Storchenkamera
 
Storchentagebuch 2006
...was bisher geschah

Unterstützt durch

Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!
1905-2005 Rotary internat. 100 Jahre

Teil 3

22. Mrz. 06

Die Selbstreinigungskräfte der Kameratechnik haben es tatsächlich geschafft, die gestrige, ganztägige Dämmerungsphase am Storchennest zu vertreiben. Am Morgen zeigten sich Bild und Georg in klarer Beschaffenheit vor uns. Es geht also doch, wenn man nur ein bisschen gut zuredet und zwischendurch auch mal etwas Hand anlegt.

Heute konnte ich mich schon mehr in die neu gewonnene Bildgröße verlieben, zeigt sie unseren Schorsch in seiner wahren Schönheit und mit noch mehr Details. Und wie unser Dauergast am Nest heute loslegte, verdient alle Achtung. Ich meine, was seine Leistungen bezüglich Nestbau und Innenausbau desselben anlangte. Da hält er fast einen ganzen Monat dem Nest die Treue und plötzlich, wie aus dem Nichts, setzt eine regelrechte Bauwut ein.


Mit solchen Ästen gelingt
der Nestbau schnell!

Schorsch beim
Versäubern!

 
Baubetrieb auf Hochtouren!

Dieses Verhalten ist natürlich erklärbar und es liegt im nicht in der Entscheidungsgewalt des Nestinhabers, wenn sich dies in der nun zu beobachtenden Weise vollzieht. Die im Schorsch eingebaute Jahresperiodik lässt in ihm eben erst seit ganz wenigen Tagen Hormone frei werden, die die Nestbautätigkeit einleiten und steuern. So kann er gar nicht anders, selbst wenn er im Augenblick keinen Bock auf diese Aufgaben hätte. Er muss! Koste es, was es wolle! Einige Bauleistungen können durch gelungene Schnappschüsse auch im Bild dargestellt werden. So kamen neben einigen stattlichen Ästen auch weichere Nestmaterialien zum Einsatz. Am häufigsten konnte man alle Formen von „Gammelgras“ beobachten, das noch die letzte Mahd im vergangenen Jahr überstanden hatte, irgendwo liegen blieb und nun von Schorsch einer sinnvollen Verwendung zugeführt wird.

Bei Familie Dohle verhält es sich ganz ähnlich. Ebenfalls erst seit ganz wenigen Tagen kann man sie bei Nestraubaktionen beobachten und gelegentlich wird da schon einiges abtransportiert. Wie opportunistisch sich dabei das Dohlenvolk verhält, beweist die Tatsache, dass sie Ihr Nistmaterial auf dem kürzesten Wege ergattern und gerade mal vom Dach der Georgskirche kaum 50 Meter zu fliegen haben.


Auf Diebestour!

In den Wochen vorher wählten die Rabenvögel das Storchennest als Aussichtsplattform, es wurden aber keine Diebstähle beobachtet. Nun nutzt dieselbe Schar der schwarzen Rabenvögel jede Gelegenheit, in der das Nest unbeobachtet oder unbesetzt ist, um ihre Gaunereien anzusetzen. In anderen Jahren konnten diese Aktionen doch schon ein bis zwei Wochen früher festgestellt werden, jedoch gab es heuer durch die extrem winterliche Wetterlage in dieser Hinsicht eine gewisse Verzögerung.

Es bleibt zu hoffen, dass der beginnende Nestausbau durch Schorsch bald Wirkung zeigt und sich eine anzubetende Partnerin für die anstehende Brutzeit finden wird. Wer so intensiv baut und Nistmaterial einträgt, sollte also schon ein männliches Wesen sein und damit wage ich mal die Behauptung, dass wir es in unserem Schorsch tatsächlich mit einem Männchen zu tun haben. Ausnahmen bestätigen dabei allerdings die Regel, denn bei Störchen ist (fast) nichts unmöglich und somit gibt es auch Weibchen, die als geschickte und ausdauernde Handwerker fungieren.


Schorsch macht sich
für seine Braut hübsch!

Wenn sie nicht kommt, fliege
ich ihr ein Stück entgegen!

Während des Tages gab es unter den Betrachtern der Bilder aus dem Storchennest sowie unter den Gästebuchschreibern einige Irritationen um die jeweilige Identität des Neststorches. Man glaubte, eine Verfärbung an einem Stelzbein erkannt zu haben, die an unserem Schorsch bisher nicht zu sehen war. In dieser Beziehung kann ich meine Leser beruhigen: Bei seinen Spaziergängen auf der Suche nach Nistmaterial und Nahrung durchschreitet Schorsch Geländeformationen, in denen der Untergrund von trocken bis knietief unter Wasser stehend alle Variationen, die man sich ausdenken kann, bietet. Watet er im Augenblick durch einen ausgelassenen Weiher, ist es nicht ausgeschlossen, dass er fast bis zum Intertarsalgelenk einsinken kann. Aber auch die normalen Wiesenbereiche sind derzeit mit Wasser ganz gut getränkt. Da holt sich Georg schon mal nasse Füße oder – wie vielleicht im beobachteten Fall -  er handelt sich ein „Dreckhaxe“ ein, die anschließend durch Nässe wieder sauber wird, aber eben nicht so ganz. Deshalb glaube ich nicht, dass in den letzten Tagen und Wochen noch ein anderer Storch als Georg am Nest anzutreffen war. Einzige Ausnahme bleiben die wenigen Momente, in denen zwei Störche am Nest zu sehen waren. Doch auch hier war einer von beiden unser Schorsch.

Wann wird der Moment eintreffen, in denen dauerhaft zwei Störche das Nest bewohnen werden? Gestern habe ich diese Frage schon zu erklären versucht und darf Sie einfach auf die nächsten sechs Wochen vertrösten. Bis dahin wird es sicher klappen!

Der heutige Mittwoch brachte in Sachen Wetter einen abermaligen Rückschritt in Richtung Winter. Die Tagestemperaturen bewegten sich lediglich zwischen minus zwei und plus zwei Grad. Dabei kam es immer wieder zu leichten Schneeregen- oder Schneefällen, die Schorsch aber locker wegsteckte und ihn an seinen Frühlingsgefühlen nicht hinderten.


Von wegen Frühling!

 
23. Mrz. 06

Schreck zur frühen Morgenstunde! Unsere Website war für Stunden nicht zu erreichen. Da kamen bei einigen (auch bei Ihrem Tagebuhschreiber) echte Entzugserscheinungen auf! Für diese neue Erfahrung zeichnete nicht unsere Technik verantwortlich, sondern irgendein Server unseres Anbieters hatte einfach schlapp gemacht. Doch in den frühen Vormittagsstunden lief dann alles wieder wie am Schnürchen.


Hereinspaziert! Da bin ich wieder!

Zum Glück hatte sich während der Fehlzeit nichts Sensationelles ereignet und Schorsch war danach immer noch Single und blieb dies auch bis zum Ende des Berichtszeitraumes. Die Bauarbeiten nahmen allerdings während des Tages an Intensität zu und unser aller Georg schleppte in kurzer Zeit weitere wesentliche Teile an Nestrenovierungsbedarf herbei. Was er dabei so alles in den Schnabel nahm, kann nur mit größter Hochachtung registriert werden.

   
Der fleißige Baumeister!

War Schorsch mal nicht zu Hause, nutzten die Dohlen sofort die günstige Gelegenheit für neue Diebereien.

 
Schnell!
Wir haben nicht viel Zeit!

Bei so viel Nestsubstanz wie im Augenblick besteht keine Gefahr für einen Totalverlust des Nestes. Sie halten eine solche Gefahr für nicht gegeben? Dann lesen Sie einmal im Tagebuchjahrgang 2002 die Teile durch, die die Monate bis zum Mai betreffen. Dort werden Sie Zeuge, wie unsere Freunde, die Dohlen, ein ausgewachsenes Storchennest in seine Einzelteile zerlegen können.

Schorsch macht in diesem Jahr derweil weiter auf die Single-Masche! Darf er ja auch! Es ist erst der 23. März und in früheren Jahren gab es um diese Zeit so gut wie nirgendwo schon Störche. Wir sind nur sehr verwöhnt durch die in letzter Zeit immer frühere Rückkehr der Störche aus dem Winterquartier. Deutschlands prominenteste Störchin, das Prinzesschen, bewegt sich im Moment noch gute 4000 Kilometer von der Heimat entfernt und wird deshalb frühestens in drei bis vier Wochen in ihrem Brutgebiets zurückerwartet.

In Wittelshofen an der Wörnitz hat sich in dieser Woche ebenfalls der erste Storch eingestellt. Ebenso freut man sich in Herrieden bereits über ein Storchenpaar. Sie sehen also, dass es keinen Grund gibt, sich über das Ausbleiben eines Partners für unseren Schorsch Sorgen zu machen.

Obwohl es während des Tages oft den Anschein hatte, dass über dem Nest Störche ihre Runden drehten, kam es für uns zu keiner Begegnung der anderen Art. Schorsch legte sich immer wieder mächtig ins Zeug und drohte, klapperte und imponierte auf Teufel komm raus! Aber alles Werben half nicht! Es fiel kein zweiter Storch vom Himmel.

 
Mal sehen, ob mein Drohen hilft?

Kurz nach 19 Uhr schwebte unser Dauergast zur Übernachtung ein.


Zur Übernachtung eingeflogen!

Der Frühling legte erneut eine ganztägige Pause ein. Ausgesprochen winterlich gab sich dieser Märztag und es herrschte Dauerfrost zwischen minus sechs und minus ein Grad. Da durfte Schorsch sich bezüglich einer Partnerin nicht allzu viel erwarten!

 
24. Mrz. 06

In der Nacht gab es nur noch leichten Frost. Der Tag brachte dann bereits Temperaturen, die an der 10-Grad-Marke kratzten. Die Nacht zum 25. März blieb endlich nach langer Zeit wieder einmal frostfrei. Der Bann des Spätwinters scheint damit vorerst gebrochen und wir dürfen uns nun wirklich auf laue Frühlingslüftchen freuen.

Georgs Bauwut blieb ungebrochen und diente vermehrt dem Innenausbau des Nestes. Da kamen abermals einige fette „Beutestücke“ zum Vorschein.

 
Der große Baumeister!

Ob die zwischenzeitlichen Aufregungen rein hormonell bedingt waren oder wirklich auf Überflieger im Luftraum um das Nest hindeuteten, stelle ich hier zur Diskussion.

 
Mein Nest ist bezugsfertig! Man darf landen!

In den vergangenen Tagen stellten die aufmerksamen Seher an Georg eine abstehende Feder am Übergang Schulter/Rücken fest. Von einer Verletzung möchte ich in diesem Falle nicht sprechen. Vielleicht lockerte sich gerade diese Feder bei der Gefiederpflege und Georg vermochte sie nicht mehr in die richtige Position zu bringen. Möglich wäre auch die Vermutung, dass er sie im weiteren Verlauf verlor, denn Störche mausern Teile ihres Groß- und Kleingefieders während der Anwesenheit am Brutplatz.


Häuptling „Abstehende Feder“

Wir kennen aus vergangen Jahren die Bilder von einem regelrecht „verschneiten“ Nest im Frühjahr. An diesem Schnee waren bislang Federn aus dem Kleingefieder, aber auch immer wieder größere Federn aus dem fraglichen Gefiederbereich beteiligt. Auch obiger Schnappschuss von heute belegt diesen Vorgang auf besonders eindrückliche Weise. Obwohl es nicht bildlich dokumentiert ist, wird Schorsch sich kurz darauf auch von dieser Feder getrennt haben.

