Storchenkamera
Storchentagebuch 2004
...was bisher geschah
Unterstützt durch
Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!
Teil 9
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19. Jun. 04
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Wochenende ohne Sonnenschein! Für
„arbeitslose“ Störche wie für den „Unsrigen“ hat dieser Umstand
jedoch keinerlei Auswirkungen, muss er sich doch nur selbst
versorgen und die Portion Futter kann er sich bei jedem Wetter
besorgen. Da geht es um ein knappes Pfund „fleischliche“ Nahrung,
vom kleinen Insekt bis hoch zur Maulwurfgröße. Wie wichtig für jeden
Vogel eine intensive Pflege des Gefieders ist, bewies Adebar bei
seinen Anwesenheiten am Nest zur Genüge. (Fast) jede Feder erfuhr
dabei eine Sonderbehandlung. Dass alte und somit abgenutzte Federn
auch bei bester Pflege verschleißen und ersetzt werden müssen,
bewiesen und beweisen zahlreiche kleine Mauserfedern, die sich jetzt
wieder verstärkt im Nestbereich „sammeln“.
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Körperpflege! |
Kuckuck! Wo
bin ich? |
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Vorsicht beim Hinausbeugen
aus dem Nest! |
Bäumchen
schüttle dich! |
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20. Jun. 04 |
Dass es mit Störchen in meiner Heimatstadt Feuchtwangen
heuer schlecht bestellt ist, habe ich bereits mehrfach berichtet. So
zählen einzelne Sichtbeobachtungen in und um die Stadt schon zu den
ausgesprochenen Raritäten. Nun war es heute am späten Vormittag
wieder einmal so weit. Auf der Sirene des alten Rathauses
am Marktplatz – am benachbarten Kamin befand sich im letzten Jahr
das Storchennest – stand ein leibhaftiger Storch. Mit
dem Fernglas, das immer im Auto mitfahren darf, erkannte ich, dass
der Storch beringt war. Doch für eine Ablesung bedarf es eines
Spektives. Doch dieses lag einsam und verlassen zu Hause. So brauste
ich sehr zügig zurück und war nach wenigen Minuten erneut am
Marktplatz. Doch wie schon befürchtet, war das Objekt der Begierde
nicht mehr dort anzutreffen. Eine kurze Suche brachte jedoch bald
darauf Erfolg. Er oder sie stand auf dem Turm der
katholischen Pfarrkirche. In solchen Situationen bei Anblick
eines beringten Storchs gerät Ihr Tagebuchschreiber sehr schnell in
eine gewisse Hektik, die erst nach „gelungener Arbeit“ wieder
abklingt. Bis ich einen geeigneten Punkt gefunden hatte, von dem aus
der Ring gut sichtbar war, benötigte ich doch einige Ortswechsel.
Schließlich konnte ich die Nummer ablesen, ehe sich Adebar wenige
Sekunden später von seinem hohen Aussichtspunkt herabgleiten ließ
und meinen Blicken entschwand. Die Identifikation lieferte
ein kleines Schlaglicht auf den Aktionsradius der Mosbacher
Storchendame, denn um das Weibchen des dortigen, fünf Kilometer
von Feuchtwangen entfernten Nestes handelte es sich. Sie
hatte also, da nur ein Junges zu versorgen ist, den
Sonntagvormittag dazu benutzt, das Wörnitztal zu verlassen, über
eine Anhöhe zu fliegen und meiner Heimatstadt und mir einen
Kurzbesuch abzustatten. Am Nachmittag traf ich „sie“ dann bei der
Fütterung an ihrem Heimathorst wieder. Dorthin hatte mich eine
Radtour, veranstaltet vom Bund Naturschutz, von
Dinkelsbühl aus durch das Wörnitztal, an Schopfloch vorbei mit
Endziel in Mosbach geführt. Die wenigen Radler waren aber dennoch
von Storch und prächtiger Naturkulisse begeistert. In
Dinkelsbühl hielt es unser Einzelzimmer-Bewohner lange
außer Haus aus. Auch beim Start unserer Radltour konnte man nur auf
das leere Nest verweisen. Doch wie gestern schon ausgeführt, konnte
man wenigstens zahlreiche, an große Schneeflocken erinnernde
Mauserfedern bestaunen, die sich Adebar in den frühen
Vormittagsstunden “herausgeputzt“ hatte. Da das windstille Wetter
ein wenig mithalf, blieb das zarte Federvolk lange im Nest, ehe ein
laues Lüftchen die weiße Pracht über die Dächer davontrug.
Hat es in Dinkelsbühl geschneit? |
Schnabelverzierung |
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21. Jun. 04 |
Sommeranfang! Kein Regen und immer noch
unterdurchschnittliche Temperaturen. Als am Nachmittag die Sonne
durch die Wolken brach, durfte sogar wieder etwas geschwitzt werden.
Nach dem vormittäglichen Unterricht in meiner ersten Klasse an der
Volksschule Feuchtwangen-Stadt hatte ich mich am Nachmittag
zu einem Treffen mit zwei Klassen des Förderzentrums
aus Dinkelsbühl in Weiltingen vereinbart. Die zwischen 8 und
9 Jahre alten Schüler verbringen dort in der Nähe einen einwöchigen
Schullandheimaufenthalt. Das Zusammentreffen im grünen
Klassenzimmer zum Thema „Störche“ war eine feine Sache und ließ
viele begeisterte Kinder zurück, die einige neue Erkenntnisse im
Zusammenspiel von Lebewesen und Umwelt gewinnen konnten. Am Abend
unterstützte mich die Freiwillige Feuerwehr aus Oettingen ein
weiteres Mal bei der Beringung am Nest in Westheim, Landkreis
Gunzenhausen-Weißenburg. Im vergangenen Jahr hatte sich spontan und
ohne menschliche Unterstützung ein Storchenpaar erstmals in diesem
Ort angesiedelt und auch gleich für zweifachen Nachwuchs gesorgt.
