinde
gibt es immerhin drei Storchenpaare. Zwei besuchte ich an diesem
Mittwoch. Auf dem Storchenturm, dem Einfallstor in die Altstadt von
Herrieden, befindet sich seit Jahrhunderten ein Storchennest. Es zählt
zu den erfolgreichsten des Landkreises Ansbach und zu den in den
vergangenen 40 Jahren erfolgreichsten in ganz Bayern. Wer Herrieden und
sein Umland kennt, wird sich über diese Tatsache nicht wundern.
Nahrungsreiche Wiesen und bereits vor Jahrzehnten von der Gemeinde
geschaffene Storchenbiotope bilden ein dichtes Netz, das den Störchen
auch ein Auskommen in schlechten Nahrungsjahren sichert. Vier Junge
konnte Ihr Tagebuchschreiber mit Unterstützung der Feuerwehr und Lisa,
der siebenjährigen Tochter des Feuerwehrkommandanten, beringen. Dass
das Nesthäkchen Lisas Patenkind wurde, verstand sich beim der Schülerin
ganz von selbst. Sie wird ab heute stets über den Aufenthaltsort des
neuen Erdenbürgers informiert und es bleibt zu hoffen, dass diese
Nachrichten viele Jahre andauern mögen.
Bitte alle hinlegen
Hoch über den Dächern von Herrieden Im
benachbarten Rauenzell stellte sich die Situation sehr ähnlich dar.
Auch in diesem Nest lagen vier knapp vier Wochen alte Jungstörche im
Nest.
Rauenzeller Quartett
Mama Storch beobachtet von der Sirene aus Dieses
Mal durfte sich Jonas, der fünfjährige Sohn des Maschinisten, über eine
Patenschaft für einen Jungstorch freuen. Das Nesthäkchen der
Viererbande trägt ab heute den Namen Jonas. Der Pate wird
selbstverständlich ebenso wie Patin Lisa über den Verbleib ihres
„Kindes“ informiert. Obwohl alles zügig und zur vollsten
Zufriedenheit aller Beteiligter ablief, dauerte es für Ihren
Tagebuchschreiber inklusive An- und Abfahrt gut zwei Stunden, ehe er
wieder am heimischen Schreibtisch Platz nehmen konnte. Bei so viel
Abwesenheit meiner Person von Schorsch und Co. erachte ich Ihre
Schnappschüsse von Nest und Küken, die Sie im Laufe des Tages im
Tagebuch veröffentlichen, für ungemein wichtig. Nur so lässt sich ein
Überblick gewinnen und für alle Interessenten eine Übersicht erstellen.
Mehr soll es heute auch nicht sein. Den drei Erdenbürgern ging es
an ihrem 4., 3. und 2. Lebenstag ausgesprochen gut, sie wurden bestens
versorgt und von Papa und Mama beschattet und gehudert, je nachdem, ob
die Außentemperaturen Kühlung oder Wärme erforderten. Drücken Sie mit mir weiterhin die Daumen und sehen Sie zu, wie Nummer 1, 2 und 3 weiter wachsen und gedeihen.
Schorsch ist es sichtlich heiß! | Die Küken in Reih und Glied! Man beachte die Größenunterschiede! |
Und hier können Sie noch einmal nachprüfen! | |
29. Mai 08 |
Unser Trio wächst und gedeiht! Das spricht für
Schorsch und Nummer 7 und heißt, dass wir uns im Augenblick keine
Sorgen zu machen brauchen. Daraus sollten wir aber auf keinen Fall
ableiten, dass damit die Nahrungssituation im Raum um das
Dinkelsbühler Nest bereits für alle Zeiten sicher und gesichert ist.
Betrachten wir die Nachwuchszahlen am Kameranest seit der
Wiederbesiedelung im Jahre 1993 (vorher war das Nest 25 Jahre
unbewohnt), relativiert sich die erfreuliche Entwicklung dieses Jahres
etwas.
In den Brutjahren von 1993 bis 2007 (15 mögliche
Bruten) war das Nest in jedem Jahr von einem Paar besetzt. Doch statt
15 Mal Junge aufzuziehen, handelten die jeweiligen Brutpaare nur acht
Mal in dieser Weise. Das bedeutet, dass sieben Mal keine Brut zustande
kam und damit auch sieben Mal keine Jungen ausflogen. Acht Mal gab es
Bruterfolg mit insgesamt 19 Jungen. Berechnen wir den
Durchschnittswert der ausfliegenden Jungen bezogen auf die vergangenen
15 Brutjahre allgemein (JZa) errechnet sich ein Wert von 1,27. Nehmen
wir nur die erfolgreichen Jahre (8) ermittelt sich ein Wert von 2,37 (JZm).
