Storchenkamera

Storchentagebuch 2001
...was bisher geschah

Teil 8 

06. Aug. 01

Normalität ist eingekehrt am Storchennest. Nach dem turbulenten Wochenende läuft der Flugverkehr ums Altrathausdach auf Hochtouren. Da auch die Webcam wieder wie gewohnt reibungslos Bilder liefert, ist für die Storchenfreunde die Welt natürlich in Ordnung.

Es gibt Nestbeobachtungen in allen Variationen

Leeres Nest
An diesen Anblick muss man sich erst gewöhnen
Nest mit einem Jungvogel
Jetzt ist Ludwig schon wieder weg!
Nest mit beiden Jungen
Du hast mir gestern aber einen
mächtigen Schrecken eingejagt, Ludwig!
Nest mit einem Altstorch
Auch wieder mal schön. Das Nest allein für mich.
Meine Frau ist ja bei den Kleinen "Am Brühl"

Das Ausrücken der Jungen nutzt heute eines der Elterntiere für einen längeren Stopp im wochenlang wenig zugänglichen Nest. Bei einem weiteren Besuch in Dinkelsbühl konnte um 17:45 Uhr die gesamte Familie - beide Altstörche, Sissi und Ludwig - an der selben Stelle wie gestern Vormittag bei der Nahrungssuche beobachtet werden. Das Gebiet "Am Brühl" entwickelt sich zunehmend zu einem Renner bei Storchens. Die Horstnähe sowie die relative Ungestörtheit dieser weitläufigen Wiesenzone lassen dieses Gebiet für weitere Planungen und Optimierungsmaßnahmen bedeutungsvoll erscheinen (siehe auch Lebensraum - Horstnahe Wiesen).

Auch heute darf eine Schreckensmeldung nicht unterschlagen werden, die zwar nicht das Dinkelsbühler Nest betrifft, jedoch die Gefahren für junge Störche abermals drastisch vor Augen hält. In Weiltingen (dort brachte heuer das alte Dinkelsbühler Weibchen der vergangenen vier Jahre zwei Junge zum Ausfliegen) kam es zu einem schrecklichen Stromunfall beider seit etwa 10 Tagen flugfähigen Jungen. An einem Abzweigmast mit Stützenisolator, zu kurzen Abspannisolatoren und Schutzfunkenstrecken (ein eindrucksvoller tödlicher Cocktail) der dortigen 20-Kilovolt-Stromtrasse in Richtung Veitsweiler kamen beide Junge zu Tode. Während der eine nach dem tödlichen Stromstoß vom Mast fiel, blieb der zweite in makabrer Stellung an einem der Abspannisolatoren hängen. Die Beine baumelten, ein herunter hängender Flügel flatterte im Wind.

Auf Anregung von Storchenfreunden haben wir daraufhin die Aktion "Stoppt den Stromtod" gestartet. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung!

07. Aug. 01

Alles in Butter - der Stundenplan unserer immer selbständiger werdenden Großfamilie hat sich seit dem ungeplanten Ausflug Ludwigs auf Storchennorm eingependelt.
Vormittags weilt man zusammen einige Stunden im Nest, zumal das Wetter heute in diesen Stunden keinen einladenden Eindruck vermittelte. Ludwig und Sissi blieben auch deshalb ganz gerne zu Hause.


Bei diesem Regen warten wir mit einem
Ausflug noch etwas, Ludwig!

Gegen 11 Uhr hatten beide schließlich das Nest verlassen und in Begleitung der Eltern ihren Lieblingsplatz vor den Toren der Altstadt angeflogen. "Am Brühl" erledigten sie dabei alle notwendigen Storchengeschäfte. Gemeinsame Nahrungssuche, das bedeutet heute wieder Heuschreckenjagd, gemeinsames Ruhen mit Intensiv - Gefiederpflege und kurzes Dösen, wobei dei Nickhaut über dem Augapfel schon einmal für eine halbe Minute geschlossen blieb.