Auch heuer dürfen sich die Westheimer über Nachwuchs
freuen, der mit drei Jungen sogar noch höher ausfiel als im
Vorjahr. Die Hausbesitzer tun alles, damit es den Störchen auf ihrem
Hauskamin gut geht. Als kleine Gegenleistung wurde bei meinem
heutigen Einsatz die verstopfte Dachrinne gesäubert sowie
Nistmaterial aus dem Schneefanggitter entfernt. Zwei gefährliche
Bindegarnteile wurden aus dem Nest entfernt, bevor sie
möglicherweise Unheil anrichten konnten. In wenigen Fällen führten
diese „Mitbringsel“ aus der freien Feldflur bisher zu schweren
Verletzungen unter den Jungen, die sich in solchen unzerstörbaren
Schnüren verhedderten und dadurch Gliedmaßen zum Abschnüren und
damit auch zum Absterben brachten.
Nun fliege ich aber doch ab!
Westheimer Nachwuchs
Angesichts des vollen Stundenplans ergaben sich für größere
Beobachtungen am Dinkelsbühler Nest kaum noch freie Kapazitäten. Es
blieb alles beim Alten: Der Einzelgänger hält die Stellung. Ist über
Stunden am Nest anwesend und schläft nach wie vor allein im Haus.
Ist da oben
jemand? |
Bereit für
die Nacht! |
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22. Jun. 04 |
Heftige Regenschauer gehen heute immer
wieder nieder. Da sie nur von kurzer Dauer sind und dazwischen auch
schnell die Sonne zum Vorschein kommt, lässt sich das Wetter dennoch
ertragen. Wie auf Bestellung klart der Himmel gegen 17 Uhr 30 Uhr
endlich auf und als ich meinen heutigen Einsatzort zum
Storchenberingen erreiche, strahlt die Sonne von einem fast
wolkenlosen Himmel und die Regenjacke darf getrost im Auto bleiben.
Doch nun der Reihe nach: Mit der Freiwilligen Feuerwehr aus
Gunzenhausen unter einem sehr der Natur verbundenen
Kommandanten darf ich die noch verbliebenen Nester im Raum
Gunzenhausen mit der Drehleiter anfahren. Erster Einsatzort ist das
Pfarrhaus von Altenmuhr. Die Gemeinde liegt direkt am
Altmühlsee, einem ornithologisch besonders bedeutsamen Gebiet, das
sicher für viele meiner Leser eine Reise wert sein könnte. Hier
eröffnete vor einigen Wochen der Landesbund für Vogelschutz in
Bayern e.V. ein neues Informationszentrum. In moderner
Scheunenarchitektur ist dabei ein Treff für Gäste wie für
Einheimische entstanden. Das Storchennest zählte heute
zwei Junge, nachdem in den vergangenen Wochen zwei weitere von
den Altstörchen tot aus dem Nest geworfen worden waren. Die
Störchin – sie brütet heuer zum ersten Mal in Altenmuhr – trägt
einen Ring der Straßburger Beringungszentrale, ihr
Geburtsort sollte demnach im Elsass liegen. Ihr unberingter Partner
erwies sich beim Beringen als ungewöhnlich nesttreu.
Natur und Technik in Altenmuhr
Wer kommt denn da?
Er ließ Ihren Tagebuchschreiber bis auf einen
Meter an sich herankommen, ehe er dann ganz gemächlich und ohne
Panik abstrich.
Hier bin ich Herr!
Unsere Beringungsreise brachte uns eine
halbe Stunde später in die Stadt Gunzenhausen. Früher gab es
dort zwei besetzte Storchennester, doch beide Brutplätze sind
entweder verwaist (Storchenturm) oder existieren nicht mehr (Kamin
Gasthaus Post). 1989 wurde nach dem Abriss der alten Postbrauerei
auf einem anderen alten Brauereikamin des Gasthauses Lehner
eine künstliche Nisthilfe geschaffen, die von den Störchen
sofort angenommen wurde. Seitdem brüten die Gunzenhäuser Störche an
dieser Stelle. So auch im Jahre 2004.
Das Objekt der Begierde
Drei Jungstörche konnten heute in
luftiger Höhe beringt werden, ein vierter war vor einer Woche aus
dem Nest geworfen worden und lag noch erkennbar auf dem Vordach
unterhalb des Nestes.
Ein kleines Plastikteil als Farbtupfer im Nest – es „überlebte die
Beringung nicht!
Dritter Einsatzort für diesen Tag war
das etwa 10 Kilometer weiter flussabwärts gelegene Gundelsheim.
Nachdem in den vergangenen Jahren immer wieder Störche in dem hoch
über dem Altmühltal gelegenen Ort übernachtet hatten, wollte ein
Einwohner in Verbindung mit einem Hausneubau eine Unterlage für ein
Storchennest in seine Planungen mit einbeziehen. Und so geschah es.