Ansonsten verlief dieser Tag auf ähnliche Weise wie seine Vorgänger. Nach dem Nestbau gab es diverse Drohungen in den Luftraum über der Stadt, es folgten Abflüge, die die Dohlen zum Raub von Nistmaterial nutzten und es gab schließlich die abendliche Rückkehr zur gewohnten Zeit gegen 18:50 Uhr. Später hüllte sich die Nacht über das Nest und Georg verschwand in der Dunkelheit.


Jetzt hol ich neues Nistmaterial

Der abendliche Rückkehrer


Gute Nacht, Schorsch!

 
25. Mrz. 06

Es wächst und wächst! Ich meine Georgs Behausung hat sich in wenigen Tagen – ohne dass der Wohnungsinhaber nun vor lauter Bauwut ausgerastet wäre – zu einer einladenden Wohnstätte entwickelt, die auf jeden weiteren Interessenten bestimmt eine große Anziehungskraft ausüben wird. 

Vom Wetter gibt es weiterhin nur Gutes zu berichten. Mit Ausnahme des fallenden Regens entwickelte sich der Tag angenehm kuschelig bei Höchsttemperaturen von 13 Grad. Solche Werte wurden seit fast fünf Monaten nicht mehr erreicht. Dabei ist es müßig zu erwähnen, dass auch die Nacht mit deutlichen Plusgraden aufwartete.

Bei der abendlichen Rückkehr – diesmal schon um 18:10 Uhr – ließ es Schorsch ruhig angehen und blieb. Inzwischen hatte es auch wieder leicht zu regnen begonnen und somit gab es wirklich keinen Grund, sich auch noch nasse Füße zu holen.

 
Breit aus die Flügel beide!

   
Ich tue, was ich kann!..


Anflug ohne...

...und mit Nistmaterial!


Nun mache ich es mir für den Abend gemütlich!

 
26. Mrz. 06

Highlight des Tages war ohne Zweifel der „Besuch der alten Dame“. Ob es eine Dame war oder ob sie alt war, bleibt natürlich reine Spekulation. Fest steht aber, dass wir mal wieder für einige Minuten einen zweiten Storch im Nest begrüßen konnten. Und dieser Besuch bahnte sich schon längere Zeit im Voraus an. Georg verhielt sich gegenüber den vergangenen Tagen noch unruhiger als sonst, er klapperte andauernder und intensiver und stellte seine weißen Federpartien besonders eindrucksvoll zur Schau.


Unruhe...

...größte Unruhe


Schorsch zieht alle Register!

Gerade diese zuletzt genannte Maßnahme ließ den Verdacht sehr groß werden, dass ein fremder Storch nahe am Nest zu Gange ist. Oberschwanzdecken und Rückenfedern erblühten wie eine weiße Rose und mussten aus der Luft einen sehr eindringlichen Farbtupfer abgegeben haben. Dabei knickte Schorsch im Fersengelenk ein, spreizte die Flügel seitlich ab und machte sich damit noch attraktiver, größer und vielleicht sogar begehrenswerter.

Es war der dritte kurzfristige Besuch eines Zweitstorchs in dieser Storchensaison. Am 8. März glaubten wir uns schon am Ziel unserer Wünsche, als ein unten links beringter Storch sich Schorsch anschloss, mit ihm sogar eine ganze Nacht verbrachte, am anderen Morgen jedoch abflog und nicht wieder zurückkam. Am 13. März war vermutlich derselbe Storch ein weiteres Mal für wenige Minuten am Nest und auch dieses Mal verschwand er auf Nimmer-Wiedersehen.

Und heute durften wir Nummer 3 begrüßen. Um 12:15 Uhr nach der Kamerauhr, das war genau 13:18 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit, versuchte ein zweiter Storch im Nest Fuß zu fassen.


Hoppla! Versuchte Landung!

Vorher liefen die bereits oben beschriebenen Verhaltensweisen ab. Der erste Nestkontakt war nur sehr kurz. Man erkannte aber sofort, dass der Neuankömmling unberingt war und auffallend lange Beine hatte, die in der Intensität der Färbung mit den Haxen von Schorschi nicht mithalten konnten. Sofort dachte ich an seine Partnerin Pauline aus dem vergangenen Jahr. Als sie kurz darauf abermals zur Landung ansetzte und dann neben Georg stand, fiel außerdem ihre überragende Größe auf. Sollte es Pauline sein? Alle Erkennungsmerkmale stimmten mit denen des gelandeten Storchs überein.


Liebe oder
etwas anderes?

Man kann es ja mal probieren!
Der oder die Neue steht rechts!


Man scheint sich zu verstehen!
Nun steht der oder die Neue links!

Man fiel sich nicht überschwänglich um den Hals, aber aggressiv zeigte man sich ebenfalls nicht. Wenige Minuten später erfolgte der gemeinsame Abflug, jedoch kam Schorsch danach allein zum Nest und an diesem Zustand änderte sich für den Rest des Tages auch nichts mehr. Georg kam am Abend als Single zurück, ein sicheres Indiz, dass man sich – kaum kennen gelernt – schon wieder getrennt hatte.


Rückkehrer wieder allein!

Da kann man nichts machen. Schorsch wird wissen, an wem es diesmal lag. Hatte er Schluss gemacht oder gab sie ihm den Laufpass?

Dabei bemühte sich der arg Verschmähte auch am heutigen Sonntag – von wegen Feiertagsruhe! – um eine sachgerechte Instandsetzung seiner Brutstätte und wusste in dieser Frage voll zu überzeugen.


Ein ständiges Kommen und Gehen!
 

 
27. Mrz. 06

Seit heute wissen wir mit fast 100%-iger Sicherheit, dass unser Schorsch wirklich ein Georg ist und keine Georgine. Doch lassen Sie mich der Reihe nach erzählen!

Ein strahlender Tag erwartete unseren Nestbesetzer! Die Nacht war mit immerhin plus sieben Grad Minimumtemperatur erfreulich mild und stolze 20 Grad am frühen Nachmittag ließen in Georg und allen anderen Betroffenen echte Frühlingsgefühle aufkommen. Erst mit einbrechender Dunkelheit zog ein Gewitter übers Land und brachte neben einer Abkühlung auch 3 Liter Niederschlag auf den Quadratmeter.

Im schönsten Morgenlicht wusste Schorsch noch nicht, was ihn erwartete. Er ging seinen gewohnten Pflichten nach, trieb Gefiederpflege und fuhr fort, sein Nest auf Vordermann zu bringen.


Prachtvolle Sonne!
Kommt heute meine Angebetete?

Nesträuber, seid vorsichtig!
Georg ist im Anflug!

Doch je mehr sich die Luft erwärmte und die thermischen Verhältnisse immer besser wurden, steigerte sich auch die Unruhe in Schorsch. Dies lag mit Sicherheit an Flugobjekten über dem Nest. Je dichter sich diese dem Nest näherten umso eindringlicher ließ Schorsch sein angeborenes Verhaltensrepertoire ablaufen, das alle Schattierungen zwischen Werben und Drohen durchlief. Es bestand aber kein Zweifel, dass etwas Entscheidendes in der Luft lag!

 
Schorsch zieht alle Register!
 

Die Kamerauhr zeigte 11:53 Uhr, als sich unserem Solisten Partner Nr.4 zugesellte. Zum vierten Mal konnten wir also ein Paar im Nest erleben.


Die Neue ist gelandet!
Deutlich ist links oben der ELSA-Ring zu erkennen.

Die Neue war sofort geduldet und bewies durch ihren schwarzen ELSA-Ring links oberhalb des Intertarsalgelenkes, dass sie mit dem gestrigen Kurzbesucher nicht identisch war. Schorsch startete schon wenige Sekunden nach der Landung – quasi als erste Amtshandlung - einen Kopulationsversuch, der von ihr noch abgewiesen wurde. Auf jeden Fall bestätigte dieser erste Versuch, dass Schorsch tatsächlich ein Mann ist. Noch etwas fiel bei der Neuen auf. Sie unterschied sich erneut durch ihre ungewöhnliche Langbeinigkeit, durch die blassere Färbung der Beine sowie durch die deutlich ihren Partner überragende Körpergröße von Georg. Mit dem gestrigen Besuch eines anderen, unberingten Weibchens, das ähnliche Merkmale aufwies, wird immer deutlicher, dass unser Schorsch ein ausgesprochen kleinwüchsiges Männchen darstellt. Danach schien sofort große Eintracht zwischen beiden Liebhabern zu herrschen.


Synchronarbeit!

Man bewegte sich synchron, stocherte synchron am Nest herum und täuschte schon mal echte Liebe vor. Doch unvermittelt attackierte Schorsch seine neue Liebe reichlich ungalant und scheuchte sie von seiner Brutstätte.


Abgedrängt!

Doch die Verschmähte ließ nicht locker, näherte sich abermals bedrohlich dem Nest und sprang nach einer kurzen Zwischenlandung auf dem Dachfirst des alten Rathauses ein zweites Mal in Georgs Bett.


Zwischenlandung

Vergewaltigung! Georg ist ein „Er“!

Der ließ sich erneut nicht lumpen, bestieg seine Partnerin und beide kamen schnell ihren ehelichen Pflichten nach. Im Stillen dachte ich mir: Das könnte es gewesen sein! Nun hat das Warten ein Ende gefunden! Georg hat zwar eine Neue, deren Ring sie für den Rest der Brutzeit deutlich kenntlich machen wird und außerdem gleicht sie ihrer Vorgängerin Pauline über alle Maßen. Wenigstens seinem Typ wäre damit unser Schwerenöter treu geblieben!


Der Größenunterschied ist doch verblüffend!

Nach fast 45 Minuten – nur von kurzen Rundflügen um das Nest unterbrochen – flog zunächst „Sie“ Richtung Brühl ab, Schorsch folgte kurz darauf in die gleiche Richtung.


Ende der Stippvisite!

Wollte Georg seiner Partnerin nun sein Revier zeigen und sie erst richtig auf den Geschmack bringen? Als man wieder „Storch im Nest“ melden konnte, sah man „nur“ unseren Schorsch, vom neuen Glück keine Spur mehr. Dies blieb so, bis auch beim abendlichen Anflug Schorsch allein Stellung bezog und die neue Nacht heraufzog.


Schorsch hat kein Glück! Wieder einsam“

Ein Anruf unseres Ortsvorsitzenden im Bund Naturschutz, Thomas Joas, brachte am Abend möglicherweise einen, zugegeben unzureichenden, Hinweis auf den Verbleib der Kurzbesucherin unseres Nestes. In Wilburgstetten, etwa 8 Kilometer südöstlich von Dinkelsbühl gelegen, hält sich seit heute Nachmittag ein zweiter Storch am Nest auf! Sollte „Sie“ diesen Platz unserem Schorsch und dem Altrathausnest vorgezogen haben? Schwer zu glauben, aber durchaus möglich. Ich werde diese Möglichkeit bei meiner nächsten Ausfahrt zu Storch & Co. überprüfen. Bis dahin müssen wir uns mit der Tatsache zufrieden geben, dass Georg weiter auf Brautschau gehen muss und wir weiterhin auf eine feste Bindung am Nest warten müssen.

 
28. Mrz. 06

Ein Tag ohne Braut um die Mittagszeit! Dafür stand Schorsch dennoch so ziemlich unter Stress, hatte er sich doch heute vorgenommen, sein Nest weiter großzügig auszubauen. Er leistete dafür Vorbildliches. Sein Hauptsammelgebiet lag dort, wo reichlich Altschilf vorhanden ist.


