Storchenkamera
 
Storchentagebuch 2003
...was bisher geschah

Teil 8

22. Mai 03

 

Wir befinden uns nun endlich auf der Zielgeraden.


Vier Eier schauen uns an!

Ich hoffe, mit dem neuen „Nestblick“ einen Kompromiss gefunden zu haben, der auch die neugierigsten Storchengucker zufrieden stellen kann.


Georg als Rufer in der Wüste:
Heute Nachmittag gibt es einen neuen Bildausschnitt!

Wir entscheiden dann später, wie der Bildausschnitt neu gewählt werden soll. Bis das Schlüpfen beendet ist, bleibt der „Nahblick“ auf alle Fälle erhalten. Ich bin auch richtig verliebt in die Möglichkeit, Pauline und Georg ins Auge zu sehen.


Macht sich doch gut, der neue Ausschnitt!

An Hand von Details, die jeder für sich selbst entdecken mag, wird es vielleicht schnell gelingen, neue Unterscheidungsmerkmale der beiden Partner festzustellen. Hier denke ich an den Schnabel und dessen Basis, an Eigenheiten der Beine im Bereich des Intertarsalgelenkes oder an den leichten Grauton im Rückenbereich Paulines im Vergleich zum strahlenderen Weiß ihres Gatten Georg. Bis zum Einbruch der Dunkelheit war noch kein Storchenküken dem Ei entsprungen. Alle diesbezüglichen Beobachtungen beruhten auf Täuschungsmanövern kleiner dunkelgrauer Plastikfolienteile.


Es sind noch vier Eier! Alles andere ist doch nur kleiner Müll!

Ich rechne aber morgen oder spätestens übermorgen mit dem Schlupf des ersten Kükens.


Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!

Und dann soll auch bei uns wieder sommerlicheres Wetter herrschen mit Tageshöchsttemperaturen an die 30 Grad. Die letzten Tage waren insgesamt recht kühl und von täglichen, aber nicht lange anhaltenden Regenfällen geprägt. Doch trotz der wenig sommerlichen Wetterlage der vergangenen Tage konnte ich mich bei einem neuerlichen Besuch in Mosbach vom guten Zustand der fünf verbliebenen Jungen überzeugen. Der älteste Jungstorch hat bereits ein Alter von 23 Tagen erreicht, sein jüngstes Geschwisterchen gerade mal 14 Tage. Dass dabei die Größenunterschiede immer noch immens sind, darf nicht überraschen. Eine ältere Dreiergruppe besitzt nach wie vor Größenvorteile gegenüber den beiden Kleinsten, so dass insgesamt noch keine Entwarnung gegeben werden kann. Bei einer Fütterung durch das Weibchens konnte ich keine Fische mehr entdecken, dafür undefinierbare, durchweg sehr kleine Nahrungstiere. Nachdem das Weibchen die Fütterung beendet hatte, kehrte schnell Ruhe unter den Jungen ein, so dass sie satt zu sein schienen. Hört sich doch prima an!

Mein Besuch in Dinkelsbühl wegen der Einstellung eines neuen Bildausschnittes führte mich auch durch Schopfloch mit seinem neuen Storchenpaar. Auch hier konnte ich mich von einem ungestörten Brutverlauf überzeugen, der bis etwa Anfang Juni beendet sein wird. Die Fränkische Landeszeitung brachte hierüber heute auch einen Beitrag aus meiner Feder.

Das Feuchtwanger Storchenpaar macht weiter große Fortschritte hinsichtlich des Nestbaues und der Dauer der Anwesenheiten am Nest. Seit gestern ist das Nest gewachsen und mit einer leichten Grasauflage versehen worden, so dass das Weibchen viele Minuten im jetzt eindeutig  als Nest anzusprechenden Bau lag und neben ihrem männlichen Partner ruhte. Von der Schule aus gelangen mir zahlreiche Sichtungen des Paares und meist stand einer der Störche auf dem Kamin und die Fehlzeiten während des gesamten Vormittages waren sehr begrenzt. Ausführliches Bildmaterial folgt in Kürze.

Die Uhr auf dem Bild der Videokamera aus Dinkelsbühl zeigt – während ich diese Zeilen verfasse - 21:08:47 Uhr. Georg liegt trotz beginnender Dunkelheit fantastisch scharf und daher in beeindruckender Bildqualität im Nest. Sein weißes Gefieder leuchtet strahlend hell, übertroffen im Glanz nur noch von den vier „Golfbällen“ im Nest, die er vor einigen Minuten sorgsam wendete.


Zu jedem Ei ein Bein!

Eigentlich sollte in diesem Stadium der Brut bereits Stimmkontakt mit dem ersten oder vielleicht auch dem zweiten Jungen bestehen. Als Pauline nach der Brutablösung abflog, nahm sie auch einen kurzen Zwischenstopp auf dem Dachfirst vor, ehe sie Richtung Wörnitz entschwand. Um 21:29 Uhr landet Pauline für Sekunden im Nest und flog postwendend auf den Dachfirst. Dort blieb sie bis um 21:40 Uhr. Mit einem kurzen Satz wechselte sie ins Nest. Georg erhob sich, es fand die letzte Ablösung statt und Georg verzog sich seinerseits auf das so geliebte Dach.

23. Mai 03

 Warten auf Godot! Während dieser in Samuel Becketts gleichnamigem absurdem Theaterstück nicht erschien, hoffe ich doch, dass es bei unserem Storchennachwuchs etwas anders ausgeht.

Kein Zweifel! Es sind noch vier Eier! Da kitzelt noch nicht am Bauch!

Meine Einschätzung, dass das Schlüpfen des ersten Jungen am 23./24. Mai stattfinden würde, halte ich weiter aufrecht, auch wenn bei einer frei lebenden Vogelart die Brutzeiten durchaus um ein oder zwei Tage variieren können. Die Angaben über die Brutdauer in der Literatur liegen bei älteren Veröffentlichungen eher bei 34 Tagen, bei aktuelleren Arbeiten eher bei 33 oder sogar nur 32 Tagen. Damit können alle, so glaube ich, durchaus leben. Auf alle Fälle sollte es bis zum Sonntag so weit sein und das erste Hälschen sich emporrecken. Auch ich kann mich seit gestern nur schweren Herzens von den einmaligen Bildern unserer Webcam trennen und sauge jedes einzeln in mich auf.

Nun übernehme ich!
Endspurt ist angesagt!
Wie lange mein Schorsch sich seine
Dachausflüge noch leisten kann?