Als der kühne „Bau“ fertig war und das Kunstnest montiert wurde,
kreiste bereits der erste Storch über dem Nest. Am darauf folgenden
Tag, hatte ein Adebar das Nest in Besitz genommen und kurze Zeit
später hatte sich ein Paar etabliert. War der neue Storchenbesitzer
vorher von den Einwohnern des Ortes noch belächelt worden, so
zeigten sie sich jetzt alle sehr überrascht von der unverhofften
Nestbesetzung. Neben zwei unbefruchteten Eiern (ein
drittes war vor Wochen abgeworfen worden) konnte wenigstens der
einzige Jungstorch in guter Verfassung vorgefunden und beringt
werden. Ich entnahm die beiden Eier aus dem Nest, da die Altstörche
bis zum heutigen Tag diese noch bebrütet hatten und das einzige
Junge deshalb meist ungeschützt neben dem Altvogel zu liegen kam.
Gundelsheim mit seinem ungewöhnlichen Nest
Das vierwöchige Junge sowie die beiden unbefruchteten Eier
Unser Dauergast zeigte sich reichlich
bedeckt. Er kam und ging und verbrachte eine weitere Nacht solo über
den Dächern von Dinkelsbühl.
Kevin allein zu Haus
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23. Jun. 04 |
Auch wenn ich kein großer Fußballfan
bin, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass der heutige Mittwoch
mit der Niederlage der Fußballnationalmannschaft bei
der EM gegen Tschechien schloss. Damit schied „unsere“ Mannschaft
aus dem Turnier aus und darf die Heimreise antreten. In Dinkelsbühl
gab es dagegen das erwartete Tagesprogramm mit Adebar,
dem Dauerbrenner, auf dem Rathausdach. Auch von Dohlen kann
wieder einmal berichtet werden, die häufig die Zeit ohne Storch
nutzten, um ihrerseits das Nest als Aussichtsplattform zu
„missbrauchen“.
Flugbild |
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24. Jun. 04 |
Der längste Tag des Jahres gehört nun auch schon wieder der
Vergangenheit an. Die Tage werden langsam kürzer und in nicht
allzu ferner Zukunft werden wir am Abend vergeblich auf den Einflug
unseres „Platzstorches“ warten. Ich werde sie bis dahin weiter auf
dem Laufenden halten und meine Berichte immer wieder mit
kleinen Seitenblicken auf andere Nester meines
Umfeldes garnieren. Ich habe den Eindruck, dass Sie diese
Exkurse ebenso genießen wie ich, zumal am Dinkelsbühler Nest in
diesem Jahr kein Nachwuchs zu verzeichnen ist und somit Zeit für
solche Ausflüge bleibt. Trotzdem gibt es täglich auch in Dinkelsbühl
„Storch“. Sie brauchen aber nicht enttäuscht zu sein, wenn einmal
das Nest leer ist. Er kommt bestimmt wieder! Als Beweise seien die
folgenden Schnappschüsse angeführt.
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25. Jun. 04 |
Dass der Einzelstorch regelmäßig auf den Dachfirst
des alten Rathauses, in Blickrichtung der Kamera also gelegentlich
hinter das Nest, ausweicht, habe ich schon früher berichtet. Heute
gelang eine lückenlose Dokumentation dieses Vorganges.
Insgesamt dauerte das Wechselspiel gerade mal zwei Minuten.
Auch am Abend dieses Tages stand eine weitere Beringungsfahrt
in Sachen Storch auf dem Programm. Von der Wiederbesetzung der Stadt
Merkendorf durch ein Storchenpaar habe ich bereits erzählt.
Auf Veranlassung der Stadt konnte im Frühjahr eine Nisthilfe auf dem
Dach des Rathauses installiert werden, nachdem in den Vorjahren
immer wieder Störche auf eben diesem Dach übernachtet hatten. Wenige
Tage nach der Fertigstellung nahm ein Storchenpaar von dem neuen
Angebot Besitz und Merkendorf rückte nach über vier
Jahrzehnten wieder in den Rang eines Storchenortes auf.
Eine besondere Note erbrachte die Tatsache, dass das Männchen
des Brutpaares von Ihrem Tagebuchschreiber 2002 in Mosbach
bei Feuchtwangen nestjung beringt worden war. Nun schickte ich
mich an, mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr aus Bechhofen seinen
Nachwuchs ebenfalls mit Ringen der Vogelwarte Radolfzell zu
kennzeichnen. Für einen zweijährigen Erstbrüter waren die zwei
Jungen, die im neuen Nest heranwachsen, ein stolzer Erfolg. Ein
unbefruchtetes Ei wurde ebenso wie zuletzt in Gundelsheim aus
dem Nest entfernt. Die gut vier Wochen alten Jungen befanden
sich während der Beringung ohne elterliche Aufsicht. Beide Partner
des Paares waren zu diesem Zeitpunkt auf Nahrungssuche und hatten
von der gesamten Aktion nicht mitbekommen. Die zahlreichen
Gewölle im Nest lieferten den Beweis, dass im Augenblick
Käfer aller Art ganz oben auf der Speisekarte stehen.
Merkendorf aus der Storchenperspektive
Das Zwillingspärchen
Stolzer Ringträger |
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26. Jun. 04 |
Ein herrlicher Tag mit dem lange ersehnten
Sonnenschein und endlich annähernd sommerlichen Temperaturen. Ich
starte am frühen Vormittag zu meiner vorerst letzten
Beringungsaktion in Sachen Storch nach Herrieden an der Altmühl. Auf
dem malerischen Stadttor befindet sich seit Jahrhunderten ein
Storchennest. In den vergangenen Jahrzehnten – und hier ganz
speziell seit 1969 - war es nur in einem Jahr nicht besetzt. In
diesen 36 möglichen Jahren waren in 35 Jahren Störche während vieler
Wochen des Jahres am Nest. In diesen 35 Jahren gab es sieben Mal
keinen Nachwuchs. In den verbleibenden 28 Jahren flogen 75 Junge
aus. Das gibt einen JZa (Anzahl flügger Junge auf alle Jahre
bezogen, n=35) von 2,14 Jungen pro Jahr. Rechnet man nur die Jahre
(n=28) mit ausfliegenden Jungen in die Berechnungen ein, ergibt sich
ein JZm (Anzahl flügger Junge nur auf die erfolgreichen Jahre
bezogen) von 2,68 Jungen. Mit diesen Werten rangiert Herrieden nach
Weiltingen an zweiter Stelle in der Statistik der erfolgreichsten
Brutorte im Landkreis Ansbach. Die drei Jungen des Jahres 2004, die
heute an der Reihe waren, ließen sich anstandslos beringen und
bewegten sich kaum. Während der Aktion, die nach zwei Minuten
beendet war, ließ sich keiner der beiden Altstörche sehen. Sie
bekamen von dem kurzen Eingriff nichts mit.