Schwertransport!

Noch mehr Schilf!

Er brachte davon eine ganze Menge, darunter auch Halme von mehr als Mannshöhe in seine Behausung. Da kamen schon mal Halme mit einer Länge von zwei Metern zum Vorschein, die Georg dennoch geschickt und ohne Bruch ins heimische Nest transportierte. Sehr weit flog Schorsch für seine ungezählten Transporte allerdings nicht, denn nach wenigen Minuten war er stets wieder zur Stelle. Das war immer eine gute und weise Entscheidung, denn kaum hatte Georg sein Nest verlassen, stürzten sich bereits die Dohlen auf das unbewachte Nistmaterial.


Diebstahl!

Da war unser Hausstorch gut beraten, die Ausflüge nicht allzu weit auszudehnen. Unser ausdauernder Storchenmann blieb ansonsten die meiste Zeit des Tages zu Hause. Er wirkte nach wie vor äußerst wachsam, unruhig und beobachtete unablässig seine Umgebung. Zwischendurch drohte, klapperte und imponierte er in der bekannten Weise und zeigte dabei häufig einen „dicken Hals“.  


Selbst klappern
hilft nichts!

Da erkunde ich mal
lieber die Umgebung!

Ob dieser sprichwörtlich dicke Hals mit seinem Frust zu tun hatte, dass all sein Werben noch zu nichts geführt hatte?

Der Rest ist schnell erzählt. Es kam zu keiner Begegnung mit einer Partnerin mehr. Am Abend erschien Schorsch allein zur Übernachtung.


Heute Nacht träume ich von Pauline!

 
29. Mrz. 06

Nach dem gestrigen Frühlingserwachen wurden wir heute schon wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgerufen. Die Höchsttemperatur wurde schlicht und einfach auf knapp 10 Grad halbiert und genauso ging es mit dem Sonnenschein. Auch in dieser Hinsicht wurden wir auf Schonkost gesetzt und bekamen dazwischen den einen oder anderen Regenschauer ab.


Aprilwetter im März!

Schorsch baute derweil den ganzen Tag munter weiter und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen.

   
Schorsch, der Baumeister!

Die Drohgebärden hielten sich gegenüber den vergangenen Tagen im üblichen Rahmen und können unter der Rubrik „nicht besonders heftig“ abgebucht werden. Offenbar gab es im Luftraum über der Stadt keine allzu große Bedrohung für Georg und sein Nest.

Die mit einem schwarzen ELSA-Ring gekennzeichnete Besucherin vom 27. März, mit der Schorsch sogar eine mehr oder weniger geglückte Kopulation versucht hatte, ist von mir gefunden worden. Wie ich bereits vor drei Tagen vermutet hatte, gehört sie zu einem unberingten Männchen des Paares in Wilburgstetten (8 Kilometer südöstlich von Dinkelsbühle, ebenfalls an der Wörnitz gelegen). Dort konnte ich eine links über dem Intertarsalgelenk mit einem schwarzen ELSA-Ring markierte Storchendame beobachten, eine Kopulation mit dem dortigen Männchen konstatieren und den Ring ablesen. Die Nummer wurde von mir bisher noch nirgendwo festgestellt. Nach der Nummer wurde das Weibchen mit großer Sicherheit 2003 im Badischen geboren. Die Daten werde ich Ihnen nach Erhalt mitteilen.

Da hat sich also diese Störchin bei Schorsch mal schnell etwas Samen abgeholt und war anschließend zu ihrem eigentlichen Partner auf den Kirchturm von Wilburgstetten zurückgeflogen. Ganz schön dreist! Ob es wohl zu einer Beichte wegen des vollzogenen Ehebruchs kam? Oder stellte die Besucherin am Dinkelsbühler Storchennest ihrem Ehegespons die Geschichte als reine Vergewaltigung dar? Da sage noch einmal einer etwas von ehelicher Treue bei den Störchen! Bei Storchens wird genau so gepimpert (entschuldigen Sie bitte die etwas umgangssprachliche Darstellung) wie gelegentlich bei „Homo sapiens“. Einzig Leidtragender bleibt unser Schorsch, der erneut in die Röhre gucken und auf eine weitere Interessentin am Nest warten muss.

Eine kleine Eskapade durfte sich unser gehörnter Noch-Nicht-Ehemann im Nicht-Wissen um die Treulosigkeit mancher Störche heute schon gönnen. Schorsch machte einen Kurzausflug auf den First des Nestgebäudes direkt hinter seiner Storchenwohnung. Im Vergleich zum vorher Erzählten stellt diese „Entgleisung“ eine vergleichsweise harmlose Episode dar.

Als er zu diesem Zwecke sein Nest verließ, tat er dies in der vollen Absicht, auf dem Dachfirst zu landen. Die Schnappschüsse liefern dafür eindeutige Belege. Weshalb hatte also Schorsch vor, den waghalsigen Abflug zu riskieren und nach Überwindung einer Strecke von einem Höhen- und fünf Weitenmetern sofort wieder zu landen? Es sah fast so aus, als wolle er mit uns Webcam-Enthusiasten ein wenig Verstecken spielen. Er präsentierte sich bei seinem Gang auf dem First in allen möglichen Posen und Sichtweisen, dass man versucht war, in Georg einen Schelm zu vermuten. Anfangs war er über die Webcam im Brustbild zu sehen. Danach näherte er sich einige Schritte Richtung Nest, so dass man lediglich Kopf und Schnabel erkennen konnte. Mal streckte er nur einen Flügel in die Luft; Mal war er gänzlich abgetaucht. Bevor er ebenso selbstverständlich wie beim Abflug wieder ins Nest zurücksprang, unterzog er die Außenbereiche seiner Wohnung einer gründlichen Inspektion. War dies vielleicht der eigentliche Grund seines Tuns? Schorsch, der Sicherheitsfanatiker? Hatte sich vielleicht im Laufe des Tages durch ein Knacksen eine gewisse Instabilität des Wohngebäudes angekündigt? Wollte er sich durch persönlichen Augenschein von der Ungefährlichkeit der Lage überzeugen? Die schnelle Rückkehr ins Nest lässt allerdings vermuten, dass es keine Bedenken der Statik gab und der Nestbau ungebremst fortgeführt werden kann.

 
Bilder eines Ausflugs!
 

Alle anderen Vorgänge am und um das Nest verliefen dagegen vollkommen routinemäßig und bedürfen keiner weiteren besonderen Erwähnung. Georg fungiert nach wie vor solistisch und strapaziert damit unsere Geduld auch weiterhin.

So dürfen wir hoffen und uns umso mehr freuen, wenn das Warten endlich belohnt wird und ein Paar sich etabliert hat.

Schon jetzt sei ein kleiner Hinweis gestattet! Die Tagebuchaktualisierungen in der Zeit vom 1. bis 14. April werden Sie nicht in der gewohnten Weise erleben, sondern so um die Mitte April in einem großen Block nachgeliefert bekommen. Seien Sie nicht traurig! Sie werden so und so kein Detail verpassen. Darüber hinaus werde ich mich – fast täglich – über das Gästebuch an Sie wenden und wichtige Ereignisse am Nest aktuell kommentieren und Revue passieren lassen. Also ab dem Wochenende für 14 Tage keine täglichen Einträge ins Tagebuch! Nutzen Sie deshalb verstärkt die Gelegenheit, in alten Tagebuchjahrgängen zu blättern und Ihr Wissen um Schorsch & Co. noch weiter zu vertiefen.

Noch ein interessanter Hinweis für Natur- und Umweltinteressierte aus der Region:
Am 29. April findet der Tag der erneuerbaren Energien statt.
Infos finden Sie hier!

 
30. Mrz. 06

Ein wenig freundlicher Tag! Das ist aber eher noch gelinde ausgedrückt. Also heute war man versucht, keinen Hund vor die Tür zu schicken. Da es sich bei unserem Schorsch aber nachweislich um keinen Hund handelt, galt für ihn diese alte Bauernregel nicht.


Ohne Regenschirm!

Schorsch musste ran! Er tat dies, unabhängig von Wind und Wetter, in bewährter Manier. Er baute und baute, dass man seine helle Freude daran haben konnte.


Der Schilfbaumeister

Der Astverarbeiter

Überflieger des Nestes konnte man heute nicht beobachten. Wer fliegt denn bei solchem Wetter freiwillig eine größere Strecke. Also konnte sich Georg bezüglich weiterer Interessenten um das Nest beruhigt zurücklegen und hatte aus dieser Richtung kaum etwas zu befürchten. So verwunderte es auch nicht, dass sich auch an diesem Tag keine Partnerin für ihn meldete und er eine weitere Nacht in seiner gemütlichen Storchenwohnung verbringen durfte oder musste.


Der Spätheimkehrer!

 
31. Mrz. 06

Turbulenzen! Als Schorsch am Morgen in die aufgehende Sonne blinzelte, hätte er es sich nicht träumen lassen, was heute alles auf ihn zukommen würde!


Guten Morgen, Schorsch!

Und es kam so manches auf ihn zu. Ohne schon allzu viel vorwegnehmen zu wollen, kann gesagt werden, dass er sich für seine Verhältnisse ganz prächtig schlug. The winner is Schorsch!!

Georg ging seinen Aufgaben als Baumeister und stolzer Hausbesitzer nach, als sich eine gewisse Unruhe in ihm aufbaute. Wir kennen ein solches Verhalten bei ihm schon zur Genüge, es baut läuft jedes Mal in vergleichbarer Weise ab und verebbt danach wieder ebenso schnell. Er lässt dieses angeborene Verhaltensmuster immer dann ablaufen, wenn sich im Luftraum über ihm oder in der Nähe des Nestes für ihn störende oder beunruhigende Dinge ereignen. Eine zu nahe am Nest vorbeifliegende Dohle wird dabei genauso angedroht wie ein sich am Himmel zeigender Artgenosse.

Die Wetterlage bot gegenüber gestern eine deutliche Verbesserung und ließ auf regen Flugverkehr hoffen. Die Nacht erbrachte laue 10 Grad und bis in die späten Vormittagsstunden zeigte die Quecksilbersäule bereits 14 Plusgrade. Mit den gestiegenen Temperaturen schien sich auch Georgs Unruhe zu steigern. Da lag etwas in der Luft! Immer tiefer knickte Schorsch bei seinen Drohungen im Fersengelenk ein, er machte sich so groß, wie er nur irgendwie konnte. Er stellte sich regelrecht zur Schau. Dabei sind die Übergänge zwischen Werben und Drohen häufig fließend und können nicht immer klar voneinander getrennt werden. Erscheint zum Beispiel der Partner eines Paares zur Brutablösung, dann gibt der Dienst habende Storch schon vor der Landung durch Klappern und pumpende Flügelbewegungen seine Zuneigung kund. Nähert sich ein Nebenbuhler ist das Flügelpumpen mit einer höheren Amplitude ausgestattet, wirkt also aggressiver und auch das Klappern ist vom Tonfall her schärfer und härter. Als Schorsch begann immer öfter in kurzen Abständen sein Nest zu verlassen, war klar, dass sich ein zweiter Storch in unmittelbarer Nestnähe befinden musste. Das kleine Gesichtsfeld, das die Webcam liefert, erlaubt natürlich keinen guten Überblick über das Geschehen, jedoch lieferten einige Augenzeugen ebenfalls kleine Ergänzungen. Gegen 12:30 Uhr stellte sich die Situation wie folgt dar. Unser Nestbesitzer drohte mit Macht und großer Intensität. Immer kam es zu kurzen Verfolgungsflügen mit einem imaginären Eindringlich. Doch kurze Zeit später nahm dieser neue Besucher, es handelte sich in der laufenden Storchensaison um die Nummer 5, erstmals Konturen an. Er erschien im Blickfeld der Webcam, es kam zu einer kurzen Berührung beider Störche am Nest und der Eindringling landete auf dem Dachfirst des alten Rathauses hinter dem Nest.