Mit diesen beiden Eckwerten liegt das Dinkelsbühler Nest leider nicht
im Spitzenfeld der Nester an Wörnitz und Altmühl, sondern eher im
unteren Drittel.
http://www.bn-ansbach.de/storchcam/histor1.htm
Nur als Vergleich sei das beste Nest im
Vergleichszeitraum von 1969 bis 2008 hier aufgeführt. Dabei handelt es
sich um das in Herrieden, das nur in einem Jahr unbesetzt geblieben
war und in dem in 40 Jahren 86 Junge ausflogen. In 8 Jahren war ein
Paar anwesend, es flog aber kein Nachwuchs aus. Aus diesen Daten
ergeben sich für die JZa 2,2 Junge pro Jahr, für JZm 2,67. Gerade der
Wert, der alle Brutjahre mit einschließt (JZa) ist für die Bewertung
des Lebensraumes von entscheidender Wichtigkeit. Liegt er über 2, dann
kann man nicht meckern, besonders, wenn man einen derartig langen
Zeitraum von 40 Jahren überblickt.
Dass bei der Betrachtung des Dinkelsbühler
Lebensraumes nicht alles Gold ist, was glänzt, versteht sich von
selbst.
Unter dem Link
http://www.bn-ansbach.de/storchcam/lebensraum.htm habe ich vor
einigen Jahren schon Wesentliches zusammengestellt, so dass jeder dort
gerne nachlesen kann, welche differenzierten Ansprüche unsere Art an
ihn stellt. So muss ich nur von Zeit zu Zeit darauf zurückgreifen und
differenzieren. Eine kritische Situation für die Störche tritt dann
ein, wenn es sehr trocken ist, wenig Mäuse vorhanden, kaum
Ausweichmöglichkeiten durch ein Wechseln an Weiher oder Gräben gegeben
und die Wiesen noch nicht gemäht sind. In diesem Fall sind
Nahrungsengpässe leicht möglich. In der immer stärker technisierten
Landwirtschaft werden leider durch großflächiges Mähen im Mai, wie
gerade vor ein bis zwei Wochen geschehen, die Wiesen im gesamten
Talraum eines Flusses innerhalb weniger Tage komplett gemäht. Während
der Mahd und in den wenigen Tagen danach, ist der Tisch für die
Störche reich gedeckt, es dauert aber dafür wieder mehrere Wochen, bis
sich der Bestand an Kleinlebewesen regeneriert hat (wenn überhaupt).
Der umgekehrte Fall wäre ebenso fatal. Durch lange Regenperioden ist
eine Mahd im Mai nicht möglich, sie verzögert sich. Das Gras steht
sehr hoch und in den gedüngten Wiesen ist die Halmdichte so hoch, dass
Störche und auch andere Wiesenbrüter sich scheuen, durch ein solches
Geflecht aus vielen Halmen, die außerdem noch oft miteinander
regelrecht verfilzt sind, zu schreiten. Es gäbe zwar genug Leben in
solchen Flächen, sie sind aber nicht nutzbar, weil nicht begehbar.
Anders sieht die Lage in so genannten Magerwiesen aus. Hier sind die
Halmabstände untereinander viel größer, aber dadurch auch der Ertrag
für den Bauern geringer. Um es den Landwirten dennoch schmackhaft zu
machen, auf eine Düngung oder gar Überdüngung ihrer Flächen zu
verzichten, erhalten sie von staatlicher Seite einen Ausgleich, der
die Verluste durch den geringerer Ertrag etwas vermindert. Der Vorteil
für Storch, Brachvogel und Co. liegt auf der Hand. Sie haben keine
Schwierigkeiten diese Flächen zu begehen. Ein Kompromiss und damit
eine Möglichkeit Landwirten und verschiedensten Tierarten gerecht zu
werden, liegt nun darin, die großflächige Mahd zumindest in
Wiesenbrütergebieten mit einem großen Vorkommen an gefährdeten
Tierarten zu staffeln, also nicht alles auf einmal räumen, sondern
zeitlich versetzt und über die gesamte Fläche verteilt. So bleibt
vielen Insekten, Amphibien und Kleinsäugern die Möglichkeit, bei
Mäharbeiten in nicht gemähte Bereiche zu flüchten und dort weiterhin
als Beute zur Verfügung zu stehen und von dort aus die so entstandene
„Wüste“ wesentlich schneller wieder zu besiedeln. Auch solche
Programme werden angeboten und mit möglichen Ausgleichszahlungen
versehen, aber sicher gibt es hier noch einen großen Nachholbedarf und
auch ein sehr großes Informations- und Überzeugungsdefizit bei
betroffenen Landwirten. Gerade in dieser Frage der gestaffelten Mahd
im Lebensraum des Weißstorchs ließe sich ohne große Kosten ein hoher
Wirkungsgrad erzielen.
Schorsch und Nummer 7 versorgten ihre Jungen –
die Wiesen um Dinkelsbühl sind längst abgemäht und oben angesprochene
Flächen mit gestaffelten Mähzeiten kaum vorhanden – mit Bravour.