Hoch über den Dächern von Herrieden
Drei Junge in Akinese
Unser Rathausstorch spulte sein ganz normales
Tagesprogramm mit anschließender Übernachtung im Nest ab. Eine
kleine Gymnastikeinlage brachte wenigstens eine kurze Abwechslung.
Es bleibt Zeit für Dehnungsübungen! |
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27. Juni 04 |
Der Siebenschläfertag verwöhnte Dinkelsbühl und Umgebung mit Sonne
und Wärme und blieb gänzlich ohne Regen. Die Trockenheit nimmt
bereits wieder bedrohliche Formen an, während der Norden unseres
Landes weiterhin in Sachen Wetter und Wärme nur die schlechteren
Karten vorweisen kann. Ich genoss den Sonntag einmal wieder ohne
Storch und verbrachte ein paar schöne Stunden in Stuttgart, um ein
tolles Bläserkonzert zu erleben. Nach meiner Rückkehr hatte es sich
unser Übernachtungsgast bereits im Nest bequem gemacht.
Wieder gut aus Stuttgart zurück, Tagebuchschreiber?
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28. Juni
–
12. Juli |
Liebe Tagebuchleser! Gestatten Sie mir, die
vergangenen 14 Tage in dieser etwas kürzeren Form zusammenzufassen.
Wenn wenig passiert, muss man die Ereignisse nicht künstlich
aufblähen. Mir hat diese etwas ruhigere Phase auch ganz gut getan.
Nach Abschluss der anstrengenden Beringungsarbeit und viel Stress in
der Schule mit Festen und Zeugnisvorbereitungen und schließlich auch
dem eigentlichen Schreiben der Zeugnisse, die in der ersten Klasse
ohne Noten ein ganzseitiges Gutachten darstellen, ließ ich es
einfach in Sachen Tagebuchergänzungen ruhiger angehen. Das heißt,
ich habe auf solche gänzlich verzichtet.
Unser Dauergast hat sein Verhalten in dieser
Zeit in keiner Weise geändert. Er war in all den Tagen jeweils über
viele Stunden am Nest anzutreffen. Während der Nachtstunden konnte
man ihm auf alle Fälle stets in seinem Standquartier begegnen.
Dagegen haben manche Ereignisse an ebenso von
Videokameras überwachten Storchennestern für Wirbel gesorgt und auch
die gesamte Diskussion über Sinn und Unsinn solcher
Videoübertragungen wieder entfacht. Wozu letztlich der Einblick in
ein Storchennest führen kann, mussten wir dabei nun schon zum
wiederholten Male schmerzlich erleben. Gerade derartig irrwitzige
Handlungen haben ihren Ursprung gerade im Vorhandensein einer
Videokamera. Ich denke hier an den Fall aus Karlsruhe. Ich glaubte
meinen Augen nicht zu trauen, als ich die Begründung für die
Entnahme der vier Jungen aus dem dortigen Storchennest vernahm. Wenn
es keinen anderen Grund gab als den genannten, dann hat der
Naturschutz ausgedient und der Storch ist auf dem besten Weg zum
Haustier zu verkommen. Nun höre ich schon wieder das Gekeife manch
streitbarer Wallküren, die damit argumentieren, dass der Mensch die
Natur so und so schon nach allen Regeln der Kunst vergewaltige und
man deshalb die unschuldige Kreatur davor bewahren müsse, sich mit
diesen neuen Regeln arrangieren zu müssen. Und da sind alle
Eingriffe, die das Leben der Störche retten, zu befürworten. Dann
kommt die nächste Spitze, die da meint: Wie können wir es denn
unseren Kindern gegenüber verantworten (Klasse 3a), wenn wir
zuschauen, wie ein kleines Störchli im oder außerhalb des Nestes
verendet? Stattdessen wird den armen Kindern eine künstliche Welt
vorgegaukelt, in der Unnatürliches zur Regel erhoben wird. Arme
Kinder! Wie sollen sie sich später in der wirklichen Welt
zurechtfinden? Ohne Barbiepuppen-Image und Süßholzgeraspel! Da kann
einem schon angst und bange werden. Die Kinder mit der Realität
vertraut zu machen und ihnen biologische Zusammenhänge zu erklären,
ist natürlich viel schwieriger und deshalb geht man den leichteren
Weg.