Heute gelang mir außerdem "Am Brühl" die ausgiebige Beobachtung und fotografische Dokumentation einer Fütterungsszene auf der Wiese. Anfangs standen Ludwig und Sissi in etwa 10 Meter Abstand zum Elternpaar in einer gemähten Wiesenparzelle. Nach einigen Minuten ging es wie ein Ruck durch die kleine Storchengesellschaft und alle stolzierten danach eifrig Heuschrecken sammelnd durch das hohe Gras. Als die Familie - Vater und Mutter voran - anschließend einen gemähten Wiesenbereich passierte, versuchten Ludwig und Sissi mit hängenden Flügeln und miauenden, quietschenden Lautäußerungen die Eltern zur Futterabgabe zu bewegen. Zuerst bedrängten sie Papa Storch. Der wich anfangs aus und lief in die andere Richtung, wurde aber von den Jungen gestellt und zum Auswürgen von Futter veranlasst. Dabei war der einzige Unterschied zur Fütterung im Nest, dass die Jungen nur einmal kurz den Fersensitz einnahmen, sonst aber im Stehen die Zusatzration an Futter aufnahmen. Dabei pickten sie heftig mit den Flügeln schlagend die Heuschreckennahrung von der Wiese auf. Papa schlich sich derweil heimlich still und leise davon, wurde aber von den doch noch hungrigen Jungstörchen wieder gestellt und abermals so heftig bedrängt, dass er sich erneut übergab.

Kurz vor 16:30 verließ ich Ludwig, Sissi und ihre Eltern. Sie waren den ganzen Nachmittag an der beschriebenen Stelle knapp außerhalb der Stadt, immer in Begleitung der beiden "Alten". Diese Begleitung ist eines der Charakteristika im Familienleben der Störche. In der ersten Zeit nach dem Ausfliegen hält sich immer mindestens einer der Altstörche in unmittelbarer Nähe der Jungen auf.

Auch um 18:10 Uhr - inzwischen wieder vor dem heimischen PC - war das Nest noch verwaist. Oder doch nicht? Eine der Dinkelsbühler Straßentauben hatte es sich für einige Sekunden am Storchennestrand gemütlich gemacht und dürfte damit seit Ende April der erste Nicht-Storch im Nest gewesen sein.


Das Nest ist für mich doch
eine Nummer zu groß!

Um 18:13 erschienen Ludwig, Sissi und ein Altstorch nach über sechs Stunden wieder zu Hause. Der "Alte" nur, um noch eine zusätzliche Portion Heuschrecken im Nest los zu werden.


Du Ludwig, jetzt waren wir aber ganz
schön lange weg und das macht hungrig!

Dabei fällt auf, dass die beiden Jungen das Nest mehr als füllen - "full house" ist bei dieser Gelegenheit keine Übertreibung. Nach diesem Marathonausflug bleiben die Jungen wohl bis zum Einbruch der Nacht im Nest und werden erst wieder morgen einen weiteren Ausflug starten.


Sissi, heute fliegen wir nicht mehr aus!

Momentaner Stundenplan der Familie: 

  • Vormittags im Nest

  • Um die Mittagszeit Abflug auf eine horstnahe Wiese
                  

  • Später Nachmittag Rückkehr und zu Hause

  • Bleiben bis zum nächsten Tag.

 

08. Aug. 01

Einem vollkommen anderen Stundenplan unterzog sich unsere Storchenfamilie am heutigen Tag.

War sie gestern meistens "außer Haus", so verbrachten zumindest die Jungen fast den gesamten Tag im Nest. Von 09:00 Uhr bis zum frühen Abend traf ich bei meinen zahlreichen Beobachtungen über die Webcam immer mindestens ein Junges im Nest an.

Es begann mit Gefiederpflege und einem kurzen Sonnenbad,


Heute machen wir uns einen gemütlichen Tag

gegen 10:30 wurde gefüttert,


Heute lassen wir uns das Futter
vom Party-Service bringen

anschließend war Mittagsruhe angeordnet und gegen 14:00 verabschiedete sich Ludwig für eine Stunde und ließ Sissi allein.