Nun werden Sie denken, dass Ihr Tagebuchschreiber schon ungezählte Nester gesehen und an ihnen Beobachtungen angestellt hat. Das ist schon richtig! Doch das Schlüpfen live zu erleben, ist schon etwas ganz Besonderes und nur von wenigen Standorten möglich. Wenn dann noch eine Kameraübertragung frei Haus geliefert wird und man alles bequem vom Sessel aus betrachten kann, ohne in gebückter Stellung aus einem winzigen Dachfenster mit schwerer Optik in der Hand und Schmerzen an allen Gelenken das Geschehen zu verfolgen, sind Glücksgefühle nicht auszuschließen.


Alle meine Entchen...Schwänzchen in die Höh!

Auffällig am Brutverhalten von Pauline in den Minuten kurz vor 20 Uhr bis gegen 20:30 Uhr war ihre große Unruhe. Diese Unruhe stellten auch einige Gästebuchschreiberinnen und Schreiber fest. Der jeweils brütende Vogel erhob sich dabei im 10-Sekuinden-Takt vom Gelege, blickte und hörte für Sekunden in die Nestmulde und legte sich dann wieder nieder. Waren es Geräusche und Stimmen aus dem Ei, die die Altstörche zu dieser im Vergleich zu den bisherigen Beobachtungen in der Brutzeit neuen Verhaltensweise drängten? Gegen 22 Uhr traf Georg endlich wieder auf seine Pauline und zog gleich bei ihr im Nest ein. „Passiert es vielleicht in dieser Nacht?“, mag sich Vater Storch denken, „Oder muss ich noch ein wenig länger warten?“

Mein Storchenpaar in meiner Heimatstadt hat weiter am Nest gebaut und vor allem die Nestmulde mit trockenem Gras ausgestattet.

Die Nestwerdung geht zügig weiter! Nest am 22. und am 23. Mai
im Hintergrund Fahne zum kommenden Altstadtfest

Das Weibchen lag wieder regelmäßig für längere Zeit im Nest, so als ob sie Maß nehmen wollte. In den Vormittagsstunden herrschte erneut Anwesenheitspflicht, nur unterbrochen von Flügen zum Herbeischaffen von Nistmaterial. Wenn man vom Kirchturm aus beobachtet und von der Türmerwohnung auf den Umgang des Turmes und damit ins Freie tritt, ändert sich das Verhalten der beiden Störche schlagartig. Obwohl etwa 40 Meter entfernt vom Nest erhob sich bei meinem Erscheinen „im Freien“ der im Nest liegende Storch und schien sichtlich beunruhigt über die für ihn neue Situation. Ob Adebar wegen meiner Anwesenheit schließlich sogar das Nest verließ, ist sehr wahrscheinlich, stimmt mich aber ein bisschen nachdenklich, spielt doch jeden Samstag eine sechs- bis achtköpfige Bläsergruppe von eben diesem Turmumgang einen Choral, der am Sonntag im Gottesdienst das Hauptlied darstellt.


Turmbläser auf dem Umgang des Kranzturmes

Da meine Familie und Ihr Tagebuchschreiber zu dieser Gruppe gehören und wir am kommenden Samstag mit dem Turmblasen an der Reihe sind, werde ich mich der für uns neuen Situation besonders annehmen und beim Blasen in alle vier Himmelsrichtungen besonders das Verhalten der Störche im Auge behalten. Um 22 Uhr steht das Paar vereint im Nest. Als kleine Sondergabe für meine treuen Tagebuchleser füge ich den heutigen Bericht in der Lokalausgabe der Fränkischen Landeszeitung über „meine“ Störche bei.

Da meine Frau am heutigen Tag Geburtstag feiert, lade ich die gesamte Familie zum Abendessen nach Mosbach ein. Ein wenig Storch muss eben doch dabei sein und außerdem genießt das Gasthaus mit seiner erlesenen Speisekarte einen hervorragenden Ruf. Hier bilden Qualität und Preis noch eine Freude bereitende Einheit. Dass man vom richtigen Sitzplatz im Lokal (wenn man nicht so und so im Freien isst) einen grandiosen Blick zum Storchennest genießt, stellt schon allein einen Leckerbissen besonderer Art dar. Ich durfte diesen Blick genießen und sah dabei mehr nach draußen als auf mein Wallerfilet auf Kartoffel-Lauchgemüse. Mit dem Fernglas gelang es dabei nach kurzer Zeit alle fünf Jungstörche auszumachen.

Fünf Junge in Mosbach am 22. Mai gesund und munter!

Eine Fütterung durch die Storchenmama kam als kostenlose Nachspeise ebenfalls noch dazu. Wer sich in nächster Zeit einmal auf den Weg nach Dinkelsbühl machen sollte, dem sei ein Abstecher nach Mosbach und eine Stärkung im dortigen Gasthaus (es gibt nur eines) wärmstens empfohlen.  

24. Mai 03

 Heute sollte bei Pauline und Georg der Durchbruch gelingen, es kam aber erst zu einem kleinen Schlupfloch im ersten Ei. Um 14:48 Uhr entdeckte Ihr Tagebuchschreiber die ersten Spuren des Schlüpfvorganges an einem der Eier des Geleges.


Da ist das Loch! Kein Zweifel,
Pauline, es scheint los zu gehen!

Mit dem Eizahn am Oberschnabel drückt der Jungvogel – nun für alle sichtbar - gegen die durch den Kalkabbau geschwächte Schale und bricht diese an. Der Jungstorch dreht sich dabei im Ei um seine Achse, so dass die Eikappe kreisförmig angebrochen wird.


Mal sehen, bis wann es unser Kleiner geschafft hat!

Durch heftiges Bewegen und Abstützen des Körpers mit den Beinen befreit sich der Vogel schließlich aus dem Ei. Der Schlüpfvorgang kann wenige Stunden bis mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Na, geht doch voran. Nach
drei Stunden ist ein Fortschritt erkennbar!.
Und noch später! Vorne rechts spitzt
das Loch über den Nestrand.

Bewahren Sie deshalb noch ein wenig Geduld! Bis das Küken für alle sichtbar sein wird, wird schon noch ein Tag vergehen.

Wer sich so gekonnt
auf dem Gelege niederlässt...
...der hat ein paar
Streicheleinheiten verdient!

Nun habe ich mich also doch leicht verschätzt, aber ein Tag hin oder her ist - wie schon früher geäußert – immer drin. Bleiben wir am Ball und feiern wir am Sonntag Geburtstag. Ein Sonntagskind ist schon etwas Besonderes, auch für Pauline und Georg. Das häufige Aufstehen und Stochern in der Nestmulde und das häufige Eierwenden konnten ebenfalls als deutliche Vorboten der bevorstehenden Geburt beobachtet werden.