Ich habe einmal KaiserPingis Tageszusammenfassung
an bemerkenswerten Schnappschüssen im Hinblick auf mögliche
Unterschiede in der Aufgabenverteilung zwischen Schorsch und Nummer 7
hin untersucht. Um 5:32 Uhr hatte Nummer 7 die Aufgabe der
Jungenbetreuung inne. Wegen der am Morgen noch vergleichsweise
niedrigen Temperaturen bedeckte sie die Jungen die meiste Zeit mit
ihrem Körper. Schorsch war sicher bereits im Morgengrauen zur ersten
Nahrungssuche gestartet.
Auf alle Fälle stand er Punkt 6 Uhr im Nest und
löste seine Partnerin ab. So wie bei allen noch folgenden Ablösungen
erfolgte der Wechsel innerhalb Minutenfrist. Kaum war die Ablösung am
Nest gelandet, flog der Partner vom Nest ab. Keine der kostbaren
Minuten sollte vergeudet werden. Schorsch war gelandet, die Jungen
streckten ihre Hälse bettelnd in die Höhe, kam es bereits zum ersten
Auswürgen der mitgebrachten Nahrung. So stand und lag Schorsch während
insgesamt 100 Minuten im Nest. Unterbrochen wurde diese Zeit mehrmals
von erneuten Fütterungen durch Schorsch. Die Jungen bedrängten ihren
Vater dabei so energisch, bis dieser Teile seines Fanges zum zweiten
oder dritten Mal auswürgte. Dazwischen hatte die Nahrung bei Schorsch
Gelegenheit, immer weiter verdaut und somit für die Jungen immer
verträglicher zu werden. Nummer 7 löste Schorsch gegen 7:45 Uhr ab und
dieser machte sich auf die Socken. Der Storchenmann ließ sich Zeit und
erschien nach 150 Minuten gegen 10:15 Uhr wieder bei seinen Jungen.
Dieses Mal brachte er wieder einmal frisch mit Schlamm bedeckte Beine
mit. Er verriet dadurch, dass er irgendwo in einem nur mit wenig
Wasser gefüllten Teich spazieren gegangen war.
Der Ablauf jeder Schicht verlief entsprechend wie
alle anderen. Nach der Hauptfütterung gleich nach dem Auftauchen des
Nahrungsspenders am Nest gab es immer dazwischen mehrere
„Nebenfütterungen“ oder Nachtische. 130 Minuten nach Schorschs Landung
kam um 12:25 Uhr die Ablösung in Gestalt von Nummer 7. Schorsch ließ
sich abermals Zeit im Nahrungsgebiet und brachte seinerseits nach 190
Minuten wieder Futter, was als Signal für den Abflug von Nummer 7 zu
werten war.
Die Storchenmama verbrachte danach 140 Minuten
außer Haus und löste ihren Gatten um 17:55 Uhr ab. Der nutzte das ihn
gesetzte Vertrauen leidlich aus und erschien – unerkannt – erst
nachdem KaiserPingi seine Zusammenfassung wegen fehlender Helligkeit
einstellen musste. Mindestens 180 Minuten nach seinem Abflug.
Zusammenfassend lässt sich die Beteiligung beider
Eltern an Fütterung und Wacheschieben so beschreiben: Schorsch
verbrachte 9 Stunden 40 Minuten, Nummer 7 sechs Stunden und 10 Minuten
bei der Nahrungssuche. Bei fast 17 Stunden Beobachtungszeit am Nest
verbrachte Schorsch 60 % auf Nahrungssuche, Nummer 7 nur 40 %. Ob dies
an Schorschs Schnabelbehinderung, an seinen Lebensgewohnheiten oder ob
es reiner Zufall ist und war, werden die weiteren Tagesbeobachtungen
erweisen.
Alle Mann an Bord |
Ausguck |
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Schorsch mit Schlammbeinen |
Schorsch mit Außenlandung |
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Nummer 7 mit Maus |
und mit Kleinvieh |
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30. Mai 08 |
Die niederschlagsarme Periode fand heute ein
Ende! Am frühen Abend zog eine schmale Gewitterfront über unser
Gebiet, hinterließ aber zum Glück keine großen Schäden. Begleitet von
einigen Windböen fielen zum Beispiel in Feuchtwangen nur 2,5 Liter
Regen auf den Quadratmeter. Als zweiter Nebeneffekt war ein Abfall der
Temperatur von 29 Grad auf 18 Grad innerhalb weniger Minuten zu
verzeichnen.
Das Kamerabild während des Gewitters sah zwar
sehr bedrohlich aus und erzeugte eine Art Weltuntergangsstimmung, doch
danach tauchte unser Trio unversehrt aus dem Dunkel auf. Dass gerade
Hagelstürme für Großvögel (und für andere auch) nicht ungefährlich
sind und durchaus ihre Opfer fordern können, beweist ein Bericht aus
der Tageszeitung, dass im Zoo Krefeld neun Flamingos und einige Enten
und Gänse während eines Gewitters von großen Hagelkörnern erschlagen
wurden. Dr. Friedrich Hornberger bringt in seinem Buch „Der
Weiss-Storch“, erschienen 1967 als Band 375 in der Reihe „Die Neue
Brehm-Bücherei“, einen Bildbeleg, auf dem ein großer Haufen toter
Weißstörche zu sehen ist. Die Bildunterschrift lautet: „In höheren
Lagen des südafrikanischen Winterquartiers (hier im Distrikt Colesberg)
können Hagelwetter schwere Verluste unter unseren Weißstörchen
herbeiführen. Hier hat man einen großen Teil der 470 dort gefundenen
Störche zusammengetragen (darunter je einen Ringvogel aus Polen und
dem Burgenland).