Außenlandung!

Verzieh dich, Störenfried!

Dort wurde er zunächst von Schorsch weiter bedroht, aber nicht verfolgt. Man konnte beim ersten Stehen erkennen, dass auch dieser Storch einen ELSA-Ring von schwarzer Farbe trug, aber anders als beim letzten Besucher nicht links über dem Intertarsalgelenk, sondern am rechten Bein. Fazit: Dieser Interessent des Nestes konnte also mit dem Weibchen vom 28. März nicht identisch sein. Auch versuchte Georg unablässig, den neuen Besucher nicht ins Nest zu lassen. Bei seiner links beringten Partnerin von neulich duldete er solches ziemlich spontan. Ich tendiere deshalb zu der Ansicht, dass der heutige Storch ein Männchen sein konnte oder musste. Alles Weitere bestärkte mich in dieser Ansicht. Die nächste halbe Stunde war geprägt von einem ständigen Kommen und Gehen, unterbrochen von einigen Versuchen des Neuen im Nest zu landen. Es gelang ihm jedoch nicht.


Ende der ersten Runde!

Eine halbstündige Pause, in der Georg wohl versucht haben dürfte, seinen Konkurrenten aus dem Luftraum zu vertreiben, verging, ehe das Spektakel gegen 13:30 Uhr in die zweite Runde ging.


Auf in die zweite Runde!

Alles lief erneut so ab wie beim ersten Mal. Eine Attacke folgte der nächsten, doch Schorsch war stets Herr der Lage. Kurz vor 14 Uhr verabschiedete man sich zunächst wieder, um Kraft für eine weitere Kampfrunde zu finden. Um 15:30 Uhr fand man sich erneut am Nest ein und diesmal kam es zu einigen intensiveren Kontakten zwischen Georg und seinem Widersacher. Man trat sich, man versuchte den jeweils anderen abzudrängen, jedoch blieb es bei einem reinen Kräftemessen ohne Einsatz von schweren Waffen, sprich ohne den Gebrauch des Schnabels. Blut floss in dieser Auseinandersetzung nicht!


Die dritte Runde wird
gerade eingeläutet!

Ein unsicherer Landeplatz
auf dem Rücken Georgs!
   

Der langbeinige hat
im Nest kurz Fuß gefasst!

Ein neuer
Angriff!
   

Von oben kommt nichts Gutes

Verhakt!

Während der dritten Runde, die nur von kurzer Dauer war, gelang es dem beringten Storch einmal für Sekunden im Nest zu landen, ein zweiter Versuch endete auf dem Rücken von Schorsch und beim dritten Anlauf trudelten beide ineinander verschlungen über den Nestrand. Bald darauf kehrte Ruhe am Nest ein, Georg blieb längere Zeit verschwunden, der Angreifer gab auf und erschien nicht mehr. Schorsch hatte sein Nest erfolgreich verteidigt und konnte als Sieger gefeiert werden. Der fremde Storchenmann hatte aufgegeben und wird sich nun nach einem anderen Nest umsehen müssen. Es gibt solche Nester nach wie vor im Umkreis der Stadt, so dass für ihn sicher eine weitere Möglichkeit besteht, auf leichtere Weise an ein Nest zu kommen als sich mit unserem Schorsch anzulegen. Für uns ging ein aufregender, ereignisreicher Tag zu Ende, der alles bot, nur keine geeignete Partnerin für den Dinkelsbühler Storchenmann bescherte.

 
1. Apr. 06

Ein denkwürdiger Tag in der Geschichte unseres Nestes! An diesem Tag konnten wir im Jahre 2002 (lesen Sie unbedingt im Tagebuchjahrgang 2002 den Anfang von Teil 4!) eine ornithologische Sensation vermelden, die damals für Aufsehen und Schlagzeilen sorgte. Ein Paar Rosapelikane hatte sich ausgerechnet unser Storchennest als Rastquartier ausgesucht und konnte dort über Stunden von einer ungezählten Zahl an Beobachtern bewundert werden. Schade, dass die beiden Pelikane am nächsten Tag wieder verschwunden waren und es zu keiner Brut kam. Später bezogen dann die eigentlichen Hausherren ihr Nest, brüteten aber leider ebenfalls nicht.

Sie sehen, wie wichtig es ist, auch in einer Zeit aufmerksam die Vorgänge um das Nest zu studieren, in denen nicht gerade viel los ist. Ein solcher Tag lag heute vor uns! Nach den Aufregungen um Schorsch von gestern mit andauernden Kämpfen und Auseinandersetzungen mit einem Eindringling, ließen er und wir es ruhig angehen. Er baute, klapperte und drohte immer wieder einmal, blieb über viele Stunden am Nest und erfreute uns wenigstens so mit seiner Gegenwart. Dass all sein Bemühungen, das Alleinsein zu beenden, abermals nicht von Erfolg gekrönt war, blieb als einziger Wermutstropfen zurück.


Ungebremste Bauwut!

Ich hole schnell mal Nachschub!


Die Räuber von Dinkelsbühl!

 
2. Apr. 06

Als ich am Morgen erwartungsvoll ins Storchennest blickte, glaubte ich an einen verspäteten Aprilscherz, aber nicht ausgeheckt von den Initiatoren der Webcam, sondern wieder einmal von der Kamera und den Übertragungsgeräten ganz allein. Ich meine hier die fehlende Helligkeit des Bildes. Vor knapp 14 Tagen war dieses Problem schon einmal aufgetaucht und nach kräftigem Zuspruch durch Ihren Tagebuchschreiber mehr oder weniger von selbst wieder verschwunden. So tröstete ich mich zunächst damit, dass sich der Zustand im Laufe des Tages von selbst wieder bessern würde. Das trat ein, aber nur in sehr bescheidenem Umfang. Lediglich bei kräftigem Sonnenschein gab es eine akzeptable Übertragung, doch diese Phasen des Wetters blieben die Ausnahmen. Immer wieder zogen Regenschauer durch! Die Nacht zeigte sich mit 4 Grad recht frisch, bei Sonnenschein gab es kurzfristig immerhin milde 16 Grad.  

Am Nest herrschte ansonsten mehr oder weniger eine innige Sonntagsruhe. Ob es erneut eine Ruhe vor dem Sturm werden könnte? Der Wind blies tagsüber recht kräftig und hielt die Hoffnung aufrecht, dass er aus westlichen Richtungen auch den einen oder anderen Storch nach Dinkelsbühl spülen könnte. Die Hoffnung trog jedoch erneut. Schorsch bleibt weiter Single!

Was macht ein Mann, der sich nicht um ein weibliches Wesen zu kümmern hat? Er werkelt vor sich hin! Den ganzen Tag fand Georg Gelegenheit, sein Heim zu verschönern, auszubauen und hier und da zu reparieren. Von Zeit zu Zeit drohte er kurz zum Himmel, er beruhigte sich jedoch meist nach einer Klapperstrophe und einmal Flügelpumpen wieder. Dies ließ darauf schließen, dass keine unmittelbare Gefahr aus der Luft zu erwarten war. 


Trübe
Aussichten!

Schorsch auf Abwegen!
Schwertransport mit Hindernissen!
   

So geht es doch schon viel besser!

oder so!


Die Viererbande der etwas anderen Art!

 
3. Apr. 06

Alles Hoffen war vergebens! Die Selbstheilungskräfte der Übertragungstechnik hatten dieses Mal kein Einsehen mit uns und somit auch nicht mit Ihrem Tagebuchschreiber. Das Morgenbild präsentierte sich nicht, wie erwartet, in hellem Glanz, sondern war immer noch – technisch bedingt - von einem Schleier dunkler Eleganz umhüllt.


Fast kein Durchblick! Schorsch im Halbdunkel!

Damit stand für mich nach der Schule als erste „Amtshandlung“ eine Fahrt nach Dinkelsbühl auf dem Programm. Nur gut, dass Schorsch sich inzwischen noch keine Braut angelacht hatte, sondern nach wie vor ein Single-Dasein fristete und dies auch während des ganzen Tages beibehielt. An seinen bereits bestens eingespielten Abläufen während des Tages änderte sich erneut nicht viel. Alles ging seinen gewohnten Gang: “The same procedure as every day”.

Schorsch baute unentwegt an seinem Nest weiter und begann, eine neue kleinere Auflage auf dem bisherigen Nestdurchmesser zu installieren. Das Ergebnis wird in Kürze ein neuer Nestrand sein, der das „Winternest“ etwas verkleinern wird. Auch die Begrünung des Nestes – eigentlich ist es ja eine „Bebraunung“ bis „Begelbung“ – fand mit Altgras und Stroh ihre Fortsetzung.  


Schorsch im Landeanflug...

...und als Baumeister mit tiefer Verbeugung!

Das Drohverhaltung konnte von Georg weiter reduziert werden, da sich offensichtlich keine weiteren Konkurrenten auf Wohnungssuche zeigten.


Ich übe mal wieder für den Ernstfall!

Von der Wetterfront kann nur Durchschnittliches vermeldet werden. Eben typisch April. Die Höchsttemperatur kratzte gerade mal kurz die 10-Grad-Marke, die Nacht war mit drei Grad reichlich frisch und zwischendurch ging der eine oder andere Regenschauer nieder. Wirklich kein Wetter, um sich zu verlieben. Mit dieser Meinung musste sich, wie schon erwähnt, Schorsch ebenfalls angefreundet haben.


Auf Regen folgt Sonnenschein

Zurück zur Störung der Kamera! Ich machte mich am frühen Nachmittag auf den Weg nach Dinkelbühl. Ich rüttelte an allen möglichen Kabeln und Steckern, um eine Wunderheilung herbeizuführen, jedoch meine Spione am häuslichen PC konnten mir keine Besserung via Handy übermitteln. Für Sekunden gab es zwischendurch wohl ein „normales Bild“, doch beim nächsten Bildwechsel war der alte Zustand wieder erreicht. Alles deutet also auf eine Art Wackelkontakt hin. Zum Schluss griff ich als letzten Ausweg zur Radikalkur. Ich nahm alle Geräte kurz vom Stromnetz und danach lief die Übertragung in alter Qualität. Immerhin weiß ich nun, welche Maßnahme bei einer möglichen Neuauflage zum Ziel führt. S06040304 So gehört sich das!

Schorsch, Nest und die Kulisse der Altstadt waren nun wieder klar erkennbar und so darf es in nächster Zeit auch weitergehen. Nur eine Einschränkung sollte nicht unerwähnt bleiben. Schorsch soll sich gefälligst eine Partnerin anlachen und kein so großer Sturkopf bleiben!

 
4. Apr. 06

In der Nacht war das Thermometer an die Null-Grad-Grenze gerutscht! Reif bedeckte die Wiesen und die Autoscheiben mussten für eine klare Sicht vom Eise befreit werden. Nach dem gestrigen Reparaturerfolg galt auch für die Kameraübertragung „Blick frei“ auf weitere große Ereignisse. Doch auch an diesem Tag gab es nichts Aufregendes zu vermelden. Sonnenschein und Regenschauer wechselten sich heute erneut in schneller Folge ab und über 10 Grad kletterte das Thermometer abermals nicht. Kein gutes Reisewetter für reisewillige Störche. Man wartet eben mit der letzten Flugstrecke ein paar Tage ab und verweilt an anderer Stelle, bis der Wetterbericht bessere Bedingungen verheißt.