Da habe ich eine richtige „Eierkette“
hingezaubert!
Immer schön
wenden!

Mit etwas Glück gelang es bei jeder kurzen Brutunterbrechung, das erste „schwarze Loch“ im Ei zu erkennen. Verwirrung stiftete lediglich ein Zweig im Bildvordergrund, der genau vor den Eiern aufragte und zwei kleine seitliche Verdickungen in Höhe der Eier aufwies.

Wir zwei sind ein hübsches Paar!
(Georg liegt! Vergleichen Sie
bitte die Schnäbel!)
Wo ist denn das
versprochene Küken?
Weit und breit keine Spur!

So schienen diese Verdickungen, auf ein Ei projiziert, ein ebensolches Loch vorzutäuschen. Ab 17:40 Uhr konnte ich das Geschehen schließlich wieder genauer verfolgen. Zu dieser Minute übernahm Pauline das Brutgeschäft von Georg. Erst knapp drei Stunden später beobachtete ich eine Ablösung, die Pauline zur Nahrungssuche rief. Einige Minuten vor 22 Uhr ließ sich die werdende Mutter am Nest sehen, Georg erhob sich vom Nest, machte Pauline Platz, die ihrerseits das Brutgeschäft aufnahm. In dieser Nacht bleibt das Paar gemeinsam im Nest. Kinder zu bekommen ist ja, wie mir sicher viele von Ihnen bestätigen können, für beide Elternteile eine sehr aufregende Angelegenheit, bei der sich die Partner gegenseitig unterstützen können und sollen.

Feuchtwangens heute beginnendes Altstadtfest ist um eine große Attraktion reicher. Direkt am Marktplatz gelegen überragt nun ein fast fertiges Storchennest mit zwei leibhaftigen Störchen das bunte Treiben. Das heutige Turmblasen ging für uns vorüber, ohne dass den Störchen etwas geschehen wäre. Sie hatten es nämlich vorgezogen, erst gar nicht im Nest anwesend zu sein. So konnten wir durch unser Erscheinen auf dem Umgang des Kranzturmes niemanden erschrecken. Als Nicht-Altstadtbesucher mache ich mich um 22 Uhr noch einmal auf, um aus sicherer Distanz nach den Störchen zu sehen. Die vielen Besucher in den Gassen der Altstadt und vor allem auf dem Marktplatz sowie die laute Musik kann ich von unserem Großparkplatz „Mooswiese“ nicht sehen und hören, aber ein Meer von zahllosen Autos lässt mir den großen Andrang wahrscheinlich werden. Unser Storchenpaar nimmt das alles gelassen hin, es steht seelenruhig auf dem Kamin des alten Rathauses und damit auch gleichzeitig in seinem Nest.   

Ein Abstecher am Nachmittag auf den Spuren der Störche entlang der Wörnitz brachte keine großen Neuigkeiten. An allen Orten wird entweder gebrütet oder es werden schon kleine Junge betreut. Einzig die Jungen im Weiltinger Storchennest konnten den Storchenexperten aus luftiger Höhe einen Willkommensgruß senden. Ohne lange zu warten, zählte ich drei Junge, ein zuverlässiger Beobachter hatte aber vorher auch schon vier gezählt.

25. Mai 03

Ein Traum wurde in den frühen Morgenstunden wahr. Dass das Glück aber gleich im Doppelpack zu uns kommt, habe ich in dieser Form nicht vorhergesagt.


Ratet mal, was Pauline da versteckt!

Des Rätsels Lösung ist schnell gefunden: Pauline und Georg begannen – entgegen meiner Einschätzung – erst ab dem zweiten Ei so richtig mit dem Brutgeschäft. Das ist bei Störchen eh das normalere Verhalten. Somit lag der Brutbeginn – vom Zweitei an gerechnet – erst am 23. April. Somit erfolgte der Schlupf nach 32 Bruttagen (und einigen Stunden) mit einer Zwillingsgeburt, d.h. in unserem Fall mit dem gleichzeitigen Aus-dem-Ei-Schlüpfen zweier junger Störche. Doch lassen Sie mich schnell die Ereignisse noch einmal Revue passieren: Gestern gab es mit der Beobachtung eines angepickten Eies (Ursula sah da bereits zwei angepickte Eier, was beweist, wie Recht sie hatte!) die ersten Anzeichen des bevorstehenden Schlüpfens. In den Abend- und Nachtstunden wurden die Arbeiten des kommenden Neugeborenen am Ei fortgesetzt und mit Theresia und Burkhard auch schnell die gefunden, die vom erfolgreichen Verlassen der Eihülle sprechen und im Falle von Burkhard auch Bildbeweise anfertigen konnten. Punkt 6 Uhr war der „Deckel“ des Eies abgesprengt und das erste Küken bahnte sich einen Weg ins Freie, noch halb gefangen von der unteren Schalenhälfte, in der es wie Dionysos in der Tonne saß.

Dieser Burkhard hat mich doch voll erwischt! Gleich hab ich es geschafft!

Beeindruckende Bilder, die eineinhalb Stunden später abermals von Burkhard noch übertroffen wurden. Ganz überraschend schickte sich Küken Nummer 2 an, der Eischale zu entspringen. Um 7:26:21 Uhr befreite sich gerade im linken Bereich der Nestmulde unser neuer Erdenbürger von der Eischale


Leicht unübersichtlich!
Links schält sich gerade Nummer 2 aus dem Ei!
Rechts hat es Nummer 1 schon vor 90 Minuten geschafft!

und war um 7:51:01 Uhr als Storch neben seinem Geschwisterchen gut erkennbar.


Zwillinge! Wir sollten Burkhard einmal winken!

War der „Erstling“ zu dieser Zeit schon trocken hinter den Ohren, zeigte das Zweitgeborene das durch die Nässe im Ei noch feuchte und daher dunklere Dunenkleid. Doch bald sollte sich dies ebenfalls ändern und der bisherige Benjamin seinem Geschwisterchen gleich kommen. Nur wenige Stunden nach der Geburt öffneten sich die Augen und nahmen erste Eindrücke aus der Umgebung wahr. Könnte man unsere beiden Kleinen auf die Waage legen, würden sie außerdem rund 75 g (Schwankungsbereich zwischen 68 g und 88 g) wiegen.


Da sieht man ja den Wald vor lauter Beinen nicht!

Auch bald nach dem Schlupf gab es bereits die ersten Fütterungen. An Beutetieren machen im vorliegenden Alter nur solche einen Sinn, die von der Größe her gesehen für die Jungen fressbar sind, denn mit Mäusen wären die Neugeborenen heute noch ziemlich überfordert.