Hoffentlich macht Ludwig nicht wieder Dummheiten

Als Ludwig kurz nach 15:00 Uhr zurückkam, benahm er sich sehr merkwürdig und Sissi ahnte schon herannahendes Unheil


Sissi, in Deckung! Es sind wieder fremde Störche im Anflug.

Kurze Zeit später war die gesamte Familie am Nest versammelt und spulte das bereits bekannte Repertoire "Fremdstorch" ab. Und es funktionierte in gleicher Weise wie unter dem Tagebucheintrag vom 1. August bereits beschrieben.


Keine Aufregung, Kinder! Wir haben alles unter Kontrolle

 
Dem haben's wir aber gezeigt!

Zwei Minuten nach Beginn der ganzen Aufregung waren Ludwig und Sissi wieder allein im Nest und sie verzichteten auch in der Folgezeit auf einen weiteren Ausflug, vielleicht lag es an der "dicken Luft" über Dinkelsbühl in Form fremder, überfliegender Störche.

Die weitere Programmfolge liest sich dann schon fast gewohnt:

Sonnen, ruhen in ausgesprochener Liegestellung 

:
Zum Schlafen ist es mir fast zu hell!

Fütterung...


Papa war wohl wieder "Am Brühl"
und hat diese kleinen Heuschrecken mitgebracht!

 

10. Aug. 01

Liebe Storchengemeinde, erlauben Sie mir zum Einstieg heute eine Notiz in eigener Sache.

Erstmals seit Beginn der Tagebucheinträge werde ich mich zu einem viertägigen Kurzurlaub verabschieden und in der Zeit vom 12. August bis 16. August keine Aktualisierungen des Tagebuchs vornehmen können. Beobachten Sie bitte in diesen Tagen besonders fleißig und genau (das tun Sie ja so und so!!!) und teilen Sie alles Ihnen Wichtige oder Auffällige zum Beispiel durch einen Eintrag ins Gästebuch mit. Ich werde dann nach meiner Rückkehr alle neu entstandenen Fragen beantworten oder zu klären versuchen.

Die erste kritische Phase können ja jetzt beide Jungstörche abhaken. Ludwig und Sissi haben bis heute schon zahlreiche An- und Abflüge zum und vom Nest erfolgreich hinter sich gebracht, so dass ein Absturz, wie ihn Ludwig am Anfang hinlegte, jetzt nicht mehr wahrscheinlich ist. Die Gefahr, in irgendeiner Weise mit Strom in Berührung zu kommen, besteht leider weiter und selbst wenn die Familie ihr Brutgebiet verlassen hat, wird es in dieser Beziehung eher noch schlechter. Sollte also den beiden Jungen - und die sind immer gefährdeter als die Alten - in meiner Abwesenheit etwas zustoßen, werden Sie es auf alle Fälle erfahren. Ansonsten steige ich ab 17. August - wie gewohnt - in die Berichterstattung ein. Die Storchenfamilie wird bis dahin sicher noch komplett in Dinkelsbühl sein.

Ich rechne mit dem Abzug der Jungen zwischen dem 20. und 30. August, die Eltern werden einige Tage später folgen (wenn es "normal" zugeht). In den ersten Septembertagen sollte dann die Storchensaison abgeschlossen sein. Wie es dann weitergeht - und es geht weiter - wird Ihnen auf diesem Weg später mitgeteilt werden. Die Kamera läuft auf alle Fälle weiter, so dass Sie auch in den kommenden Monaten ein Bild nach Hause geliefert bekommen. Auch angedachte Projekte sollen in den kommenden Monaten umgesetzt oder wenigstens auf den Weg gebracht werden, die Absicherung weiterer Strommasten wird mit Ihrer Hilfe dabei sicher Priorität genießen. Lassen Sie sich einfach überraschen und nutzen Sie unsere Angebote auf der Website auch nach dem Abzug der Störche. Sie werden es nicht zu bereuen brauchen.