Sie sehen, dass ich bei ungewöhnlichen
Wetterereignissen manchmal schon etwas aufgeregt agiere, doch diesmal
bestand zu keiner Zeit eine Gefahr für Mensch und Tier. Bedrohlich sah
die Entwicklung aber schon aus.
Auch an diesem Tag habe ich versucht, die
Beteiligung von Schorsch und Nummer 7 an den Fütterungen sowie die
jeweilige Zeit, die beide Altstörche für die Nahrungssuche unterwegs
sind, zu analysieren. Bei insgesamt neun Ablösungen erschien Schorsch
viermal, seine Partnerin fünfmal mit Futter am Nest. Die letzte
Fütterung durch Nummer 7 erfolgte dabei allerdings erst, nachdem die
Bildqualität der Kamera nichts mehr sehen ließ und das ist im
Augenblick so gegen 21 Uhr 20.
Die Zeiten für die Futtersuche und damit auch die
Zeiten der Anwesenheit am Nest waren heute sehr gleichmäßig zwischen
Schorsch und Nummer 7 verteilt. Jeder von ihnen gönnte sich 8 Stunden
am Nest und acht Stunden für die Nahrungssuche. Das soll wieder einmal
unterstreichen, dass auch Schorsch seinen Mann steht, wenn es um die
Versorgung der Jungen geht.
Erste Fütterung des
Tages mit Regenwürmern |
Da hat einer
aber Hunger |
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Mir ist heiß! Ich will hier raus! |
Drei Orgelpfeifen |
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Bedrohliches am Nachmittag |
und am Abend |
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31. Mai 08 |
Wie sich die Bilder wettermäßig doch gleichen
können. Auch der heutige Samstag war gekennzeichnet von langsam sich
entwickelnden Temperaturen bis 25 Grad und einer erneuten
Gewitterbildung am frühen Abend, deren Folgen aber Gottlob keinerlei
Auswirkungen auf das Wohlergehen von Schorsch, Nummer 7 und das
Kükentrio hatten. Auch die Regenmenge war mit 2 Litern auf den
Quadratmeter eher spärlich zu nennen.
Herausragendes Ereignis dieses Tages war erneut
das Eintragen größerer Plastikfetzen und die vergeblichen Bemühungen,
diesen „Zimmerschmuck“ in irgendeiner Weise passend zu platzieren.
Schorsch und Nummer 7 fanden während des gesamten Tages einfach nicht
die richtige Position, bis man sich schließlich entschloss, die Teile
durch intensiven Nestbau einfach in das Nest mit einzubauen.
Vom Gewitter war bereits im Wetterbericht die
Rede, auch dieses kurze Intermezzo verlief für unsere Storchenfamilie
folgenlos. So kann es weitergehen, denn der Regen bei angenehmen
Temperaturen bringt für sie eher eine Verbesserung als eine
Verschlechterung der Nahrungssituation. Die ersten Stunden des
Tagesgeschehens verliefen etwas anders als an den beiden vergangenen
Tagen. Unser Küken Nr. 1 feierte seinen 1.-Woche-Geburtstag, die
Geschwisterchen ihren 6. bzw. 4. Lebenstag. Betrachtet man sich die
Gewichtszunahmen – soweit sie den statistischen Werten entsprechen –
bringt es unser Ältester auf immerhin schon etwa 300 g, Küken 2 auf
280 g und das Nesthäkchen auf 200 g. Bitte legen Sie mich nicht aufs
Gramm fest, sicherlich gibt es eine individuelle Toleranzbreite, die
nicht ganz unbeträchtlich ausfällt.
Vom Morgengrauen bis in den späten Vormittag
hinein arbeiteten Schorsch und Nummer 7 intensiv am Nest. Statt wie
bisher immer gleich nach Erscheinen der Ablösung ins Nahrungsgebiet
durchzustarten, flogen sie erst einmal einige Male zum Sammeln
weiteren Nistmaterial in kurzen Abständen hin und her. Dass dabei auch
wieder reichlich Plastik mitgebracht wurde, konnte man überdeutlich
feststellen, wir werden aber nichts daran ändern können und Angst um
die Jungen sollten wir deshalb schon gar nicht aufkommen lassen. Das
ganze Zeug wird wieder verschwinden und in den Bereich des Nestrandes
mit integriert werden.
Zwei bemerkenswerte Schnappschüsse mit zwei
Nestbesuchern liegen heute ebenfalls vor. Zum einen landete eine
Kohlmeise auf dem Dachfirst hinter dem Nest, zum zweiten fiel eine
Dohle auf, die vermutlich Nistmaterial oder Vergleichbares im Schnabel
trug.