Hast du im Tagebuch gelesen?
Wir bringen 75 g auf die Waage!

Also werden es – wie in den meisten ähnlichen Fällen – Regenwürmer aller Größenklassen sein. Man wundert sich dabei schon gelegentlich, welch große Beute ein so kleines Küken doch verschlingen kann. Sind die Jungen satt und unterlassen sie das Betteln, nimmt der jeweilige Altvogel das vorher aus dem Schlund ausgewürgte Futter wieder auf, das dann im Magen verbleibt und vom Elterntier endgültig der Verdauung zugeführt wird.


Zwischen den Beinen von Mama und Papa
lässt sich gut Verstecken spielen!

Ich möchte schon jetzt an alle Schnappschuss-Fans appellieren und Sie bitten, bei Fütterungen auf der Hut zu sein und möglichst viele Bilder zu speichern, die die Art der Beute vielleicht identifizierbar machen. Im momentanen Alter, bei meist sehr kleinen Beutestücken, ist dieser Nachweis natürlich nur schwer zu führen. Es hat also nach einer einjährigen Pause erneut mit Nachwuchs in Dinkelsbühl geklappt. Wie viele Junge es werden, müssen die nächsten Tage weisen. Ich sage mal, dass der Schlüpfvorgang, sollte es nach Lehrbuch weitergehen, am Dienstagmorgen fortgesetzt und zwei Tage später abgeschlossen sein kann. Aber weil wir es mit Störchen zu tun haben, sind Überraschungen nie ganz ausgeschlossen. Deshalb nageln Sie mich bitte nicht fest, wenn es letztlich doch etwas anders verläuft. Es wäre ja doch schrecklich, wenn alles so glatt und berechenbar verliefe. Kommt es anders (so wie die heutige Zwillingsgeburt), ist die Freude darüber höher anzusetzen. Zum Ereignis passend wurde das Nest von Vater Schorsch mit farblich herrlich abgestimmtem Beiwerk ausgestattet. Das Weiß des Papiertaschentuchs korrespondiert in wunderbarer Weise mit dem Weiß des Dunenkleides unserer Superstars.

Papa hat uns zur Geburt ein weißes
Deckchen als Geschenk gebracht!
Schau, die Schnabelspitze
gilt uns!

Oder wollte Georg nur die Aufmerksamkeit und Beobachtungsgabe unserer „Schnappschießer“ testen, denn es fiel manchmal gar nicht so leicht, zu entscheiden, wo das Taschentuch aufhört und der Storch anfängt. Das netzartige Gebilde im rechten Bildvordergrund stellt – wenn überhaupt – im Augenblick keine Gefahr dar. Sollten sich Junge darin verstricken und sie nicht mehr von diesen Teilen loskommen, würde ich einen Eingriff am Nest nicht ausschließen.


Du Junior, vor dem netzartigen Gebilde
solltet ihr euch mal fernhalten!

Dieser erfolgt auf alle Fälle zum Zeitpunkt der Beringung der Jungen. Den genauen Termin, er liegt frühestens Ende Juni, werde ich selbstverständlich rechtzeitig bekannt geben. Sollten dagegen Junge in ihrer Entwicklung zurück bleiben, einen kranken Eindruck machen oder gar sterben, wird von einem Eingriff auf alle Fälle abgesehen. Ich weiß, dass ich damit einigen unter Ihnen weh tun muss, doch hoffen wir, dass ein solcher Fall nicht eintreten wird. Nur möchte ich – und viele kennen in diesem heiklen Punkt meine Einstellung – bereits jetzt reinen Wein einschenken und sie mit allen Eventualitäten vertraut machen. Am frühen Abend schien mir ein weiteres Ei bereits Spuren des Schlüpfens zu zeigen oder besser gesagt, es zeigte ebenfalls ein kleines Schlupfloch.


Das ist die nächste Überraschung!
Das nächste Schlupfloch zeigt sich!

Seien Sie deshalb weiter umsichtige und interessierte Nestgucker und haben Sie in den nächsten Wochen mindestens ebenso viele freudige Momente und Erlebnisse mit unserem Storchennest und dessen „Besatzung“ wie im Augenblick! 

Vom Feuchtwanger Storchennest gibt es wenig Neues zu berichten. Dass die beiden Gäste die Attraktion des Altstadtfestes darstellten, blieb aber dennoch unbestritten. Der Ausbau des Nestes schritt auch heute wieder voran und zumindest zeitweise besuchten Adebars auch während des Nachmittags ihr Nest und erduldeten die Musik verschiedener Blaskapellen. Ich hoffe einmal, dass die beiden Langbeine eher der Musikrichtung Ihres Storchenexperten nacheifern, denn anders konnte ich mir ihr sehr langes und unbegründetes Fernbleiben vom Nest nicht erklären. Trotzdem kamen sie zur Übernachtung zurück ins Nest und durften sich weitere Schmachtfetzen anhören. Morgen geht alles dann wieder seinen gewohnten Gang und das Schlimmste wäre ausgestanden.

26. Mai 03

Unser Traumpaar!? Es wartet doch nach wie vor mit der einen oder anderen Überraschung auf.


Mal überlegen, was ich mir für eine
Überraschung ausdenken könnte!

Dachte ich gestern nach der aufregenden Zwillingsgeburt, dass nun am heutigen Tag etwas Ruhe einkehrt, belehrten mich Pauline und Georg abermals eines Besseren. Es geht um Küken Nummer 3. Dieser Schlingel wurde zwei Tage nach seinen Geschwistern als große befruchtete Eizelle ins Storchennest gelegt. Obwohl er demnach zwei Bruttage weniger auf der Eischale vorzuweisen hat, schlüpfte er dennoch nur rund 27 Stunden nach Küken Nummer 2. Nummer 3 hat also während der Brutzeit einen knappen Tag aufgeholt. Ich kann nur sagen, dass dies nun auch nichts Ungewöhnliches darstellt, dass es aber ausgerechnet bei unserem Paar passiert, macht die Angelegenheit um eine Nuance pikanter. Dieser „Frühling“ hatte sich gestern Abend bereits angekündigt, als ich gegen 20:35 Uhr ein weiteres angepicktes Ei entdeckte. Und es kam, wie es kommen musste. In den Vormittagsstunden des heutigen Tages gelang nun eine bemerkenswerte Beobachtungsreihe des gesamten Schlüpfvorganges. Vom Absprengen der Eikappe bis zum endgültigen Freistrampeln aus dem Ei wurde alles lückenlos dokumentiert. In dieser perfekten Form ist eine Storchengeburt wohl noch nie im Internet übertragen worden. Dafür sei allen Einsendern von Schnappschüssen an diesem Tag besonders gedankt. Seien Sie deshalb nicht allzu sparsam mit Ihren Fotobelegen! Verwerfen kann man ja sehr viele davon, aber einen bemerkenswerten Vorgang, eine einmalige Verhaltensweise kann man nicht ohne weiteres mehrmals „schnappen“. Um 10:19 Uhr war der Deckel des dritten Eies rundum abgehoben, so dass das dunkelgraue, weil noch nasse Dunenkleid des Neugeborenen schon durchschimmerte.