Die Aktion "Stoppt den Stromtod" konnte durch Ihre Anregungen ins Leben gerufen und schon heute in die Tat umgesetzt werden. Dafür und für alle bisher geleistete Arbeit möchte ich mich in aller Namen endlich auch einmal von dieser Stelle aus bei unserem Webmaster Wolfgang Horlacher aus Dinkelsbühl bedanken. Er murrte nie, wenn ich ihn mit einer Fülle von Texten überschüttete und er verstand es stets gekonnt und perfekt, alles optisch ansprechend und in einem vorzüglichen Layout zu gestalten. So kann sich unsere Website insgesamt betrachtet durchaus sehen lassen.

Vom Abenteuerausflug unseres Ludwig erschien heute im Dinkelsbühler und Feuchtwanger Lokalteil der Fränkischen Landeszeitung ein Bericht aus meiner Feder und morgen wird über den tragischen Stromtod ein weiterer Artikel in der genannten Zeitung folgen. Außerdem gab ich heute dem lokalen Radiosender radio8 ein Interview, in dem die tragischen Umstände des Stromtodes der beiden Weiltinger Jungstörche im Mittelpunkt standen und in dem ich auf unsere heute angelaufene Aktion "Stoppt den Stromtod" hinweisen und fleißig dafür Werbung machen konnte. Bitte unterstützen auch Sie die Aktion!!

 

11. Aug. 01

Während das eine zu Dinkelsbühl benachbarte Storchenpaar in Weiltingen (10 km südöstlich) mit den beiden tödlich verunglückten Jungen letztlich doch keinen Bruterfolg hatte, kann das zweite in Mosbach (10 km nördlich) mit vier ausgeflogenen Jungen einen überragenden Bruterfolg aufweisen.

Alle vier Junge aus Mosbach standen heute unweit des Nestes in einer Wiese direkt an der Wörnitz und beide Eltern hatten sich gegen einen Fremdstorch durchzusetzen, der einige Zeit über der kleinen Storchengesellschaft kreiste. Während Vater Storch immer wieder vom Nest aus sein Drohverhalten abspulte und gelegentlich von der Partnerin unterstützt wurde, endete die kurze Episode damit, das sich Mutter Storch zu ihren "Kindern" in der Wiese gesellte und der Storchenmann den Fremden im Fluge ein Stück begleitete und ihn dabei langsam aus dem Nahrungsrevier vertrieb. Anschließend ging der Storchenmann bei Reichenbach etwa 2 km vom Nest entfernt alleine der Nahrungssuche nach. Das besondere an diesem sehr guten Bruterfolg des Paares in Mosbach ist das jugendliche Alter der Storchenmutter. Sie trägt einen Ring der Vogelwarte Radolfzell, der sie als erst zweijährig ausweist.

Ging man in früheren Jahren immer davon aus, dass Störche erst mit drei Jahren geschlechtsreif werden und von diesem Alter an mit Erfolg brüten, hat sich in dieser Beziehung in den letzten beiden Jahrzehnten eine dramatische Veränderung ergeben. Nun tauchen in größerer Zahl schon zweijährige Störche mit Nestbindung auf (solche gab es früher überhaupt nicht in Franken), die auch bereits zur Brut schreiten und erfolgreich Junge groß ziehen. Ein Fall, bei dem gleich vier Storchenkinder erfolgreich ausfliegen und ein Partner erst zwei Jahre ist, ist mir allerdings überhaupt noch nicht bekannt geworden.

Kehren Störche auch schon im Alter von einem Jahr in ihr weiteres Geburtsgebiet zurück (auch diese Fälle häufen sich), so schließen sie sich ausnahmslos Junggesellentrupps an, zigeunern in einem weiten Gebiet umher, tauchen einmal da, dann wieder an einem anderen Ort als Fremdstörche auf, brüten jedoch noch nicht und interessieren sich auch wenig um Nestbau oder um das ständige Verteidigen eines Nestes.