Die Anteile der Eltern bei Fütterung und
Nahrungssuche ergaben wieder nur ein leichtes Ungleichgewicht. Während
Schorsch knappe neun Stunden dem Nest fernblieb, lag dieser Wert bei
Nummer 7 bei knapp acht Stunden. Schorsch blieb damit dem Trend treu,
es bei der Nahrungssuche etwas langsamer angehen zu lassen als seine
Partnerin.
Die Sache mit dem Müll!
So ist es richtig!
Gewitterstimmung
Dohlenbesuch |
Besuch einer Kohlmeise |
Unser Trio wartet auf Futter | |
01. Jun. 08 |
Viele Termine werden es mir in
den nächsten Tagen sehr erschweren, immer zeitig und ausführlich aus
dem Storchennest zu berichten. Da Ihr Tagebuchschreiber unter anderem
auch noch einem geregelten Beruf als Volksschullehrer nachgeht, müssen
Beringungen, Beobachtungen und der Unterricht unter einen Hut gebracht
werden und zudem bedürfen die Vorbereitung und Nachbearbeitung des
Schulalltages ebenfalls einen immensen Kraftaufwand. Neben den
genannten Aktivitäten treten außerdem die vielfältigen Aufgaben in
meiner evangelischen Kirchengemeinde hinzu, die vom Vertrauensmann des
Kirchenvorstandes, über die Mitwirkung im gemischten Chor der Kantorei
sowie im Posaunenchor bis hin zum Amt des Lektors und des Mitgliedes
im liturgischen Chor reichen. Hier höre ich lieber einmal auf, um auch
für spätere Einträge noch mit weiteren Ehrenämtern aufwarten zu
können.
Sie sehen also, dass auch ein Sonntag nicht allein zum Ausschlafen
gedacht ist, sondern gerade an diesen Tagen wird Ihr Tagebuchschreiber
stets auf kirchlichem Parkett gebraucht und zum Einsatz gebracht. Da
ich dies aber aus freien Stücken tat und tue und meine gesamte Familie
stets mit einbeziehen durfte, gestaltet sich der Sonntagvormittag
durchweg als der Tag, an dem die jetzige Restfamilie gemeinsam etwas
unternehmen kann. An den restlichen Tagen der Woche sieht dies nicht
immer so aus, da meistens der Familienvater in Storchenangelegenheiten
unterwegs ist. Die großen Entfernungen, die ich dabei in meinem
Arbeitsgebiet unterwegs bin, bedingen einen großen Zeitaufwand. So
lege ich bei einer Kontrollfahrt, bei der ich die Störche an der
Altmühl sowie am Ober- und Mittellauf der Wörnitz besuche, locker 200
Kilometer zurück. Solche Fahrten finden während der Sommermonate
mehrmals statt, dazu kommen ungezählte kleinere Touren sowie die
Fahrten anlässlich der Beringung der Jungen. Allein für diese Aufgabe
fallen mindestens noch einmal 3000 Kilometer an.
Kaum zu glauben, dass es heute für Storch und Co.
keine Extratour gab. Bei großer Hitze um die 30 Grad ließ ich es
einmal locker angehen und tat das, was in den letzten Tagen etwas
liegen geblieben war.
Dank KaiserPingi und anderer „Schnappser“ sind
wir über die Ereignisse im Nest bestens informiert. Alles geht dort
seinen gewohnten Gang und niemand hat bisher auch nur ein einziges Mal
über besondere Vorkommnisse geschrieben und auch kein einziges Wort
über einen besorgniserregenden Zustand eines der drei Küken
informiert. Schorsch und Nummer 7 haben ihre Sache bisher bestens
gemacht und wir dürfen stolz auf sie sein. Dennoch wissen wir aus
langjähriger Erfahrung, dass jeden Tag ein Fall eintreten kann, der
alles ins Gegenteil verkehrt.
Schorsch war es, der bereits im ersten Licht des
Tages auf die Walz ging und um 6 Uhr schon zum Nest zurückkehrte.
Die Ablösungen am Vormittag folgten auch heute –
wie bereits an den Vortagen – in schnellerer Folge als in den
Nachmittagsstunden. Kaum hatte es sich Schorsch ein Stündchen
gemütlich gemacht, musste er seinen Platz schon wieder an Nummer 7
abgeben. So ging es im Stundenrhythmus weiter, bis Schorsch dem ganzen
ein Ende setzte und erst nach über drei Stunden wieder bei seiner
Partnerin auftauchte. Bis zum Abend blieb es bei diesen Intervallen,
ohne dass es irgend jemandem geschadet hätte.
Alles Gute kommt von oben... |
...und noch einmal |
|
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Das Trio wächst und gedeiht |
Hier bin ich! |
Ein fetter Brocken
Von Herrn Wölfinger aus Wittelshofen – dort hatte
ich am 23. Mai drei Jungstörche beringt – kamen ein Hilferuf sowie
einige Bilder aus dem Nest auf dem 30 Meter hohen Molkereikamin. Als
geübtem und aufmerksamem Beobachter war dem örtlichen Storchenbetreuer
das Verhalten eines der knapp 6 Wochen alten Jungen aufgefallen.