So mussten wir abermals auf das Eintreffen einer Braut vergeblich warten. Schorsch drohte zwar einige Male in die Luft, aber nach einer einzigen Klapperstrophe gab er bereits Entwarnung. Blinder Alarm!  


Dicke Luft?

Nichts wie hinterher!

Müßig zu erwähnen, dass unser aller Georg sein Nest immer weiter auf Vordermann brachte und viel Zeit hatte, sein Alleinsein (noch) zu genießen. 


Kommet herzu,
es ist alles bereit

Wer rauscht denn da heran?
Der Schorsch!


Ein Prachtbursche mit zwei Metern Spannweite!


Auch von der Seite sind es zwei Meter!

 
5. Apr. 06

Ein schon fast wieder winterlicher Tag. Im Süden Bayerns gab es Neuschnee und auch im wärmeren Mittelfranken blieben die Höchsttemperaturen gerade mal bei 6 Grad hängen und einzelne, kurze Schnee- und Schneeregenschauer erinnerten alle daran, dass auch im April mit Kaltluftvorstößen zu rechnen ist.

Unseren Schorsch focht das in keiner Weise an. Er ging seinen täglichen Aufgaben nach und erfüllte diese zu seiner und unserer Zufriedenheit. In den Mittagsstunden – so wie in den vergangenen Wochen schon zur Routine geworden – verhielt sich der Nestbesetzer mal auffallend unruhig. Das Flügelpumpen und Drohen nahm an Intensität zu und der kundige Beobachter wusste sofort Bescheid: Da liegt was in der Luft! Dass die Bedrohung schließlich sogar Gestalt annahm, war einem großen Zufall zu verdanken. Ein Schnappschuss aus dem Forum von Vetschau zeigte Georg im Nest sowie zwischen Nest und Paulskirche einen Fremdstorch im Anflug. Da dieser das Nest selbst nicht in Augenschein nahm, blieb es bei dieser Kurzsichtung von einer Sekunde.


Gefahr im Anmarsch

Schorsch – im Hintergrund der Fremdstorch

Danach – Georg beruhigte sich wieder – muss der Interessent  Georgs Einflussbereich schnell wieder verlassen haben, denn weitere Sichtungen oder gar eine Landung im Nest fand nicht statt. Auch die Erregung des Solisten im Nest flaute ab und Georg kehrte zur Tagesordnung über. Eine Einschränkung sei dennoch gestattet: Adebar machte sich während des gesamten Nachmittags ausgesprochen rar am Nest. Er fehlte sogar über mehrere Stunden ganz! Das spricht dafür, dass er dem Vorbei-Flieger gefolgt war und dabei sicherlich erneut weit über die eigentlichen Grenzen seines „Herrschaftsgebieteshinausgeflogen war. Zwei Minuten vor 20 Uhr war er auf jeden Fall wieder zurück, ohne Partnerin.


Zurück vom langen Ausflug

In den Vormittagsstunden wurde abermals fleißig am Nest gebaut und jede Menge an verschiedenen Nistmaterialien eingetragen.


Mal kam Schorsch mit Stroh...

...mal mit Ästen


Alles wird fein und säuberlich eingebaut!

Schade, dass bisher alle Mühe nichts gefruchtet hat und sich noch keine Interessentin für den schmucken Bau ernsthaft interessierte. Am Nachmittag – Georg war sehr lange aushäusig – ließ es das Dohlenvolk ziemlich krachen. In kleineren und größeren Gruppen bemächtigten sie sich des Nestes und schleppten davon, was sie und ihre Schnäbel fassen konnten. Manchmal war man versucht, die Diebe zur Ordnung zu rufen!


Da wird mancher Schnabel voll genommen!

Georg wird aber den verhältnismäßig geringen Schwund seines Nistmaterials leicht verkraften und verschmerzen. Mit einem Flug kann er das, was die Dohlen davon schleppten, wieder ergänzen.

Eine einsame Nacht senkte sich schließlich über die historische Altstadt von Dinkelsbühl.

 
6. Apr. 06

12 Uhr mittags! Nicht nur der Titel eines weltberühmten Westernklassikers mit Garry Cooper, sondern auch der Zeitpunkt, an dem sich um das Dinkelsbühler Nest seit Wochen schon wichtige Ereignisse abspielen. Auch heute war das nicht anders!

Doch lassen Sie mir die Geschehnisse der Reihe nach erzählen.

Es begann im Morgengrauen mit einem reichlich unterkühlten Georg, der bei frostigen fünf Minusgraden sein bereiftes Nest wie eine Trutzburg besetzt hielt. Dass er diese Festung von Zeit zu Zeit verließ, um sich um neues Nistmaterial zu kümmern, überraschte niemanden mehr. Während die Sonne im Laufe des Vormittages immer mehr Raum gewann und schließlich am Nachmittag bescheidene 12 Grad vorweisen konnte, ließ zumindest ansatzweise Frühlingsgefühle aufkommen.


Georg, eisgekühlt!

Georg als Baumeister!

Als sich die Uhr der Mittagsstunde näherte, bemerkte man an Georgs innerer und äußerer Unruhe, dass im wahrsten Sinne des Wortes etwas in der Luft lag oder besser gesagt, etwas sich in der Luft über ihm bewegte. Die Vermutung erwies sich kurz nach 11:30 Uhr als vollkommen richtig, drängte sich doch ein zweiter Storch ins Rathausnest zu Georg, was beide den Anwohnern mit anhaltendem Geklappere ankündigten. Ich konnte diesen Augenblick mit eigenen Augen erleben, da ich gerade in diesem Moment an meinem Arbeitsplatz in der Schule die Bilder aus dem Nest laufen hatte.


Erster Nestkontakt von Nummer 6

Als Ringspezialist musterte ich als erstes die hinteren Extremitäten des neuen Nestbesuchers und erkannte sofort am rechten Bein oberhalb der Zehen einen extrem flachen und somit auch sehr kleinen Aluminiumring, der nun gar nicht dem Typus eines offiziellen Vogelwartenrings entsprach.


Deutlich ist der kleine Ring zu sehen!

Vielmehr werden solche Markierungen von privaten Gehegehaltungen oder Privatzoos verwendet, meistens jedoch noch in Verbindung mit einem zweiten Ring. Einen solchen trägt der neue Nestbewohner aber nicht. Bei der Seltenheit eines derartig beringten Storches erinnerte ich mich sofort an einen ebenfalls rechts über den Zehen beringten Adebar, den ich im vergangenen Jahr an zwei Orten beobachten und dessen Ringinschrift ich schließlich ablesen konnte. Für mich besteht kein Zweifel, dass es sich bei unserem neuen Nestbewohner um genau diesen Storch handeln muss!

Von Ende Mai bis weit in den August des Jahres 2005 hinein hielt sich dieser Storch in Großenried, Landkreis Ansbach, an der Altmühl auf. Zusammen mit einem unberingten Partner war es nach 1999 wieder der erste längerfristige Aufenthalt von Storchen in diesem Ort. Als ich Gelegenheit hatte, das Paar längere Zeit in den Wiesen vor dem Ort zu beobachten notierte ich mir: Ringstorch ist wahrscheinlich das Weibchen. Überraschenderweise kam mir der ungewöhnliche Ringstorch noch einmal vor mein Fernglas. Am 25. September 2005 stand derselbe Storch auf dem Dach der Kirche von Wittelshofen am Hesselberg, etwa 12 Kilometer östlich von Dinkelsbühl. Schon einige Tage vorher war er regelmäßiger Übernachtungsgast gewesen und auch danach soll er noch einige Tage anwesend gewesen sein. Ob danach ein Abflug ins Winterquartier erfolgte oder ob er sich an seinen Geburtsstandort erinnerte und dorthin zurückflog, ist nicht bekannt. Leider kann über die Ringinschrift nichts über die Herkunft des Storches gesagt werden. Natürlich gibt es daneben auch keine weiteren Daten, die das bisherige Leben ein wenig aufhellen könnten. Vielleicht hilft es aber, wenn ich die Ringinschrift in meinem Tagebuch einmal genau skizziere und der Zufall bei der Lösung behilflich sein könnte. Der Aluminiumring besitzt eine Höhe von 5 Millimetern. Auf der gesamten Ringfläche, die ansonsten keinerlei Prägungen besitzt, stehen die Großbuchstaben FPG und nach einer kleinen Lücke die Zahlen 114. Das war es schon!

Nun hatte sich der oder die Neue also unser Nest für eine mögliche Brut ausgesucht. Doch sehr schnell wendete sich das Blatt und Georg und die Neue gerieten aneinander. Georg stieß sie mehrmals in kurzen Abständen von der Bett-, nein Nestkante.

 
Was sich liebt, das neckt sich!

Es folgte zwar immer wieder eine schnelle Rückkehr mit anhaltenden Klapperstrophen, doch nach weniger als 10 Minuten endete die kurze Romanze mit dem Abflug der Jungvermählten und kurz darauf mit Georgs alleiniger Rückkehr. Sollte er Partnerin Nummer 6 – wie bisher in den meisten Fällen – schon nach wenigen Minuten zu den Akten gelegt haben?

Die nächsten Stunden sahen einen Schorsch, der nie so richtig zur Ruhe kam, ständig in die Luft äugte, drohte, klapperte und sich ziemlich aufgeregt gebärdete.

Genau um 17:05 Uhr folgte die Erklärung der Verhaltensauffälligkeiten! Es erschien und landete derselbe Storch wie um die Mittagszeit bei Schorsch im Nest.


Die Rückkehr der Neuen!

Sicher hatte er sich in den vergangenen Stunden schon immer in der Nähe aufgehalten und hatte sicher auch dabei mehrmals das Nest umkreist. Nun erlaubte der Nestinhaber eine weitere Landung. Welch hormonelle Ausnahmeerscheinung bei Schorsch herrschen musste, beweist sein sofortiger Kopulationsversuch, kaum dass die Neue gelandet war.


Der Schorsch mächtig in Aktion!..

 
Eine lange Reihe von Vergewaltigungsversuchen


Schorsch landet nach einer Platzrunde

Nummer 6 – und ich bleibe vorerst bei dieser Benennung – kam und kommt im Typ Georgs Vorgängerinnen gleich: Als auffallendstes Kennzeichen wäre da erneut die durch eine auffällige Langbeinigkeit gekennzeichnete Körpergröße zu nennen. Schorsch ist dadurch auf jeden Fall kleiner als seine Partnerin. Während bei Georg eine „blütenweiße Weste“ zu beobachten ist, erweist sich „Sie“ mit einem zarten Grauschleier behaftet, der das Weiß im Gefieder nicht so strahlend erscheinen lässt. Außerdem zeigt sich im Augenblick am linken Flügel, dort wo die schwarzen und die weißen Federn eine glatte Kante bilden, ein schwarzer, strichartigerFleck, der durch die Mauser einer kleinen Armdecke entstanden sein könnte und dadurch den Blick auf eine darunter liegende große Armdecke freigibt.

Zurück zu den ersten Kopulationen: Entweder konnte Georg vor lauter Aufregung nicht oder „Siewollte nicht. Wahrscheinlich lag es an beiden, dass keine einzige Kopula ihr Ziel erreichte und ausnahmslos alle reichlich stümperhaft verliefen und von nur geringer Erfahrung und Harmonie gekennzeichnet waren.

 
So geht das aber nicht!


Keine Harmonie vorhanden!