Wenn unsere Dinkelsbühler Jungen, Ludwig und Sissi eines Tages im August abziehen, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit frühestens erst nach drei Jahren wieder irgendwo auftauchen und möglicherweise dann zum erstenmal erfolgreich brüten. Gehören sie zur Abteilung der "Frühreifen", könnten Ludwig und Sissi auch schon mit zwei Jahren erstmals brüten. Diese Möglichkeit ist mit lediglich einem Prozentsatz um die 5 % vergleichsweise gering.

Wesentlich stärker vertreten sind dann die späteren Jahrgänge und die letzten, die erstmals zur Brut schreiten, bringen es immerhin schon auf ein Alter von 7 Jahren.

Aus diesen Feststellungen kann gefolgert werden, dass unsere Störche zwischen dem 2. und 7. Lebensjahr geschlechtsreif werden und dann erstmals selbst brüten.

Wo Ludwig und Sissi ihre erste Lebensjahre verbringen und auf welchem Weg sie ihr Winterquartier erreichen, werde ich in der nächsten Fortsetzung unseres Tagebuches zu erläutern beginnen. Sie können dies allerdings ab sofort über die Website www.sosstorch.ch, auf der 28 besenderte schweizerische Weißstörche auf ihrem Zug begleitet werden, selbst schon nachvollziehen. Da es sich bei diesen ausschließlich um Westzieher handelt, wird ihre Reise auf alle Fälle bis Spanien führen. Die Hälfte überwintert dann bereits dort, während der Rest die Straße von Gibraltar überquert und Westafrika ansteuert, um Mauretanien, Mali, Senegal und Nigeria zu erreichen. Forschen Sie einfach selbst ein wenig. Bei einem Storch (Max) kann bereits der dritte Wegzug mittels Satellitensender verfolgt werden, bei rund 10 anderen schon der zweite.

 

12. Aug. 01
Der Ausflug Ludwigs am 5. August und die Rubrik Lebensraum (Gräben und Bäche) wurden durch Fotos von Thomas Ziegler ergänzt.

 

13. Aug. 01
Die Unterschriftenaktion:
Stoppt den Stromtod !!!
führt zu Diskussionen unter den Storchenfreunden. Dies ist Anlass, ein Diskussionsforum einzurichten. 

Zeitungsartikel zum Storchenunglück in Weiltingen

 

16. Aug. 01

Ludwig und Sissi begrüßten den zurückgekehrten Kurzurlauber um 16:30 Uhr beim ersten Blick durch die Webcam.

Sie haben also - wie gehofft - die letzten Tage auch ohne den Storchenexperten prima überstanden und es bleibt zu hoffen, dass sie dies auch noch einige Tage tun werden.

Ist doch schön, dass wir wieder im Tagebuch erscheinen

Wie ich gesehen habe, sind die Diskussionen um den Stromtod der beiden Weiltinger Störche noch immer nicht verebbt und auch die Aktion "Stoppt den Stromtod" wird sicher noch einige Wochen brauchen, bis in etwa absehbar ist, welche Resonanz sie insgesamt gefunden hat. In den Tagen meiner Abwesenheit sind bis heute drei Listen mit insgesamt 15 Unterschriften bei mir eingegangen. Aus E-Mails weiß ich aber, dass viele "Sammler" unterwegs sind und die Listen so lange bei sich aufbewahren, bis der jeweilige persönliche Einsatz zu Ende gekommen ist.