Während die beiden Nestgeschwister bei den Fütterungen wie gewohnt mit
ihren Schnäbeln das ausgewürgte Futter aufnahmen und dabei ständig in
die Nestmulde blickten, verharrte der dritte Jungstorch mit verdrehtem
Hals und Kopf und dabei den Schnabel ständig in die Höhe gerichtet.
Ganz offensichtlich war es dem Jungen nicht möglich seinen Kopf nach
unten zu drehen und Nahrung aufzunehmen. Über die Ursache konnten wir
uns alle keinen Reim machen. Vergiftungen könnten sich in einer
Lähmung offenbaren, die ähnliche Spasmen oder Verrenkungen hervorrufen
können, aber dann sollte es alle Jungen gleichermaßen betreffen. Mit
ein wenig Sorge werde ich die Entwicklung in Wittelshofen im Auge
behalten und hoffe, dass es dem Jungen bald wieder besser geht.
Die ersten Bilder vom „merkwürdigen“ Jungstorch
| |
2. Jun. 08 |
Ein weiterer heißer Tag begann,
der für Ihren Tagebuchschreiber eine weite Beringungsreise vorsah. Am
frühen Nachmittag startete ich in Richtung Donau, um in Mertingen,
Lauingen und Gundelfingen den Nachwuchs in den dortigen Storchennester
zu beringen. Mit den betreffenden Feuerwehren war alles abgestimmt, so
dass ich zuversichtlich an die Sache herangehen konnte. Doch kaum war
ich von der Schule zu Hause angekommen, erreichte mich ein weiterer
dringender Notruf aus Wittelshofen. Herr Wölfinger, der örtliche
Storchenbetreuer fand ebenfalls seit gestern keine Ruhe mehr und
musterte am Vormittag das Nest noch einmal unter Zuhilfenahme eines
Spektives. Und dieses Mal sah er schon klarer als am Vortag. Der
Jungstorch – so Herr Wölfinger – hat irgendetwas Netzartiges über
seinem Kopf und könne diesen deshalb nicht bewegen und auch nichts
fressen oder Flüssigkeit aufnehmen. Wie lange dieser Zustand aber
schon anhielt, wusste Herr Wöfinger natürlich nicht zu sagen, da er
die Anomalie erst gestern entdeckt hatte.
Ich überlegte nicht lange und meldete mich kurzer
Hand bei der Freiwilligen Feuerwehr Dinkelsbühl in Gestalt von
Friedrich Hirsch, dem Fahrer der Drehleiter. Obwohl er sich gerade in
der wohl verdienten Mittagspause befand, zögerte er keine Minute, in
diesem Falle einen Rettungseinsatz zu fahren. §0 Minuten später kam es
dann bereits zu einer Begegnung zwischen Herrn Wölfinger, der
Feuerwehr und mir vor Ort in Wittelshofen.
Was wir dann allerdings im Nest sehen mussten,
war alles andere als angenehm und verschlug selbst Hartgesottenen die
Sprache. Der Unglücksstorch hatte ein langes Stück Bindegarn, das
seine Eltern mit in das Nest eingetragen hatten beim Hinunterwürgen
von Futter unbeabsichtigt mit abgeschluckt. Solche Teile besitzen
meist einige Verdickungen (sog. Knoten), mit denen mehrere Teile
aneinander gebunden werden. Im Falle des Wittelshöfener Storches war
das Teil sicher einen Meter lang. Während der Storch ein Ende
verschluckt hatte, hatte er sich das andere einige Male um seine Beine
gewickelt, ohne dass es dort schon zu Verletzungen gekommen wäre.
Schnell konnte ich die Beine aus der Umklammerung lösen, doch als ich
am Ende, das der Storch verschluckt hatte, zog, musste ich leider
feststellen, dass ich damit nur erreichte, dass sich der Hals
zusammenzog und beim Nachlassen des Zuges wieder ein wenig entspannte.
Eine Chance, das Garn aus dem Körper zu entfernen, bestand auf der
Feuerwehrdrehleiter nicht. Wir entschlossen uns deshalb, den Vogel aus
dem Nest zu entfernen, einem Tierarzt vorzustellen und im besten Falle
wieder dem Nest in Wittelshofen zuzuführen. Beim Herausheben bemerkte
ich sofort, dass der Jungstorch nur noch aus Haut und Knochen bestand
– ein Hinwies darauf, dass sich das Unglück doch schon vor einigen
Tagen ereignet haben musste. Ohne Gegenwehr verfrachteten wir ihn ins
Auto von Herrn Wölfinger. Während ihr Tagebuchschreiber weiteren
Terminen entgegenfuhr, übernahm Storchenbetreuer Wölfinger den
Tierarztbesuch. Dr. Bernd Heinzler in Frankenhofen behandelte den
Jungstorch unentgeltlich. Doch auch ihm gelang es nicht, den
Fremdkörper aus dem Schnabel zu entfernen. Sicher war er schon vor
einigen Tagen abgeschluckt und deshalb weit in den Magen vorgedrungen.