Georg wartete schon gar nicht, bis sie durch Absenken des Kopfes und durch das Einnehmen einer breitbeinigen Stellung ihre Bereitschaft bekundete, sondern er sprang aus jeder nur erdenklichen Position auf den Rücken seiner Nummer 6 und gab danach eine wirklich erbärmliche Figur ab. Außerdem verließ nach jedem dieser missglückten Versuche das Weibchen das Nest, drehte eine Runde, landete wieder und kurz darauf begann das gleiche Spielchen erneut. Beide konnten also für den Rest des Tages mit den neuen Möglichkeiten, die sich für sie durch die Zweisamkeit ergeben hatten, nichts Positives anfangen. So wird das nichts, meine Lieben! Man ist fast versucht zu glauben, dass beide in Sachen Liebe noch wenig Erfahrungen vorweisen können! Handelt es sich bei beiden um echte Grünschnäbel, die erst durch „Versuch und Irrtum“ und durch eigenes Praktizieren auf den richtigen Weg gebracht werden? Ich denke aber doch, dass man sich in den nächsten Tagen an seine Möglichkeiten erinnert oder diese zumindest erfolgreicher in die Tat umsetzt als in den ersten gemeinsamen Stunden.

Georg ließ sich auch in den Abend- und Nachtstunden nicht beirren, seine Partnerin immer wieder zu besteigen, jedoch mit dem gleichen Ergebnis, nämlich erfolglos! Da „Sie“ nach seinen Vergewaltigungen durch die kaum zu haltende Balance stets für kurze Zeit das Nest verlassen musste, wurde es wegen der einsetzenden Dunkelheit immer schwieriger, das Nest danach wieder anzusteuern.


Nächtlicher Abflug von Nummer 6

Noch ist man gemeinsam im Nest

Nach einem dieser Abflüge, die Kamera hatte ihre Übertragung bereits eingestellt, musste Nummer 6 an anderer Stelle in der Nähe des Nestes gelandet sein, denn am Morgen des 7. April, fand man nur Georg im dunklen Nest vor. Die so sehr Bedrängte hatte es also vorgezogen, wenigstens für einige Stunden vor dem geilen Schorsch in Sicherheit zu sein. Werden sich die beiden noch zusammenraufen? Wird es erneut eine Beziehung für wenige Stunden bleiben? Wir dürfen die Entwicklung der nächsten Tage mit großer Spannung und großen Erwartungen angehen.

Erst dann werde ich Sie an das Begrüßungsgeld erinnern, das bei erfolgter Paarbildung fällig werden sollte!

 
7. Apr. 06

Die ersten, noch nächtlichen Schnappschüsse ließen es deutlich werden! Georg hatte zumindest einen Teil der Nacht alleine im Nest verbracht! Bei frostigen minus fünf Grad eine zusätzliche Belastung, um auf Touren zu kommen.


Frostiger Auftakt! Wo ist Number 6?

Die möglichen Ursachen sind im gestrigen Tagebucheintrag beschrieben und müssen hier nicht wiederholt werden. Sollte es also bereits nach einer halben gemeinsamen Nacht mit der neuen Beziehung wieder vorbei sein? Zu verdenken wäre es unserer Nummer 6, aber auch unserem Schorsch, nicht. Beiden blieb bisher das „Salz in der Suppe“ einer jeden Beziehung versagt. Sollte Nummer 6 Georg bereits den Laufpass gegeben haben, weil er sich nicht in der Lage sah, seinen Gast zu beglücken? Oder war es doch eher umgekehrt? Sah Schorsch seine Bemühungen durch die Unerfahrenheit seiner Partnerin ad absurdum geführt? So nutzte der „Hausherr ohne Fortune“ seine wiedergewonnene Einsamkeit und baute fleißig an seinem Eigenheim weiter.


So lange ich alleine bin, baue ich wenigstens die Wohnung aus!

Doch Nummer 6 gab schon bald die Antwort selbst. Reumütig kehrte sie nach Stunden der Abwesenheit, die sie sicher mit der Nahrungssuche verbunden hatte, wieder ins Nest zurück. Dort wurde sie von Schorsch gegen 9 Uhr auch gleich begeistert empfangen.


Wo warst du denn, meine Nummer 6?

Er begann erneut seine Kopulationsversuche, die aber, so wie gestern, allesamt recht unausgegoren wirkten und wieder nicht zum eigentlichen Ziel führten.

   
Georg kann es immer noch nicht richtig!

Was danach passierte, irritierte mich zunächst schon etwas. Hatte sich da ein Schwulenpaar gefunden? So als ob Nummer 6 ihrem Partner zeigen wollte, wie man erfolgreich kopuliert, bestieg die vermeintliche „Sie“ unseren Schorsch und zeigte ihm, was eine Harke ist. Dabei übernahm sie den männlichen Part in einer wesentlich konstruktiveren Art und Weise und auch Schorsch war keineswegs so ablehnend, wie unsere Nummer 6 als Untermann bzw. Unterfrau.    

 
Sie auf ihm!

Auch wenn im weiteren Verlauf Schorsch die Neue häufiger bestieg, blieben Positionswechsel dennoch nicht aus. Haben wir es nun dadurch mit einem Schwulenpaar zu tun? Solche Abstimmungsprobleme treten sicher häufiger auf und haben im Grunde nichts zu bedeuten. Sie zeigen aber auch, dass selbst bei einer beobachteten Kopula die Geschlechtsbestimmung nicht eindeutig ablesbar sein muss. Im Augenblick müssen wir die Entwicklung einfach weiter beobachten und die Frage offen lassen, wer nun von beiden das erste Ei legen wird? Unbestritten ist Schorsch beim Nestbau die Nummer eins. Auch wenn es dicke Luft über dem Nest gibt, ist es Schorsch, der dieses verlässt und dem Feind nachfliegt und ihn vertreibt. Ich bleibe deshalb weiter bei meiner Einschätzung: Georg ist der Mann, die Neue eine Storchendame.

Neben den von mir gestern genannten Unterscheidungskriterien des neu formierten Paares gibt es noch ein auffälliges Kennzeichen der Ringstörchin. Ihre Kropffedern (am Hals) sind auffällig ausgeprägt und überragen in der Länge und in der Dichte diejenigen von Schorsch ganz deutlich.

Immer wieder wird im Gästebuch gefragt, ob denn das Nest für zwei Störche und später vielleicht sogar für sechs Individuen (ich rechne einmal vier Junge schon dazu!) nicht viel zu klein sei? Ich kann Sie beruhigen. In den vergangenen Jahren ist die Storchenbehausung zwar ein wenig in die Höhe gewachsen, der Durchmesser veränderte sich dabei vergleichsweise kaum oder gar nicht. Dennoch wurden im Nest 2003 immerhin 4 Junge zum Ausfliegen gebracht und auch die zwei Storchenkinder des vergangenen Jahres hatten nie unter Platzmangel zu leiden. Sehen Sie sich einfach einmal die entsprechenden Tagebucheinträge der genannten Jahre durch, dann werden Sie sicher beruhigt sein und müssen sich wegen der Nestgröße keine Sorgen machen. Dennoch bleibt die Feststellung, dass das Dinkelsbühler Storchennest zu den kleinsten gehört, die ich kenne. Während andere Storchenburgen einen Durchmesser von fast zwei Metern aufweisen, besitzt unser Nest nach meinen Messungen im vergangenen Jahr anlässlich der Beringung einen Innendurchmesser von knapp 90 Zentimetern. Der äußere Durchmesser mit den die Nestmulde begrenzenden Ästen lag immerhin bei 140 Zentimetern. An diesen Maßen sollte sich in der Zwischenzeit nur Unwesentliches geändert haben.

Dass sich das Paar am zweiten gemeinsamen Tag schon ein bisschen gefunden hat, beweisen ganz eindeutig die immer häufiger wiederkehrenden Synchronbewegungen, die sicher auch noch dazu führen werden, dass die Begattungen besser aufeinander abgestimmt werden. So konnte man beide immer wieder bei vollkommen gleichzeitigen Nestbauhandlungen beobachten, ein sicheres Anzeichen der beginnenden Paarfindung.   

 
Synchronarbeit!

Wann können wir mit dem ersten Ei rechnen?, ist eine ebenfalls häufig gestellte Frage. Bei Paaren , die gut miteinander können, weil sie sich aus den Vorjahren kennen und sogar schon Bruten miteinander gezeitigt haben, geht es sicher wesentlich schneller als bei unserem Paar, das in dieser Zusammensetzung noch nie eine Brut versucht hat. Bei alten Hasen geht es in weniger als einer Woche von der Ankunft des zweiten Partners bis zum ersten Ei, bei den anderen liegt die Zeitspanne mehr gegen 14 Tage. Ich rechne also mit dem ersten Ei so zwischen dem 16. und 20. April. Es kann aber auch ganz anders kommen und wir erleben doch noch einen Wechsel eines oder beider Jungvermählten.

Das Paar war – die frühen Vormittagsstunden ausgenommen – fast den ganzen Tag über am Nest. Dies schien auch angebracht zu sein, denn Drohklappern und heftiges Flügelpumpen signalisierten immer wieder, dass sich noch andere Interessenten um das Nest im Luftraum über der Stadt herumtrieben.

Mal sehen, was der morgige Tag bringen wird? Die Nacht verlebten beide erstmals komplett gemeinsam im Nest. Das bedeutet ja schon eine kleine Steigerung gegenüber gestern!

 
8. Apr. 06

Die Harmoniebestrebungen unseres Paares haben erste Früchte hervorgebracht. Die Paarungen sind nach wie vor alles andere als gelungen, jedoch balanciert die Neue unseren Schorsch nun besser aus, so dass sie nach jeder Kopula im Nest stehen bleiben konnte und nicht jeweils zum Abflug genötigt wurde. Es kann allerdings auch sein, dass es Georg inzwischen etwas besser anstellt und weniger belastend auf seine Partnerin einwirkt. Sei es wie es ist! Hauptsache die beiden raufen sich nach und nach zusammen!

 
Georg oben, aber reichlich stümperhaft!


Im Liegen geht es schon auch!

Dennoch übernahm bei einigen Paarungen auch heute die Neue gelegentlich die Rolle, die sonst Georg zustehen sollte. Mit anderen Worten: Unsere Nummer 6 bestieg auch am dritten Tag Schorsch und nahm damit die Männerposition ein. Und „Sie“ stellte sich dabei wesentlich besser an als ihr Ehegespons!

 
Schau, Georg!
So wird das gemacht! Merk dir das doch mal!

Eine Wertung zu diesem Fall scheint nach wie vor schwierig und delikat. Schwul hin oder her! Ganz normal kann man dieses Verhalten wirklich nicht nennen. Da kann man nur bedauern, dass Herkunft, Alter sowie Lebensgeschichte des Ringstorches bzw. der Ringstörchin im Dunkeln bleiben werden, da sein/ihr Ring eindeutig auf eine wenig seriöse Gehegehaltung hindeutet.

Für unser Paar hieß es auch heute fast während des gesamten Tages, standhaft das Nest zu besetzen und zu bewachen, denn bei herrlichem Flugwetter und angenehmen 17 Grad Höchsttemperatur konnte man die wieder frostige Nacht schnell vergessen.


Traute Eintracht bei herrlichem Sonnenschein!


Da schaff ich doch mal wieder etwas Ordnung!
 

Am frühen Abend war das Nest einmal für relativ kurze Zeit unbesetzt, doch schon bald erschien die Neue und behauptete die Stellung.


Wir holen uns mal schnell unser Abendessen!