Die Hackerei ist bald vorbei!
Dann müsste der Deckel abspringen!

Ganz gelöst hatte sich die obere Schalenhälfte vom Rest noch nicht. Um 10:50 Uhr hatte sich an diesem Zustand noch nichts Dramatisches verändert, das Küken sich noch nicht befreit.


Das zieht sich jetzt doch schon ein Weilchen!

Um 12:26 Uhr war Nummer 3 zu zwei Dritteln aus dem Ei gepellt.


 In der letzten Stunde ging es aber flott!
Nun habe ich es fast geschafft!

Um 13:16 Uhr lag es erstmals frei.

Geschafft! Wenn ich meine Augen bald aufkriege
und trocken hinter den Ohren bin, mach ich mich an meine Geschwister ran!

Und in den nächsten Stunden ging die weitere Entwicklung rasend schnell. Das noch nasse Dunenkleid trocknete unter dem warmen Körper eines der Elternstörche schneller als im kühlen Wind des mit 15 Grad nur mäßig warmen Tages. Mit wachen schwarzen Augen blickte fortan Nummer 3 aufgeweckt in die Kamera und kuschelte sich unter seine beiden Geschwister.


Futter! Da wollen wir drei schon mal
in Bettelstellung gehen!

So schlecht ist die schnelle Schlupffolge – Barbara nennt sie gekonnt „Schnelle Brüter“ – doch gar nicht. Lehrbuch hin und her, wenn es weiter ruckzuck abgeht, sind die Größenunterschiede unter den einzelnen Jungen natürlich auch geringer, die Gefahr eines unvermeidlichen Todesfalles ebenso. Wenn ich mich am Abend nicht getäuscht habe, „droht“ uns morgen schon die nächste Geburt. Auch das letzte Ei präsentierte im letzten Licht ebenfalls die ersten Anzeichen des bevorstehenden Schlüpfens. Hätten wir nicht über vier Wochen lang vier Eier angestarrt, würde man heute glauben können, dass das Gelege aus fünf Eiern bestand. Es gab nämlich Augenblicke, in denen die Eischale von Küken Nummer 3 sich so platzierte, dass man auf die intakte Schalenhälfte blicken konnte und somit ein fünftes Ei zu sehen glaubte.

Hallo, Kollegen! Der Tagebuchschreiber wird jetzt glauben,
dass noch zwei Eier auszubrüten sind!

So als ob Georg sich für die neue Familiensituation rüsten wollte, trug er am Morgen zwischen 6:30 Uhr und 7:30 Uhr einiges an Nistmaterial herbei. Sah er sich durch die Vergrößerung der Familie dazu gezwungen oder wollte er nur seiner Freude Ausdruck verleihen, schon dreifacher Vater zu sein. Dass im Laufe des Tages dann noch einiges an weichem Polstermaterial dazu kam, darf angesichts der neuen Situation nicht verwundern. Einmal ist Gras und ähnlicher Baustoff gut für die Nesthygiene, zum anderen wird dadurch einer „Verschlammung“ des Nestbodens bei Regenfällen und einem direkter Körperkontakt mit humösen Nestbestandteilen vorgebeugt. Die abendliche Schlafsituation stellte sich wie folgt dar: Nachdem Georg gestern am Tag der Geburt seiner ersten beiden Kinder in der Nacht überhaupt nicht gesichtet wurde (er stand aber sicher auf dem Kamin unmittelbar neben der Kamera und entzog sich damit unseren Blicken), konnte er heute wenigstens teilweise auf dem Dachfirst des alten Rathauses erspäht werden. Dort hielt er sich auf, bis in Dinkelsbühl die Lichter ausgingen.     

In Feuchtwangen blieb dagegen für mich bei den sich überschlagenden Ereignissen vor der Kamera nicht viel Zeit. Das Paar beglückt nach wie vor alle Feuchtwanger und ließ auch den Feuchtwanger Bürgermeister Wolf Rüdiger Eckhardt bei der Eröffnungsrede für das Altstadtfest am Wochenende Bezug auf die neuen Bürger der Stadt nehmen. „Allerdings haben wir in Feuchtwangen auch ein Problem; die Leute sind geburtsfaul geworden. Ich sehe allerdings einen Lichtblick im Eintreffen der zwei Störche. Sie werden eindeutige Signale setzen.“, so der Bürgermeister. Dass das Nest inzwischen fertig ist und schon so groß, dass beide Partner heute für eine dreiviertel Stunde gleichzeitig im Nest lagen, ist unübersehbar. Ich lege noch zwei Fotos vom Wochenende bei, die das Nestgebäude aus zwei verschiedenen Perspektiven zeigen. Einmal vom Marktplatz aus, dem es durch seine stattliche Bauweise einen architektonischen Akzent setzt und zum zweiten aus dem Blickpunkt Ihres Tagebuchschreibers beim Beobachten vom Kranzturm der Stiftskirche aus. Als kleine Zugabe und zugegebenermaßen etwas unter Zwang präsentiert der zweite Schnappschuss gleich zwei Höhepunkte. Tochter Felicitas und weniger deutlich natürlich auch das alte Rathaus mit Storchennest und einem darin liegenden Storch (wer suchet, der findet!).

  

27. Mai 03

Brief Ihres Tagebuchschreibers an Georg, stolzen Vater der Dinkelsbühler Storchenkinder

Mensch, Georg!