Auch der Ernährungszustand erwies sich als katastrophal, so dass sich
Dr. Heinzler entschloss, den Storch einzuschläfern. Die anschließende
Obduktion ergab, dass sich das Bindegarn mit der daran befindlichen
Verdickung im Magen befand und dort apfelsinengroß mit Gewöllteilen
umgeben war, die der Storch ebenfalls nicht mehr auswürgen konnte. So
brachte der Einsatz wenigstens eine positive Erkenntnis. Das Leiden
durften wir wenigstens etwas verkürzen. Zu mehr reichte es aber nicht
mehr.
Friedrich Hirsch – der Herr der Leiter
Der
Unglückliche
Beim Tierarzt
Das erlösende Ende
Wer noch mehr über die dramatischen Ereignisse
erfahren, Bilder betrachten und weitere Informationen lesen will, sei
an folgende Website verwiesen:
http://www.wittelshofen.de/storchentagebuch/
tagebuecher/2008/storchentagebuch_2.html#06
Einen ganz ähnlichen Fall musste ich am Anfang
meiner Storchentätigkeit in Erlangen-Büchenbach schon einmal erleben,
er nahm aber ein glückliches Ende. Auch dort hatte ein Jungstorch ein
Stück Bindegarn verschluckt. Das lange Ende hing, als ich die Tiere
beringte, aus dem Schnabel heraus. Auch damals zog ich ein paar Mal
kräftig an der Schnur, hatte aber ein wenig Angst, den Vogel zu
verletzen. So entschloss ich mich, den Jungstorch zum Tierarzt zu
bringen. Der tat nichts anderes, konnte aber nach kurzer Zeit den
Fremdkörper entfernen. Ich setzte nach einer Stunde den Vogel wieder
zu seinen Geschwistern ins Nest und hatte einen Jungstorch gerettet.
In diesem Falle hatte ich das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen
Ort gewesen zu sein. Der Vorfall hatte sich sicher erst kurz vor
meinem Besuch ereignet, so dass die Schnur noch nicht in den Magen
eingedrungen war.
Ein dritter Fall mit dem Teufelszeug „Bindegarn“
geschah vor einigen Jahren in Triesdorf bei Ansbach. Mit dem Fernglas
konnte ich damals einen Jungstorch beobachten, der nie im Nest stand,
während dies seinen Geschwistern mühelos gelang. Er schien am
Nestboden fest zu hängen. Eine Kontrolle mit der Drehleiter bestätigte
meine Vermutung. Ein richtiges Knäuel
hatte sich um ein Bein in endlosen Windungen
gewickelt. Da im Laufe der Zeit durch den Eintrag von Nistmaterial das
freie Ende immer mehr Bestandteil des Nestes wurde, wurde der Zug auf
die das Bein umschließenden Windungen immer stärker, so dass die
Durchblutung immer mehr unterbunden wurde. Dazu kam eine Infektion an
der Scheuerstelle, die stark eiterte und starke Schwellungen im
Bereich der Schnürstelle.
Der Vogel kam in eine Pflegestation und wurde
dort ärztlich versorgt. Nach einigen Wochen verbrachte ich den Vogel,
der nur noch leicht hinkte, zur Auswilderung in die Wiesen bei
Mosbach, weil die Storchenfamilie dort noch nicht abgezogen war. Der
fast geheilte Jungstorch schloss sich der Familie an, ohne von dieser
so richtig akzeptiert zu werden. Einige Wochen später erhielt ich eine
Fundmitteilung aus Ungarn, die besagte dass mein ehemaliger Pflegling
Opfer eines Räubers geworden war. Mehr konnte ich nicht mehr in
Erfahrung bringen.
Nach diesem nicht eingeplanten Intermezzo am
Storchennest in Wittelshofen setzte ich meine Fahrt an der Wörnitz
fort. In Gerolfingen lugten mindestens zwei Junge über den Nestrand,
in Wassertrüdingen tat dies mindestens einer. In Oettingen überraschte
es mich, dass die vorhandenen Jungen ebenfalls schon eine
beträchtliche Größe erreicht hatten. Von Munningen darf ich berichten,
dass die drei dort schon beringten Jungen weiter wachsen und gedeihen
und dass in Löpsingen tatsächlich keine Jungen vorhanden sind. Bei
meiner letzten Fahrt, schrieb ich noch über das Storchennest von
Harburg, dass dort keine Brut stattfindet. Heute darf ich mich nun
korrigieren, dass es doch eine Brut gibt, nur der Ausgang ist noch
offen, weil es erst sehr spät zum Beginn der Brut kam.