Also zurück nach Karlruhe: Hier wurden doch
tatsächlich Junge dem Horst entnommen, weil unter dem Nestgebäude
eine viel befahrene Straße vorbeiführt und früher schon einmal der
eine oder andere Jungstorch verunglückte. Ich wunderte mich schon,
weshalb der Aufschrei nicht größer war und dieser Schwachsinn
verhindert werden konnte. Sollten die Jungen vielleicht den
pfälzischen Storchenmaststationen als spätere „Zuchtbullen“
zugeführt werden? Tragisch wäre dies schon allemal. Da wäre doch ein
klassischer Verkehrstod wesentlich humaner! Dass man nasse Störche
föhnt, ihnen Stärkungsmittel verabreicht, Nester nach seinen
Maßgaben zurechtstutzt, warme Eimer in der Feldflur verteilt,
Störche nach allen Regeln der Kunst mästet, um irrelevante
Nachwuchsziffern zu realisieren, Störche bei Bier und Bratwurst
spazieren gehen lässt und noch anderen Unfug betreibt, wissen Sie
als kundige Storchenfreunde aus den vergangenen Jahren zur Genüge.
Als ich da von Verhausschweinung sprach (der Begriff stammt leider
nicht von mir, sondern von einem der größten Verhaltensforscher
Prof. Dr. Antal Festetics), wurde ich in übelster Weise beschimpft.
Nun ist ohne jeglichen Grund ein weiterer Schritt getan, der
möglicherweise Nachahmer finden wird, denn an welchem Storchennest
in Deutschland führt nicht eine ähnlich viel befahrene Straße
vorbei? Und glauben die „Storchenentferner“ im Ernst, dass die
Jungen in Zukunft mit keiner Straße und darauf befindlichen Autos
mehr in Berührung kommen könnten? Es sei denn, der nächste Schritt
ist schon in Vorbereitung:
Man fliegt die flüggen Jungen doch gleich nach
Südspanien oder noch besser (Verkehrsdichte viel geringer) nach
Westafrika. Zehn Fernsehteams begleiten den Flug LH 0815 nach Dakar
und von dort in geländegängigen Jeeps in die weite Savanne. Die
ersten 500 Jungstörche haben ihre erste Reise damit fast verlustfrei
überstanden. Dass bei dem dabei entstandenen Getümmel zwei
Jungstörche (es waren leider zwei aus Karlsruhe) von einem
unvorsichtigen Fahrer überrollt wurden, mag die insgesamt positive
Bilanz nicht schmälern. Im nächsten Jahr, so wissen die Gazetten zu
berichten, wird auf den doch umständlichen Linienflug verzichtet und
die insgesamt ausgehorsteten Jungen aus Südwestdeutschland in einem
extra dafür geschaffenen Freizeitpark mit der größten
Freiflugvoliere weltweit einquartiert. Im ersten Jahr wird die
Anlage bereits von 1,5 Millionen Besuchern äußerst positiv
angenommen. Mit einer Vergrößerung wird geliebäugelt. Mit
Hubsteigern und Drehleitern aller Art wird den Besuchern die
Möglichkeit gegeben, sich die Welt aus der Storchenperspektive zu
betrachten. Dieter Bohlen schreibt den ersten Popsong, der allein
unseren Lieblingen gewidmet ist. In der ersten Verkaufswoche werden
bereits 2 Millionen CDs abgesetzt. In der dem Park angeschlossenen
Spielbank winkt als Hauptpreis eine Woche mit Vollpension in einem
Storchennest. Bei Regen wird Trockenföhnen garantiert, das Essen
wird in einem warmen Eimer gereicht und wer zu den ganz Glücklichen
gehört, erhält zum Schluss seines Aufenthaltes im Storchennest eine
Freikarte in ein Bordell nach Kaiserslautern (Pfalz).
Noch einmal zu Karlsruhe und der Entnahme der
Jungen: In Großstädten Nordafrikas und der Türkei beispielsweise
brüten Störche regelmäßig mitten in den Zentren und meines Wissens
wurden dort deshalb noch nie Jungstörche den Nestern entnommen,
obwohl die Storchenzahlen dort seit Jahren extrem rückläufig sind.
In Südwestfrankreich brüten zahlreiche Storchenpaare auf den
Oberleitungsträgern der Bahntrasse des Hochgeschwindigkeitszuges.
Mit über 300 km/h rasen dort die Züge in nur 2 Metern Abstand unter
den Storchennestern hindurch und kein Mensch würde auf die Idee
kommen, deshalb die Jungen aus den Nestern zu entnehmen. Immer noch
Karlsruhe: Einen zweiter Grund für den Eingriff sahen manche dort in
der Gefahr, dass die Jungstörche bei ihren ersten Ausflügen im
benachbarten Zoo im Löwengehege niedergehen könnten. Welch eine
Groteske! Die Hysterie kennt keine Grenzen. Verdreht ein Jungstorch
einmal die Augen, wird bereits nach einer Hilfsaktion gerufen.
Verunglückt ein Altstorch, dessen Junge bereits sechs Wochen alt
sind, im Straßenverkehr (warum lässt man ihn auch frei
herumfliegen?), geht das Geschrei schon wieder los. Das
Öffentlich-Machen eines so heiklen Themas, wie der Nestbeobachtung
von frei lebenden Vögeln, hat dazu geführt, dass einige wenige, die
von der Materie keine blasse Ahnung haben, am lautesten schreien.