Der Pressenartikel ist mit einem Tag Verspätung am vergangenen Montag in der Fränkischen Landeszeitung erschienen. Unser Webmaster wird in Kürze auch die bisher geleistete Pressearbeit in einem eigenen Link für Sie bereitstellen, so dass Sie auch Gelegenheit haben, sich darüber zu informieren. Da der Presseartikel zum Stromtod bereits vor dem Anlaufen der Aktion "Stoppt den Stromtod" bei der Zeitung eingereicht war, konnte über diese Initiative auch noch nichts gesagt oder dafür geworben werden. Ich möchte dies selbstverständlich in einem weiteren Bericht in der Presse nachholen. Das neu eingerichtete Diskussionsforum konnte ich noch nicht in seiner Gänze sichten, ich bitte aber, auch weiterhin rege davon Gebrauch zu machen oder seine Meinung zu Form, Inhalt und Gestaltung der Storchenseiten im Gästebuch zu äußern - natürlich sind auch kritische Stimmen willkommen, wenn sie einer Verbesserung dienen.

Jetzt aber schnell zu Ludwig und Sissi zurück, die von all unseren Sorgen zum Glück nichts mitbekommen. Dass sie in den nächsten Tagen Dinkelsbühl verlassen, steht so ziemlich fest. In welche Richtung sie mit hoher Wahrscheinlichkeit abfliegen werden, konnte ich Ihnen schon im Tagebucheintrag vom 11.August mitteilen. Eine 100%ige Sicherheit brächte entweder die Beringung (Markierung mit einem Ring der zuständigen Vogelwarte und Wiederfund ob tot oder lebendig auf dem Zugweg) oder noch viel aussagekräftiger die Ausrüstung der Störche mit einem Satellitensender (wie unter www.sosstorch.ch jetzt nachvollziehbar).

Vor meiner Zeit als Storchenberinger gibt es lediglich einen Wiederfund eines Dinkelsbühler Jungstorches aus dem Jahre 1959. Ein am 21.Juni dieses Jahres von Theodor Mebs beringter Jungstorch wurde am 18.August 1959 aus Arles-sur-Tech (42.27N 2.37E), Pyrénées-Orientales, Frankreich zurückgemeldet. Der Finder schrieb dazu: "Von einem elektrischen Mast gestürzt, verletzt gefangen und dann gekäfigt." Über das weitere Schicksal ist nichts mehr bekannt. Aus diesem Fund geht aber klar hervor, dass dieser Storch bei seinem ersten Wegzug die sogenannte Westroute beflog, also auf dem Weg nach Spanien bzw. Westafrika war. Betrachtet man sich eine Landkarte dieses Teiles der Erde, fällt auf, dass es Störche nach Möglichkeit vermeiden, große Strecken über offene Wasserflächen zu fliegen. Deshalb scheuen sie den direkten Überflug über das Mittelmeer und wandern vereinfacht gesprochen im Einzugsbereich der Küstenlinie und des weiteren Hinterlandes bis Gibraltar. Als ausgesprochene Segelflieger suchen Störche - wie auch andere Großvögel - zur Zugzeit günstige Thermiken. Diese entstehen natürlich um diese Jahreszeit über der großen Landmasse. Diese besitzt im Vergleich zum Wasser eine wesentlich höhere Temperatur. Deshalb bilden sich nur über dem Land warme Aufwinde, die von den Störchen intensiv genutzt werden und ein Kräfte sparendes Vorwärtskommen ermöglichen.

Ausnahmen bestätigen - wie so oft - auch hier die Regel. So gelangten und gelangen relativ viele Störche auf ihrem Zuge durch Italien bis an die Südspitze Siziliens. Über diesen Zugweg gibt es eine Fülle von Ringfunden und ein besenderter Storch des diesjährigen Schweizer Storchenprojektes (www.sosstorch.ch) hat bereits die Südspitze Italiens erreicht. Danach entscheiden ausschließlich günstige Flugbedingungen über das weitere Schicksal derartig fehl geleiteter Störche. Ob sie die rettende afrikanische Küste in Tunesien oder Libyen erreichen, wäre dann ein echter Glücksfall (wovon es natürlich viele gibt).

Im letztjährigen Schweizer Projekt wählte ein anderer Jungstorch die gefährliche Route über das Mittelmeer. Von Südfrankreich aus erreichte er Sardinien, durchwanderte diese Insel bis zur Südspitze und versuchte die tunesische Küste zu erreichen. Etwa 80 Kilometer vor dem rettenden Ufer stürzte er ins Meer und ertrank.