Anschließend umfuhr ich die Stadt Donauwörth auf
der Umgehungsstraße und erreichte nach 10 Kilometern die Stadt
Mertingen, Sitz der Großmolkerei Zott. Aus organisatorischen Gründen
durfte ich die Beringung wie in alten Zeiten mit einer von einem
Traktor an den Beringungsort gezogenen Leiter mit Holzunterbau und
Handkurbel vornehmen. Das 23 Meter lange Stück tat seine Arbeit
vorzüglich und bewies die Einsatzfähigkeit der Mertinger Wehr, auch
wenn man nicht das modernste Gerät zur Hand hatte. Zwei Junge im Alter
von drei Wochen waren bei der nicht ganz gewöhnlichen Aktion die
Ausbeute.
Die Mertinger Drehleiter
Der Tagebuchschreiber bei der Arbeit
Man saß anschließend noch etwas zusammen, ehe ich
mich auf die Weiterfahrt nach Lauingen an der Donau begab. Dort
bestehen seit einigen Jahren gute Kontakte zu einer an den Störchen
sehr interessierten Bürgerin. Das Nest auf dem riesigen Rathaus der
Stadt beherbergt heuer vier junge Störche. Bei der Beringung mussten
wir wieder feststellen, dass die 30 Meter lange Drehleiter nur so
knapp an das Nest heranreicht und man deshalb den „Standpunkt“ der
Leiter vor dem Gebäude sehr präzise wählen muss. Es ging aber trotzdem
und die langen Arme und der erneut mitgeführte Spazierstock erlaubten
es mir, auch den letzten Jungen zu beringen. Auffällig an diesem Nest
war, dass alle Jungen mit einer klebrigen, braunen, öligen Schmiere
besudelt waren. In diesem Zustand zu fliegen, schien mir schleierhaft,
doch als zum Ende unseres Feuerwehreinsatzes gleich beide Altstörche
das Nest umkreisten und auf einem Nachbarkamin landeten stellte ich
das gleiche Phänomen auch bei den Eltern unserer Jungen fest. Die
Erklärung - und solches habe ich einmal irgendwo gelesen – ist
folgende. Bei überwiegender Ernährung mit Fischen (dies ist in
Lauingen der Fall) und dem hohen Fettanteil dieser Nahrungstiere,
ergibt sich bei der Vorverdauung im Magen der Störche eine ölige,
tranartige Flüssigkeit, die beim Auswürgen über das gesamte Nest
verbreitet wird. Gestunken hat es aber auch nicht schlecht, so dass
man schnell wieder nach unten strebte.
Lauinger
Dreckspatzen
Den Abschluss bildete ein letzter Besuch an einem
Storchennest für heute. Im nur sechs Kilometer entfernten Gundelfingen
befindet sich ebenfalls auf dem Rathausdach ein besetztes
Storchennest. Dort war Ihr Tagebuchschreiber noch nie in Aktion, sein
Einsatz bedeutete also eine Premiere. Während die Kühltürme des
Atomkraftwerks Gundremmingen zum Greifen nahe schienen, schwang ich
mich im Korb der Drehleiter zu den drei, fast sechs Wochen alten
Jungen empor. Dass sie seit heute ebenfalls einen Ring der Vogelwarte
Radolfzell tragen, versteht sich von selbst.
Das Nest in Gundelfingen
Das Trio
Mit der von Westen herannahenden Gewitterfront
erreichte ich kurz vor 22 Uhr wieder heimatlichen Boden und konnte
mich erst jetzt nach Schorsch und Co. umsehen und Bilder und
Schnappschüsse durchforsten. Hier noch eine kurze Zusammenfassung:
Wie sich die Bilder doch gleichen! In den Morgen-
und Vormittagsstunden wechselte man sich am Nest abermals im
Stundentakt ab, später wurden die Intervalle wieder deutlich länger.
Es versteht sich von selbst, dass im Nest weiterhin alles glatt läuft
und niemand Angst haben muss, dass etwas passieren könnte. An
Nahrungstieren, die unser Elternpaar so im Laufe eines Tages ausspeit,
konnten wieder einige Mäuse nachgewiesen werden. Ich füge sie als
Schnappschüsse bei.
Flügelspiele..
Die nächste Maus |
Alle Achtung! |
Was macht Papa da? | |
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Nachdem das Biotopprojekt "Wörnitzwiesen"
zur Sicherung des Lebensraumes für unsere Störche erfolgreich
abgeschlossen werden konnte, hat der Bund Naturschutz eine neue
Ankaufaktion gestartet. Wie auch Sie zur Arterhaltung und zum Schutz
unserer Natur beitragen können erfahren Sie bei den Informationen zum
neuen Projekt "Feuchtwiese
bei Segringen" | |
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Im
Naturschutztagebuch von Thomas Joas finden Sie neben
Einträgen zum Storchennest auch zahlreiche weitere Beiträge zur
Naturschutzarbeit. |
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Auch in der storchenlosen Winterzeit sind weitere
Spenden
eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum
Erhalt der Webcam und zur Sicherung
des
Lebensraumes unserer Störche. |
Thomas Ziegler
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