Wie wichtig dieser Umstand war, sollte sich wenig später noch bewahrheiten. Schon während des Tages – und dies scheint auch jetzt so zu bleiben – gab es immer wieder Luftalarm und beide Partner des Paares lugten dabei unablässig mit schief gelegtem Kopf in den Himmel, um keine Einzelheit zu übersehen. Doch die Dramatik, die auch in diesem Tage wieder steckte, entwickelte sich erst im letzten Licht des Tages kurz nach 20 Uhr. Zunächst musste sich „Sie“ eines Angreifers erwehren, der durch eine sehr blasse Beinfärbung auffiel und ansonsten – soweit ersichtlich – keinen Ring trug. Immer wieder verkeilten sich Körper am und über dem Nest ineinander, bis auch Schorsch – er war wohl kurzzeitig ins Nahrungsgebiet geflogen – sich an den Auseinandersetzungen beteiligte. Lediglich bei einem Schnappschuss wurden die Verhältnisse relativ klar ersichtlich, als nämlich zeitgleich sechs Beine das Nest füllten, also respektive auch drei Störche an den Auseinandersetzungen beteiligt waren.


Kräftemessen um das Nest!

Wir zählen sechs Beine!

Wenn man sich die Beinfärbung des Angreifers betrachtete, war man sehr schnell an Pauline aus dem letzten Jahr erinnert. Könnte es ein Versuch der Brutstörchin von 2005 gewesen sein, ihr altes Nest wieder zu erobern und die Nebenbuhlerin aus dem Feld zu schlagen? Ich halte eine solche Möglichkeit für durchaus relevant und nicht ausgeschlossen, doch als Beweis kann dies nicht herhalten. Es wäre nur zu schön, um wahr zu sein! Nach einigen Minuten beruhigte sich die Szene wieder. Der Feind hatte die von unserem Paar zu verteidigende Zone längst wieder verlassen und vielleicht half auch das immer diffuser werdende Licht unserem Paar als Sieger die Kampfstätte zu verlassen.


Die Ruhe nach dem Sturm!

Da werden wir weiter vor harte Prüfungen gestellt! Im Nest ein schwules Storchenpaar (ich verwende mal diese Bezeichnung, auch im Wissen, dass es verschiedengeschlechtliche Störche sein werden!) und ständig Kämpfe, deren Ausgang völlig offen ist und die ohne weiteres auch noch zu Umpaarungen führen können. Wer sich auf unser Nest einlässt, bekommt wahrlich alles geboten, was das Storchenleben so an Überraschungen bereit hält.

 
9. Apr. 06

Ein denkwürdiger Tag liegt hinter uns. Selten hat unser Nest schon um diese Jahreszeit mit einer solchen Flut von Angriffen und ernsthaften Attacken leben müssen wie an diesem trüben und verregneten Sonntag.

Dabei fing alles so harmlos an. Schorsch und Nummer 6 begrüßten den Morgen in seltener Eintracht und Ruhe und alles schien auf einen gemütlichen Sonntag hinzudeuten.


Lasst uns endlich mal ausschlafen!

Man liebte sich in den unterschiedlichsten Stellungen, mal „Er“ oben, mal „Sie“ und vor allem Georg war es erneut, der seine Flamme in allen nur erdenklichen Variationen nahm, dabei aber offenbar einen nur flüchtigen Blick in das Kamasutra der Liebe geworfen hatte. Ein wirklicher Liebesakt, der zum Erfolg geführt hatte war in der Zeit, in der ich beide beobachtete oder auf Schnappschüssen erleben durfte, nicht dabei.

S06040916 So ganz schlecht ist es nicht, Georg!


Georg auf „Ihr“

Und nun „Sie“ auf „Ihm“

Alles braucht eben seine Zeit. Der eine entpuppt sich als Naturtalent, der andere muss eben üben, üben...

Wenn dann die Partnerin noch sehr wenig Verständnis für die Probleme des anderen zeigt, wird die Angelegenheit natürlich noch wesentlich pikanter und wirkt eher kontraproduktiv. Mal sehen, wohin uns die Sache mit Schorsch noch führt? Sollte es jedoch wirklich Schorsch sein, der da als Akteur vor uns steht, wären seine sexuellen Probleme doch überraschender Natur, denn er wäre dann ja im letzten Jahr an einer Brut mit zwei erfolgreich ausfliegenden Jungen maßgeblich beteiligt gewesen. Also käme dann nur noch „Sie“ in Frage! Und von ihr wissen wir ja leider nur, dass sie beringt ist, dass der Ring ein ganz besonderer ist, dass ich ihn im letzten Sommer bereits an anderer Stelle abgelesen habe, dass „Sie“ also wenigstens 2 Jahre alt sein muss!

Am späten Vormittag begann sich die Unruhe beider Nestbesetzer langsam zu steigern, ein sicheres Indiz, dass sich zu diesem Zeitpunkt bereits ein oder mehrere fremde Störche im Blickfeld von Schorsch & Co befanden.


Höchste Alarmstufe!

Es dauerte danach jedoch noch Stunden, in denen sich die Neststörche keine Minute vom Nest wagten, bis die Gefahr für alle sichtbar wurde. Die Uhr zeigte 15:15 Uhr, als ein fremder Storch, es sollte sich dabei auf Grund der blassen Beinfärbung mit großer Sicherheit um den Angreifer des gestrigen Abends gehandelt haben, am Nest auftauchte und zu heftigen Auseinandersetzungen Anlass gab. Dabei erwiesen sich Georg und seine Partnerin als selbstbewusste und harmonisierende Eheleute, die dem oder der anderen ihr Heim nicht überlassen wollten.

 
 
 

Eindrucksvolle Bilddokumente!

Georg spielte in diesen Minuten ganz den Mann und leistete bei der Verteidigung die Hauptarbeit, genauso wie es sich für richtige Storchenmänner gehört.

Kaum war die höchste Gefahr vorbei, kam es infolge von Übersprunghandlungen zu Paarungen, in denen beide Partner in schon beschriebener Weise wechselseitig den Part des anderen übernahmen.

Wer nun glaubte, dass der Feind endgültig in die Flucht geschlagen sei, sah sich bald getäuscht. Ein erneuter Angriff startete nach 19 Uhr und wogte eine gute halbe Stunde hin und her, ohne dass unser Paar in arge Bedrängnis geriet. Wiederum war es offensichtlich derselbe Storch wie in den anderen Fällen vorher, der noch nicht aufgeben wollte und immer wieder sein Glück versuchte. War es wirklich Pauline?

 
Es geht schon wieder los!

Und noch eine dritte Angriffswelle rollte über das Nest. Diesmal in fast vollkommener Dunkelheit und kurz vor 21 Uhr. Immer wieder sah man die Konturen anfliegender und abfliegender Störche vor dem Hintergrund der angestrahlten Paulskirche. Man erkannte sich zu einem Knäuel ballende Körper, die sich im nächsten Augenblick wieder lösten und klare Konturen abgaben. Erst sehr spät kehrte Ruhe ein. Ein Partner legte sich ins Nest und wurde vom anderen im Schlaf bewacht.

 
Die dritte Angriffswelle rollt!
 
 

 
10. Apr. 06

Regen, Regen und kein Ende! Georg und seine Partnerin standen den ganzen Tag über vollkommen regungslos im Nest.

   
Sie stehn im Regen und warten..!

Es erfolgte in dieser Zeit kein Abflug und damit auch kein Anflug. Es sah so aus, als wollten sich beide von den sicherlich anstrengenden Kampfhandlungen des gestrigen Tages erholen. Bis 17 Uhr waren in Feuchtwangen und damit sicher in ähnlicher Weise auch in Dinkelsbühl 20 Liter Regen auf den Quadratmeter niedergegangen. Die Temperatur sank während des Tages gegenüber den Nachtstunden sogar noch ab und verharrte kontinuierlich bei plus 2 Grad. Kein Wunder, dass die Nestinhaber keinen Drang verspürten, ihre Behausung zu verlassen. Bei diesem Wetter schickt man ja auch keinen Hund vor die Tür, geschweige denn man bringt einen Storch zum Fliegen. Ein Gutes hat die heutige Wetterlage allemal: Georg und Nummer 6 hatten mit keinen Angriffen fremder Störche zu rechnen. Die hielten sich nämlich ebenso mit größeren Flugübungen zurück! 

Es tat sich also während des Tages überhaupt nichts! Erst gegen 18 Uhr drehten beide Störche einige schnelle Runden und nach 19 Uhr blieben sie für einige Minuten dem Nest fern. Das war´s!


Da kommt der erste ja schon wieder!

Als Belohnung für die Eintönigkeit gab es das Paar ununterbrochen zu bestaunen und man musste sich nur wundern, wie klein nasse Störche bei Dauerregen wirken können, wenn sie sich erstens tief ducken und ein wenig zusammenkauern und vor allem wenn die nassen Federn das Luftpolster unter den Wärmespeichern herausdrücken. Dennoch besteht kein Grund, die Störche zu bedauern! Sie sind auf solche Wettersituationen bestens vorbereitet und haben während ihrer über 150 Millionen Jahre dauernden Entwicklungsgeschichte schon ganz andere Extreme überstanden.

Noch etwas hat während der vergangenen zwei Tage mächtig gelitten! Ich spreche vom Nest. Wie schmuck präsentierte es sich beim Erscheinen unserer Nummer 6. Georg hatte es in tagelangem, ununterbrochenem Baueinsatz auf Vordermann gebracht und ansehnlich herausgeputzt. Seit „Sieeingezogen ist, hat sich seine Baulust fast auf Null reduziert! Kein Flug mehr zum Einholen von Nistmaterial, nur noch Sex und Ärger mit anderen Interessenten des Nestes.


Verkehrte Welt! Georg unten, Number six oben!

Gerade die andauernden Kampfhandlungen haben den Nestrand vollkommen eingeebnet. Harte Landungen und ebenso unvermittelte Abflüge haben das Material, das Schorsch zuletzt so gekonnt an den Nestrand angebaut hatte, in die Tiefe stürzen lassen. Der heutige Regen gab der Innenauskleidung der „Wohnung“ den Rest.


Arg ramponiert!

Aber trotz des Dauerregens entstand im Nest nicht einmal eine Andeutung einer Pfütze! Das spricht für die Durchlässigkeit unseres Nestes!

 
11. Apr. 06

Der Regen hat aufgehört! Und auch vom Schnee blieben Mittelfranken und das Dinkelsbühler Storchennest verschont. Weniger Wetterglück hatten in der Nacht und während des gesamten Tages die Storchennester von Isny, Bad Waldsee oder Markt Schwaben, die sich tief verschneit präsentierten. Jedoch bedeuten Schnee und Kälte in diesem Stadium der Brut für die Eier keine Gefahr. Der Brutfleck, eine federlose, stark durchblutete Stelle in der Brustregion der Vögel sorgt dafür, dass die Körperwärme ohne große Verluste an die Eier abgegeben wird. Da spielt es keine Rolle, wenn die Außentemperatur unter Null Grad fällt oder – wie an den genannten Orten – sich ein Haufen Schnee im Nest türmt.

Es blieb den ganzen Tag niederschlagsfrei, jedoch kam das Thermometer trotz zeitweiligem Sonnenschein nicht über die 8 Grad hinaus!

Die bessere Stimmung schien sich heute auch mal wieder auf unsere zwei Nestinhaber zu übertragen.


An diesen Anblick könnte man sich gewöhnen!

Es kehrte Leben in sie zurück, sie machten den einen oder anderen Ausflug, Schorsch brachte mal etwas Nistmaterial von seinen Ausflügen mit und schließlich standen zahlreiche Kopulationen auf dem Programm.