Womit hast Du uns heute wieder überrascht? Am Morgen war die Kinderstube noch aufgeräumt und wie geleckt (fast!)! Doch was musste ich schon nach wenigen Stunden erleben? Einen Saustall hast du hinterlassen! Ich weiß, du kannst doch nichts dafür. Du handelst ja nicht vernunftbegabt, sondern ausschließlich triebgesteuert. Da kann das schon passieren. Oder willst du der Internetgemeinde einen ungetrübten Jungenblick vermiesen und alles unter den Teppich, nein unter Folie und Papier kehren? Es wird dir nicht gelingen, deinen Nachwuchs vor uns zu verstecken! Dafür ist dieser viel zu kamerageil. Wenigstens hast du es bei deiner Auswahl farblich bei Weiß belassen. So bietet das Nest zumindest aus dieser Sicht ein homogenes und nicht auf Effekthascherei bedachtes Aussehen. Dies hast du uns während der Brutzeit ja auch schon einige Male vorexerziert. Auch wie du die einzelnen Teile anordnest, ist schon eine Anmerkung wert. Versuche nur nicht – da es nun mal geschehen ist – über allem den Mantel des Vergessens oder gar Schweigens zu legen. Du hast dich nun mal hinreißen lassen, mit Pauline eine Ehe auf Zeit einzugehen. Jetzt musst du persönliche Interessen und Gewohnheiten eben etwas hintanstellen. Wir werden auch in Zukunft auf deine Marotten achten und dir von Zeit zu Zeit die Leviten lesen. Aber wie du das mit Pauline bisher auf die Reihe bekommen hast mit Nestbau, und schnellem „Brüter“ ist schon aller Ehren wert. Gib Pauline auf alle Fälle Bescheid, falls du sie heute noch einmal länger zu Gesicht bekommst. Leider muss ich dir eine traurige Mitteilung machen. Deine Kollegen in Mosbach haben seit Sonntag zwei weitere Junge verloren! Sie liegen tot im Nest. Sie wurden gerade mal drei Wochen alt. Woran es letztlich lag, wird für immer im Verborgenen bleiben. Sollten deine Jungen auch in irgendwelche Schwierigkeiten geraten, werden wir es so gut wie möglich beobachten. Ansonsten werden wir es deinem und deiner Gattin Geschick und Erfahrung überlassen, ob ihr alle vier Kinder in diesem vorhandenen Lebensraum großziehen könnt. Wir werden euch nicht mit Gewalt Futter aufzwingen, das ihr sonst nirgendwo finden könnt. Möglicherweise geratet ihr auch in Stress, wenn ihr gegen euren Willen und gegen eure vorhandenen physischen und vielleicht auch psychischen Fähigkeiten etwas tun müsst, was i h r gar nicht wollt, sondern nur wohlmeinende Tierschützer. Sei mir wegen dieser Einstellung nicht böse. Ich weiß ganz sicher, dass du und deine Art letztlich mehr davon haben, wenn Menschen die Natur und die Vernetzungen innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt verstehen lernen, wenn sie sich einsetzen, dass die Gefahren auf dem Zugweg und im Brutgebiet – ich denke hier vor allem an die gefährlichen Strommasten – beseitigt werden und wenn dein Lebensraum nicht weiter zerstört und durch menschliche Eingriffe an Wertigkeit verliert und du und deine Partnerin deshalb zu viel Zeit mit der Nahrungsbeschaffung verbringen müssen. Für heute wünsche ich dir eine gute Nacht und für morgen viel Erfolg und Geschick bei der Nahrungsbeschaffung. Gerade werden ja großflächig die Wiesen gemäht, so dass du für einige Tage leichtes Spiel haben wirst. Wenn sich die Situation wieder verschlechtert, empfehle ich dir einmal die verschiedenen Weiherketten abzuklappern und dort nach dem Rechten zu sehen.

Dein Thomas, Tagebuchschreiber

Als kleiner Morgengruß empfängt mich heute nach dem Aufstehen eine dreiköpfige Jungenschar mit Mutter Pauline und reichlich Polstermaterial aus Gras im Nest. Letzteres hat das schon seit dem gestrigen Abend angepickte vierte Ei total zugedeckt.


Eine glückliche Familie!

Doch aus der Schule zurück traute ich meinen Augen kaum. Georg war in der Zwischenzeit auf seine Art fleißig und konnte das Nest mit allerlei Schnickschnack aufmöbeln.

Was hat denn Georg da wieder angerichtet?

Wenn jemand in den mitgebrachten Fundstücken an Windeln erinnert wird, liegt er meiner Meinung nach nicht einmal ganz falsch. Sollte Georg gar einen Werbevertrag mit einem namhaften Hersteller abgeschlossen haben? Morgen wird die Lage sich wieder komplett anders gestalten, deshalb wollen wir unserem stolzen Vater die Freude gönnen.

Auf los tauchen wir alle wieder auf
und erschrecken Papa!
Beim Militär heißt das:
Augen links!

Sie werden bei den weiteren Beobachtungen der kleinen Jungen bemerken, dass diese sehr gerne aneinander gekuschelt im Nest liegen. Häufig scheinen sie sogar regelrecht ineinander verschlungen und gerne auf Körperkontakt aus zu sein. Diese als Wärmepyramide bezeichnete Verhaltensweise garantiert es den Kleinen, so ihren Wärmeverlust möglichst gering zu halten.


Freunde, wir machen gerade eine Wärmepyramide
und sind gar nicht in Ägypten!

Während der Vormittagsstunden gab es außer Müll und drei Jungen auch „Ei mit Loch“. Doch diese Loch wurde und wurde nicht größer.


Durch dieses Loch muss er kommen!

Seit dem Schlüpfen der ersten beiden Jungen am vergangenen Sonntag hat sich auch das Verhalten von Pauline und Georg beim Niederlegen ins Nest verändert und selbst durch die bloße Beobachtung des dabei sichtbaren Bewegungsablaufes wird deutlich, dass sich Junge im Nest befinden müssen. Das Niederlegen geschieht noch vorsichtiger, die Flügel werden weit abgespreizt und bleiben auch noch mehr oder weniger lang in dieser „weiten“ Position. Dadurch erreicht der brütende oder hudernde Vogel, dass die Küken unter die Fittiche geraten und nicht vom Brustbein zerquetscht werden.


Langsam! Den Druck des Körpers noch vom Nestboden wegnehmen!
Katzenbuckel machen!

Erst wenn jedes Junge sein Position gefunden hat, machen die Altstörche einige Bewegungen und nehmen die Flügel enger an den Körper. Ein besonderes Erlebnis stellen die Bilder dar, bei denen ein oder mehrere vorwitzige Junge sich unter dem Flügel des liegenden Elterntieres hindurch arbeiten und ihren Kopf plötzlich ins Freie halten.

Kuckuck! Ich seh' dich
und die Sonne auch!
Jetzt bin ich aber
schon hungrig!

Die spannende Frage des heutigen Tages, deren Beantwortung sich bis in die frühen Abendstunden hinzog lautete: Wann schlüpft das vierte Küken? Im Gästebuch gab es dann um 20:13 Uhr die erlösende Antwort! Küken Nummer 4 ist da! Hurra! Wenig später konnte ich dann die ersten gelungenen Schnappschüsse dieses historischen Ereignisse schießen.