Meine kleine Zukunftsvision sollte die Richtung zeigen, in die das
Geschehen abdriften könnte. Derartiger Storchenschutz – und wir sind
auf dem besten Wege dorthin - hat bisher zu nichts geführt. Den
Kritikern sei gesagt: Dem Storch geht es doch überhaupt nicht
schlecht. 1918 schreibt A. Klengel in den Sitzungsberichten und
Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft „ISIS“ in
Dresden in seinem Artikel „Das Vorkommen der Störche im Königreich
Sachsen“: ....Das völlige Verschwinden der letzten sächsischen
Storchennester ist leider nur noch eine Frage der Zeit, wenn nicht
bald Mittel und Wege gefunden werden, die des Storches Aussterben
verhüten oder wenigstens aufhalten.“ Der Autor zählte in seinem
Artikel 1916 lediglich 19 Brutpaare in Sachsen. Knapp 100 Jahre
später gibt es in Sachsen weit über 500 Storchenpaare und das in der
von den Menschen so gedemütigten und zum Nachteil der Störche
veränderten Umwelt. Wie geht das? Kein Föhnen, kein warmer Eimer,
kein Autoverbot, kein Aushorsten, keine Nestfummelei, nichts! Das
gleiche gilt auch für Franken um die gleiche Zeit des vergangenen
Jahrhunderts. Auch damals war der Bestand dort auf sein Allzeit-Tief
gesunken und der Storch drohte auszusterben. Ohne Plastikmüll auf
den Feldern, (fast) ohne Autos, ohne Stromleitungen, ohne
Umweltgifte. Wie das? Dem Storch ist unser Tun doch schei..egal! Er
kann sehr wohl in Großstädten, an Bahnlinien, auf Stromanlagen
überleben. Er ist dem Menschen in die Siedlungen gefolgt, nicht
umgekehrt. Er hat von den Menschen und seiner Tätigkeit extrem
profitiert und da ist es mehr recht als billig, wenn es in diesem
Zusammenhang auch zu Verlusten kommt. In 100 Jahren gab es im
Bestand unserer Störche viele „Ups“ und „Downs“, im Augenblick gibt
es ein deutliches „Up“. Der große Markt an Natur-Webcams, in unserem
Falle sind es die über 30 Storchenwebcams, hat dazu geführt, dass
viele Menschen erstmals mit der Natur konfrontiert wurden. Durchaus
eine vernünftige Sache. Doch man ließ sie mit Gefühlen und für sie
völlig fremden Lebensvorgängen allein und sie waren und sind dann
mit den Geschehnissen total überfordert. Welcher Unsinn und welch
rustikale Forderungen dann manchmal gleich erhoben werden, brauche
ich Ihnen nicht weiter zu erklären. Also bleiben wir stille
Beobachter und spielen uns nicht als Gott Vater auf! |
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13. Juli 04 |
Aus aktuellem Anlass stelle ich eine kleine
Betrachtung an den Anfang meines heutigen Tages. Dass Jungvögel nach
dem Ausfliegen aus dem Nest gravierenden Verlusten ausgesetzt sind,
brauche ich keinem biologisch auch nur ansatzweise gebildeten
Menschen erklären. Man sehe nur um diese Zeit in die Auffang- und
Pflegestationen für verletzte oder sonst in menschliche Obhut
gegebene Tiere, die die Naturschutzverbände landauf, landab
betreiben. Neben Eulen und Greifvögeln gehören auch gemeinhin als
Passeriformes bezeichnete Vogelarten, im weitesten Sinne also
Singvögel, in die lange Liste der Pfleglinge. Da gibt es nicht
flügge Hausrotschwänze neben ebensolchen Elstern. Dort erfahren die
Pfleglinge noch relativ kompetente Hilfe. Bekommt ein großer Zoo von
wohlmeinenden Kindern einen flugunfähigen Kleinvogel an die Pforte
geliefert, bedankt man sich höflich und übergibt den Gestrandeten
dem Fleischwolf als willkommene Zulage für alle Fleisch fressenden
Zooinsassen. Wer glaubt wohl im Ernst, dass sich ein knapp
kalkulierender städtischer Betrieb mit der Aufzucht einer jungen
Amsel abgibt? Ein heimischer Singvogel taugt nicht einmal als
Tauschobjekt für einen, einen gewissen Schauwert besitzenden Exoten.
Vom millionenfachen Tod ganzer Heerscharen von Vögeln durch Mamas
Lieblinge, dem ach so putzigen Katzenvolk, möchte ich hier gar nicht
reden. Oder geben Sie ihrer Katze den Gnadenschuss, weil sie
Mama-Zaunkönig verspeist hat? Die Millionen Hauskatzen in unseren
Vorgärten zehnten den Vogelbestand. Kaum anders verhält es sich mit
den zur Brutzeit der Vögel tätigen Heckenschnittkompanien unserer
Vorstädte, die mancher Brut den Garaus machen. Während man am Abend
seine Muschi vom Streunen wieder hereinbittet und Rasentrimmer und
elektrische Heckenschere in der gefliesten Doppelgarage verstaut,
entrüstet man sich darüber, dass zur gleichen Zeit ein Jungstorch
von seinen Eltern aus dem Nest geworfen wurde und (fast) kein
Storchenschützer dies verhindert hat. Man ergeht sich in
Schuldzuweisungen und fordert Abhilfe. Sie wissen ja, wohin das
führt: Vor lauter Angst werden dann schnell Junge ausgehorstet und
an einem sicheren Ort verwahrt, die Webcams werden abgeschaltet,
eine technische Störung wird vorgetäuscht, um nicht alles sichtbar
zu machen. Die Macher geraten unter Druck, denn die Meute im Web
lauert schon auf Beute. Man bemüht den einen oder anderen dubiosen
Politiker, Drohungen werden ausgesprochen, eine gerichtliche