Da besteht Renovierungsbedarf!

Dabei gab es gegenüber den letzten Tagen keine Veränderungen. Beide fungieren jeweils auch in der Position des anderen und man kann nach wie vor nicht sagen, bei wem von beiden es sich nun um das Männchen, bei wem um das Weibchen handeln könnte. Bei der Durchsicht vieler Schnappschüsse fiel schon auf, dass fast nur noch unser vermeintliches Weibchen Georg bestieg und sich dabei sehr gut anstellte. Man hatte einige Male fast den Eindruck, dass dabei auch „Treffer“ zu vermelden sein könnten. Sie sehen, wie vorsichtig ich mich ausdrücke, denn so ganz schlau bin ich aus Schorsch und seinem Partner immer noch nicht geworden.


Sie treiben ein merkwürdiges Spiel!
Schorsch oben und erfolglos!

Schorsch unten! „Sie“ kann es
einfach besser!

 
Unser Schorsch als Untermann, das klappt irgendwie besser!

Dass gleichgeschlechtliche Störche in freier Wildbahn und dazu völlig ohne Not und ungezwungen sich zu einem Paar zusammenschließen, halte ich so ziemlich für ausgeschlossen! Im Zoo gibt es solche Verbindungen, sie entstehen aber nur bei einem Mangel an Auswahlmöglichkeiten. Dies ist bei Schorsch ja nun wirklich nicht gegeben, hatte er doch schon vor seiner letzten Wahl die Möglichkeit, eine Verbindung mit einer Partnerin zu schließen. Darüber hinaus denke ich doch fest, dass sich angeborene Verhaltensmuster in der Weise auswirken, dass gleichgeschlechtliche Störche auf jeden Fall attackiert und vom Nest gejagt werden. Unser Problem lässt sich auf dieser Schiene also nicht angehen. Da greift schon eher die Vermutung, dass es sich vielleicht bei einem oder auch bei beiden Partnern unseres Paares um sehr junge Störche handelt, die noch keine Brut hinter sich haben und somit auf dem Gebiet der sexuellen Vereinigung noch das eine oder andere Problem aufzuweisen haben. Diese Deutung würde ich klar favorisieren und sie würde das schwul-lesbische Verhalten sicher einer Klärung näher bringen.

Dass bei den Kämpfen der vergangenen Tage möglicherweise unser Schorsch abhanden gekommen sein könnte, ist für mich ausgeschlossen. Schorsch ist nach wie vor am Nest und ist der Partner von Nummer 6. Wenn einige GästebuchschreiberInnen bemerken, dass sich das Klappern stark reduziert habe, liegt dies sicher ausschließlich an der Tatsache, dass im Augenblick kein Fremdstorch seine Kreise über Dinkelsbühl mehr zieht. Gestern war daran ganz eindeutig die Wetterlage Schuld und auch heute blieb es bis in den Nachmittag hinein bei schlechter Thermik und damit an einer geringen Bereitschaft der Störche, weite Strecken zu überbrücken. Weit bedeutet in diesem Zusammenhang schon eine Entfernung von wenigen Kilometern.

Wir werden es nicht ändern und müssen weiter gut und konzentriert alle Vorgänge am Nest beobachten. Eines kann man jetzt schon sagen: Es gibt nichts, was es nicht gibt! Unter diesem Aspekt sollten wir das weitere Geschehen entspannt betrachten und einfach staunen, mit was uns unser Paar noch überraschen will.


Studieren Sie die Unterschiede zwischen unseren Hübschen!

 
12. Apr. 06

Wann wird es endlich wieder Frühling? Nach wie vor hängen die Temperaturen so ziemlich im Keller und bei 4 Grad Höchsttemperatur war man heute eher an einen lauen Wintertag erinnert! Die nasskalte Witterung ließ auch bei unserem Storchenpaar wenig Aktivitäten zu. Man vertrieb sich die Zeit meist im Nest, flog gelegentlich für kurze Zeit ab, um, wie im Falle von Schorsch, etwas Nistmaterial in Form von Altgras nachzulegen oder um sich draußen vor den Toren der Stadt zu verköstigen.


Schorsch hat den Nestbau
wieder aufgenommen

Ich hole mal schnell
weiteren Nachschub

Von Claudia, sie wohnt in Dinkelsbühl, kann die Störche täglich live bewundern und erfreut durch liebe Einträge im Gästebuch, erhielt ich heute einige Fotos zur Verfügung gestellt. Sie zeigen unser Paar gemeinsam bei der Nahrungssuche auf der Schwedenwiese. Nun handelt es sich bei diesem Biotop nicht gerade um einen typischen Storchennahrungsplatz. Der einzige Vorteil ist die unmittelbare Nestnähe. Da es gestern außerdem sehr viel regnete und ein weiter Flug für Schorsch & Co. wenig ratsam schien und die Regenwürmer eh mehr an der Erdoberfläche schwammen, mag dieser Platz ja noch angemessen erscheinen.






Carolas Schnappschüsse von der Schwedenwiese

Wem Dinkelsbühl ein wenig bekannt ist, sei gesagt, dass auf dieser genannten Schwedenwiese ein Großparkplatz für Besucher der Stadt eingerichtet ist, dass während des 30jährigen Krieges dort die Truppen des schwedischen Königs gelagert haben sollen und dass jedes Jahr an dieser Stelle im Juli während der Kinderzeche die „Dinkelsbühler Schweden“ die Szenen von damals nachspielen. Carola schreibt zu den Bildern, dass Georg und seine Partnerin (?) äußerst zutraulich gewesen und auch durch ein auf sie zulaufendes Kind nicht zum Abfliegen zu bewegen gewesen seien. Danke, liebe Claudia, für diese wertvollen Beobachtungen, die sich mit meinen Kontakten mit dem Ringstorch des Paares aus dem Vorjahr decken. Mir fiel damals ebenfalls dessen große Vertrautheit auf, die eine Annäherung auf wenige Meter gestattete. Zusammen mit dem ungewöhnlichen Ring (Privatzoo, Gehegehaltung), der auf einen zumindest zeitweiligen Aufenthalt des Ringträgers in Gefangenschaft hinweist und einen dadurch sicher bedingten engen Kontakt mit Menschen beinhaltet, gäbe dieses Verhalten sicher einen Sinn. Vor zwei Jahren sprach ich beim Erscheinen der Ringstörchin aus dem Zoo Rheine auf unserem Rathausnest und ihrem späteren Unfalltod in der Dinkelsbühler Kläranlage davon, dass Störche, die längere Zeit in Gefangenschaft verbringen mussten, sehr häufig ein von Wildstörchen abweichendes Verhalten aufweisen. Die große Zutraulichkeit und das damit leider auch verbundene größere Gefahrenpotenzial, das solchen Störchen droht (besonders auf dem Zug und während des Aufenthaltes im Winterquartier), muss bei unserem Ringstorch bei allen Beobachtungen mit eingeplant werden.

Zur „Geschlechterfrage“ liegen mir keine neuen Erkenntnisse vor. Georg zeigt sich noch nicht versierter in der Ausübung seiner ehelichen Pflichten. Bei seiner wie auch  immer gearteten Partnerin konnte er bislang keinen Vollzug melden. Da sehen die „Besteigungen“ von „Ihr“ bei „Ihm“ schon wesentlich gekonnter aus und wenn man nicht so genau beobachten würde, wie wir Webcamgucker, dann würde man sein Hab und Gut auf „Sie“ als Männchen des Paares setzen.


Schorsch in Weibchenposition

Schorsch nun oben, aber nicht erfolgreich

Wir wissen aber genau, dass dies auch andersherum sein könnte. Man hat es wirklich nicht einfach mit dem Paar des Jahres 2006! Dass wir nun allesamt nach sechs Tagen trauter Zweisamkeit nicht eindeutig wissen, ob „Er“ eine „Sie“ oder „Sie“ ein „Er“ ist, kommt sicher nicht alle Tage vor und selbst für mich bleibt es bei „XY ungelöst“. 

Ob eine nicht auszuschließende erneute Attacke eines oder mehrerer Fremdstörche in dieser Situation zu einem Wechsel der Paarbeziehung führen könnte, bleibt abzuwarten. Oder werden wir in den nächsten Tagen durch die Ablage des ersten Eies vor neue Rätsel gestellt? Ich denke bei aller Verwirrung um unseren Schorsch, von dem wir ja noch nie wussten, ob er es wirklich ist, werden wir in nächster Zeit die eine oder andere neue Überraschung erleben. Dass beide Partner eine Beziehung eingegangen sind, die von vorneherein keine Aussichten auf eine erfolgreiche Brut einschließt, halte ich biologisch für abwegig. Es bleibt als einzige Erklärung – und darüber habe ich ja schon früher berichtet – dass es sich zumindest bei einem der beiden Störche um ein sehr junges Exemplar handelt, das einfach noch nicht in der Lage ist, eine Brut einzuleiten und durchzuführen.

 
Synchronarbeit!
Wenigstens das beherrscht unser Paar!

In einem solchen Falle hätten wir mit einer eventuellen Jungenaufzucht sicher Probleme. Doch für solche Paare wird es schwierig, sich gegen erfahrenere Störche, die sicher noch unterwegs sind und auch in nächster Zeit Dinkelsbühl erreichen, durchzusetzen. Ich spekuliere in einem solchen Fall mit einem Partnerwechsel oder mit einem komplett neuen Paar.  

Behalten Sie also stets Platz vor den Monitoren Ihrer PCs und staunen Sie mit mir über die Bewohner unseres Nestes!

 

 

  Bitte unterstützen Sie auch 2006 wieder unsere Spendenaktion zum Erhalt und die Verbesserung des Lebensraumes der Lebensgemeinschaft „Flussaue“. Über die Fortschritte im Biotopankauf werden wir Sie demnächst informieren.

 
 

Und noch zwei  kleine Hinweise in eigener Sache:

  • Unterstützen Sie unsere Biotopankäufe mit dem Kauf von
    BN-Souvenirs


  • Da wir auch immer wieder Rückmeldungen von Kindern und Pädagogen bekommen, die unsere Website mit Interesse und Freude verfolgen, möchten wir auch auf die verschiedenen Angebote des Bund Naturschutz für Kinder und Jugendliche hinweisen.
    Informationen und Programme für den Landkreis Ansbach finden Sie hier:

Kinderzeit

 
 

Hier geht es zu "Poetisches aus dem Gästebuch"

und hier zum Storchenbuch der Maischule Fürth.

 

Translate this page with altavista BABEL FISH

Auch in der storchenlosen Winterzeit sind weitere Spenden eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum Erhalt der Webcam und zur Sicherung des Lebensraumes unserer Störche.

Thomas Ziegler

Home ] Nach oben ] Storchentagebuch 1 ] Storchentagebuch 2 ] [ Storchentagebuch 3 ] Storchentagebuch 4 ] Storchentagebuch 5 ] Storchentagebuch 6 ] Storchentagebuch 7 ] Storchentagebuch 8 ] Storchentagebuch 9 ] Storchentagebuch 10 ] Storchentagebuch 11 ] Storchentagebuch 12 ] Storchentagebuch 13 ]

Storchentagebuch 2001 ] Storchentagebuch 2002 ] Storchentagebuch 2003 ] Storchentagebuch 2004 ] Storchentagebuch 2005 ] Storchentagebuch 2006 ] Storchentagebuch 2007 ] Storchentagebuch 2008 ] Storchentagebuch 2009 ] Storchentagebuch 2010 ] Reisebericht ]

Webmaster