Hallo, Pauline!
Darf ich vorstellen! Küken Nummer 4!

Somit ist etwas passiert, was ich in dieser Form nicht für möglich gehalten hätte. Die Eiablage begann am 21. April und endete mit dem vierten Ei am 27. April in den Morgenstunden. Das Schlüpfen der Jungen begann am 25. Mai und endete heute am 27. Mai um 20:13 Uhr. Somit brauchte unser Benjamin von der Ablage als Ei am 27. April (vor 5 Uhr morgens) bis zum Schlüpfen gerade einmal sagenhafte 30 Tage und 15 Stunden. Wenn das nicht rekordverdächtig ist!

Seht ihr mich? Ich bin Rekordhalter! Aber es ist trotzdem alles dran!

Der Abend endete mit Georgs Ankunft am Nest um 21:53 Uhr, danach blieb er nahe bei seiner Gattin auf dem Dachfirst. Gehört sich auch an einem solchen Tag!

Unsere Partnerzeitung – die Abendzeitung aus Nürnberg – berichtete heute, also in der Ausgabe vom 27. Mai 2003,  erneut von den Vorgängen im Dinkelsbühler Nest. Der Bericht wird hiermit meinen Lesern zugänglich gemacht.

Wie Sie im Brief an Georg bereits erfahren haben, gibt es aus Mosbach sehr schlechte Nachrichten. Ich musste heute die betrübliche Beobachtung machen, dass neben augenscheinlich drei gesunden Jungen auch zwei noch nicht sehr lang verstorbene Jungstörche im Nest liegen. Ich vermute aus dem Zustand und der Lage der Toten, dass sie wohl erst kurz vor meinem Besuch von ihrem Schicksal ereilt wurden. Das wachhabende Männchen sah immer wieder auf die leblosen Körper und berührte sie mit seinem Schnabel. Ich rechne, dass er in den nächsten Stunden versuchen wird, sie aus dem Nestinneren heraus zu ziehen und an den Rand zu bugsieren. Sollte er es nicht schaffen, werden die toten Körper im Nest verwesen und gleichzeitig immer weiter im Nestinneren versinken. Unabhängig davon werde ich versuchen, noch in dieser Woche einen Beringungstermin zu vereinbaren und bei dieser Gelegenheit die Kadaver aus dem Nest zu entfernen. Schade, dass ich Ihnen zum Schluss keine besseren Nachrichten übermitteln konnte.

In Feuchtwangen übernachtet das Paar abermals auf dem Kamin des alten Rathauses im neu gebauten Nest.

28. Mai 03

Lassen Sie mich noch einmal ganz kurz – in Dinkelsbühl gab es heute nach einigen Tagen der Hektik und Aufregung wenig Dramatisches – auf die Vorkommnisse in Mosbach eingehen. Der Tankwagenunfall auf der A7 zwischen Dinkelsbühl und Feuchtwangen hat nichts mit dem Tod der beiden Jungen im Nest zu tun. Die genannte Autobahn verläuft allerdings gerade mal 500 Meter vom Storchennest entfernt durch das Wörnitztal, doch lag die Unfallstelle einige Kilometer davon entfernt. Das Storchenpaar und seine Jungen (die Einwohner von Mosbach und seiner Nachbarorte natürlich ebenfalls) hören Tag und Nacht das unablässige Rauschen der Autobahn, die dort nach einer Gefällstrecke und vor einem Anstieg auf Kilometer über freies Gelände verläuft. Ein einzelner Laster oder ein hoch drehendes Motorrad können manchmal über Minuten verfolgt werden.

Ich denke, Sie verstehen mich, wenn ein Eingreifen am Nest vor den Todesfällen nicht erfolgt ist. Wann hätte dieser Eingriff geschehen sollen? Gleich nach dem Schlüpfen, nach einer Woche? Wenn eines der Küken einen schwachen Eindruck macht? Wann ist ein Eindruck schwach? Sollte generell ab drei Jungen eingegriffen werden? Wie? Durch wen? Wie lange? Außerdem ist jeder Eingriff am Nest ein Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz und damit strafbar und strengstens verboten. Leider wird gerade beim Storch in vielfältiger Weise und entgegen dem ausdrücklichen Verbot der Höheren Naturschutzbehörden gegen bestehendes Recht verstoßen und das alles immer unter dem Deckmäntelchen, dem Storch Gutes zu tun. Ich belasse es bei diesen Bemerkungen, weiß ich mich von vielen meiner Leser in dieser kontrovers diskutierten Frage verstanden.

Kommen wir doch nun zu hoch Erfreulichem. Mit dem beginnenden Abend erreichte unser jüngstes Küken (ich nenne es vorübergehend und nicht sehr einfallsreich erneut einmal Benjamin) im Nest auf dem Altrathausdach das stolze Alter von 24 Stunden, Nummer 3 ein solches von 2 Tagen und die beiden Alterspräsidenten immerhin von bereits 3 ½  Tagen.

Herkommen! Es gibt
eine neue Futterration!
Ich bin jetzt genau 24 Stunden alt
und bin euer Nesthäkchen!

Es verläuft alles wie am Schnürchen. Wie anders sollte es auch laufen?

Zum Genießen! Pauline
mit dem Jungenquartett!
Quartett? Versuchen sie einmal,
die Jungen zu zählen!

Alle Eier waren befruchtet, aus allen Eiern konnten sich die Jungen befreien, keines blieb unausgebrütet liegen. Der Schlupfvorgang verlief einfach super schnell und den ersten Lebenstag hat auch unser kleinstes Küken schon überlebt. Pauline und Georg wissen die Signale ihres Nachwuchses zu entschlüsseln und lassen angeborene Verhaltensstrategien unbewusst ablaufen. Bei Sonnenschein stehen beide Elternteile immer mit dem Rücken zur Sonne und spenden dadurch, einem Sonnenschirm gleich, Schatten für die vielleicht Kühlung fordernden Jungen. Anfangs noch sehr häufig bedarf der Nachwuchs vor allem der Wärme. Deshalb lassen sich Georg und Pauline immer wieder auf ihren Jungen nieder. Dieses Hudern dauert je nach Außentemperatur längere oder kürzere Zeit. Hier reagieren die erwachsenen Störche wie ein Thermostat . Hat es 30 Grad Lufttemperatur genügen nur kurze Huderphasen, liegen die Temperaturen bei 10 Grad, wird eben durchgehend gehudert und nur, wenn es unbedingt nötig ist, ein Pause eingelegt.