Als Bewohner des schönen Frankenlandes haben es Ludwig und Sissi "zugmäßig" mit einer weiteren Besonderheit zu tun. Mitten durch Franken - ungefähr entlang des 11. Längengrades östlicher Länge - verläuft eine unsichtbare, durch Wiederfunde beringter Störche belegte Grenze, die Zugscheide genannt wird.
Beim großräumigen Umfliegen des Mittelmeeres wählen die Bewohner der Gebiete westlich dieser Grenze wie besprochen die Westroute (Spanien, Westafrika), die Störche östlich dieser Grenzlinie die Ostroute. Diese umgehen das Mittelmeer, indem sie über Ungarn, Rumänien, Bulgarien die Türkei erreichen und in der Nähe von Istanbul die an dieser Stelle nur wenige Kilometer breite Meerenge überfliegen. Endpunkte dieser Reise wäre dann ein weites Gebiet im südlichen Sudan, das bei Nahrungsengpässen auch häufig verlassen wird und im Extremfall die Störche bis in die Kapprovinz von Südafrika führt.

Eine Mischzone, die sich um diesen angesprochenen 11. Längengrad findet (auch Sissi und Ludwig sind darin geboren), entlässt nun die hier geborenen Jungstörche entweder in die eine oder in die andere Richtung. Es lässt sich aber nicht vorhersagen, welche nun in unserem Falle zum Tragen kommt. Sicher spielen hier angeborene Momente eine ebenso große Rolle wie das spontane Mitfliegen in einer "Reisegesellschaft", der man sich anschließt und die dann andere Faktoren außer Kraft setzt und überlagert.

Auch wenn es nicht "normal" ist - aber was ist in der Natur schon normal - gibt es reine Weststörche, die die Ostroute befliegen und reine Oststörche, die über Spanien und Gibraltar ihr Winterquartier ansteuern. Ich habe aus diesem Anlass einmal "meine" Wiederfunde von in Franken (also in der klassischen Mischzone gelegen) beringten Störchen durchgesehen und sie in West- und Ostzieher eingeteilt. Von den auswertbaren Meldungen betreffen dabei 36 Funde Störche, die die westliche Abzugsrichtung wählten und 33, die in östliche Richtung flogen.

Im Diskussionsforum wurde in den letzten Tagen immer wieder gefragt, wie es mit der Zahl der Stromopfer unter den Störchen aussieht. Auswertungen darüber sind so einfach nicht erhältlich und meistens in der Fachliteratur verstreut nachlesbar. Es besteht bei den Fundmitteilungen jedoch eine sehr große Dunkelziffer, weil die Finder eines beringten Vogels die genauen Fundumstände nicht immer mitteilen. So heißt es oft nur "tot gefunden" und fast immer bedeutet diese Aussage, dass der betreffende Storch den Stromtod erlitten hat. Fast alle Melder, die einen Todfund eines Storches der Vogelwarte mitteilen und die Ursache des Todes nennen können, sprechen von "Tod durch Strom" oder verwenden ähnliche Formulierungen. In verschwindend kleiner Zahl gibt es noch andere Todesursachen bei meinen Wiederfunden.

Da steht "erbeutet", "Verkehrsopfer", "angeschossen". Bei 107 tot gefundenen fränkischen Störchen (von etwa 1000 insgesamt beringten) ist die Todesursache in 75 Fällen nachweislich der Stromtod. Bei den restlichen (tot gefunden) mit großer Sicherheit ebenso. Im Durchschnitt der Jahre zwischen 1972 und 1987 starben etwa 15 Prozent aller ausfliegenden Jungen beim ersten Wegzug im unmittelbaren und weiteren Umfeld des Nestes den Stromtod. Mit großer Sicherheit (eine Dunkelziffer mit eingerechnet) bewegen sich die tatsächlichen Zahlen noch in einem weit höheren Prozentbereich.

 

Thomas Ziegler

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