Verfolgung wird ins Auge gefasst. Ein Kesseltreiben beginnt. Am
nächsten Morgen geht Muschi wieder draußen auf Jagd und die Hecke
könnte auch schon einen erneuten Schnitt vertragen
Um 18 Uhr ereilte mich ein Anruf aus
Wilburgstetten. Dieser Ort liegt wie Dinkelsbühl an der Wörnitz,
rund 8 km in südöstlicher Richtung von unserem Rathausnest entfernt
und beherbergt ein Storchennest, in dem heuer drei Junge
heranwuchsen. Obwohl die Jungen etwa Mitte Mai geschlüpft waren,
rechnete ich noch nicht mit einem ersten Ausflug. Doch erstens
kommt es anders und zweitens als man denkt. Einer der drei musste,
ob gewollt oder ungewollt, den ersten Absprung während des heutigen
Tages getan haben, denn wie hätte man es sonst erklären können, dass
plötzlich ein Jungstorch in der unterhalb des Nestes
vorbeifließenden Wörnitz stand. Dorfbewohner hatten seine
Anwesenheit an fremdem Ort bemerkt und zugleich beobachtet, dass er
den rechten Flügel hängen ließ. Die Informationskette erreichte als
nächsten den Ortspfarrer Hans Sing und der verständigte umgehend
Ihren Tagebuchschreiber. Innerhalb von 30 Minuten war ein Platz in
der Pflegestation des NABU in Ellwangen gefunden, der Storch aus der
Wörnitz geborgen und auf den Weg nach Ellwangen gebracht. Seine
Verletzungen am Flügelbug waren nicht bedrohlich, doch musste der
Jungadebar bei seinem mehr oder weniger heftigen Absturz aus
luftiger Höhe an ein Hindernis gestoßen sein, so dass es zu einer
starken Prellung kam, die den Flügel im Bereich des Handgelenkes
erfasste. Eine oberflächliche, leicht blutende Hautverletzung in
Verbindung mit einer stark geschwollenen Zone im Bereich des
Handgelenkes lautete die erste Diagnose. Kein Wunder, dass unser
Patient in diesem Zustand den Flügel hängen ließ und von weiteren
Flugversuchen nun die Nase voll hatte. Herr Schuster als kompetenter
Pfleger versorgte den Unglücklichen und gab ihm eine Fischportion
zwangsweise in den Schnabel. In diesem Alter dauert es einige Tage,
bis ein Storch selbständig bereit ist, die ihm vorgelegte Nahrung
aufzunehmen. So muss unser Junior sich einige Zeit mit sanfter
Gewalt die Fisch und Kükennahrung gefallen lassen. Aber keine Angst!
Es geschieht unter best möglicher Vorsicht und Rücksichtnahme. Da
solche Verletzungen relativ langwierig sein können, müssen wir uns
schon mindestens ein bis zwei Wochen gedulden, ehe eine Rückführung
nach Wilburgstetten erfolgen kann. Ich werde, wenn alles gut
verheilt ist, den Jungstorch wieder aus Ellwangen abholen und an
seinen Heimatort zur Familienzusammenführung zurückbringen. Unser
einsamer Adebar hielt sich an seinen Stundenplan und brauchte sich
keinen Stress um Junge, Nest oder andere wohl meinende Mitbürger zu
machen. Er blieb auch eine weitere Nacht und wird uns irgendwann
auch die kalte Schulter zeigen. Aber bis dahin vergehen schon noch
ein paar Wochen und es wird noch manchen neuen Tagebucheintrag
geben.
...einsam wacht... |
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16. Jul. 04 |
Ihr Tagebuchschreiber konnte heute einen
weiteren Versuch unterstützen, Störche am Oberlauf der Wörnitz
anzusiedeln. Nachdem ein Privatmann während des Winters in vielen
Arbeitsstunden eine künstliche Nisthilfe für Störche geplant und
schließlich auch gebaut hatte, gingen nun die Arbeiten ihrer
Vollendung entgegen. Dazu wurde in das als Nisthilfe dienende
Wagenrad ein komplettes Nest nach allen Regeln der Kunst
eingearbeitet und am folgenden Tag auf dem Dach der Scheune
installiert. Nun darf sich auch die Ortschaft Ungetsheim als
Trägerin eines noch unbesetzten Storchennestes bezeichnen. Nachdem
man ja in Sachen Storch mit allem rechnen kann und muss, ist eine
Ansiedlung dort zwar höchst unwahrscheinlich, aber nie ganz
auszuschließen. |
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18. Jul. 04 |
Um kurz nach 18 Uhr erreichte mich eine weitere
Katastrophenmeldung aus Wittelshofen. Der Anrufer meldete, dass
gerade während eines heftigen Unwetters das dortige Storchennest
samt Inhalt (3 Junge) vom 25 Meter hohen Kamin der Molkerei
heruntergeblasen worden sei. 20 Minuten später hatte ich mit Mühe
(das Unwetter tobte unterwegs immer noch) den Ort des Unglücks
erreicht. Zum Glück konnte ich zuerst sehen, dass nur Teile des
Nestes dem Minitornado zum Opfer gefallen waren. Im Hof der Molkerei
traf ich sodann auf den Augenzeugen des Geschehens sowie auf drei
kurz vor dem Ausfliegen stehenden Jungstörche. In wenigen Tagen
hätten sie den Absprung auch alleine bewältigt, nun aber standen sie
plötzlich vor vollendeten Tatsachen. Angesichts des Unwetters hatten
sie unter Bauwagen und anderen im Hof stehenden Fahrzeugen Schutz
gesucht und kamen nun alle wieder so langsam zum Vorschein. Eine
erste Kontrolle aus einiger Entfernung ließ keinerlei Verletzungen
sichtbar werden. Im Nu war ein kleiner Aktionsplan geschmiedet.