Und wenn es mir zu heiß wird, wühle ich mich ganz einfach unter den Flügeln durch! Ich habe nämlich schon wieder Hunger!

Wie sollten es wohlmeinende Tierschützer besser wissen, als ein Vogel, der diese Strategien über Millionen von Jahren entwickelt und sie über Millionen von Jahren auch unverändert beibehalten hat. Wäre der Storch nicht längst zum Höhlenbrüter mutiert, wenn sein der Witterung ausgesetztes Nest mit teils heftigsten Regenfällen durch all die Jahrmillionen nicht der optimalste Raum für die Jungen wäre? Ich weiß! Früher gab es ja keine Plastikteile! Leider müssen diese Teile immer wieder für sämtliche Todesfälle unter jungen Störchen herhalten und manch unglaublicher Eingriff wird auch immer wieder damit gerechtfertigt. Nun haben wir ja schon genug Plastikmüll im Nest liegen und wieder verschwinden sehen. Es dauert lediglich einen Tag, bis alle Teile an den Nestrand gezogen und dort mit eingebaut werden. Kommen neue Teile dazu, geschieht mit diesen das gleiche. Wollte man den Faktor Plastikmüll für die gesamte Zeit der Anwesenheit unserer Störche ausschließen, wären tägliche Eingriffe am Nest erforderlich und schon allein in diesem Punkt näherten wir uns einer Verhausschweinung des Storchs. Ich bleibe bei diesem Begriff, den nicht alle akzeptieren wollen und können, doch trifft er die Realität leider in vollem Umfang. Im Mosbacher Fall waren es keine Plastikteile, die zum Tod von bislang drei Jungen führten.

Warum hat dieses doofe Storchenpaar nicht sechs Junge groß gezogen, wenn es schon sechs Eier legt? Man macht sich doch kaum die Mühe mit sechs Eiern und ist dann nicht in der Lage, daraus mehr zu machen. Doch wir haben da ein Patentrezept, sagen manche wohlmeinende Tierschützer. Es gibt für solche Fälle das berühmte Eintagsküken. Massenware und billig zu bekommen! Und wehe ein Storchenpaar erbrütet einmal aus Versehen mehr als zwei Junge, dann steht ihm, McDonald´s sei´s gedankt, „fast food“ ins Haus, nein ins Nest! Chicken ist in, da darf unser geliebter Weißstorch auch daran teilhaben. Und schon beginnt – bitte merken – das Zufüttern. Ist doch plausibel! Zufüttern macht die Runde. Überall, wo Störche nicht mehr leben können und nicht mehr leben wollen, werden sie zum Bleiben veranlasst und gezwungen mehr Junge zu füttern als sie wollen oder der Lebensraum hergibt. Dummerweise gibt es im Umkreis von 5 Kilometern keine „natürliche Nahrung“ mehr, aber das ist ja gar nicht nötig und überhaupt nicht erwünscht. Wenn draußen nichts mehr zu holen ist, serviert man die Nahrung Meister Adebar eben in eingegrabenen Putzeimern und Meister Adebar ist findig. Er braucht nicht lange, um die Nahrungsquelle zu entdecken. Er kennt seine Pappenheimer und geht zu McDonald´s. Nachschub gefällig? Aber bitte sehr! Zufütterung erlaubt ja sogar noch, der allmächtigen Pharmaindustrie die Hand zu reichen. Man wird auch hier an die Verhausschweinung erinnert, wenn man als Storch schon das eine oder andere Vitaminpräparat, Antibiotikum, Wurmmittel und Anti-Lausfliegen-Tonikum verpackt in Huhn mitliefert. Da brat mir doch einer einen Storch! Sollte man sich angesichts solcher Zustände im Weißstorchschutz nicht neu besinnen und den Weg zurück zur Natur gehen? Dabei genügt es, die vorhandene Rechtssituation voll auszuschöpfen. Sie sehen, dass durch die Ereignisse in Mosbach in mir erneut die Diskussion über die Frage von Tier- und Naturschutz hochkocht. Die Naturschutzverbände Deutschlands lehnen ein derartiges Eingreifen an Nestern des Weißstorches allesamt kategorisch ab, es ist außerdem – wie geschrieben – gegen bestehendes Recht gerichtet und bedarf in jedem Fall der Genehmigung der Höheren Naturschutzbehörden. Doch man schert sich einen Dreck um diese Konstellation und handelt ohne großes Aufsehen. Man bleibt unter sich und munkelt im Dunkeln. Um Ihnen aber ein wenig Hilfe für mögliche Diskussionen im einen oder anderen Gästebuch zu liefern, habe ich mich zu obigen Ausführungen schweren Herzens entschlossen.

Pauline und Georg sollten es auf alle Fälle schaffen, wenigstens zwei Junge zum Ausfliegen zu bringen. Alles, was darüber liegt, wäre eine Bestätigung für die bereits durchgeführten oder noch geplanten Verbesserungen im Nahrungsgebiet der Störche und ein zusätzliches Argument für eine großflächige Veränderung in der Bewirtschaftung weiter Wiesenbereiche. Bestätigt sich die Minimalforderung , wissen wir, dass der Lebensraum um die herrliche Stadt Dinkelsbühl dem Storch noch eine Daseinsberechtigung gibt, es sich aber noch lohnt, Möglichkeiten einer Verbesserung zu suchen. In zehn Brutjahren flogen aus unserem Nest 13 Junge aus, ein Schnitt von 1,3 Jungen pro Jahr. Vergessen Sie diese Zahlen bitte nicht, wenn sie mit vier ausfliegenden Jungen rechnen. Möglichkeiten, den Lebensraum zu verbessern,  werde ich Ihnen im weiteren Verlauf der Geschehnisse immer wieder aufzeigen und dabei auch um Ihre Mithilfe bitten. Es ist billiger zuzufüttern als weiträumige Lebensraumverbesserungen durchzuführen. Lassen Sie uns den letzteren Weg gehen und unser Bestreben nicht allein dem Storch zukommen zu lassen, sondern der gesamten Tier- und Pflanzenwelt. Das unterscheidet den Individualschutz (Störche auf Teufel komm raus!) vom Naturschutz, der als Ansatz eine umfassende Strategie beinhaltet, aber weniger spektakulär verläuft. Eine kleine Wiese zu optimieren, bringt weniger Aufmerksamkeit in der Presse als das Ausfliegen von sechs Jungen aus einem Storchennest unter den genannten Anzeichen einer Verhausschweinung. 

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Thomas Ziegler

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