Dieser sah vor, die Drillinge an einen sicheren Ort außerhalb der
Bebauungszone zu treiben. Dazu mussten sie an eine Zaunlücke
herangeführt werden, die den Zugang in die Wiesenzone vor der
Ortschaft ermöglichte. Als der erste Jungstorch diese Stelle
erreicht hatte und den geplanten Weg einzuschlagen bereit war,
veranlasste ihn ein weiterer Schritt nach vorn, die Flügel
auszubreiten und ziemlich zügig abzufliegen. Nach einer kurzen Runde
über die Dächer der Ortschaft landete er in einer dem Nest
benachbarten Wiese. Der zweite Storch verfuhr in der gleichen Weise.
Nur der dritte war nicht bereit abzufliegen. Ich geleitete ihn aus
Wittelshofen hinaus, fing ihn ein, untersuchte ihn kurz und ließ ihn
danach, da keinerlei Verletzungen erkennbar waren, wieder laufen. So
ergab sich die Situation bei meiner Abreise: Alle drei Jungen
standen mehr oder weniger vereint in Wiesen in Sichtweite des
Nestes. Von den Altvögeln konnte während und auch in der Zeit nach
dem Unwetter keine Spur entdeckt werden. Über alle weiteren
Entwicklungen um dieses Nest empfehle ich Ihnen die Lektüre des
Storchentagebuches vom Wittelshofener Storchennest. |
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25. Jul. 04 |
Es geht weiter mit den Hiobsbotschaften! Und jeder, der sich nur ein
wenig mit der Storchenarbeit auskennt, gerät darüber keineswegs in
Panik. Diesmal betraf es einen Jungstorch aus Wassertrüdingen, etwa
20 Kilometer von Dinkelsbühl entfernt. Das dortige Storchenpaar
hatte heuer vier Junge zum Ausfliegen gebracht. Als die Familie
unweit des Nestes in Höhe des Wörnitzbades der Nahrungssuche
nachging, wurde einer der Jungen von einem Auto erfasst und getötet.
Damit musste in diesem Jahr der erste Todesfall unter „meinen“
Jungstörchen verzeichnet werden. Unser Pflegling aus Wilburgstetten,
in die Station des NABU nach Ellwangen verbracht, hält sich nach wie
vor dort auf. Wann mit seiner Rückführung gerechnet werden kann,
steht noch nicht fest. |
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4. Advent
2004 |
Dass Ihr Tagebuchschreiber noch lebt, soll
der folgende kleine Eintrag leibhaftig dokumentieren.
Das Nest blieb wohl ab dem 22. August
verlassen. Meine letzte Beobachtung unseres Einzelgängers datiert
vom 21. August. Da es mit Brut und Jungenaufzucht in diesem Jahr
nicht geklappt hat, blieben die Wortmeldungen im Tagebuch spärlicher
als sonst und ebbten schließlich ganz ab. Wenn der Faden einmal
gerissen ist, lässt er sich eben nur mit Mühe weiter spinnen. Ich
muss gestehen, dass es mir nicht besonders schwer fiel, auf weitere
Meldungen zu verzichten, obwohl es vielleicht nicht die feine Art
war, meine und unsere Seher und Leser im Regen und damit ohne
weitere Informationen stehen zu lassen. Das sollte nicht zur Regel
werden, ist aber nun mal passiert. Dafür möchte ich mich
entschuldigen. Ich tue dies im Vorfeld des Weihnachtsfestes, in der
Hoffnung, dass Sie in dieser Zeit eher dazu bereit sind, mir zu
verzeihen.
Für die Feiertage wünsche ich Ihnen die von
Ihnen erhoffte Ruhe und Besinnung und verbinde damit den Wunsch und
die Hoffnung, dass Sie das neue Jahr und die neuen Beobachtungen in
und um unser Storchennest gesund und erwartungsvoll mit mir wieder
angehen werden. Daraus ersehen Sie, dass auch in der kommenden
Brutsaison 2005 (wenn wir etwas mehr Glück besitzen) eine
Übertragung aus dem Dinkelsbühler Storchennest erfolgen wird. Die
Bedingungen und technischen Vorgaben werden sich im Vergleich zu den
vergangenen Jahren nicht wesentlich ändern. Ob Ihr Tagebuchschreiber
in gleicher Ausführlichkeit berichten wird, möchte ich noch nicht
abschließend festlegen. Es wird auf alle Fälle ein Tagebuch geben.
Dass auch in diesen vor uns liegenden
Wintermonaten zahlreiche Störche ihrem Brutgebiet die Treue halten,
sehen Sie aus Meldungen aus dem Erlanger Raum, aus dem Gebiet des
Altmühlsees (hier gibt es 5 Störche zu bestaunen) sowie gerade eben
aus dem Dinkelsbühler Nest (19.12.2004, 16 Uhr 30). Die
Polizeiinspektion meldet mir, dass ihr soeben eine Anruferin von
einem Storch im Altrathausnest berichtet hat. Schade, dass unsere
Kamera seit 5. Oktober kein aktuelles Bild mehr liefert. Vielleicht
lässt sich eine Bildübertragung ja wenigstens noch als kleines
Weihnachtsgeschenk wieder einrichten.
Jetzt freue ich mich, dass ich diesen letzten
Eintrag im Tagebuch – zwar reichlich verspätet – aber doch noch vor
den Weihnachtstagen geschafft habe.
Schauen Sie also auch in den nächsten Tagen und Wochen immer mal auf
unsere Website und bleiben Sie den Machern im Hintergrund, von denen
ich Sie natürlich ebenso herzlich grüßen darf, auch im neuen Jahr
gewogen. Wir freuen uns auf Sie! |
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Bitte helfen Sie den Störchen mit Ihrer
Spende.
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum
Erhalt der Webcam und zur Sicherung
des
Lebensraumes unserer Störche. |
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Thomas Ziegler
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